Die Zeitmaschine - H.G. Wells - E-Book

Die Zeitmaschine E-Book

H G Wells

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Beschreibung

H.G. Wells startete seine literarische Karriere mit einer Serie erfolgreicher Science-Fiction-Romane. »Die Zeitmaschine« war die erste einer Reihe von phantasievollen literarischen Erfindungen. Der im Jahre 1895 veröffentliche Roman schildert die Abenteuer eines hypothetischen Zeitreisenden, der sich in die Zukunft begibt und herausfindet, dass sich die Menschheit in zwei Gattungen weiterentwickelt hat, die friedlichen Eloi und die räuberischen Morlocks. Die mit darwinistischen und marxistischen Theorien untermauerte Erzählung bietet faszinierende Einblicke in die Zukunft der Welt. Der Roman ist eine gelungene Mischung aus Abenteuer und Pseudowissenschaft, der Szenarien beschreibt, die heute durchaus denkbar sind.

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© 2023 Nikol Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Hamburg

Alle Rechte, auch das der fotomechanischen Wiedergabe

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Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design unter

Verwendung von shutterstock/Rodin Anton

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH

ISBN: 978-3-86820-873-3

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www.nikol-verlag.de

Inhalt

Kapitel I

Kapitel II

Kapitel III

Kapitel IV

Kapitel V

Kapitel VI

Kapitel VII

Kapitel VIII

Kapitel IX

Kapitel X

Kapitel XI

Kapitel XII

Epilog

I

Der Zeitreisende (denn es bietet sich an, ihn so zu bezeichnen) war gerade dabei, uns eine tiefgründige Angelegenheit zu erläutern. Seine grauen Augen strahlten und funkelten und sein meistens blasses Gesicht war errötet und voller Leben. Das Kaminfeuer loderte hell und der sanfte Schein der brennenden Kerzen in den silbernen Leuchtern fing sich in den perlenden Bläschen, die in unseren Gläsern aufstiegen und sich auflösten. Unsere Stühle, die er entworfen hatte, waren nicht bloße Sitzgelegenheiten, sondern umarmten und liebkosten uns, und es herrschte diese verschwenderische Atmosphäre nach einem Abendessen, wenn die Gedanken befreit von den Fesseln der Präzision elegant umherschweifen. Und auf diese Art und Weise legte er es uns dar – wobei er die Einzelheiten mit erhobenem Zeigefinger unterstrich – während wir dasaßen und träge die Ernsthaftigkeit bewunderten, mit der er sein neues Paradoxon (für das wir es hielten) und dessen Schöpferkraft darlegte.

»Sie müssen mir aufmerksam folgen. Ich muss ein oder zwei Ansichten anfechten, die beinahe weltweit anerkannt sind. Beispielsweise fußt die Geometrie, die Sie in der Schule gelernt haben, auf einer falschen Vorstellung.«

»Ist das nicht eine ziemlich große Sache, die Sie uns gleich zu Beginn zumuten?«fragte Filby, ein streitlustiger Mann mit rotem Haar.

»Ich möchte von ihnen nicht verlangen, alles ohne eine annehmbare Begründung zu akzeptieren. Sie werden mir bald so viel Zustimmung zuteil werden lassen, wie ich benötige. Sie wissen natürlich, dass eine mathematische Linie, eine Linie der Dicke Null, nicht wirklich existiert.

So brachte man es Ihnen bei? Genauso verhält es sich mit einer mathematischen Fläche. Diese Dinge sind bloße Abstraktionen.«

»Das ist alles korrekt«, sagte der Psychologe.

»Auch kann ein Würfel nicht wirklich existieren, wenn er nur Länge, Breite und Höhe besitzt.«

»Da muss ich widersprechen«, sagte Filby. Natürlich mag ein fester Körper existieren. Alle reellen Dinge …«

»So denken die meisten Leute. Aber warten Sie einen Augenblick. Kann ein augenblicklicher Würfel existieren?«

»Ich verstehe Sie nicht«, meinte Filby.

