Die Wohlfühl-Revolution - Jochen Theurer - E-Book

Die Wohlfühl-Revolution E-Book

Jochen Theurer

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Beschreibung

Dies ist kein typisches "Wir wollen mehr direkte Demokratie"-Buch. Hier findet man weder Floskeln wie "Das Volk ist der Souverän", noch unterwürfiges Betteln bei den Politikern um etwas mehr Bürgerbeteiligung. Die Wohlfühl-Revolution zeigt einen Weg, wie die "einfachen" Menschen in Deutschland selbst Volksabstimmungen einführen können - auch gegen den Willen der Berufspolitiker. Die Wohlfühl-Revolution gibt deshalb Antworten auf Fragen wie: - Warum ignorieren Politiker so oft den Willen der "einfachen" Menschen? - Warum gehorchen ihnen die "einfachen" Menschen trotzdem? - Wie kann man die Berufspolitiker effektiv beeinflussen? - Wie kann man Volksabstimmungen einführen? - Wie muss man vorgehen, um sich dabei nicht strafbar zu machen? DR. Jochen Theurer war mehrere Jahre selbst als Rechtsanwalt tätig. Er ist davon überzeugt, dass Menschen stets die Entscheidungen treffen, von denen sie glauben, dass sie für ihre individuellen Werte und Überzeugungen am Besten sind. Das gilt auch für Berufspolitiker, Richter, Soldaten und Polizisten. Wer in Deutschland Volksabstimmungen einführen will, muss deshalb die Personen, die über die tatsächliche Macht verfügen, glauben machen, dass das für ihre Werte und Überzeugungen am Besten ist.

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Impressum

Die Wohlfühl-Revolution – Eine Anleitung zur Einführung von Volksabstimmungen

Dr. Jochen Theurer

published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

Copyright: © 2012 Dr. Jochen Theurer

ISBN 978-3-8442-4323-9

Einführung

„Probleme kann man niemals durch die gleiche Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ (Albert Einstein)

Liebe Leserin, lieber Leser, die Berufspolitiker beschließen in wichtigen Fragen oftmals das Gegenteil von dem, was die große Mehrheit der Menschen in Deutschland für richtig hält und will. Das trifft auf die Einführung des Euro ebenso zu, wie auf den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan und die vielen hundert Milliarden Euro teure „Rettung“ von Zocker-Banken und Euro-Pleitestaaten.

Viele Menschen haben diese Missachtung ihres Willens mittlerweile satt. In Umfragen sprechen sich regelmäßig drei von vier Befragten für die Einführung von bundesweiten Volksabstimmungen aus. Der Wunsch nach mehr direkter Demokratie ist überall zu spüren. Die Menschen vertrauen den gewählten Repräsentanten nicht mehr und wollen selbst entscheiden. Viele engagieren sich deshalb aktiv in den unterschiedlichsten Initiativen für die Einführung von bundes-weiten Volksabstimmungen.

All diesen Gruppierungen ist jedoch eines gemeinsam: Sie sind bislang völlig erfolglos. Zwar gab es schon mehrere entsprechende Gesetzesentwürfe im Bundestag (2002, 2009 und 2010), aber keiner wurde umgesetzt. Und auch der Umstand, dass bis auf CDU/CSU alle im Bundestag vertretenen Parteien vorgeben, bundesweite Volksabstimmungen einführen zu wollen, täuscht. Stets sind nämlich die wirklich wichtigen, existentiellen Themen von vornherein ausgeschlossen: Über Außenpolitik, Steuergesetze, Europa und die finanzielle Absicherung der Berufspolitiker sollen die „einfachen“ Menschen unter keinen Umständen entscheiden dürfen.

Doch warum haben die Befürworter von Volksabstimmungen keinen Erfolg? Bislang setzen sie auf folgende Strategien: (1.) Überzeugung der Berufspolitiker durch verbale Argumente, (2.) Gründung einer Partei, deren Ziel es ist, Volksabstimmungen einzuführen, (3.) Delegitimierung der Berufspolitiker durch Nicht-Wählen und (4.) Stärkung der direkten Demokratie in Ländern und Gemeinden. Diese Ansätze führen jedoch nicht zum Erfolg, weil sie den Berufspolitikern keinen Grund liefern, von ihrer ablehnenden Haltung abzurücken.

Zu jedem verbalen Argument lässt sich leicht ein Gegenargument konstruieren. Eine Pro-Volksabstimmungspartei hat keine realistische Chance in den Bundestag einzuziehen. Durch Nichtwählen entsteht den Berufspolitikern kein Nachteil, da die Bundestagsmandate stets komplett vergeben werden – unabhängig von der Höhe der Wahlbeteiligung. Volksabstimmungen auf Landes- und Kommunalebene betreffen nur politisch nachrangige Themen und können nicht dazu genutzt werden, um Volksabstimmungen auf Bundesebene gegen den Willen der Berufspolitiker einzuführen.

Aus Sicht der Berufspolitiker ist es daher völlig rational, die Einführung bundesweiter Volksabstimmungen auch weiterhin zu verhindern. Denn dadurch hätten sie nur persönliche Nachteile. Zum einen würden sie einen Teil ihrer bisherigen Macht verlieren. Zum anderen bestünde die Gefahr, dass die Menschen die Privilegien für die Berufspolitiker und deren Gönner und Günstlinge beschneiden.

Um Volksabstimmungen einzuführen bedarf es daher eines völlig anderen Ansatzes. Zunächst muss man sich klar machen, wie man Menschen dazu bringt, dass sie sich auf eine bestimmte Weise verhalten. Rein verbale Argumente reichen dafür häufig nicht.

Generell gilt: Menschen befolgen eine Regel (oder einen Befehl, ein Gesetz usw.) dann, wenn sie sich davon einen größeren Vorteil versprechen, als von der Nichtbefolgung. Um die Berufspolitiker dazu zu bringen, Volksabstimmungen einzuführen, muss man sie deshalb glauben machen, dass dies für sie mehr Vorteile hat, als die Nichteinführung. Dazu kann man die Berufspolitiker mit Belohnungen ködern oder ihnen Nachteile zufügen.

