Die Welt ist noch zu retten - Carina Wohlleben - E-Book
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Die Welt ist noch zu retten E-Book

Carina Wohlleben

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Beschreibung

Gemeinsam sind wir stark, so Carina Wohllebens Credo. Voller Optimismus und ohne zu belehren, zeigt sie Wege auf, wie wir die Liebe zur Natur wiederentdecken und den Kampf gegen den Klimawandel aufnehmen können. Dabei spricht sie sowohl globale Themen an wie Fleischproduktion und Tierhaltung, industriellen Ackerbau und Forstwirtschaft, die wachsende Weltbevölkerung und den schwelenden Konflikt zwischen Alt und Jung, erzählt aber auch sehr persönlich von ihrem Leben und dem stetigen Drahtseilakt, Umweltschutz und Alltag zu vereinbaren. Die Erkenntnis, dass man allein durch den Verzicht auf tierische Produkte seinen ökologischen Fußabdruck um 25 Prozent reduzieren kann, hat Carina Wohlleben veranlasst, sich vegan zu ernähren. Anhand vieler konkreter Beispiele führt sie vor Augen, weshalb es lohnt, sich für eine lebenswerte Zukunft zu engagieren, und dass wir gute Chancen haben, die Welt Stück für Stück zum Positiven zu verändern. Überzeugend, zuversichtlich, motivierend!

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Über dieses Buch:

Voller Optimismus zeigt Carina Wohlleben, wie wir die Liebe zur Natur wiederentdecken und den Kampf gegen den Klimawandel aufnehmen können. Sie erzählt von ihrem eigenen Leben und dem stetigen Drahtseilakt, Umweltschutz und Alltag zu vereinbaren. Anhand vieler Beispiele führt sie uns vor Augen, wie wir mit unseren persönlichen Entscheidungen einen Einfluss auf globale Probleme wie Massentierhaltung, industrieller Ackerbau und verunreinigte Meere nehmen können – und wie jeder dazu beitragen kann, dass die Welt auch für unsere Kinder lebenswert bleibt.

Über die Autorin:

Carina Wohlleben, geboren 1991 in Adenau (Eifel), studierte Geografie sowie Naturschutz und Landschaftsökologie in Bonn und ist seit 2017 wissenschaftliche Beraterin und Teilhaberin der von ihrem Vater gegründeten Waldakademie. Dort führt sie Veranstaltungen für Kinder und Erwachsene rund um das Thema Wald durch. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern im Sauerland.

CARINA WOHLLEBEN

DIE WELT

IST NOCH

ZU RETTEN

Konsum reduzieren,

Lebensqualität gewinnen,

die Klimabilanz verbessern

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright © 2021 by Ludwig Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Angelika Lieke

Umschlaggestaltung: Eisele Grafik-Design, München,

unter Verwendung eines Fotos von Getty Images/Martin Ruegner

Satz: Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-26420-8V001

www.ludwig-verlag.de

Für Bjarne und Lia

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Mein Weg in die tierfreie Ernährung

Aller Anfang ist schwer

Jede Menge Vorurteile

Paradies in Flammen

Eine Frage der Moral

Weniger ist mehr

Der hohe Preis für Massenware

Wahrer Fortschritt in Wald und Flur?

Verlorene Verbindung?

Rangfolge der Empathie

Auf der Pirsch

Aus den Augen, aus dem Sinn

Grenzen überwinden

Der tägliche Drahtseilakt

Keine Wahl

Shopping von daheim

Für die Tonne

Frische Luft?

Anreize schaffen

Mit alten Gewohnheiten brechen

Wer gestaltet unsere Zukunft?

Es wird eng

Engagement zahlt sich aus

Frühe Verantwortung

Wo stehen wir?

Unsere Waldakademie

Hoffnung keimt auf

Meine Vision von der Zukunft

Einfache Tipps für mehr Umweltbewusstsein im Alltag

Danksagung

Anmerkungen

Vorwort

Als Kind habe ich von meinen Eltern viel über Tiere und Pflanzen gelernt. Das war als Tochter von Miriam und Peter Wohlleben vermutlich unvermeidlich. Auch lebten wir im Forsthaus direkt am Rand des Waldes, wo die ganze Familie seit 1991 wohnte, nah an der Natur, und hatten unseren eigenen Gemüsegarten, Kaninchen, Hühner, Ziegen und Pferde. Aber glaubt nur ja nicht, dass ich deshalb ein besonders umweltbewusstes Leben geführt hätte. Bis vor Kurzem war ich in meinem Alltag genauso inkonsequent wie vermutlich die meisten von uns: Zwar wusste ich um all die Probleme, die unser gedankenloser Lebensstil verursacht, und auch, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen unserem Verhalten und dem katastrophalen Zustand unserer Umwelt – aber dass ich mein eigenes Leben deshalb ändern müsste, kam mir nicht in den Sinn. Die Macht der Gewohnheit und sicher auch die Bequemlichkeit waren einfach zu stark. So blieb es lange bei dieser Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln. Erst im Alter von 27 Jahren änderte sich das. Auslöser dafür waren zwei Ereignisse. Das eine: Ich war 2018 Mutter geworden. Das andere war ein Dokumentarfilm.

