Die Zeitmaschine - H.G. Wells - E-Book

Die Zeitmaschine E-Book

H G Wells

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Beschreibung

Ende des 19. Jahrhunderts unternimmt der »Zeitreisende« – ein nicht namentlich genannter Erfinder – einen Ausflug in das Jahr 802.701, wo er zwei verschiedene Menschenrassen antrifft: die scheinbar sorgenfrei und glücklich an der Erdoberfläche lebenden Eloi und die unterirdischen Morlocks. Erst mit der Zeit findet er heraus, dass zwischen den Eloi und den Morlocks ein Anhängigkeitsverhältnis besteht, das seine schlimmsten Befürchtungen übertrifft! Nach einem Abstecher in die ferne Zukunft, wo über der stillstehenden Erde ein riesiger roter Feuerball lodert, kehrt er in die Gegenwart zurück. Da ihm jedoch niemand Glauben schenken will, begibt er sich erneut auf die Reise … Diese Ausgabe enthält neben einem Nachwort des Wells-Experten Elmar Schenkel die gestrichenen Passagen ›Die Rückkehr des Zeitreisenden«; drei Vorworte der Ausgaben der Jahre 1924, 1931 und 1934; den Vorläufer: ›Die Chrononauten‹ aus dem Jahr 1888 sowie die Essays aus dem Jahr 1893 ›Der Mann aus dem Jahr 1.000.000. Eine wissenschaftliche Vorausschau‹ und›Das Aussterben des Menschen. Einige spekulative Gedanken‹ von 1894.

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Seitenzahl: 266

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H.G. Wells

Die Zeitmaschine

Eine ErfindungRoman

Aus dem Englischen von Hans-Ulrich Möhring

FISCHER E-Books

Mit einem Nachwort von Elmar Schenkel

Inhalt

Die ZeitmaschineWidmungI. EinleitungII. Die MaschineIII. Der Zeitreisende kehrt zurückIV. Auf ZeitreiseV. Im goldenen ZeitalterVI. Der Abend der MenschheitVII. Ein jäher SchreckVIII. ErklärungIX. Die MorlocksX. Als es Nacht wurdeXI. Der grüne PorzellanpalastXII. In der DunkelheitXIII. Die Falle der weißen SphinxXIV. Der weitere AusblickXV. Die Rückkehr des ZeitreisendenXVI. Nach der ErzählungEpilogAnhangXIV. Die Rückkehr des ZeitreisendenAus dem Vorwort zu The Time Machine von 1924 (Atlantic Edition)Vorwort zu The Time Machine von 1931Aus dem Vorwort zu Seven Famous Novels (1934)Die Chrononauten (1888)I. Die Geschichte aus exoterischer SichtII. Die esoterische Geschichte nach der Aussage des PfarrersDer Mensch des Jahres 1000000Das Aussterben des MenschenNachwort von Elmar SchenkelEditorische Notiz

Die Zeitmaschine

Für William Ernest Henley

I.Einleitung

Der Zeitreisende (so sei er der Einfachheit halber genannt) erläuterte uns einen obskuren Sachverhalt. Seine grauen Augen glänzten und funkelten, und sein sonst meist blasses Gesicht war lebhaft gerötet. Das Feuer brannte munter, und der milde Schein der Glühbirnen in den silbrigen Lilien fiel auf die Bläschen, die in unseren Gläsern aufglitzerten und vergingen. Unsere Sessel, nach seinem Entwurf gefertigt, waren in der Art, wie sie uns umschmeichelten, mehr als bloße Sitzmöbel, und es herrschte jene wohlige Stimmung nach einem guten Essen, in der die Gedanken leichtfüßig die Hemmschuhe der Genauigkeit abstreifen. Und in dieser Manier, den schlanken Zeigefinger immer wieder zum Nachdruck erhebend, sprach er zu uns, die wir gemütlich zurückgelehnt seine ernste Betrachtung dieses neuen Paradoxons (wie wir meinten) und seine Unerschöpflichkeit bewunderten.

»Sie müssen mir aufmerksam folgen. Ich werde ein oder zwei Anschauungen widersprechen müssen, die beinahe als allgemeinverbindlich gelten. Die Geometrie beispielsweise, die man Ihnen in der Schule beigebracht hat, beruht auf einer falschen Sicht der Dinge.«

»Ist es nicht ein bisschen viel verlangt, gleich zu Anfang so einen Brocken zu schlucken?«, sagte Filby, ein streitlustiger Rotschopf.

»Ich erwarte nicht von Ihnen, dass Sie irgendetwas ohne sinnvolle Begründung einfach hinnehmen. Was ich von Ihnen brauche, werden Sie mir bald zugeben. Sie wissen natürlich, dass eine mathematische Linie, eine Linie der Stärke null, im realen Leben nicht vorkommt. So haben Sie es doch gelernt, nicht wahr? Eine mathematische Ebene ebenso wenig. Das sind reine Abstraktionen.«

»Ganz richtig«, sagte der Psychologe.

»Und nur mit den Eigenschaften Länge, Breite und Stärke kann es auch einen Würfel im realen Leben nicht geben.«

»Einspruch«, sagte Filby. »Selbstverständlich kann es einen Festkörper geben. Alle realen Dinge –«

»Das glauben die meisten Leute. Aber warten Sie ab. Kann es einen dauerlosen Würfel geben?«

»Da komme ich nicht mit«, sagte Filby.