»Kann ein Würfel, der keine zeitliche Dauer besitzt, wirklich existieren?«

Filby wurde nachdenklich. »Eindeutig«, fuhr der Zeitreisende fort, »muss sich jeder reale Körper in vier Richtungen ausdehnen: in Länge, Breite, Dicke und – Dauer. Doch aufgrund einer angeborenen Schwäche des Fleisches, die ich Ihnen in einem Augenblick darlegen werde, sind wir geneigt, diese Tatsache zu übersehen. Es gibt tatsächlich vier Dimensionen, von denen wir drei als Ebenen des Raums bezeichnen, sowie eine vierte, die Zeit. Allerdings besteht die Neigung, eine schemenhafte Abgrenzung zwischen den ersteren drei Dimensionen und der letztgenannten zu ziehen, weil sich unser Bewusstsein mit Unterbrechungen in eine Richtung entlang der Zeitachse von Anfang bis Ende unseres Lebens bewegt.«

»Das«, sagte ein junger Mann, während er sich krampfhaft abmühte, seine Zigarre an der Lampenflamme zu entzünden, »das … ist allerdings sehr deutlich.«

»Nun ist es aber sehr bemerkenswert, dass dies so außerordentlich übersehen wird«, fuhr der Zeitreisende mit einem leichten Anflug von Frohsinn fort. »Das hat es mit der vierten Dimension auf sich, denn obwohl einige Leute über die vierte Dimension sprechen, kennen sie ihre Bedeutung nicht. Es ist bloß eine andere Art, die Zeit zu betrachten. Zwischen der Zeit und jeder anderen der drei Dimensionen besteht kein Unterschied, außer dass sich unser Bewusstsein mit ihr weiterbewegt. Doch manche törichten Menschen halten an der falschen Seite dieser Idee fest. Sie haben doch alle gehört, was sie über jene vierte Dimension behaupten?«

»Ich nicht«, sagte der Bürgermeister der Kleinstadt.

»Es ist einfach folgendermaßen. Der Raum, wie ihn unsere Mathematiker sehen, verfügt offenbar über drei Dimensionen, die man mit Länge, Breite und Dicke bezeichnet, die immer in Bezug zu drei Ebenen bestimmbar sind, wobei jede im rechten Winkel zu den anderen steht. Doch einige philosophische Denker haben gefragt, warum es ausgerechnet drei Dimensionen sind, und es nicht noch eine vierte gibt, die im rechten Winkel zu den anderen drei steht, und sie haben sogar versucht eine vierdimensionale Geometrie auszuarbeiten. Professor Simon Newcomb stellte dies vor ungefähr einem Monat der Mathematischen Gesellschaft von New York vor. Sie wissen, wie man auf einer flachen Oberfläche, die nur zwei Dimensionen besitzt, einen dreidimensionalen Festkörper darstellen kann, und gleichermaßen gehen Sie davon aus, mittels eines dreidimensionalen Modells eine Vierdimensionalität darstellen zu können, wenn sie die Perspektive der Angelegenheit bewältigen könnten. Sehen Sie?«

»Ich denke mal«, murmelte der Kleinstadtbürgermeister und verfiel mit gerunzelten Brauen in einen Zustand der Selbstbeobachtung, wobei sich seine Lippen bewegten, als ob sie mystische Worte wiederholten. »Ja, ich glaube, ich sehe es nun«, sagte er nach einiger Zeit in flüchtig aufgeheiterter Manier.

»Nun gut, ich habe nichts dagegen, Ihnen mitzuteilen, dass ich schon seit einiger Zeit an dieser vierdimensionalen Geometrie arbeite. Einige meiner Ergebnisse sind merkwürdig. Beispielsweise ist hier das Selbstbildnis eines Mannes im Alter von acht Jahren, ein weiteres mit fünfzehn Jahren, noch eines im Alter von dreiundzwanzig Jahren, und so weiter. All jene sind offenkundig Abschnitte, also dreidimensionale Darstellungen seines vierdimensionalen Daseins, was eine feststehende und unveränderliche Tatsache darstellt.