Es war ein besonderer Abend für mich. Ein Samstagabend im Winter 2019. Zum ersten Mal seit der Geburt meines Sohnes ging ich mit einer Freundin aus. Es war zwar nur eine Party im Ort, bei der mich die Musik noch nicht einmal sonderlich ansprach, aber es war trotzdem schön, mal ein paar Stunden vom Mama-Alltag abzuschalten. Mein Mann war derweil zu Hause und passte auf den Kleinen auf. Als er im Bett war, klickte er sich auf der Suche nach einem interessanten Film durch Netflix und stieß dabei auf die Dokumentation »The Cowspiracy«. Als ich ein paar Stunden später nach Hause kam, erzählte er mir begeistert davon, und am nächsten Tag schauten wir uns den Film noch einmal gemeinsam an. Diese Reportage ist erschütternd und erhellend zugleich. Sie zeigt auf, welche katastrophalen Auswirkungen die moderne Landwirtschaft auf unseren Planeten hat. Das Ausmaß war uns beiden nicht bewusst. Uns wurde klar, dass wir etwas ändern mussten, und wir beschlossen spontan, uns ab sofort pflanzlich zu ernähren und auf tierische Produkte zu verzichten.

Im Laufe der Zeit hat der Denkanstoß, den der Film uns gegeben hat, sich auf viele Bereiche unseres Lebens ausgewirkt. Heute versuchen wir, mehr Rücksicht auf die Natur zu nehmen und diese Rücksichtnahme in jeden Bereich unseres Alltags zu integrieren. Viele Themen, die mit der Auswirkung unseres Verhaltens auf die Natur in Zusammenhang stehen, haben mich in der letzten Zeit intensiv beschäftigt, was sicherlich auch daran liegt, dass ich inzwischen Mutter von zwei Kindern bin. Ich mache mir zunehmend Gedanken darüber, wie ich den beiden diese Erde hinterlassen möchte. Ich überlege, was ich dafür tun kann, dass auch ihre Lebensqualität so hoch sein wird, wie meine es zum jetzigen Zeitpunkt noch ist. Es ist wichtig, jetzt zu handeln und die Fehler der Vergangenheit so gut wie nur irgend möglich auszubügeln. Das ist die Verantwortung, die meine Generation für alle kommenden Generationen trägt. Das Bild, das wir aktuell von der Zukunft haben, sieht düster aus, allerdings ist es nicht zu spät, um etwas zu ändern. Doch dazu müssen wir aktiv werden, unser Verhalten reflektieren, umdenken und neue Wege finden. Ich bin zuversichtlich, dass wir das gemeinsam schaffen werden. Denn es ist nicht nur eine große Verantwortung, die wir alle tragen, sondern auch eine große Chance, die wir jetzt ergreifen müssen. Unseren Kindern, Enkeln und unserer Erde zuliebe, die uns dieses wunderschöne Zuhause schenkt.

Carina Wohlleben, im März 2021

Mein Weg in die tierfreie Ernährung

Den Großteil meines Lebens habe ich Fleisch, Milchprodukte und Eier konsumiert, so wie es auch momentan noch die meisten Menschen tun. Schätzungen zufolge essen knapp 80 Prozent der Weltbevölkerung Fleisch, wobei diese Zahl mit zunehmendem Wohlstand ärmerer Länder steigen wird.1 Wie die meisten Menschen bin auch ich mit dem Konsum tierischer Produkte aufgewachsen. Es war einfach Teil meiner alltäglichen Ernährung, zu der die Haferflocken mit Milch am Morgen ebenso gehörten wie die Mortadella auf dem Schulbrot, aus der ich mir immer zuerst die Pistazien rausgepult habe. Mir war seit meiner frühen Kindheit klar, was es bedeutet, Fleisch zu essen: Ein Tier muss sterben. Doch trotz des Wissens um diese Konsequenz konnte ich die nur kurz aufflackernden Bilder in meinem Kopf gut verdrängen.

Als ich sechs Wochen alt war, zogen meine Eltern und ich von einer Kleinstadt, in der wir eine kleine Mietwohnung im Souterrain bewohnt hatten, in ein gemütliches Forsthaus. Das Haus liegt in der Eifel, mitten im Grünen, umgeben von Wiesen und Wald. Das, was für meinen zwei Jahre jüngeren Bruder und mich paradiesisch war, war der riesengroße Garten, der das Häuschen umgibt. Wir waren fast täglich draußen. Im Garten stehen viele große Bäume, die zum Klettern einluden, und es ließ sich herrlich Verstecken spielen, besonders an unserem Lieblingsbaum. Die Douglasie hatte bodentiefe, dichte Äste, und so konnten wir bis ganz nach oben in die Krone klettern. Leider wurde sie irgendwann zugunsten des Baus einer Überlandleitung gefällt.