Eine besondere Herausforderung liegt darin, diesen Bewusstseinswechsel bei den Berufspolitikern so zu erreichen, dass dabei keine negativen Folgen für die engagierten Menschen entstehen. Das bedeutet zum einen, dass keine Gewalt eingesetzt wird. Es soll gerade nicht zu einem blutigen Bürgerkrieg, menschenverachtendem Terrorismus oder einer gewalttätigen Revolution kommen. Darüber hinaus sollen die Befürworter von Volksabstimmungen sich auch nicht strafbar machen und staatliche Sanktionen erleiden

Auf den ersten Blick erscheint es relativ schwierig, politische Neuerungen gegen den Willen der herrschenden Klasse durchzusetzen. Historisch gingen solche Versuche zumeist mit blutigen Bürgerkriegen oder Revolutionen einher. Doch Mahatma Gandhi, Martin Luther King und die Menschen in der DDR haben bewiesen, dass auch gewaltfreie Methoden zum Ziel führen können.

Mit den im Folgenden vorgestellten Strategien können Volksabstimmungen gewaltlos eingeführt werden und ohne dass man dadurch gegen Gesetze verstößt oder sich strafbar macht. Das hat den entscheidenden Vorteil, dass keine staatlichen Sanktionen drohen. Im Gegenteil – wer sich für Volksabstimmungen einsetzt kann dabei sogar eine Menge Spaß haben.

Zu diesem Zweck betrachte ich das politische System in Deutschland nicht auf einer theoretisch-idealistischen Ebene, sondern so, wie es sich im praktischen Leben auswirkt. Bundestagsabgeordnete sind dann nicht mehr hehre Volksvertreter, die ausschließlich zum Wohl der Allgemeinheit handeln, sondern ganz gewöhnliche Menschen, die ihre eigenen egoistischen Ziele verfolgen  und dazu alle sich ihnen bietenden Möglichkeiten ausnutzen.

Das Grundgesetz ist keine unantastbare Verfassung, die bis in alle Ewigkeit das Wohl des deutschen Volkes garantiert, sondern ein Regelwerk, das vor mehr als 60 Jahren von einer Handvoll Berufspolitiker entworfen wurde und das von den heutigen Berufspolitikern dazu benutzt wird, ihre Privilegien und ihre Macht über die 80 Millionen Menschen in Deutschland abzusichern.

Richter sind keine über den alltäglichen Dingen stehenden Helden, denen es darum geht, jedermann Gerechtigkeit zukommen zu lassen, sondern einfache Menschen, die  mit möglichst wenig Aufwand und Ärger ihren Lebensunterhalt verdienen wollen.

Diese Sicht der Dinge ist natürlich nur ein mögliches Modell der Welt. Sie ist teilweise ernüchternd, erklärt aber ganz gut einige Phänomene, die im Widerspruch zur „offiziellen“ Staats- und Rechtstheorie stehen. Zudem eröffnen sich auf dieser funktionalen Ebene ganz neue Möglichkeiten, wie man in Deutschland etwas zum Positiven verändern kann.

Jedoch beruhen alle nachfolgenden Ausführungen auf meinem persönlichen Weltbild. Das gilt besonders, wenn ich gewissen Personen ein bestimmtes Motiv für ihr Verhalten unterstelle. Niemand kann wirklich wissen, warum sich ein anderer Mensch auf eine bestimmte Weise verhält. Das gleiche gilt für das Vorliegen von Tatsachen. Letztlich kann jeder nur das wissen, was er selbst mit seinen eigenen Sinnen wahrgenommen hat. Alles andere erfahren wir von Dritten und müssen deshalb darauf vertrauen, dass es sich wirklich so zugetragen hat.

Kapitel 1 – Warum Volksabstimmungen notwendig sind

„Das Volk versteht das meiste falsch, aber es fühlt das meiste richtig.“ (Kurt Tucholsky)

Abstrakt betrachtet sind Volksabstimmungen ein Entscheidungsverfahren, also eine Möglichkeit, aus verschiedenen Alternativen eine auszuwählen. In Deutschland werden derzeit alle wichtigen politischen Entscheidungen durch die Berufspolitiker getroffen. Den größten Einfluss haben dabei die führenden Politiker der etablierten Parteien CDU, CSU, FDP, SPD, Grüne und Linke. Doch das soll sich ändern. In Zukunft sollen die „einfachen“ Menschen eine bestimmte politische Frage selbst entscheiden können, wenn sie das wollen.

Das wird in der Praxis vor allem die wirklich wichtigen, existentiellen politischen Themen betreffen. Volksabstimmungen sind insoweit als Korrektiv zu den Entscheidungen der Berufspolitiker zu verstehen. Denn es wäre nicht sinnvoll, das parlamentarische System komplett abzuschaffen und über jede politische Entscheidung eine Volksabstimmung zu machen. Dafür sind es einfach zu viele und die meisten Entscheidungen sind auch nicht so bedeutsam, als dass sich die Mehrheit der Menschen dafür immer die Zeit nehmen würde, um sich einzuarbeiten.

Die Berufspolitiker können und sollen deshalb auch in Zukunft standardmäßig die meisten politischen Entscheidungen treffen und die entsprechenden Gesetze erlassen. Denn nicht alle von den Berufspolitikern gemachten Gesetze sind schlecht. Die „einfachen“ Menschen sollen jedoch die Möglichkeit haben, bei Bedarf die von den Berufspolitikern verursachten schwerwiegenden Fehlentwicklungen zu korrigieren oder bereits im Vorfeld zu verhindern. Es spricht nämlich viel dafür, dass Volksabstimmungen im Bereich der existentiellen politischen Fragen aus Sicht der „einfachen“ Menschen das bessere Entscheidungsverfahren sind.