»Wissenschaftler«, fuhr der Zeitreisende nach einer Pause fort, die zur angemessenen Verinnerlichung des Gesagten beitrug, »wissen ganz genau, dass Zeit nur eine Art von Raum ist. Hier ist ein bekanntes wissenschaftliches Diagramm, nämlich eine Wetteraufzeichnung. Diese Linie, die ich mit meinem Finger verfolge, stellt die Bewegung des Barometers dar. Gestern stand es tagsüber so hoch, gestern Nacht fiel es, um am nächsten Morgen erneut emporzusteigen, und zwar langsam bis hierhin. Gewiss hat das Quecksilber seine Linie in keiner der allgemein anerkannten Raumdimensionen gezogen? Aber ganz sicher zog es solch eine Linie, weshalb wir daraus schließen, dass sie entlang der Zeitdimension verläuft.«

»Doch«, sagte der Arzt, während er unverwandt auf die Kohlen im Feuer starrte, »wenn Zeit wirklich nur eine vierte Raumdimension ist, warum wird und warum wurde sie immer als etwas anderes betrachtet? Und warum können wir uns in der Zeit nicht bewegen, wie wir uns in den anderen Raumdimensionen bewegen?«

Der Zeitreisende lächelte. »Sind Sie sich sicher, dass wir uns frei im Raum bewegen können? Wir können uns ausreichend nach rechts und links, vorwärts und rückwärts bewegen, und die Menschheit hat das seit jeher getan. Ich gebe zu, dass wir uns ungehindert in zwei Dimensionen bewegen. Aber was ist mit oben und unten? Die Schwerkraft begrenzt uns hier.«

»Nicht wirklich«, entgegnete der Arzt. »Es gibt Ballons.«

»Doch vor den Ballons hatte der Mensch keine Freiheit, sich vertikal zu bewegen, außer krampfhaften Sprüngen und den Unebenheiten der Oberfläche.«

»Dennoch konnte er sich ein wenig auf- und abwärts bewegen«, meinte der Arzt.

»Leichter, viel leichter abwärts als aufwärts.«

»Doch man kann sich innerhalb der Zeit überhaupt nicht bewegen, man kann den gegenwärtigen Augenblick nicht verlassen.«

»Mein lieber Herr, gerade damit liegen Sie falsch. Das ist gerade der Punkt, bei dem die ganze Welt irrt. Wir entfernen uns immer vom gegenwärtigen Augenblick. Unsere geistige Existenz, die immateriell ist und keine Dimensionen besitzt, folgt mit einer gleichförmigen Geschwindigkeit der Zeitdimension von der Wiege bis zum Grab. Gerade so, als ob wir abwärts reisen würden, nachdem wir unsere Existenz fünfzig Meilen über der Erdoberfläche begonnen hätten.«

»Die große Schwierigkeit ist doch«, unterbrach der Psychologe, »man kann sich in allen Richtungen des Raumes, doch nicht in der Zeit bewegen.«

»Das ist der Keim meiner großartigen Entdeckung. Aber Sie liegen falsch, wenn Sie behaupten, wir könnten uns nicht in der Zeit bewegen. Wenn ich mir beispielsweise ein Ereignis eindringlich in Erinnerung rufe, kehre ich zum Augenblick des Geschehens zurück: Ich werde geistesabwesend, wie Sie sagen würden. Ich springe für einen Augenblick zurück. Natürlich können wir keinesfalls eine bestimmte Zeitlang dort verweilen, genauso wenig wie ein Wilder oder ein Tier sechs Fuß über dem Boden verweilen kann. Doch diesbezüglich ist ein zivilisierter Mensch besser gestellt als ein Wilder. Er kann entgegen der Schwerkraft in einem Ballon aufsteigen, und warum sollte er nicht hoffen, dass er schließlich in der Lage sei, sein Forttreiben entlang der Zeitdimension anzuhalten oder zu beschleunigen, oder sogar umzukehren und in die andere Richtung zu reisen?«

»Oh, das«, hob Filby an, »ist alles – «

»Warum nicht?«, fragte der Zeitreisende.

»Es ist gegen die Vernunft«, sagte Filby.

»Welche Vernunft?«, meinte der Zeitreisende.

»Sie können mir anhand einer Behauptung aufzeigen, dass schwarz weiß sei«, sagte Filby, »aber Sie werden mich niemals überzeugen.«

»Möglichweise nicht«, entgegnete der Zeitreisende. »Aber jetzt fangen Sie an, das Ziel meiner Untersuchungen bezüglich der vierdimensionalen Geometrie wahrzunehmen. Vor langer Zeit hatte ich die ungenaue Vorstellung einer Maschine …«

»Um durch die Zeit zu reisen!«, rief der sehr junge Mann.