»Kann ein Würfel, der keinerlei zeitliche Dauer hat, im realen Leben vorkommen?«

Filby wurde nachdenklich. »Zweifellos«, sprach der Zeitreisende weiter, »bedarf jeder reale Körper einer Ausdehnung in vier Richtungen: Er muss Länge, Breite, Stärke und – Dauer haben. Doch aufgrund einer angeborenen Schwäche des Fleisches, auf die ich gleich zu sprechen kommen werde, neigen wir dazu, diese Tatsache zu übersehen. Es gibt in Wirklichkeit vier Dimensionen, drei, die wir als die drei Ebenen des Raumes bezeichnen, und eine vierte, die Zeit. Es besteht jedoch die Tendenz, eine irreale Unterscheidung zwischen jenen drei Dimensionen und dieser vierten zu treffen, weil es so eingerichtet ist, dass unser Bewusstsein sich mit ihr vom Anfang bis zum Ende unseres Lebens sporadisch immer nur in einer Richtung bewegt.«

»Das«, sagte ein sehr junger Mann, während er sich krampfhaft bemühte, seine Zigarre über der Lampe neu anzuzünden, »… das … völlig einleuchtend.«

»Es ist nun sehr bemerkenswert, dass dieser Umstand so weithin übersehen wird«, fuhr der Zeitreisende mit einem leichten Anflug von Heiterkeit fort. »Genau das ist nämlich mit der vierten Dimension gemeint, auch wenn einige, die von der vierten Dimension reden, sich gar nicht darüber im Klaren sind. Sie bedeutet nur eine andere Sicht der Zeit. Es gibt keinen anderen Unterschied zwischen der Zeit und den drei Dimensionen des Raumes als den, dass unser Bewusstsein sich mit ihr bewegt. Aber einige Dummköpfe zäumen das Pferd von hinten auf. Ist Ihnen allen geläufig, wie diese Leute die vierte Dimension verstehen?«

»Mir nicht«, sagte der Provinzbürgermeister.

»Schlicht folgendermaßen. Nach dem Willen unserer Mathematiker hat der Raum drei Dimensionen, die man Länge, Breite und Stärke nennen kann, und lässt sich immer anhand von drei Ebenen definieren, die jeweils im rechten Winkel zueinander stehen. Aber einige philosophisch Gesinnte haben die Frage aufgeworfen, warum gerade drei Dimensionen – warum nicht noch eine Richtung im rechten Winkel zu den anderen dreien? –, und haben sogar versucht, eine vierdimensionale Geometrie zu konstruieren. Professor Simon Newcomb hat sich erst vor ungefähr einem Monat vor der New Yorker Mathematischen Gesellschaft darüber verbreitet. Wie Sie wissen, können wir auf einer Fläche, die ja nur zwei Dimensionen hat, die Figur eines dreidimensionalen Festkörpers darstellen, und ähnlich meinen diese Leute, sie könnten an Modellen mit drei Dimensionen eine mit vier darstellen – sofern sie das mit der Perspektive in den Griff bekämen. Verstehen Sie?«

»Ich glaube ja«, murmelte der Provinzbürgermeister, und stirnrunzelnd verfiel er in einen Zustand innerer Betrachtung, wobei er die Lippen bewegte wie einer, der mystische Worte wiederholt. »Ja, ich glaube, ich verstehe jetzt«, sagte er nach einer Weile mit sich flüchtig aufhellender Miene.

»Nun, ich darf Ihnen verraten, dass ich mich seit einiger Zeit mit dieser Geometrie der vier Dimensionen beschäftige. Einige meiner Ergebnisse sind kurios. Nehmen wir zum Beispiel das Porträt eines Mannes mit acht Jahren, dann mit fünfzehn, dann mit siebzehn, dann mit dreiundzwanzig und immer so weiter. Alle sind offensichtlich Ausschnitte, könnte man sagen, dreidimensionale Darstellungen seines vierdimensionalen Wesens, das etwas Fixes und Unveränderliches ist.

Die Wissenschaft«, spann der Zeitreisende nach der nötigen Pause zur Verarbeitung des Gesagten seinen Faden fort, »weiß durchaus, dass die Zeit nur eine Form des Raumes ist. Nehmen wir ein gängiges wissenschaftliches Diagramm, eine Wetterkurve. Diese Linie, die ich hier mit dem Finger beschreibe, bildet die Bewegung des Barometers ab. Gestern war der Luftdruck noch so hoch, in der Nacht fiel er dann, am Morgen stieg er wieder, und so ging es sanft nach oben bis hier. Das Quecksilber hat doch diese Linie sicherlich nicht in einer der allgemein anerkannten Dimensionen des Raumes gezogen, oder? Ganz gewiss aber hat es eine solche Linie gezogen, und diese Linie, müssen wir daher schließen, bewegte sich in der Richtung der Zeit.«

»Aber«, sagte der Arzt, den Blick angespannt auf die Glut im Kamin gerichtet, »wenn die Zeit wirklich nur eine vierte Dimension des Raumes ist, warum wird sie dann von jeher als etwas anderes angesehen? Und warum können wir uns in der Zeit nicht so frei bewegen wie in den anderen Dimensionen des Raumes?«