Historisch gibt es viele Belege dafür, dass die große Mehrheit der „einfachen“ Menschen in den existentiellen politischen Fragen intuitiv die richtige Entscheidung trifft. Man denke nur an die Einführung des Euro 1999. Die meisten Menschen in Deutschland waren gegen die Abschaffung der DM. Die Berufspolitiker haben das ignoriert. Zehn Jahre später „verschleudern“ die Berufspolitiker für die „Euro-Rettung“ hunderte Milliarden Euro deutscher Steuergelder.

Obwohl die meisten Menschen in Deutschland nicht für die Schulden anderer Staaten haften wollen, beschließen die Berufspolitiker immer neue milliardenschwere „Rettungspakete“, „Rettungsschirme“ und „Stabilitätsmechanismen“ (ESM). Sollten die Berufspolitiker tatsächlich dazu übergehen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) Staatsanleihen von Euro-Krisenstaaten aufkauft, droht eine hohe Inflation. Dann werden nicht nur die Staatsschulden entwertet, sondern wieder einmal auch die Ersparnisse der „einfachen“ Menschen. Doch nicht nur in finanziellen Dingen haben die „einfachen“ Menschen häufig ein besseres Gespür als die Berufspolitiker.

Bislang wurde noch kein einziger Krieg im Rahmen einer Volksabstimmung beschlossen. Für Kriege und andere von Menschen verursachten Katastrophen sind und waren bislang immer Berufspolitiker verantwortlich. Es sind stets Berufspolitiker, die einen Krieg beginnen, nie die große Mehrheit der „einfachen“ Menschen.

Berufspolitiker schieben alle möglichen Begründungen und sogar Lügen vor, um Menschen in anderen Ländern anzugreifen und töten zu lassen: „Der Irak verfügt über Atomwaffen!“, „Die Freiheit Deutschlands wird am Hindukusch verteidigt!“, „Nie wieder Auschwitz!“ usw. Seit einigen Jahren versuchen die Berufspolitiker, Kriege als „humanitäre Interventionen“ zu verkaufen.

Aber wie in all den Jahrhunderten zuvor geht es letztlich immer nur um die wirtschaftlichen Interessen der „Reichen“ oder die persönlichen Eitelkeiten und Privilegien der Berufspolitiker.

Die große Mehrheit der „einfachen“ Menschen will keinen Krieg. Mit großer Wahrscheinlichkeit hätte sich nicht einmal 1914 eine Mehrheit der Deutschen im Rahmen einer Volksabstimmung für den Kriegseintritt des Deutschen Reiches ausgesprochen. Zwar gab es damals durchaus eine gewisse Kriegsbegeisterung, vor allem in der großstädtischen Mittel- und Oberschicht. Aber angesichts von 67 Millionen Einwohnern war das trotzdem nur eine kleine Minderheit. Dass die Bevölkerung keinesfalls geschlossen für den Krieg war, belegen schon die Anti-Kriegs-Demonstrationen, die es ab Ende Juli 1914 gab.

Die große Mehrheit der „einfachen“ Menschen wird im Rahmen einer Volksabstimmung nie dafür stimmen, einen Krieg zu beginnen oder einen Völkermord zu verüben – vorausgesetzt, es kommt zu einer fairen Abstimmung ohne massive Propaganda seitens der Berufspolitiker. Die meisten „einfachen“ Menschen haben gar kein Interesse daran, andere Länder zu überfallen oder andere Menschen auszurotten. Sie wollen einfach in Frieden leben.

Was nützt es einem Dorfbewohner, wenn „Lebensraum im Osten“ gewonnen wird? Was interessiert es einen Familienvater, ob sein Nachbar Schweinefleisch isst und Alkohol trinkt? Fragen über Krieg und Frieden oder Entscheidungen, die den Wohlstand, die Gesundheit und die Sicherheit der „einfachen“ Menschen extrem gefährden, sollten deshalb nicht länger vom Willen der Berufspolitiker abhängen.

Des Weiteren sind die Berufspolitiker in den wirklich wichtigen, existentiellen politischen Fragen gar nicht in der Lage, bessere Entscheidungen zu treffen, als die große Mehrheit der „einfachen“ Menschen. Solche Entscheidungen sind in der Regel viel zu komplex, als dass im Voraus das richtige Vorgehen durch rationale Analysen vorhergesagt werden kann. Trotz ihrer vielen Berater können die Berufspolitiker in diesen Fragen keine qualitativ besseren Entscheidungen treffen, als die „einfachen“ Menschen.

Es gibt daher keinen vernünftigen Grund, warum die Menschen in diesen Fällen nicht selbst bestimmen sollen, was gemacht wird. Wenn sich die Menschen für eine Alternative entscheiden, die später negative Folgen hat, dann müssen sie diese Folgen eben tragen. Aber dann weiß jeder, dass es auf einer eigenen Entscheidung beruht. Das ist wesentlich einfacher zu akzeptieren, als wenn einige wenige Berufspolitiker entscheiden, die in dieser Frage auch nicht kompetenter sind.

Das zeigt sich ganz deutlich im Zusammenhang mit der „Euro-Rettung“. Kein Berufspolitiker weiß, wie man die „Euro-Krise“ sicher oder zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit beenden kann. Stattdessen stochern sie alle im Nebel und probieren die unterschiedlichsten Maßnahmen aus. Kein Mensch kann heute sicher vorhersagen, welche Entscheidung die bessere ist. Alle Alternativen bergen Risiken.

Und deshalb sollten die 80 Millionen Menschen in Deutschland selbst entscheiden, ob sie den Euro retten wollen und dafür eine gigantische Staatsverschuldung und eine hohe Inflation in Kauf nehmen, oder ob sie lieber aus dem Euro aussteigen bzw. einzelne Krisenländer pleite gehen lassen wollen – mit allen dabei möglicherweise entstehenden Folgen.