Der Vorgänger meines Vaters hatte auf dem Grundstück eine Weihnachtsbaumkultur angelegt, und die verbliebenen Tannen waren mittlerweile hoch gewachsen. Wiesenfläche gab es kaum, denn auch neben den groß gewordenen Weihnachtsbäumen war alles sehr verwildert. So verbrachten meine Eltern ihre Freizeit meist im Garten und richteten ihn ein wenig her. Ein großer Teil blieb jedoch immer noch verwildert, was nicht auf die Bequemlichkeit, sondern auf die ökologische Einstellung meiner Eltern zurückzuführen war. Vor und hinter dem Haus waren Wildwiesen, die mein Vater nie mähte. Auf ihnen wuchsen die unterschiedlichsten Gräser, Wildkräuter und Blumen und boten ein wahres Paradies für Insekten. Gerade im Sommer war es eine wunderbare Blütenpracht, mit Margeriten und den leuchtend purpurfarbenen Waldweidenröschen. Die lockten so manches Reh auf unser Grundstück, das an ihnen knabbern wollte.

Im Garten war jedoch nicht nur Platz für die Tiere, sondern auch für uns. Meine Eltern hatten einen großen Gemüsegarten angelegt, der von einem hübschen Holzzaun begrenzt wurde. Jeden Zaunpfahl hatte mein Vater eigenhändig mit der Motorsäge angespitzt und danach meiner Mutter noch eine kleine Holzbank gebaut, auf der wir Kinder häufig saßen, während sie ihrer Lieblingsbeschäftigung nachging: stundenlanges, höchst akribisches Unkrautjäten. Im Sommer konnten wir frisches Obst und Gemüse ernten. Die Johannisbeersträucher und Erdbeerpflanzen luden zum Naschen ein, und täglich gab es Salat und frische Zucchini. Bohnen und Kohl mussten geerntet und verarbeitet werden. Die Kartoffeln wurden im Herbst, wenn ihr Grün verwelkt war, ausgemacht, und wir Kinder halfen eifrig mit. Es machte einen Heidenspaß, in der Erde zu wühlen und sich davon überraschen zu lassen, wer wohl die größte Kartoffel hervorholen würde.

Die Kartoffeln wurden ebenso wie die Pastinaken im feuchten Keller des aus den 1930er-Jahren stammenden Hauses eingelagert. Dort hielten sie sich für viele Wochen, und der Vorrat war meist so groß, dass wir nur selten Kartoffeln im Supermarkt kaufen mussten. Um das restliche Gemüse für längere Zeit haltbar zu machen und auch im Winter noch davon zehren zu können, weckte meine Mutter vieles ein. Die Gläser wurden säuberlich beschriftet und ebenso wie die Kartoffeln in unserem Keller gelagert.

War der Winter vorüber und die frühjährliche Aussaat stand an, zeichnete meine Mutter detaillierte Beetpläne, die sie liebevoll mit Buntstiften ausmalte. So konnte man genau sehen, was sie wo und wann gepflanzt hatte. Doch meine Eltern bauten nicht nur Obst und Gemüse an, sondern hielten auch Tiere – und das nicht nur, weil sie so schön anzuschauen waren und man sie streicheln konnte. Nein, nachdem sie in unserem Garten und auf den umliegenden Wiesen ein schönes Leben geführt hatten, wurden sie geschlachtet. Am Schlachttag gingen meine Eltern mit einem Bolzenschussgerät bewaffnet in den Stall oder auf die Wiese. Während die Tiere zum letzten Mal ihre Leibspeise zu fressen bekamen, wurde ihrem Leben ein rasches Ende gesetzt.

Mein Bruder und ich durften nie mit ansehen, wie die Tiere getötet wurden. Erst als sie bereits kopfüber an den Schlachthaken im Türrahmen unseres Schuppens hingen, rief uns unsere Mutter, und wir durften nach draußen kommen. Oft versuchten wir einen Blick durch das kleine Bürofenster meines Vaters hinaus auf das Geschehen zu erhaschen – glücklicherweise immer vergebens. Wenn alles vorbei war, schnappten wir uns unsere Kinderstühlchen und setzten uns vor die geöffnete Schuppentür. Ab diesem Zeitpunkt konnten wir beobachten, wie unser Vater den Tieren das Fell über die Ohren zog und anschließend ihre Innereien herausnahm. Waren sie küchenfertig, nahm unsere Mutter das, was von den Tieren noch übrig geblieben war, mit ins Haus. Dort wusch sie das Fleisch ab, um es anschließend weiterzuverarbeiten. Das Fleisch der Kaninchen packte sie direkt in Gefrierbeutel, die sie mit dem Schlachtdatum und dem Gewicht der Tiere beschriftete, bevor sie in der großen Gefriertruhe in unserem Keller gelagert wurden. In einem Jahr wurde sogar das weiche Fell der niedlichen Tiere verwertet. Mein Vater versuchte sich am Gerben und nähte aus den Kaninchenfellen eine wärmende Mütze. Das Fleisch der Ziegen und Schafe verarbeiteten wir zu Hackfleisch, oder mein Vater stellte daraus selbst geräucherte Würstchen her. Dafür hatte er einen Räucherschrank angeschafft, der in unserem Schuppen stand und während des Räucherns einen herrlichen Duft verströmte.