»Sie sollte allgemein in jede Richtung von Zeit und Raum reisen können, wie es der Nutzer entscheidet.«

Filby begnügte sich mit einem Lachen.

»Aber ich habe einen experimentellen Nachweis«, sagte der Zeitreisende.

»Es wäre außergewöhnlich praktisch für den Historiker«, schlug der Psychologe vor. Man könnte zurückreisen und zum Beispiel die allgemein anerkannte Darstellung der Schlacht von Hastings überprüfen!«

»Glauben Sie nicht, dort Aufmerksamkeit zu erregen?«, fragte der Arzt. »Unsere Vorfahren hatten keine große Toleranz gegenüber Anachronismen.«

»Man könnte sein Griechisch direkt von den Lippen Homers und Platos lernen«, überlegte der sehr junge Mann.

»In diesem Fall würden Sie bestimmt schon durch die Vorprüfung fallen. Die deutschen Gelehrten haben das Griechische um so vieles verbessert.«

»Dann ist da die Zukunft«, meinte der sehr junge Mann. »Überlegen Sie mal! Man könnte sein ganzes Geld anlegen, es dort belassen, damit es sich mehrt und Zinsen anhäuft, und dann reist man eilends in die Zukunft!«

»Um dort eine Gesellschaft zu finden, die streng auf einer kommunistischen Grundlage errichtet wurde«, sagte ich.

»Laute wilde, überspannte Theorien!«, fing der Psychologe an.

»Ja, so schien es mir, und deshalb sprach ich niemals darüber, bis …«

»Experimenteller Nachweis!«, rief ich aus. »Sie sind im Begriff, das nachzuweisen?«

»Das Experiment!«, rief Filby, der des Nachdenkens müde wurde.

»Zeigen Sie uns dennoch Ihr Experiment«, meinte der Psychologe, »auch wenn es alles Humbug ist, wie Sie wissen.«

Der Zeitreisende blickte lächelnd in die Runde. Dann verließ er, immer noch schwach lächelnd, langsam den Raum, die Hände tief in seinen Hosentaschen, und wir hörten ihn mit seinen Pantoffeln den langen Gang hinab bis zu seinem Labor schlurfen.

Der Psychologe blickte uns an. »Ich frage mich, was er macht?«

»Irgendeinen Taschenspielertrick oder Ähnliches«, meinte der Arzt und Filby versuchte uns etwas über einen Trickkünstler zu erzählen, den er in Burslem gesehen hatte, doch noch bevor er mit seiner Einleitung fertig war, kehrte der Zeitreisende zurück und Filbys Anekdote wurde unterbrochen.

Der Gegenstand, den der Zeitreisende in seiner Hand hielt, war ein glänzender, metallischer Rahmen, kaum größer als eine kleine Uhr und sehr filigran gestaltet. Er enthielt Elfenbein und irgendeine durchscheinende kristalline Substanz. Und jetzt muss ich ins Detail gehen – falls man seiner Erklärung keinen Glauben schenken will – denn das, was folgte, war absolut unerklärlich. Er nahm einen der kleinen achteckigen Tische, die überall im Raum verteilt waren, und stellte ihn vor das Kaminfeuer, dass er mit zwei Beinen auf dem Kaminvorleger stand. Auf diesem Tisch stellte er die Apparatur ab. Dann zog er sich einen Stuhl heran und setzte sich hin. Der einzige andere Gegenstand auf dem Tisch war eine kleine Schirmlampe, deren helles Licht auf das Modell fiel. Außerdem brannten ungefähr ein Dutzend Kerzen im Raum, zwei in Messingkerzenhaltern auf dem Kaminsims und mehrere in Wandleuchtern, so dass der Raum hell erleuchtet war. Ich setzte mich in einen niedrigen Armsessel, der dem Feuer am nächsten stand, und schob ihn so weit nach vorne, dass ich fast zwischen dem Zeitreisenden und dem offenen Kamin saß. Filby saß hinter ihm und blickte ihm über die Schulter. Der Arzt und der Kleinstadtbürgermeister beobachteten ihn von der rechten Seite im Profil, der Psychologe von der linken. Der sehr junge Mann stand hinter dem Psychologen. Wir waren alle wachsam. Es erschien mir unmöglich, dass uns unter diesen Bedingungen irgendein Streich gespielt werden konnte, mochte er auch noch so geschickt und fingerfertig ausgeführt werden.