Abgesehen davon gibt es noch mindestens drei weitere gewichtige Gründe, warum es rational sinnvoll und vernünftig ist, in Deutschland Volksabstimmungen einzuführen: (1.) Berufspolitiker handeln vor allem egoistisch. (2.) Eine rein parlamentarische Demokratie funktioniert nicht. (3.) Wahlen ändern daran nichts.

Berufspolitiker handeln vor allem egoistisch

Wenn man das Verhalten und die Entscheidungen der Berufspolitiker betrachtet, drängt sich der Eindruck geradezu auf, dass diese vor allem egoistische Motive verfolgen und deshalb nicht das Wohl des deutschen Volkes zum Maßstab für ihre Entscheidungen machen, sondern den eigenen Vorteil. Das hat zur Folge, dass Entscheidungen, die zwar das Wohl der „einfachen“ Menschen mehren würden, aber zugleich Nachteile für die Berufspolitiker mit sich brächten, von den Berufspolitikern im Bundestag nicht beschlossen werden.

Natürlich kann man nicht in den Kopf der Berufspolitiker hineinsehen. Aber es gibt eine ganze Reihe von Indizien, die darauf hindeuten, dass Berufspolitiker überproportional egoistisch veranlagt sind und deshalb in den entscheidenden Momenten nicht gemeinwohlorientiert handeln, sondern egoistisch. So führt zum Beispiel das geltende Wahlrecht dazu, dass hauptsächlich solche Personen als Abgeordnete in den Bundestag einziehen, für die Politik nicht Dienst am Gemeinwohl ist, sondern die Chance, sich persönlich zu bereichern.

Nach dem Grundgesetz kann prinzipiell jeder volljährige Deutsche Abgeordneter im Bundestag werden. Er oder sie muss nur gewählt werden. Und die wichtigste Voraussetzung um gewählt zu werden, ist, dass man von einer der etablierten politischen Parteien unterstützt wird. Man kann zwar auch als unabhängiger Einzelbewerber oder für eine kleine oder neue Partei antreten, aber in den letzten 60 Jahren zogen ausschließlich solche Kandidaten in den Bundestag ein, die von CDU, CSU, FDP, SPD, Grünen oder der Linken unterstützt wurden.

Das liegt zum einen daran, dass viele Menschen in Deutschland „Parteien“ wählen und nicht „Personen“. Wer für eine der etablierten Parteien als Direktkandidat antritt, wird schon allein aufgrund dieses Umstands viele Stimmen erhalten, selbst wenn die Wähler sonst nichts weiter über ihn wissen. Dagegen muss sich ein unabhängiger Bewerber erst einmal bei den Menschen im Wahlkreis bekannt machen. Dazu benötigt er die Hilfe der Medien, also insbesondere Fernsehauftritte, Werbespots und Zeitungsanzeigen. Zudem bedarf es der klassischen Wahlkampfmittel wie Plakate, Infostände und öffentlicher Auftritte. Das alles erfordert einen erheblichen finanziellen, personellen und organisatorischen Aufwand, den sich normalerweise kein Kandidat alleine leisten kann. Wer in den Bundestag will, ist deshalb auf die Unterstützung durch eine schlagkräftige Organisation angewiesen.

Die etablierten Parteien sind dabei vor allem deshalb so erfolgreich, weil sie ständig in den Massenmedien präsent und bei den Menschen im Land dementsprechend bekannt sind. Die meisten Menschen erhalten ihre politischen Informationen ausschließlich aus dem Fernsehen oder den großen Zeitungen. Das, was die Wähler von einer Partei halten, wird somit maßgeblich von der Berichterstattung der großen Medien über diese Partei bestimmt.

Eine Partei, die von Zeitungen und Fernsehsendern regelmäßig als kompetent und erfolgreich dargestellt wird, kann mit einem guten Wahlergebnis rechnen. Dagegen wird eine Partei, die als unfähig oder zerstritten präsentiert wird, von den Wählern auch genauso negativ wahrgenommen. Eine Partei, über die gar nicht berichtet wird, existiert im Bewusstsein der meisten Wähler schlicht nicht.

In der Regel berichten die großen Medien aber nur über die Positionen der sechs etablierten Parteien CDU, CSU, FDP, SPD, Grüne und Linke. Alle anderen Parteien werden inhaltlich weitgehend ignoriert. Wie oft kommt es in einer Zeitung oder einer Fernsehsendung zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den inhaltlichen Positionen der ÖDP, der NPD oder der Tierschutzpartei? Um in den Bundestag gewählt zu werden, benötigt man also unbedingt die Unterstützung durch eine der sechs etablierten Parteien. Doch diese Unterstützung gibt es nicht umsonst.

Bevor man von einer der etablierten Parteien aufgestellt wird, muss man erst die „Ochsentour“ durch den Parteiapparat machen. Das bedeutet, dass man ganz unten im Ortsverband anfängt und sich dann langsam hochdient. Viele Jahre lang muss man bei möglichst vielen Sitzungen präsent sein, sich im Wahlkampf aktiv einbringen, Plakate kleben, Info-Stände betreiben und Seilschaften knüpfen. Nach durchschnittlich 15 Jahren hat man es dann mit etwas Glück geschafft, und wird von seiner Partei als Kandidat für den Bundestag aufgestellt – aber nur, wenn man sich mit der Parteiführung gut stellt.

Die Parteiführung liegt fast immer in der Hand von Berufspolitikern, die genügend Zeit, Geld und Macht haben, um Seilschaften zu pflegen und Belohnungen zu verteilen („Zuckerbrot“). Die aussichtsreichen Listenplätze und Wahlkreise erhalten deshalb nur die Parteimitglieder, die loyal zur Parteiführung stehen. Wer nicht spurt, wird nicht aufgestellt („Peitsche“).