Der Zeitreisende lächelte. »Sind Sie sich unserer Bewegungsfreiheit im Raum wirklich so sicher? Nach rechts und links können wir uns recht frei bewegen, rückwärts und vorwärts auch, und das haben die Menschen immer getan. Ich gebe zu, dass wir in zwei Dimensionen Bewegungsfreiheit haben. Aber was ist mit aufwärts und abwärts? Da zieht uns die Schwerkraft Grenzen.«

»Nicht unbedingt«, sagte der Arzt. »Es gibt Ballons.«

»Aber vor den Ballons hatten die Menschen, abgesehen von gelegentlichen Sprüngen und Geländeunebenheiten, nicht die Freiheit, sich vertikal zu bewegen.«

»Ein bisschen auf- und abwärts konnten sie sich dennoch bewegen«, sagte der Arzt.

»Leichter, viel leichter abwärts als aufwärts.«

»Und in der Zeit kann man sich überhaupt nicht bewegen, dem gegenwärtigen Moment kann man nicht entkommen.«

»Genau in dem Punkt, mein Lieber, irren Sie. In dem Punkt irrt die ganze Welt seit eh und je. Wir entkommen dem gegenwärtigen Moment jederzeit. In unserer geistigen Existenz, die körperlos ist und keine Dimensionen hat, ziehen wir in der Richtung der Zeit mit gleichförmiger Geschwindigkeit von der Wiege bis zur Bahre. Gerade so, wie wir abwärts sinken würden, wenn wir unsere Existenz fünfzig Meilen über der Erdoberfläche begonnen hätten.«

»Aber da liegt die große Schwierigkeit«, unterbrach der Psychologe. »Im Raum können Sie sich in alle Richtungen bewegen, nicht aber in der Zeit.«

»Das ist die Keimzelle meiner großen Entdeckung. Aber Sie irren, wenn Sie behaupten, wir könnten uns nicht in der Zeit bewegen. Wenn ich mich zum Beispiel sehr lebhaft an einen Vorfall erinnere, kehre ich zu dem Moment seines Geschehens zurück: Ich werde geistesabwesend, wie man sagt. Ich springe kurzzeitig zurück. Natürlich haben wir keine Möglichkeit, länger dort zu verharren, so wenig wie ein Wilder oder ein Tier zwei Meter über dem Boden verharren kann. Aber ein Zivilisierter ist dem Wilden in der Beziehung überlegen. Er kann gegen die Schwerkraft in einem Ballon aufsteigen, und warum sollte er nicht hoffen, eines Tages in der Lage zu sein, dass er seinen Lauf in der Richtung der Zeit anhalten oder beschleunigen kann oder dass er sogar umkehren und in der Gegenrichtung fahren kann?«

»Ach«, begann Filby, »das ist doch alles –«

»Warum nicht?«, sagte der Zeitreisende.

»Es widerspricht jeder Vernunft«, sagte Filby.

»Inwiefern?«, sagte der Zeitreisende.

»Sie können mit logischen Schlüssen Schwarz für Weiß erklären«, sagte Filby, »aber mich überzeugen Sie damit nicht.«

»Möglicherweise«, sagte der Zeitreisende. »Aber jetzt ahnen Sie wohl, was ich mit meinen Forschungen über die Geometrie der vier Dimensionen bezwecke. Schon seit langem schwebt mir vage eine Maschine vor –«

»Mit der man durch die Zeit reisen kann!«, rief der sehr junge Mann aus.

»– die unterschiedslos in alle Richtungen durch Raum und Zeit reisen kann, wie der Lenker es will.«

Filby begnügte sich mit Gelächter.

»Aber ich habe den experimentellen Beweis«, sagte der Zeitreisende.

»Für den Historiker wäre das äußerst vorteilhaft«, meinte der Psychologe. »Man könnte zurückfahren und zum Beispiel die geltende Darstellung der Schlacht bei Hastings überprüfen!«

»Meinen Sie nicht, man würde Aufmerksamkeit erregen?«, sagte der Arzt. »Unsere Vorfahren sprangen nicht sehr schonend mit Anachronismen um.«

»Man könnte Homer und Platon persönlich begegnen und von ihren Lippen Griechisch lernen«, sinnierte der sehr junge Mann.

»In dem Fall würden Sie garantiert beim Vorexamen durchrasseln. Die deutschen Philologen haben das Griechische wesentlich verbessert.«

»Dann wäre da noch die Zukunft«, sagte der sehr junge Mann. »Überlegen Sie mal! Man könnte sein ganzes Geld mit Zinsen anlegen, so dass sich ein Vermögen anhäuft, und in die Zukunft vorauseilen!«

»Um dort eine Gesellschaft vorzufinden«, sagte ich, »die nach streng kommunistischen Grundsätzen errichtet wurde.«

»Nichts als haltlose wirre Theorien!«, begann der Psychologe.

»Ja, das dachte ich auch, und deshalb habe ich nie davon gesprochen. Erst als ich –«

»Der experimentelle Beweis!«, rief ich. »Sie wollen das beweisen?«

»Das Experiment!«, rief Filby, der Gedankenspiele überdrüssig.