Ein besonderer Leckerbissen war der Kaninchenbraten meiner Mutter. Zunächst kochte sie das Tier in einer Brühe mit Suppengrün. So hatten wir als Vorspeise immer eine kräftige Kaninchensuppe. Ein Highlight für uns Kinder – wenn ich jetzt darüber nachdenke, klingt es wirklich makaber – waren die Nieren des Kaninchens, die meine Mutter als Suppeneinlage mitkochte. Für jedes Kind gab es eine. Nachdem das Kaninchen in der Suppe gar gekocht war, kam es in den Backofen, wo es richtig schön knusprig wurde. Für meinen Bruder und mich gab es jeweils eine Keule, von der wir das Fleisch abknabbern konnten.

Regelmäßig bekamen wir Kinder Besuch von unseren Schulfreunden oder den Kindern aus dem Dorf. Auch mit ihnen spielten wir oft im Garten, und ganz besonders gerne verbrachten wir Zeit bei unseren Tieren. Entweder hockten wir uns mit etwas Löwenzahn in den großen Kaninchenstall, oder wir gingen zu den Ziegen auf die Weide. Besonders schön war es, wenn die Tiere gerade Junge bekommen hatten, doch irgendwann kam meist eine Frage auf, deren Beantwortung mir unangenehm war: »Was macht ihr denn mit den Kaninchen und Ziegen, wenn sie groß sind?« Wenn ich meinen Freunden, die übrigens alle Fleisch aßen, schließlich erzählte, was den Tieren eines Tages blühte, kam es mir immer vor wie eine Art Beichte, und der Gedanke an ihre möglichen Reaktionen bereitete mir Unbehagen. Dieses Unbehagen hatte ich zu Recht, denn in den meisten Fällen waren die Kinder zutiefst bestürzt – die Kaninchen und Ziegen sind doch so niedlich, wie kann man es nur übers Herz bringen, sie zu schlachten, geschweige denn anschließend zu essen.

Als Kind verstand ich das nicht. Bei den anderen gab es zu Hause doch auch Leberwurstbrote und Bratwürste vom Grill, und mir wurde durch ihre Reaktionen vermittelt, dass meine Familie herzlos sein musste, weil sie Tiere schlachtete. Tiere, die ein wunderschönes Leben hatten und die nie eingepfercht in winzigen Ställen vor sich hin vegetieren mussten. Tiere, die mit ihren Artgenossen in ihren sozialen Strukturen leben durften, die tierärztliche Hilfe bekamen, wenn sie krank wurden, und die keine Qualen leiden mussten, wenn sie geschlachtet wurden.

Inzwischen hat sich meine Einstellung zum Töten von Tieren grundsätzlich verändert, doch lange Zeit machte es mir zumindest bei den Kaninchen nicht das Geringste aus zu wissen, dass sie irgendwann als Braten auf unseren Tellern landen würden. Ich stellte beim Essen den Bezug zum Tier nicht her. Ich machte mir keine Gedanken darüber, dass das, was auf meinem Teller lag, vor ein paar Tagen noch fröhlich über die Weide gesprungen war. Doch das änderte sich irgendwann. Gerade zu den Ziegen baute ich eine sehr enge Beziehung auf. Jeder, der schon einmal Ziegen gehalten hat, weiß, dass sie sehr zahm und anhänglich werden, fast schon wie Hunde.

Unsere Lieblingsziege Schwänli, die uns insgesamt fast 16 Jahre lang begleitet hat, war außergewöhnlich anhänglich. Die Ziegenweide liegt etwa 200 Meter entfernt auf der anderen Straßenseite. Wenn sie von Weitem sah, wie wir uns auf den Weg zu der kleinen Herde machten, rannte sie den Hügel auf der Weide herunter zu ihren Unterständen. Da sie die ranghöchste Ziege war, taten es ihr alle anderen gleich, und ihr Rennen wurde von dem lauten Bimmeln der Glöckchen um ihren Hals begleitet. Sobald wir auf der Weide angekommen und über den Zaun geklettert waren, wurden wir von Schwänli begrüßt, die uns nicht mehr von der Seite wich. Auch duldete sie es nicht, wenn wir mal eine andere Ziege streicheln wollten. Schwänli drängelte sich immer dazwischen und forderte unsere volle Aufmerksamkeit für sich ein.