Um die Ochsentour erfolgreich zu bestehen und als Kandidat aufgestellt zu werden, muss man sich ein Netz von Unterstützern und Gefolgsleuten in der eigenen Partei schaffen. Man muss bereit sein, viele Stunden in sinnlosen Sitzungen zu verbringen, hohle Phrasen zu ertragen und sich mit Leuten gut zu stellen, die man eigentlich nicht leiden kann. Das erfordert viel Zeit und die Möglichkeit, viele Jahre am selben Ort zu leben. Menschen, die beruflich sehr engagiert sind und jeden Tag 10 bis 12 Stunden arbeiten oder öfters umziehen, haben deshalb kaum eine Chance, im Parteiapparat aufzusteigen. Der Preis für die Ochsentour ist somit der Verzicht auf eine Karriere in der freien Wirtschaft, der Wissenschaft oder der Kultur. Menschen, die eine echte Leidenschaft für etwas haben und auf diesem Gebiet Herausragendes leisten, werden deshalb eher nicht Berufspolitiker.

Die meisten Berufspolitiker sagen von sich, sie seien deshalb Berufspolitiker geworden, weil sie etwas bewegen wollten. Und das nehme ich ihnen durchaus ab, allerdings nur für den Zeitpunkt ihres Eintritts in eine der etablierten Parteien. Nach kurzer Zeit erfährt nämlich jeder, wie es praktisch läuft:

Die wirklich wichtigen Entscheidungen werden stets nur von einer Handvoll führender Politiker in irgendwelchen Kungelrunden im Hinterzimmer getroffen. Die einfachen Parteimitglieder haben nichts zu sagen. Und sogar die meisten Berufspolitiker, die als Abgeordnete im Bundestag sitzen, haben keinerlei Einfluss auf die relevanten politischen Entscheidungen. Oder hat die Bundeskanzlerin etwa die Vor- und Nachteile der hunderte Milliarden schweren „Euro-Rettungspakete“ ernsthaft mit den mehr als 200 Hinterbänklern der CDU/CSU-Fraktion diskutiert?

Der „normale“ Berufspolitiker kann praktisch gar nichts bewegen. Und trotzdem bleiben viele Berufspolitiker freiwillig im Bundestag und lassen sich sogar wiederwählen. Was treibt sie an? Vielleicht die Hoffnung, irgendwann in der Partei so weit aufzusteigen, dass sie selbst zum erlesenen Kreis der Mächtigen gehören, die wirklich entscheiden? Doch die Chancen dafür sind minimal. Und die wenigsten Berufspolitiker riskieren es, einen der Parteiführer herauszufordern und ihm seinen Platz streitig zu machen.

Die überwiegende Mehrheit der Berufspolitiker sitzt also im Bundestag, ohne Einfluss auf die wirklich wichtigen Entscheidungen zu haben und ohne Aussicht darauf, dass sich daran etwas ändern wird. Aber irgendetwas müssen sie sich doch davon versprechen?

Und in der Tat, es hat gewisse Vorteile, als Berufspolitiker im Bundestag zu sitzen. Ein Bundestags-Abgeordneter erhält nämlich Zahlungen und sonstige Leistungen im Wert von über 350.000 Euro jährlich. Dazu gehören: Diät (8.252 Euro monatlich), steuerfreie Kostenpauschale (4.029 Euro monatlich), Zuschuss zur privaten Krankenversicherung in Höhe von 50 Prozent. Hinzu kommt eine „Altersentschädigung“ in Höhe von 2,5 Prozent der Diät pro Jahr der Abgeordnetentätigkeit. Für jedes Jahr im Bundestag erhält ein Abgeordneter also später eine Rente in Höhe von 199 Euro monatlich.

Außerdem erhält jeder Abgeordneter kostenfrei ein 54 m² großes Büro, 12.000 Euro jährlich für Büroausstattung und 15.053 Euro monatlich für Mitarbeiter. Reisekosten werden erstattet, es gibt eine Bahncard 100 für die erste Klasse und beim Ausscheiden aus dem Bundestag wird ein „Übergangsgeld“ von einem Monat pro Jahr der Abgeordnetentätigkeit gezahlt.

Das ist zwar erheblich weniger, als man durch eine Karriere in der freien Wirtschaft verdienen kann. Gutbezahlte Manager verdienen über eine Million Euro im Jahr. Andererseits sind die monatlichen Zahlungen an einen Abgeordneten in Höhe von 12.000 Euro erheblich mehr, als viele Berufspolitiker sonst im richtigen Leben je verdienen würden. Normalerweise kommt es beim Einstieg in die besten Positionen nämlich nach wie vor auf die fachliche Qualifikation und die Sozialkompetenz des Bewerbers an. Wer da nicht zum Zug kommt, hat die Wahl, ob er sich mit einem Job als kleiner Angestellter zufrieden gibt oder ob er versucht, in der großen Politik Fuß zu fassen.

Für Menschen, die keine echten „High Potentials“ sind, kann sich der Einstieg in die Politik deshalb durchaus lohnen. Gerade auch, weil es für die Wahl zum Abgeordneten kein offizielles Qualifikationsprofil gibt. Um Abgeordneter zu werden, benötigt man weder eine bestimmte Ausbildung, noch besondere fachliche Kompetenzen.

Trotzdem schafft es nicht jeder. Denn auch wenn fachliche Kompetenz und Gemeinwohlorientierung keine Auswahlkriterien sind, gibt es bestimmte Eigenschaften und Fähigkeiten, die für eine erfolgreiche Ochsentour erforderlich sind. Zu Zeit und Immobilität müssen sich noch ein gewisses rhetorisches Talent und schauspielerische Fähigkeiten gesellen. Zudem erleichtern bestimmte Charaktereigenschaften den Weg durch den Parteiapparat.