»Unbedingt, führen Sie Ihr Experiment vor«, sagte der Psychologe, »auch wenn es nur Mumpitz ist, nicht wahr?«

Der Zeitreisende lächelte in die Runde. Dann, immer noch leise lächelnd und die Hände tief in den Hosentaschen vergraben, ging er langsam aus dem Zimmer, und wir hörten seine Pantoffeln den langen Flur zu seinem Labor hinunterschlurfen.

Der Psychologe sah uns an. »Bin mal gespannt, was er auf Lager hat.«

»Irgendeine Taschenspielerei«, sagte der Arzt, und Filby setzte an, uns von einem Zauberer zu erzählen, den er in Burslem gesehen hatte, doch ehe er mit der Vorgeschichte fertig war, kam der Zeitreisende zurück, und Filbys Anekdote brach ab.

II.Die Maschine

Das Ding, das der Zeitreisende in der Hand hielt, war ein glitzerndes Metallgestell, kaum größer als eine kleine Wanduhr und sehr fein gearbeitet. Es bestand unter anderem aus Elfenbein und einer durchsichtigen, kristallartigen Substanz. Und jetzt muss ich ganz deutlich werden, denn was folgt ist – sofern man nicht seine Erklärung gelten lässt – ein absolut unbegreiflicher Vorgang. Er nahm eines der achteckigen Tischchen, die verstreut im Raum standen, und stellte es vor das Feuer, mit zwei Beinen auf dem Kaminvorleger. Auf dieses Tischchen stellte er das Gerät. Dann zog er sich einen Stuhl heran und setzte sich. Der einzige andere Gegenstand auf dem Tisch war eine kleine Petroleumlampe, deren Licht voll auf das Modell fiel. Außerdem brannten vielleicht ein Dutzend Kerzen, zwei in Messingleuchtern auf dem Kaminsims und mehrere in Wandhaltern, so dass der Raum hell erleuchtet war. Ich saß in einem niedrigen Sessel ganz dicht am Feuer, und diesen zog ich ein Stück vor, so dass ich mich beinahe zwischen dem Zeitreisenden und dem Kamin befand. Filby saß hinter ihm und blickte ihm über die Schulter. Der Arzt und der Provinzbürgermeister hatten ihn von der rechten Seite im Blick, der Psychologe von der linken. Der sehr junge Mann stand hinter dem Psychologen. Wir beobachteten alles mit Argusaugen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man es hätte anstellen wollen, uns unter diesen Umständen mit einem Kniff hereinzulegen, einerlei wie raffiniert geplant und geschickt ausgeführt.

Der Zeitreisende blickte erst uns an, dann das Gerät. »Nun?«, sagte der Psychologe.

»Dieses Dingelchen hier«, sagte der Zeitreisende, wobei er die Ellbogen auf den Tisch stützte und die Hände über dem Apparat zusammenlegte, »ist nur ein Modell. Es ist mein Entwurf einer Maschine, mit der man durch die Zeit reisen kann. Sie werden bemerken, dass es auffällig schief ist und dass ein eigentümliches Funkeln dieses Stäbchen umgibt, als ob es irgendwie irreal wäre.« Er zeigte mit dem Finger auf das Teil. »Außerdem hätten wir hier einen kleinen weißen Hebel und hier noch einen.«

Der Arzt erhob sich aus seinem Sessel und beäugte das Innenleben des Dings. »Schön gearbeitet«, sagte er.

»Zwei Jahre Arbeit«, erwiderte der Zeitreisende. Nachdem wir es alle dem Arzt nachgetan hatten, sagte er: »Machen Sie sich nun bitte klar, dass dieser Hebel, wenn er gedrückt wird, die Maschine in die Zukunft befördert und dieser andere die Bewegung umkehrt. Dieser Sattel stellt den Sitz eines Zeitreisenden dar. Ich werde jetzt den Hebel drücken, und gleich darauf wird die Maschine fort sein. Sie wird sich in die Zukunft begeben und verschwinden. Geben Sie genau darauf acht. Achten Sie auch auf den Tisch, und überzeugen Sie sich, dass kein Betrug im Spiel ist. Ich möchte nicht, dass ich dieses Modell opfere und mir dann anhören muss, ich wäre ein Scharlatan.«

Eine gute Minute vielleicht herrschte Schweigen. Der Psychologe schien mir etwas sagen zu wollen, überlegte es sich aber anders. Dann streckte der Zeitreisende den Finger nach dem Hebel aus. »Nein«, sagte er plötzlich. »Geben Sie mir Ihre Hand.« Und mit einer Körperdrehung ergriff er die Hand des Psychologen und forderte ihn auf, den Zeigefinger auszustrecken. Damit war es der Psychologe selbst, der das Zeitmaschinenmodell auf seine unendliche Reise schickte. Wir alle sahen den Hebel kippen. Ich bin vollkommen sicher, dass kein Betrug im Spiel war. Es gab einen Lufthauch, und die Lampenflamme flackerte. Eine der Kerzen auf dem Kaminsims ging aus, und die kleine Maschine drehte sich plötzlich, wurde unscharf, war vielleicht noch eine Sekunde als matt schimmernder Strudel aus Messing und Elfenbein undeutlich zu erkennen, und weg war sie – verschwunden! Bis auf die Lampe war der Tisch leer.