Der Zeitreisende blickte uns an und dann auf die Apparatur. »Nun?«, fragte der Psychologe.

»Dieses kleine Ding«, sagte der Zeitreisende, während er die Ellbogen auf den Tisch stützte und seine Hände über der Apparatur zusammenpresste, »ist nur ein Modell. Es ist mein Entwurf für eine Maschine, mit der man durch die Zeit reisen kann. Sie werden bemerken, dass er eigentümlich schief ist und dieser Stab seltsam funkelt, als ob er irgendwie unwirklich sei.« Er deutete mit dem Finger auf dieses Teil. »Außerdem befindet sich hier ein kleiner, weißer Hebel, und dort ist ein zweiter.«

Der Arzt erhob sich aus seinem Stuhl und starrte in den Gegenstand. »Er ist wunderschön gemacht«, sagte er.

»Die Herstellung hat mich zwei Jahre gekostet«, erwiderte der Zeitreisende. Nachdem wir es dann alle dem Arzt gleichgetan hatten, sagte er: »Jetzt möchte ich Ihnen klar verständlich machen, dass dieser Hebel auf Druck die Maschine in die Zukunft gleiten lässt, während jener die Bewegung umkehrt. Dieser Sattel stellt den Sitz eines Zeitreisenden dar. Sogleich werde ich den Hebel betätigen und die Maschine wird sich in Bewegung setzen. Sie wird verschwinden, sich in die Zukunft bewegen und sich dort verlieren. Behalten Sie das Objekt im Auge. Behalten Sie auch den Tisch im Auge und überzeugen sie sich selbst, dass es kein Schwindel ist. Ich möchte dieses Modell nicht vergeuden, um dann ein Scharlatan genannt zu werden.«

Es entstand eine vielleicht einminütige Pause. Der Psychologe schien mir etwas sagen zu wollen, überlegte es sich aber anders. Dann streckte der Zeitreisende seinen Finger nach dem Hebel aus. »Nein«, sagte er plötzlich. »Geben Sie mir Ihre Hand.« Er wandte sich an den Psychologen, nahm dessen Hand in seine eigene und bedeutete ihm, den Zeigefinger auszustrecken. So war es der Psychologe selbst, der das Modell der Zeitmaschine auf seine endlose Reise schickte. Wir alle sahen, wie sich der Hebel bewegte. Ich bin mir absolut sicher, dass es keinerlei Betrug war. Es gab einen Windhauch und die Flamme der Lampe zuckte empor. Eine der Kerzen auf dem Kaminsims war erloschen und die kleine Maschine schwang plötzlich herum, wurde verschwommen, vielleicht für eine Sekunde zu einem Geisterbild, gleich einem Wirbel aus schwach glänzendem Messing und Elfenbein, dann war sie fort – verschwunden! Außer der Lampe war der Tisch leer.

Eine Minute lang schwiegen alle. Dann fluchte Filby.

Der Psychologe erholte sich von seiner Starre und blickte unvermittelt unter den Tisch. Darüber lachte der Zeitreisende vergnügt. »Nun?«, fragte er mit einem Seitenblick auf den Psychologen. Dann erhob er sich, ging zur Tabakdose auf dem Kaminsims und begann, mit dem Rücken zu uns gewandt, seine Pfeife zu stopfen.

Wir starrten einander an. »Schauen Sie her«, sagte der Arzt, »meinen Sie das ernst? Glauben Sie ernsthaft, dass diese Maschine in der Zeit gereist ist?«

»Gewiss«, entgegnete der Zeitreisende und bückte sich, um einen Holzspan am Feuer zu entzünden. Dann drehte er sich um und blickte den Psychologen an, während er seine Pfeife anzündete. (Der Psychologe nahm sich, um zu zeigen, dass er nicht verstört war, eine Zigarre und versuchte sie anzuzünden, ohne die Spitze abzuschneiden.) »Darüber hinaus habe ich eine große Maschine dort drinnen fast fertiggestellt« – er zeigte auf das Laboratorium – »und wenn sie zusammengebaut ist, beabsichtige ich, auf eigenes Risiko eine Reise zu unternehmen.«

»Wollen Sie damit sagen, dass jene Maschine in die Zukunft gereist ist?«, fragte Filby.