Dazu gehört die Fähigkeit, sich unterzuordnen und die eigene Meinung zurückzunehmen, wenn das dem eigenen Fortkommen dient. Man darf keine Scheu haben, sich gegen Konkurrenten durchzusetzen und eigene Skrupel und moralische Bedenken auch einmal Beiseite zu lassen. Vorteilhaft sind auch ein stark ausgeprägtes Karrierestreben und ein starker Egoismus. Man muss bereit sein, die Grenzen der „political correctness“ peinlich genau einzuhalten. Zudem sollte man sich in den Medien erfolgreich darstellen können.

Daraus ergibt sich folgendes faktische Anforderungsprofil: deutsche Staatsangehörigkeit, mindestens 18 Jahre alt, Mitglied in einer der etablierten Parteien, viel Zeit, die Bereitschaft, mindestens 15 Jahre am selben Ort zu bleiben, rhetorisches Talent, schauspielerische Fähigkeiten, die Bereitschaft, nach oben zu buckeln und nach unten zu treten, Sitzfleisch, Durchsetzungsfähigkeit, Netzwerker, starkes Karrierestreben, starker Egoismus, mediengerechte Selbstdarstellung, politische Korrektheit.

Die tatsächliche Zusammensetzung des Bundestages und der anderen Parlamente (Landtage und Europäisches Parlament) entspricht weitgehend diesem Anforderungsprofil. Im 2009 gewählten Bundestag beträgt der Anteil der Juristen mehr als 20 Prozent, der der Lehrer fast 10 Prozent. Ungefähr ein Drittel der Abgeordneten kommt aus dem öffentlichen Dienst.

Viele Abgeordnete sind nach dem Studium über die Mitarbeit in einer Partei, einer Gewerkschaft oder sonstigen Lobbygruppe direkt in den Bundestag gekommen („Kreissaal – Hörsaal – Plenarsaal“). Sie haben weder praktische Lebenserfahrung außerhalb der Politik gesammelt, noch haben sie selbst und eigenverantwortlich etwas Erfolgreiches geschaffen.

Dagegen sind Menschen, die außerhalb des politischen Betriebes schon erfolgreich waren, deutlich unterrepräsentiert. Es gibt kaum Abgeordnete, die vor ihrem Einzug in den Bundestag in der freien Wirtschaft Spitzenpositionen innehatten oder gar erfolgreich ein Unternehmen gegründet oder geleitet haben. Es gibt kaum Künstler, Schriftsteller oder Sportler. Hausfrauen sind ebenso selten, wie Arbeitslose, Behinderte oder Schüchterne.

Das geltende Wahlrecht schafft somit gerade für solche Menschen einen hohen Anreiz, sich für ein Bundestagsmandat zu bewerben, die dadurch ihre finanzielle und soziale Lage erheblich verbessern können. Wer wirklich etwas leisten oder bewegen will, wird nicht 15 Jahre lang die intellektuell wenig fordernde Ochsentour auf sich nehmen, sondern sein Glück in der freien Wirtschaft, der Wissenschaft oder der Kultur suchen. Das gilt insbesondere für Leute, die zu den Besten ihres jeweiligen Fachs gehören. Die „Ochsentour“ nehmen deshalb in der Regel nur solche Leute auf sich, deren intellektuelle und charakterliche Fähigkeiten nicht für eine Karriere außerhalb der Politik reichen.

Dadurch kommt es zu einer Negativ-Auslese. Gewählt werden nicht die Bewerber, die für ein Amt fachlich und charakterlich am besten geeignet sind, sondern diejenigen, die mit der Parteiführung gut auskommen und sich in den Medien geschickt inszenieren.

Deshalb ist in der Realität kaum ein Abgeordneter fachlich besonders qualifiziert, zumindest nicht für den Bereich, in dem er sich hauptsächlich betätigt. Bei der Besetzung von wichtigen (Regierungs-)Posten kommt es in erster Linie auf die Parteizugehörigkeit und den Proporz an. Wie anders lässt sich sonst erklären, dass ein Arzt (Philip Rösler) erst Gesundheitsminister wird (was ja noch nachvollziehbar ist), um dann Knall auf Fall Wirtschaftsminister zu werden? Was befähigt ihn dazu? Und die Liste dieser Beispiele ist lang.

Der einstige Hoffnungsträger der CSU, Karl Theodor zu Guttenberg, hat das Erste Juristische Staatsexamen mit 6,8 von 18 möglichen Punkten absolviert. Mit diesem Ergebnis wäre er weder in einer erfolgreichen Anwaltskanzlei eingestellt worden, noch im öffentlichen Dienst oder als Richter. Trotzdem wurde er 2009 erst Wirtschafts- und dann Verteidigungsminister. Irgendwelche erkennbaren objektiven Qualifikationen hatte er dafür nicht. Sogar sein Doktortitel wurde ihm aberkannt, weil er seine Dissertation im Wesentlichen bei anderen abgeschrieben hatte.

Oder Guido Westerwelle. Er benötigte für seine juristische Ausbildung insgesamt 11 Jahre und damit doppelt so lang, wie üblich. Nachdem er drei Jahre in der Anwaltskanzlei seines Vaters mitgearbeitet hatte, war er nur noch für die FDP tätig. Was qualifizierte ausgerechnet ihn für das Amt des Vizekanzlers und Außenministers?

Erfrischend ehrlich ist insoweit die ehemalige Gesundheitsministerin Andrea Müller von den Grünen. Mittlerweile räumte sie in diversen Fernsehsendungen freimütig ein, dass sie vor ihrer Ernennung zur Ministerin mit Gesundheitspolitik nichts am Hut hatte und deshalb auch nicht wusste, worum es dort inhaltlich eigentlich geht.

Das vorrangige Ziel der meisten Berufspolitiker ist es somit nicht, das Wohl des deutschen Volkes zu mehren, sondern die eigene Wiederwahl zu sichern und aus der Position als Abgeordneter möglichst viele eigene Vorteile herauszuschlagen. Oder kurz gesagt: Die meisten Abgeordneten im Bundestag sind mehr oder weniger unfähige Egoisten, die alles tun, um wiedergewählt zu werden. Das ist aber nicht abwertend gemeint.