Eine Weile sagte niemand ein Wort. Dann meinte Filby, ihn lause der Affe.

Der Psychologe erwachte aus seiner Schreckstarre und schaute unvermittelt unter den Tisch. Der Zeitreisende quittierte dies mit einem herzhaften Lachen. »Nun?«, äffte er den Psychologen nach. Dann stand er auf, schritt zur Tabakdose auf dem Kaminsims und begann, sich mit dem Rücken zu uns die Pfeife zu stopfen.

Wir starrten uns an. »Hören Sie mal«, sagte der Arzt, »ist das wirklich Ihr Ernst? Glauben Sie wirklich, diese Maschine wäre in die Zeit entschwunden?«

»Ganz gewiss«, sagte der Zeitreisende, wobei er sich bückte, um sich am Feuer einen Fidibus anzuzünden. Dann drehte er sich um, den Span an die Pfeife haltend, und sah dem Psychologen ins Gesicht. (Um zu zeigen, dass er nicht tiefverstört war, nahm sich der Psychologe eine Zigarre, versuchte aber, sie unangeschnitten anzuzünden.) »Und nicht nur das. Ich habe dort drüben« – er zeigte in Richtung Labor – »eine große Maschine in fast fertigem Zustand, und wenn die ganz zusammengebaut ist, gedenke ich, höchstpersönlich auf die Reise zu gehen.«

»Sie wollen behaupten, diese Maschine wäre in die Zukunft gereist?«, sagte Filby.

»In die Zukunft oder die Vergangenheit – ganz sicher bin ich mir da nicht.«

Nach kurzem Schweigen hatte der Psychologe eine Eingebung. »Wenn überhaupt, muss sie in die Vergangenheit gefahren sein«, sagte er.

»Wieso das?«, fragte der Zeitreisende.

»Weil ich zu behaupten wage, dass sie sich nicht im Raum fortbewegt hat, und wenn sie in die Zukunft gereist wäre, wäre sie danach noch hier gewesen, denn sie hätte ja diese Zeit durchqueren müssen.«

»Aber«, sagte ich, »wenn sie in die Vergangenheit gereist wäre, hätten wir sie schon gesehen, als wir vorhin diesen Raum betraten, und als wir vorigen Donnerstag hier waren, und den Donnerstag davor, und so weiter!«

»Schwerwiegende Einwände«, bemerkte der Provinzbürgermeister mit dem Anschein der Neutralität an den Zeitreisenden gewandt.

»Überhaupt nicht«, sagte der Zeitreisende, und zum Psychologen: »Denken Sie mal nach! Sie müssten das eigentlich erklären können. Es handelt sich um eine Wahrnehmung unterhalb der Bewusstseinsschwelle, nicht wahr, eine abgeschwächte Wahrnehmung.«

»Natürlich«, bestätigte uns der Psychologe. »Das gehört zu den Grundbegriffen der Psychologie. Daran hätte ich denken sollen. Ein klarer Fall, und er verstärkt das Paradox aufs Schönste. Wir können diese Maschine so wenig sehen oder sonst wie wahrnehmen wie die Speichen im Fall eines kreisenden Rades oder eine durch die Luft fliegende Kugel. Wenn sie sich fünfzig- oder hundertmal schneller als wir durch die Zeit bewegt, wenn sie eine Minute durchläuft, während wir eine Sekunde durchlaufen, wird der Eindruck, den sie erzeugt, natürlich nur ein Fünfzigstel oder ein Hundertstel dessen sein, den sie machen würde, wenn sie sich nicht in der Zeit fortbewegte. Ein klarer Fall.« Er führte die Hand durch den Raum, den die Maschine eingenommen hatte. »Sehen Sie?«, sagte er lachend.

Wir saßen da und starrten den leeren Tisch eine ganze Weile an. Dann fragte uns der Zeitreisende, was wir von alledem hielten.

»Heute Abend hört es sich ganz plausibel an«, sagte der Arzt. »Aber warten wir bis morgen. Warten wir ab, wie der gesunde Menschenverstand bei Tag darüber urteilt.«

»Möchten Sie die Zeitmaschine selbst sehen?«, fragte der Zeitreisende. Und damit ergriff er die Lampe und ging voraus durch den langen, zugigen Korridor, der in sein Labor führte. Ich erinnere mich lebhaft an das flackernde Licht, an den Umriss seines auffälligen, breiten Schädels, die tanzenden Schatten, wie wir ihm alle folgten, stutzig gemacht, aber ungläubig, und wie wir dort im Labor eine größere Ausführung des kleinen Gerätes erblickten, das vor unseren Augen verschwunden war. Manche Teile waren aus Nickel, andere aus Elfenbein, andere waren zweifellos aus Bergkristall geschliffen oder gesägt worden. Das Ding war im Großen und Ganzen komplett, nur die in sich verdrehten Kristallstäbe lagen unfertig neben einigen Zeichnungen auf der Werkbank, und ich nahm mir einen, um ihn genauer zu betrachten. Er schien aus Quarz zu sein.

»Hören Sie«, sagte der Arzt, »ist es Ihnen wirklich ernst damit? Oder ist das ein Kniff – wie dieser Geist, den Sie uns vorige Weihnachten gezeigt haben?«

»Auf dieser Maschine«, sagte der Zeitreisende, die Lampe erhoben, »beabsichtige ich, die Zeit zu erforschen. Ist das deutlich genug? So ernst war es mir im ganzen Leben noch nie mit etwas.«

Keiner von uns wusste so recht, was er davon halten sollte.