Den Winter verbrachten die Ziegen im Stall mit einem kleinen Auslauf in unserem Garten. Im Stall hatten sie es warm und waren vor Wind und Wetter geschützt. Das war wichtig, denn im Spätwinter wurden die Lämmer geboren. Oft kamen sie nachts zur Welt. Wenn sich die Geburt ankündigte, polsterte meine Mutter den Stall mit einer dicken Schicht Heu gemütlich aus und schaltete die Wärmelampe ein. So hatten es die frisch geborenen Lämmer, die zunächst von einer feuchten Schicht aus Schleim bedeckt waren, gleich warm und kuschelig. Als Kinder verbrachten wir dann jede freie Minute im Ziegenstall. Einige der Lämmer wurden so zutraulich, dass sie an uns gekuschelt einschliefen, nachdem sie wie kleine Flummis in ihrem Wintergehege umhergesprungen waren. Ab und an kam es vor, dass meine Mutter die Ziegenlämmer mit der Flasche großziehen musste. Entweder, weil ihre Mutter nicht genug Milch hatte, oder weil sie ihr Lamm nicht annahm. Damit die Ziegenbabys auch satt wurden, musste meine Mutter Tag und Nacht mehrmals zum Füttern in den Stall. Diese Lämmer wurden besonders zutraulich und wuchsen uns dadurch noch mehr ans Herz als die anderen.

Natürlich bekam der Ziegennachwuchs auch Namen, die oft mein Bruder und ich aussuchen durften. Im Frühjahr, wenn das Gras schoss und seine Farbe sich von den trist wirkenden Brauntönen in ein sattes Grün verwandelte, kamen die Ziegen auf ihre Sommerweide. Hier hatten sie mehr Platz als am Haus, und ein richtiger Stall war nicht mehr nötig, es reichten ein paar offene Unterstände, um sie bei schlechtem Wetter zu schützen. Es war herrlich, mit anzusehen, wie sich die älteren Ziegen, die die Weide schon von den vorherigen Sommern kannten, freuten, wenn wir mit ihnen den Stall verließen. Meine Eltern hatten die Mutterziegen an einem Führstrick, und die Lämmer liefen hinterher. Mein Bruder und ich waren immer dicht hinter der Herde, um dafür zu sorgen, dass auch keines der Lämmer auf der Straße ausbüxte. Wir fühlten uns wie kleine Ziegenhirten, und wenn wir sahen, dass sich von Weitem ein Auto näherte, winkten wir wie wild mit den Armen, damit es rechtzeitig bremsen konnte.

Wenn die Ziegen dann auf der Weide angekommen waren, liefen sie meist direkt ins hohe Gras und schlugen sich zuerst die Bäuche voll. In den vielen Wochen zuvor hatten sie schließlich darauf verzichten müssen und stattdessen von Heu, Möhren und Weizen gelebt. Ein paar Monate verbrachten sie dann auf ihrer Weide und konnten ihr Leben in vollen Zügen genießen. Jeden Tag gab es frisches Gras in Hülle und Fülle, und man konnte ihnen ihre Lebensfreude geradezu ansehen. Es war einfach schön zu beobachten, wie gut es den Tieren ging.

Kurz bevor die Lämmer geschlechtsreif wurden, fand das Glück jedoch ein jähes Ende. Sie wurden geschlachtet. Insbesondere das Fleisch der Bocklämmer würde nämlich mit Beginn der Geschlechtsreife einen unangenehmen Geschmack bekommen. In einem Jahr, ich war vielleicht zehn oder elf Jahre alt, hatten wir ein Ziegenlamm, das mir ganz besonders ans Herz gewachsen war. Ich taufte das braune Lamm mit den niedlichen kleinen Hörnchen Julia. Ich verbrachte viel Zeit auf der Ziegenweide, und Julia wich mir nicht von der Seite. Das kleine Lamm war in den letzten Wochen eine echte Freundin für mich geworden, doch langsam rückte der Schlachttag immer näher, und ich wurde zunehmend trauriger. Der Gedanke, dass meine Freundin als Hackfleisch in der Bratpfanne landen würde, war so absurd für mich und brach mir das Herz. Ich malte mir in meinem Kopf schon aus, wie ich sie von der Weide entführen und in dem dichten Buchenwald hinter unserem Haus verstecken könnte. Meine Eltern sollten einfach denken, sie sei weggelaufen, und ich würde ihr jeden Tag frisches Wasser und Futter bringen. Niemand würde es bemerken, und so könnte sie steinalt werden und bei mir bleiben. Einen Tag, bevor es so weit sein sollte, erzählte ich meinen Eltern, was mich bedrückte, und sagte, dass ich nicht möchte, dass sie Julia schlachten. Zum Glück nahmen sie meine Sorgen ernst, und meine Lieblingsziege blieb verschont, ganz im Gegensatz zu den Kaninchen. Das machte mir erstaunlicherweise nicht so viel aus, obwohl sie so klein, süß und flauschig waren. Im Nachhinein denke ich, dass es vor allem daran lag, dass sie meist keine Namen hatten und wir dadurch, dass es so viele waren, nicht den Charakter eines jeden Einzelnen kannten. Sie wurden auch nie so zahm und anhänglich wie die Ziegen. Dadurch war die Bindung zu den kleinen Fellknäueln einfach nicht so intensiv.