„Unfähig“ heißt ja nur, dass die Berufspolitiker in der Regel für die Ämter, die sie übernehmen nicht ausgebildet sind und ihnen die Fähigkeiten und Charaktermerkmale fehlen, die man bräuchte, um diese Positionen zum Nutzen der Allgemeinheit effektiv auszuüben.

„Egoistisch“ bedeutet, dass die Berufspolitiker in erster Linie auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und nicht auf das Wohl der Allgemeinheit. Das ist eine evolutionär bedingte, genetisch verankerte Verhaltenstendenz. Beides kann man den Berufspolitikern deshalb nicht vorwerfen. Denn jeder Mensch versucht, aus seinem Leben das Beste zu machen. Und für eine bestimmte Sorte von Menschen ist es eben am einfachsten, Berufspolitiker zu werden, um ein angenehmes Leben zu führen. Das ist ihre ökologische Nische.

Eine rein parlamentarische Demokratie funktioniert nicht

Erstaunlich ist deshalb nicht, dass die Berufspolitiker egoistisch handeln, sondern dass das durch das geltende Wahlrecht nicht verhindert wird. Denn offiziell ist Deutschland ja eine „parlamentarische Demokratie“. Dahinter steckt die Idee, dass es bei 80 Millionen Menschen praktisch unmöglich ist, zu jeder politischen Frage eine Volksabstimmung zu machen. Deshalb wählen sich die Menschen eine kleine Gruppe von Vertretern, die für sie die Gesetze beschließen. Und die Volksvertreter lassen sich dabei ausschließlich vom Wohl des Volkes leiten und nicht von ihren eigenen Interessen.

In der Theorie klingt das ganz vernünftig. In der Praxis funktioniert das aber nur dann, wenn die Abgeordneten auch tatsächlich zum Wohl des Volkes handeln. Doch warum sollten sie das tun? Dafür gibt es eigentlich nur zwei Gründe: Entweder sind die Abgeordneten davon überzeugt, dass sie ihre eigenen Interessen zurückstellen müssen und handeln deshalb freiwillig zum Wohl des Volkes. Oder sie werden durch Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten dazu gezwungen.

Solche Sicherungen gibt es auch in Deutschland. Die Bundestagsabgeordneten werden nur für jeweils vier Jahre gewählt. Dadurch sollen die Menschen die Chance haben, unfähige und egoistische Abgeordnete wieder loszuwerden. Zudem können Gesetze, die nicht dem Grundgesetz entsprechen, vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben werden. Dass die Berufspolitiker trotzdem so oft egoistisch handeln, liegt hauptsächlich daran, dass diese Mechanismen in der Praxis nicht sonderlich effektiv sind.

Das Bundesverfassungsgericht darf nicht von sich aus jedes Gesetz prüfen. Viele Gesetze landen daher nie vor dem Bundesverfassungsgericht und gelten deshalb weiter, obwohl sie gegen das Grundgesetz verstoßen. Es gibt auch keine Möglichkeit, unfähige und egoistische Abgeordnete vorzeitig zu entlassen. Die Berufspolitiker sind in den vier Jahren ihrer Amtszeit praktisch unangreifbar.

Die härteste Sanktion ist die Aussicht, nicht wiedergewählt zu werden. Doch auch hier gibt es ein Schlupfloch. In Deutschland werden nämlich nur 50 Prozent aller Bundestagsabgeordneten direkt von den Menschen gewählt. Das sind die Kandidaten, die sich in einem Wahlkreis für das „Direktmandat“ bewerben. Um in den Bundestag zu kommen, muss ein Direktkandidat in seinem Wahlkreis mehr (Erst-)Stimmen erhalten, als alle anderen Kandidaten. Die Wähler in einem Wahlkreis können daher einen ungeeigneten Direktkandidaten verhindern. Allerdings wird die andere Hälfte der Bundestagsmandate über „Landeslisten“ vergeben.

Die Landeslisten können nur von politischen Parteien eingereicht werden. Die Landeslisten enthalten die Namen von Politikern der jeweiligen Partei in einer bestimmten Reihenfolge. Je mehr Zweitstimmen eine Partei bei der Bundestagswahl erhält, desto mehr ihrer Bewerber ziehen über die Landeslisten in der dort festgelegten Reihenfolge in den Bundestag ein.

Da nur die politischen Parteien bestimmen, wer auf der Landesliste kandidieren darf, kommen mit Hilfe der Landesliste auch solche Personen zu Abgeordnetenmandaten, die im Volk niemand haben will. Die Menschen können einen unfähigen oder gemeinwohlschädlichen Abgeordneten deshalb nur dann abstrafen, wenn er als Direktkandidat antritt, ohne über die Landesliste abgesichert zu sein. Dieses Risiko geht aber kaum ein Berufspolitiker ein, der um seine Wiederwahl fürchtet.

Im Übrigen ist die persönliche Abwahl eines ungeliebten Abgeordneten auch eher unrealistisch. Denn die meisten Menschen kennen weder „ihren“ Wahlkreisabgeordneten, noch wissen sie, wie er bislang im Bundestag abgestimmt hat und welche Positionen er eigentlich vertritt. Deshalb wählen fast alle Menschen mit ihrer Erststimme den Kandidaten der von ihnen bevorzugten Partei.

In der Realität wird auch kaum jemand der von ihm favorisierten Partei seine (Zweit-)Stimme deshalb verweigern, weil auf der Landesliste unfähige Berufspolitiker ganz oben stehen. Die Menschen in Deutschland wählen Parteien, nicht Personen. Deshalb braucht der einzelne Berufspolitiker nicht befürchten, persönlich abgestraft zu werden. Er kann sich immer hinter seiner Partei verstecken. In der Wahrnehmung der meisten Menschen entscheiden Parteien und nicht einzelne Abgeordnete.