Über der Schulter des Arztes fing ich Filbys Blick auf, und er zwinkerte mir bedeutungsvoll zu.

III.Der Zeitreisende kehrt zurück

Zu dem Zeitpunkt glaubte meines Erachtens keiner von uns so recht an die Zeitmaschine. Der Zeitreisende gehörte nämlich zu der Sorte Mensch, die zu intelligent ist, um vertrauenswürdig zu sein: Man hatte nie den Eindruck, ihm ganz in die Karten gucken zu können, man witterte immer einen Trumpf in der Hinterhand, einen versteckten Hintersinn in der klaren, unverblümten Art. Hätte Filby das Modell vorgeführt und die Sache mit den Worten des Zeitreisenden erläutert, wären wir ihm gegenüber weitaus weniger skeptisch gewesen. Denn wir hätten seine Motive erkannt: Ein Schweineschlächter konnte Filby verstehen. Aber zu den Anlagen des Zeitreisenden gehörte ein ordentlicher Schuss Mutwillen, und wir misstrauten ihm. Leistungen, die einem weniger intelligenten Mann zum Ruhm gereicht hätten, wirkten bei ihm betrügerisch. Es kommt nicht gut an, wenn einer sich mit allem zu leicht tut. Ernstzunehmende Menschen, die ihn ihrerseits ernst nahmen, konnten sein Gebaren nie so richtig einschätzen, denn sie spürten irgendwie, dass sie sich bei ihm so wenig auf ihr ansonsten anerkannt sicheres Urteil verlassen konnten, wie sie sich getraut hätten, ein Kinderzimmer mit Eierschalenporzellan auszustatten. Von daher kann ich mir nicht vorstellen, dass zwischen jenem Donnerstag und dem nächsten jemand aus unserer Runde allzu viel über die Idee der Zeitreise redete, obwohl den meisten zweifellos die ganzen Eventualitäten durch den Kopf gingen: ihre Plausibilität, besser gesagt, ihre praktische Unvorstellbarkeit, die absonderlichen Anachronismen und Verwirrspiele, deren Möglichkeit sich dadurch eröffnete. Was mich betraf, so beschäftigte mich vor allem der Kniff mit dem Modell. Ich entsinne mich, dass ich mich darüber mit dem Arzt unterhielt, den ich am Freitag in der Linné-Gesellschaft traf. Er meinte, er habe in Tübingen einmal etwas Ähnliches gesehen, und hob besonders das Erlöschen der Kerze hervor. Doch wie der Kniff funktionierte, konnte er nicht erklären.

Am folgenden Donnerstag begab ich mich abermals nach Richmond – ich war vermutlich einer der treuesten Gäste des Zeitreisenden – und fand bei meinem verspäteten Eintreffen bereits vier oder fünf Herren im Salon versammelt. Der Arzt stand mit einem Zettel in der einen und seiner Uhr in der anderen Hand vor dem Kamin. Ich sah mich nach dem Zeitreisenden um, da ließ sich der Arzt mit: »Es ist jetzt halb acht«, vernehmen. »Sollten wir nicht lieber zu Tisch gehen?«

»Wo ist —?«, erkundigte ich mich nach unserem Gastgeber.

»Sind Sie eben erst gekommen? Komische Geschichte. Etwas Unaufschiebbares hält ihn auf. Er bittet mich in dieser Mitteilung, um sieben mit dem Essen anzufangen, falls er bis dahin nicht wieder da ist. Er werde es dann erklären.«

»Wäre doch schade, das Essen verkommen zu lassen«, sagte der Chefredakteur einer bekannten Tageszeitung, und daraufhin läutete der Arzt zu Tisch.

Der Psychologe war außer dem Arzt und mir der Einzige, der dem Treffen davor beigewohnt hatte. Die anderen Männer waren Blank, der vorgenannte Redakteur, ein Journalist sowie ein stiller, schüchterner Mann mit Bart, den ich nicht kannte und der, soweit ich beobachten konnte, den ganzen Abend den Mund nicht aufmachte. Bei Tisch wurde über die Abwesenheit des Zeitreisenden spekuliert, und halb scherzhaft nannte ich als möglichen Grund eine Zeitreise. Der Redakteur wollte das erklärt haben, und der Psychologe gab einen hölzernen Bericht über den »raffinierten und paradoxen Kniff«, dessen Zeugen wir acht Tage zuvor geworden waren. Er war mitten in seiner Schilderung, als die Tür zum Korridor langsam und geräuschlos aufging. Ich saß zur Tür gewandt und bemerkte es als Erster. »Hallo!«, sagte ich. »Na, endlich!« Worauf die Tür weiter aufging und der Zeitreisende vor uns stand. Ich stieß einen Überraschungslaut aus. »Du lieber Himmel! Menschenskind, was ist mit Ihnen?«, rief der Arzt, der ihn als Nächster bemerkte. Darauf wandte sich der ganze Tisch der Tür zu.