»In die Zukunft oder in die Vergangenheit – genau weiß ich es auch nicht.«

Nach einer Pause hatte der Psychologe eine Eingebung. »Sie muss in die Vergangenheit entschwunden sein, wenn sie irgendwohin gegangen ist«, meinte er.

»Warum?«, fragte der Zeitreisende.

»Weil ich vermute, dass sie sich nicht im Raum bewegt hat, und wenn sie in die Zukunft gereist wäre, müsste sie die ganze Zeit hier gewesen sein, denn sie muss die jetzige Zeit durchqueren.«

»Aber«, meinte ich, wenn sie in die Vergangenheit gereist war, hätte sie zu sehen sein müssen, als wir den Raum zum ersten Mal betraten, und wir waren letzten Donnerstag hier und den Donnerstag davor, und so weiter!«

»Ernstzunehmende Einwände«, bemerkte der Kleinstadtbürgermeister mit einem Anflug von Unbefangenheit, während er sich an den Zeitreisenden wandte.

»Keineswegs«, entgegnete der Zeitreisende und sagte an den Psychologen gewandt: »Sie denken mit. Sie können das erklären. Es ist eine unterschwellige Darstellung, wie Sie wissen, eine geminderte Darstellung.«

»Natürlich«, sagte der Psychologe und beruhigte uns. »Es ist ein einfacher psychologischer Standpunkt. Ich hätte daran denken sollen. Es ist einfach genug und ein erfreuliches Paradoxon. Wir können sie weder sehen, noch können wir jene Maschine erfassen, genauso wenig wie die Speichen eines schnell drehenden Rades oder die Bewegungen einer durch die Luft fliegenden Kugel. Wenn sie fünfzig- oder hundertmal schneller durch die Zeit reist als wir, wenn sie also durch eine Minute geht, während wir nur eine Sekunde durchleben, so wird der hervorgerufene Eindruck, natürlich nur ein Fünfzigstel oder ein Hundertstel von dem sein, was er wäre, wenn sie nicht durch die Zeit reisen würde. So einfach ist das.« Er fuhr mit der Hand durch den Raum, wo die Maschine gestanden hatte. »Sehen Sie?«, sagte er lachend.

Wir saßen da und starrten etwa eine Minute lang auf den leeren Tisch. Dann fragte uns der Zeitreisende, was wir von der ganzen Sache hielten.

»Heute Abend klingt das ausreichend plausibel«, meinte der Arzt, »aber warten wir doch bis morgen. Warten wir, was der gesunde Menschenverstand am Morgen sagt.«

»Möchten Sie die echte Zeitmaschine sehen?«, fragte der Zeitreisende. Und mit diesen Worten nahm er die Lampe in die Hand und führte uns den langen, zugigen Gang entlang bis zu seinem Laboratorium. Ich erinnere mich lebhaft an das flackernde Licht, die Silhouette seines merkwürdig breiten Kopfes, die tanzenden Schatten, wie wir ihm alle nachfolgten und wie wir im Laboratorium die große Ausgabe des kleinen Mechanismus erblickten, den wir vor unseren Augen hatten verschwinden sehen. Teile davon waren aus Nickel, andere aus Elfenbein und wieder andere waren offenbar aus Bergkristall gefeilt oder gesägt worden. Die Apparatur war nahezu vollständig, aber die gewundenen kristallenen Hebel lagen unvollendet auf der Werkbank neben einigen Skizzenblättern, und ich nahm einen in die Hand, um ihn besser betrachten zu können. Er schien aus Quarz zu sein.

»Schauen Sie her«, sagte der Arzt, »meinen Sie das völlig ernst? Oder ist das ein Schwindel – wie der Geist, den Sie uns letztes Weihnachten gezeigt haben?«

»Mit dieser Maschine«, sagte der Zeitreisende, während er die Lampe emporhielt, »habe ich vor, die Zeit zu erforschen. Ist das verständlich? Ich habe es nie im Leben ernster gemeint.«

Niemand von uns wusste, wie er darauf reagieren sollte.

Über die Schulter des Arztes hinweg begegnete ich Filbys Blick, und er zwinkerte mir bedeutungsvoll zu.

II