Die Landeslisten sind somit ein effektives Mittel, wie sich unfähige und unbeliebte Berufspolitiker in den Bundestag mogeln können. Die theoretische Möglichkeit einer Abwahl ist deshalb kein sonderlich abschreckendes Szenario für einen Berufspolitiker.

Infolgedessen hängt es allein von den Bundestagsabgeordneten ab, wie sie sich entscheiden. Wenn sie überzeugt sind, dass das Gemeinwohl an erster Stelle stehen muss, können sie sich entsprechend verhalten. Wenn sie dagegen ihre eigenen Interessen als wichtiger bewerten, können sie egoistisch handeln. Und genau das ist das Problem in Deutschland.

Es hängt allein vom guten Willen der Berufspolitiker ab, ob sie zum Wohl des Volkes handeln oder nicht. Das System der „parlamentarischen Demokratie“ ist in Deutschland deshalb nur formal etabliert. Der rechtfertigende Grund, warum die Menschen die Entscheidungen der Abgeordneten akzeptieren sollen, ist jedoch nicht gegeben. Denn das geltende Wahlrecht führt dazu, dass vor allem unfähige Egoisten als Abgeordnete in den Bundestag einziehen.

Die meisten Berufspolitiker nutzen das Abgeordnetenmandat, um möglichst viele finanzielle und soziale Vorteile für sich herauszuschlagen.

Das zeigt sich ganz offenkundig, wenn es darum geht, die Diäten zu erhöhen. Bei Diätenerhöhungen gibt es nie Streit zwischen den Abgeordneten der verschiedenen etablierten Parteien. Vielmehr versuchen sie, Diätenerhöhungen so heimlich und geräuschlos wie möglich über die Bühne zu bringen, so dass es keinen empörten Aufschrei in der Öffentlichkeit gibt. Diätenerhöhungen werden deshalb meist dann beschlossen, wenn gerade ein anderes Thema die öffentliche Wahrnehmung dominiert.

Das Argument für die übermäßigen Diätenerhöhungen ist immer dasselbe: Man müsse einen Anreiz für gute Leute schaffen. Dabei wird aber geflissentlich übersehen, dass die wirklich guten Leute in der freien Wirtschaft wesentlich mehr verdienen und es ja gerade nicht die „High Potentials“ sind, die in den Bundestag gewählt werden. Zudem sollen die Diäten ja nicht der Hauptanreiz sein, ein Bundestagsmandat zu erringen.

Primäres Ziel sollte sein, das Wohl des deutschen Volkes zu mehren. Im Grundgesetz ist auch nur die Rede von „Entschädigung“. Es wäre deshalb völlig ausreichend, wenn jeder Abgeordnete soviel bekommt, wie er vor seiner Wahl durchschnittlich verdient hat. Denn nur insoweit entsteht ihm durch den Verdienstausfall ja ein „Schaden“. Doch das stünde im Widerspruch zu dem Hauptmotiv der meisten Bundestagsabgeordneten – die finanzielle Situation durch das Mandat zu verbessern.

Aber auch sonst nehmen die Berufspolitiker alles mit, was geht. Man denke nur an den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff. Als der nach dem Aufdecken diverser Lügen und Halbwahrheiten im Zusammenhang mit besonders günstigen Privatkrediten, gesponserten Hotelübernachtungen und kostenlosen Urlauben wegen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen ihn zurücktrat, begründete er seinen Rücktritt mit „politischen Gründen“.

Das war zwar blanker Unsinn - die Rücktrittsgründe beruhten schließlich allesamt auf privaten Angelegenheiten -, aber doch ziemlich clever. Denn dadurch konnte er nach einem Jahr im Amt den „Ehrensold“ in Höhe von 199.000 Euro (ab 2013: 217.000 Euro) einsacken, den alle ehemaligen Bundespräsidenten bis an ihr Lebensende jährlich bekommen. Selbstverständlich hätten ihm die anderen Berufspolitiker den Ehrensold auch ohne weiteres streichen können.

Allerdings wäre dadurch ein unerwünschter Präzedenzfall geschaffen worden. In Zukunft wäre es dann nämlich möglicherweise regelmäßig zu der Forderung gekommen, Versorgungsansprüche der Berufspolitiker wegen persönlichen Fehlverhaltens zu kürzen oder zu streichen. Und daran hat kein Berufspolitiker ein Interesse. Dementsprechend waren sich die Berufspolitiker auch über Parteigrenzen hinweg einig, dass Christian Wulff seinen „Ehrensold“ in voller Höhe erhalten soll.

Dass es den Berufspolitikern in erster Linie um die finanziellen Vorteile des Abgeordnetenmandats geht, zeigt sich auch daran, dass sie alles tun, um die eigene Wiederwahl zu sichern. Dazu ist es unbedingt erforderlich, dass sie von ihrer Partei weiter unterstützt werden. Folglich tun sie alles, um es sich mit der Parteiführung nicht zu verscherzen.

Aus Angst vor dem Verlust des Mandats bezahlen die Abgeordneten zum Beispiel die von den Parteien geforderten „Abgeordnetenbeiträge“. Jede der etablierten Parteien verlangt von ihren Abgeordneten, dass diese einen Teil ihrer Diäten (meistens zwischen 10 und 20 Prozent) an die Partei „spenden“. Darauf besteht zwar kein rechtlicher Anspruch, doch die Drohung, nicht wieder aufgestellt zu werden, genügt. In der Praxis weigern sich nur die Abgeordneten, die nicht mehr kandidieren wollen oder deren innerparteiliche Karriere aus anderen Gründen zu Ende ist.

Innerhalb der etablierten Parteien ist es auch ein ungeschriebenes Gesetz, dass niemand unterstützt wird, der irgendwie als „Nazi“ verdächtig ist. Berufspolitiker fürchten deshalb nichts so sehr, wie in die rechte Ecke gestellt zu werden. Um die Wiederwahl zu sichern, unterwerfen sie sich deshalb regelmäßig einer objektiv völlig irrationalen „political correctness“.