Nachdem ich im Sommer 2010 die Schule beendet hatte, zog ich mit 19 Jahren zum Studieren nach Bonn. Von da an musste ich den Haushalt, der sich in einem zwölf Quadratmeter großen Studentenzimmer abspielte, selber schmeißen. Dazu gehörte natürlich auch der wöchentliche Einkauf. Ich genoss die Freiheit, selbst bestimmen zu können, was in meinem Einkaufswagen landete. Fester Bestandteil eines jeden Einkaufs war Fleisch in jeglichen Varianten: Verschiedene Sorten Aufschnitt, Hackfleisch und Hähnchenbrust zählten zum Standardrepertoire in meinem kleinen Kühlschrank. Doch ich kaufte kein Biofleisch, denn das war mir viel zu teuer, und mein Studentenbudget war nicht besonders üppig. Ich kaufte billigstes Discounterfleisch, obwohl ich eigentlich genau wusste, was es bedeutet, Fleisch zu essen. Ich tat es also wider besseres Wissen, und ich muss gestehen, dass ich nicht einmal darüber nachdachte, welche Folgen mein Handeln haben könnte. Doch es ist so abstrakt, diese in Plastik abgepackten Fleischstücke in der Kühltheke liegen zu sehen, dass ich nicht das Tier sah, das eine eigene Individualität, einen eigenen Charakter hatte, sondern nur das Produkt. Ich verschwendete keinen Gedanken daran, dass das Tier aller Wahrscheinlichkeit nach unvorstellbare Qualen erleiden musste, bis es schlussendlich tot war, und der Genuss wurde nicht im Geringsten von einem schlechten Gewissen getrübt. Noch dazu war ich damals der Meinung, dass Kohlenhydrate ungesund seien und ich fettarmes tierisches Eiweiß essen müsse, um mich gesund zu ernähren.

Mittlerweile muss ich mir selbst eingestehen, dass ich die Folgen meines Konsums einfach sehr gut verdrängen konnte. Das funktionierte eine ganze Weile wunderbar, und ich aß so gut wie jeden Tag Fleisch. Wenn ich es nicht zu einer Hauptmahlzeit kochte, dann kam wenigstens Wurst aufs Brot. So sah mein Speiseplan fast zehn Jahre lang aus, und ich befand mich damit im gesellschaftlichen Durchschnitt. Ich hinterfragte mein Verhalten nicht, denn die Menschen in meinem Umfeld verhielten sich genauso, und es war daher nie ein Gesprächsthema. Doch das sollte sich ändern.

Es war im Herbst 2019, dass wir gemeinsam mit der Familie beim Abendessen saßen und meine Mutter uns eine herrlich duftende Gemüselasagne servierte. Wie immer, wenn wir zusammenkommen, führten wir eine angeregte Unterhaltung. Dabei erzählten mir meine Eltern und auch mein Bruder und seine Freundin, dass sie sich dazu entschlossen hätten, weitestgehend auf Fleisch zu verzichten. Sie wollten es nicht dogmatisch handhaben und würden im Restaurant oder wenn sie eingeladen sind vielleicht noch mal etwas Fleisch essen, aber sie würden selbst nichts mehr einkaufen.

Mein Mann und ich schauten uns erstaunt an. In mir war schon das ein oder andere Mal der Gedanke aufgeflammt, mich vegetarisch zu ernähren, aber für meinen Mann war es zu diesem Zeitpunkt noch undenkbar. Ihm war es wichtig, jeden Tag Fleisch auf dem Teller zu haben und Brote mit seiner geliebten Schinken- und Leberwurst mit zur Arbeit zu nehmen. Für uns war also klar, dass wir nicht auf Fleisch verzichten wollten, und so führte ich unsere wöchentlichen Einkäufe ohne schlechtes Gewissen wie gewohnt fort. Mein Gang führte mich nach der Obst- und Gemüseabteilung auf direktem Wege zur Fleischtheke. Während ich unsere Wünsche an die Verkäuferin weitergab, mümmelte unser Sohn genüsslich eine Scheibe Schinkenwurst, die er jedes Mal geschenkt bekam.