Er war in einem bestürzenden Zustand. Sein Rock war staubig und schmutzig, mit grünen Streifen an den Ärmeln, die Haare zerzaust und, wie mir schien, grauer als vorher – sei es von Schmutz oder Staub oder weil sie sich tatsächlich entfärbt hatten. Er war im Gesicht gespenstisch bleich, hatte am Kinn einen braunen, halb verheilten Schnitt und wirkte abgehärmt und mitgenommen, als hätte er sehr gelitten. Er zögerte einen Moment in der Tür, wie vom Licht geblendet. Dann trat er ein. Er humpelte dabei auf eine Art, wie ich sie an fußwunden Landstreichern beobachtet hatte. In Erwartung einer Erklärung starrten wir ihn schweigend an.

Er sagte kein Wort, sondern schleppte sich an den Tisch und verlangte mit einem Wink etwas zu trinken. Der Redakteur schenkte ein Glas Champagner ein und schob es ihm zu. Er leerte es, und es schien ihm gutzutun, denn er blickte sich in der Runde um, und ein matter Abglanz seines alten Lächelns huschte ihm übers Gesicht. »Mann Gottes, was haben Sie denn getrieben?«, fragte der Arzt. Der Zeitreisende schien ihn nicht zu hören. »Lassen Sie sich von mir nicht stören«, sagte er mit einem leichten Stocken in der Stimme. »Ich bin wohlauf.« Er hielt sein Glas hin, um sich nachschenken zu lassen, und trank es auf einen Zug aus. »Das ist gut«, sagte er. Seine Augen wurden heller, und seine Wangen bekamen ein wenig Farbe. Sein Blick glitt mit einer gewissen trägen Genugtuung über unsere Gesichter und schweifte dann durch den warmen und gemütlichen Raum. Als er weiterredete, klang es immer noch, als wäre er der Sprache nicht ganz mächtig. »Ich werde mich waschen und umziehen, dann komme ich wieder herunter und erkläre Ihnen alles … Heben Sie mir etwas von dem Hammelbraten auf. Ich habe einen richtigen Heißhunger nach Fleisch.«

Er fasste den Redakteur ins Auge, der ein seltener Gast war, und erkundigte sich nach seinem Befinden. Der Redakteur setzte zu einer Frage an. »Gedulden Sie sich einen Moment«, sagte der Zeitreisende. »Mir ist etwas … seltsam! Bin gleich wieder hergestellt.«

Er setzte sein Glas ab und begab sich zur Tür ins Treppenhaus. Abermals bemerkte ich seinen hinkenden Gang und sein zaghaftes Auftreten, und als ich mich erhob, fiel mein Blick auf seine Füße. Er hatte nur ein Paar zerschlissener, blutbefleckter Strümpfe an. Schon schloss sich hinter ihm die Tür. Ich wollte ihm erst folgen, entsann mich aber, wie sehr ihm jeder Rummel um seine Person verhasst war. Eine Minute vielleicht versank ich in Grübeleien. Dann hörte ich den Redakteur, der wie gewohnt in Schlagzeilen dachte, sagen: »Bemerkenswertes Verhalten eines bedeutenden Wissenschaftlers.« Was meine Aufmerksamkeit wieder auf die hell erleuchtete Tischrunde lenkte.

»Was hat es damit auf sich?«, fragte der Journalist. »Hat er sich als Freizeitbettler betätigt? Da komme ich nicht mit.« Ich begegnete dem Blick des Psychologen und las in seinem Gesicht meine eigene Diagnose. Ich stellte mir vor, wie der Zeitreisende unter Schmerzen die Treppe hinaufhinkte. Ich glaube nicht, dass sein Gang sonst jemandem aufgefallen war.

Der Erste, der sich nach dieser Überraschung wieder ganz im Griff hatte, war der Arzt, und er läutete nach einer Warmhalteplatte – der Zeitreisende konnte es nämlich nicht leiden, wenn Diener bei Tisch aufwarteten. Mit einem Knurren griff der Redakteur zu Messer und Gabel, und der Schweigsame schloss sich ihm an. Das Essen nahm seinen Fortgang. Ein Weilchen ergingen sich alle in Ausrufen und ratlosem Schweigen, dann nahm die Neugier des Redakteurs gereizte Formen an. »Bessert unser Freund sein bescheidenes Einkommen mit Straßenfegen auf? Oder spielt er Nebukadnezar und gesellt sich zu den Tieren des Feldes?«, fragte er nach. »Ich bin überzeugt, dass diese Zeitmaschine dahintersteckt«, sagte ich und setzte die vom Psychologen begonnene Schilderung unseres vorherigen Treffens fort. Die neuen Gäste machten aus ihrer Skepsis keinen Hehl. Der Redakteur erhob Einwände: Zeitreise, was sollte das sein? Ein Mann konnte sich doch nicht von Kopf bis Fuß einstauben, indem er sich in einem Paradox wälzte, oder? Als er dann begriff, worum es ging, zog er die Sache ins Lächerliche. Gab es in der Zukunft etwa keine Kleiderbürsten? Auch der Journalist wollte um keinen Preis daran glauben, und mit dem Redakteur zusammen machte er sich das billige Vergnügen, Hohn und Spott darüber auszugießen. Beide waren sie Pressemenschen des neuen Schlages – sehr humorige, respektlose junge Männer. »Unser Sonderkorrespondent für die Welt von übermorgen berichtet!«, sagte, vielmehr schrie der Journalist gerade, als der Zeitreisende zurückkam. Er trug normale Abendgarderobe, und nichts erinnerte mehr an die Veränderung, die mich so bestürzt hatte, als seine Abgezehrtheit.