Aber manchmal kommt eben alles ganz anders. Und Auslöser für diesen Wandel war der bereits erwähnte amerikanische Dokumentarfilm »The Cowspiracy« des Filmemachers Kip Andersen. Er sollte unser Leben nachhaltig verändern. Wir sahen, mit welch unsagbarer Grausamkeit die einzig für unseren Konsum gezüchteten Tiere behandelt werden, und erfuhren, welche Folgen die moderne Viehhaltung für unsere Umwelt und für unser Klima hat. Als der Abspann lief, schaute mein Mann mich an und fragte mich, was wir jetzt mit all den Informationen anfangen sollten. Eigentlich bliebe uns nur eines übrig: vollständig auf den Konsum tierischer Produkte zu verzichten. Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich ihn richtig verstanden hatte. Schließlich war er immer derjenige gewesen, der am liebsten jeden Tag Fleisch aß, und nun wollte er komplett auf Fleisch UND alle anderen tierischen Produkte verzichten?

Ich spürte, wie sich eine große Erleichterung in mir ausbreitete, denn der Film hatte auch mich so tief bewegt, dass mir in einigen Szenen unweigerlich die Tränen gekommen waren. Auch ich hatte das tiefe Bedürfnis, einen anderen Weg einzuschlagen.

Aller Anfang ist schwer

Schon am nächsten Tag setzten wir hoch motiviert unser Vorhaben in die Tat um. Wir hatten Freunde zum Abendessen eingeladen, und ich versuchte mich auch gleich an einem veganen Nachtisch, einer Heidelbeer-Pannacotta. Sie wurde selbstverständlich ohne Gelatine und ohne Sahne zubereitet, sondern stattdessen mit dem pflanzlichen Geliermittel Agar-Agar und Kokosmilch. Leider wurde es ein totaler Reinfall, und auch unsere Freunde waren erleichtert, nicht aus reiner Höflichkeit aufessen zu müssen. Letztendlich blieb mir nichts anderes übrig, als das wunderschön aussehende, aber fürchterlich schmeckende vegane Dessert seinem Schicksal im Mülleimer zu überlassen.

So begannen meine ersten veganen Kochversuche, doch ich ließ mich davon nicht entmutigen. Ich arbeitete mich recht schnell in die Thematik ein, las viele Blogs von Menschen, die sich ebenfalls pflanzlich ernährten, und abonnierte auf Instagram zahlreiche Seiten von veganen Hobbyköchen, die mir Inspiration schenkten.

Beim Einkaufen war ich überrascht, wie viele pflanzliche Ersatzprodukte es inzwischen gibt. Von Milch über Käse bis hin zu Wurst und Schnitzel. Das erleichterte uns den Übergang erheblich. Natürlich schmeckte uns nicht alles. So mancher Käse erinnerte von der Konsistenz her an in Scheiben geschnittene Wachsmalstifte. Mit der Zeit fanden wir jedoch heraus, was für uns passable Fleisch- und Milchprodukt-Alternativen waren. Es fühlte sich ein bisschen so an, als müsste ich das Kochen und Backen neu lernen, weil vieles mit den Ersatzprodukten nicht so klappte, wie ich es gewohnt war. Insbesondere beim Backen ging manches schief, aber das war überhaupt nicht schlimm. Dadurch, dass ich mich viel intensiver mit Lebensmitteln, Vitaminen und Mineralstoffen beschäftigte, wurde unsere Küche viel gesünder und darüber hinaus auch noch abwechslungsreicher. Und es fühlte sich so gut an, zu wissen, dass kein Tier für unseren Konsum leiden musste und dass wir der Umwelt nun deutlich weniger Schaden zufügten als zuvor.

Wir erzählten unseren Familien von unserer Umstellung, und auch unsere Freunde erfuhren recht schnell davon. Uns schlug eine Welle von unterschiedlichen Reaktionen und Meinungen entgegen. Sie reichten von Besorgnis über eine drohende Mangelernährung über Unverständnis bis hin zu Schuldgefühlen, die wir scheinbar durch unsere Entscheidung bei manchem Gegenüber hervorriefen. Einige Freunde fingen plötzlich an, sich für ihr Essverhalten zu rechtfertigen und zu begründen, warum sie es anders machten als wir. Ständig wurde unsere Entscheidung zum Gesprächsthema, und wir mussten uns immer wieder ungefragt die Meinung anderer über unsere Ernährungsweise anhören. Wir haben kein einziges Mal gehört, dass jemand unserer Entscheidung von vornherein positiv gegenüberstand, dabei hatte sie ja keinen direkten Einfluss auf die Menschen in unserem Umfeld.

Wenn ich mich mit Menschen unterhalte, die noch Fleisch oder andere tierische Produkte konsumieren, bemerke ich häufig, dass der Bezug zu den logischen Konsequenzen fehlt, die dieser Konsum mit sich bringt – Tiere müssen sterben, und die Umwelt und das Klima leiden darunter. Das Fehlen des Bezugs ist nachvollziehbar, wenn ich an das Beispiel unserer Ziege denke, der wir einen Namen gegeben hatten. Bei ihr machte mich der Gedanke daran, dass sie geschlachtet würde, sehr traurig, bei den Kaninchen ohne Namen hingegen war es mir mehr oder weniger gleichgültig.

Wenn man das Fleisch in den Kühltheken liegen sieht, dann ist dieser eingeschweißte Klumpen so weit entfernt von einem lebendigen Tier, dass es uns unglaublich schwerzufallen scheint, diese Verbindung überhaupt herzustellen. Und wenn man vor den Eiern und Milchprodukten im Supermarkt steht, ist die Distanz noch viel größer als beim Fleisch. Wenn du noch zu der Fraktion »Fleischesser« gehörst, dann weißt du, dass man beim Anblick des Fleisches im Supermarkt oder beim Metzger kein Mitleid mit den Tieren empfindet. Die einzige Empfindung, die geweckt wird, ist der Appetit beim Gedanken an das Schnitzel am Abend. Es gibt zwar viele Menschen – meiner Erfahrung nach besonders Frauen –, die sich davor ekeln, rohes Fleisch anzufassen oder zu schneiden, doch das tut dem Genuss, wenn es schließlich fertig zubereitet ist, keinen Abbruch.

Ich bin der festen Überzeugung, dass man sich erst sehr intensiv mit dem Thema auseinandersetzen muss, bevor man die Entscheidung, seine Ernährung dauerhaft umzustellen, für sich treffen kann. Es ist nämlich nicht nur der Verzicht, der im Raum steht, sondern auch das Reflektieren des eigenen Handelns. Es muss einem bewusst werden, dass das, was man getan hat, schwerwiegende Folgen für viele Tierleben und unsere Umwelt hatte. Das ist unbequem, und im ersten Moment habe auch ich mich sehr schlecht gefühlt, dass ich so lange die Augen vor der Realität ganz allein aus Bequemlichkeit und Egoismus verschlossen habe. Aber nun kann ich sagen, dass es mir viel besser geht. Ich habe nur noch Mitgefühl, aber kein schlechtes Gewissen mehr, wenn ich auf der Autobahn einen Tiertransporter überhole, den man schon aus einigen Hundert Metern Entfernung durch die geschlossenen Scheiben riecht, weil die Tiere ihr ganzes Leben inmitten ihrer eigenen Fäkalien verbringen müssen. Dieser ethisch-moralische Aspekt war für mich bei meiner Entscheidung, vegan zu leben, ausschlaggebend.

Ja, das bedeutet auch Verzicht. Aber es ist doch nur Fleisch, es sind nur Milchprodukte und es sind nur Eier. Der Wert eines jeden Lebens wiegt für mich deutlich schwerer, und dadurch relativiert sich das Gefühl von Mangel sofort. Außerdem ist die Produktpalette an pflanzlichen Lebensmitteln so reichhaltig und vielfältig, dass es auf dem Teller nie langweilig wird. Durch Verzicht auf der einen Seite gewinnt man auf der anderen Seite viele neue Erfahrungen hinzu.

Dennoch: Man sollte sich bei der Umstellung ruhig Zeit nehmen und nicht allzu hart mit sich ins Gericht gehen, wenn es nicht gleich hundertprozentig klappt. Bei uns war es ein Prozess, der auch jetzt, etwa zwei Jahre nach unserer Entscheidung, noch nicht ganz abgeschlossen ist. Wir können definitiv noch an uns arbeiten. Während der letzten Monate gab es immer wieder Momente, in denen ich nicht so konsequent war, wie ich es mir zu Beginn vorgenommen hatte. Den Verzicht auf Fleisch habe ich zwar direkt umgesetzt und mühelos durchgehalten, aber beim Konsum von Milchprodukten und Eiern bin ich nicht durchgehend standhaft geblieben.

Als ich mit unserem zweiten Kind schwanger wurde, hatte ich unglücklicherweise Heißhunger auf Käse, und ich muss zugeben, dass der pflanzliche Käseersatz diesen Heißhunger nicht stillen konnte. Ich habe also meinen Gelüsten nachgegeben und während der ersten Wochen, in denen ich zudem mit starker Übelkeit zu kämpfen hatte, ab und an Käse und auch das ein oder andere Ei gegessen. Unterwegs musste dann auch mal ein Rosinenbrötchen statt eines normalen trockenen Brötchens herhalten, denn die Auswahl an veganen Produkten ist zumindest bei den Bäckern in unserer Umgebung quasi gleich null. Brot und die meisten herzhaften Brötchensorten sind zwar meist frei von tierischen Inhaltsstoffen, aber wenn es dann mal etwas Süßes oder Belegtes sein soll, hatte ich bislang noch kein Glück. Als die Phase des Heißhungers und der Übelkeit überwunden war, gingen wir wieder dazu über, nur noch pflanzliche Produkte zu kaufen, womit wir auch schon beim Stichwort wären.