»Sagen Sie mal«, rief der Redakteur belustigt aus, »diese Herrschaften hier behaupten, Sie hätten einen kleinen Abstecher in die nächste Woche gemacht. Verraten Sie uns doch mal, was mit dem kleinen Rosebery ist? Was würden Sie dafür haben wollen?«

Der Zeitreisende begab sich an den ihm freigehaltenen Platz, ohne ein Wort zu sagen. Er lächelte still auf seine alte Art. »Wo ist mein Hammelbraten?«, sagte er. »Welch ein Genuss, wieder ein Stück Fleisch auf die Gabel zu spießen!«

»Aufklärung!«, rief der Redakteur.

»Die kann warten«, sagte der Zeitreisende. »Ich will etwas essen. Ich sage kein Wort, bevor ich etwas Pepton in den Adern habe. Danke. Das Salz noch.«

»Nur ein Wort«, sagte ich. »Waren Sie auf Zeitreise?«

»Ja«, sagte der Zeitreisende mit vollem Mund und nickte.

»Ein Shilling die Zeile für einen Augenzeugenbericht«, sagte der Redakteur. Der Zeitreisende schob dem Schweigsamen sein Glas hin und pingte mit dem Fingernagel dagegen, worauf dieser aus seinem gebannten Starren aufschreckte und ihm einschenkte. Die verbleibende Mahlzeit verlief unbehaglich. Immer wieder drängten sich mir Fragen an die Lippen, und ich möchte behaupten, dass es den anderen genauso ging. Der Journalist versuchte, die Atmosphäre mit Anekdoten über Hettie Potter zu entkrampfen. Der Zeitreisende widmete sich ganz seinem Essen und legte den Heißhunger eines Landstreichers an den Tag. Der Arzt rauchte eine Zigarette und beobachtete den Zeitreisenden durch die Wimpern. Der Schweigsame wirkte noch unbeholfener als sonst und trank vor lauter Nervosität verbissen einen Champagner nach dem anderen. Schließlich schob der Zeitreisende seinen Teller von sich und blickte in die Runde. »Ich muss mich wohl entschuldigen«, sagte er. »Ich war schlicht ausgehungert. Ich habe erstaunliche Dinge erlebt.« Er nahm sich eine Zigarre und schnitt die Spitze ab. »Aber kommen Sie mit ins Rauchzimmer. Es ist eine lange Geschichte, die sollte man nicht über schmutzigen Tellern erzählen.« Damit schritt er voraus ins Nebenzimmer, nicht ohne im Vorbeigehen zu läuten.

»Sie haben Blank und Dash und Chose von der Maschine erzählt?«, fragte er mich und lehnte sich in seinem Sessel zurück. So hießen die drei neuen Gäste.

»Aber das ist doch nur ein paradoxes Märchen«, sagte der Redakteur.

»Ich kann heute Abend kein Streitgespräch führen. Ich erzähle Ihnen meinetwegen die Geschichte, aber ein Streitgespräch geht nicht. Ich werde«, fuhr er fort, »Ihnen erzählen, was mir widerfahren ist, wenn Sie mögen, aber Sie dürfen mich nicht unterbrechen. Ich erzähle es Ihnen gern. Sehr gern sogar. Das meiste wird sich gelogen anhören. Sei’s drum! Trotzdem ist jedes Wort wahr. Ich war um vier Uhr in meinem Labor, und seitdem habe ich … acht Tage erlebt … Tage, wie sie vor mir kein Mensch je erlebt hat! Ich bin völlig erschöpft, doch ich werde erst schlafen können, wenn ich Ihnen alles erzählt habe. Dann werde ich zu Bett gehen. Aber nicht unterbrechen! Abgemacht?«

»Abgemacht«, sagte der Redakteur, und wir Übrigen schlossen uns an: »Abgemacht.« Daraufhin begann der Zeitreisende mit seiner Geschichte, wie ich sie hier wiedergebe. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und sprach mit ganz müder Stimme. Später wurde er etwas munterer. Bei ihrer Niederschrift wird mir nur allzu schmerzlich bewusst, wie wenig Feder und Tinte – und vor allem, wie wenig ich – dazu taugen, ihre Besonderheit wiederzugeben. Sie werden, unterstelle ich einmal, durchaus aufmerksam lesen, doch Sie können nicht das bleiche, ehrliche Gesicht des Sprechers im hellen Kreis der kleinen Lampe sehen, nicht den Ton seiner Stimme hören. Sie können nicht ahnen, wie sein Mienenspiel dem Gang der Geschichte folgte! Wir Zuhörer saßen mehrheitlich im Halbdunkel, denn die Kerzen im Rauchzimmer waren nicht angesteckt worden, und nur das Gesicht des Journalisten und die Beine des Schweigsamen von den Knien abwärts waren angeschienen. Anfangs tauschten wir hin und wieder einen Blick aus. Nach einer Weile unterließen wir das und blickten nur noch auf das Gesicht des Zeitreisenden.

IV.Auf Zeitreise