Digitale Knechtschaft - Ulrich Horstmann - E-Book

Digitale Knechtschaft E-Book

Horstmann Ulrich

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Beschreibung

Das selbstgewählte Ende der Freiheit Bereits 1944 warnte Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek in seinem Werk Der Weg in die Knechtschaft davor, dass eine zentrale Kontrolle wirtschaftlicher Prozesse zur Einschränkung der Freiheit des Einzelnen führen würde. Doch nicht einmal er ahnte, in welchem Ausmaß diese Knechtschaft 70 Jahre später real werden würde … Bestsellerautor Ulrich Horstmann und Ralph Lutz zeigen in diesem nachdenklich machenden Buch, wie wir uns zunehmend mehr enteignen und entmündigen lassen – gefördert durch die alles durchdringende Digitalisierung. Sie zeigen die Gefahren auf, die Methoden und die Macht der Datenkraken wie auch die Untätigkeit der Volksvertreter, die durch Überregulierung in viele Lebensbereiche der Entmündigung sogar Vorschub leisten. Es ist höchste Zeit, die Hoheit über unsere Daten zurückzuholen und uns der digitalen Komplettverwertung zu entziehen – mit demokratischen Grundrechten und fairen Regeln. Sonst droht nichts weniger als das Ende der Freiheit.

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Seitenzahl: 316

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Ulrich Horstmann | Ralph Lutz

Digitale Knechtschaft

 

Ulrich Horstmann | Ralph Lutz

Digitale Knechtschaft

Wie wir von Konzernen und Staaten gesteuert werden

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

1. Auflage 2018

© 2018 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Christiane Otto, München

Umschlaggestaltung: Marc Fischer, München

Umschlagabbildung: shutterstock /astudio

Satz: Daniel Förster, Belgern

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

eBook: ePubMATIC.com

ISBN Print 978-3-86881-678-5

ISBN E-Book (PDF) 978-3-86414-990-0

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86414-991-7

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.redline-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Inhalt

Prolog: Ein ganz normaler Tag in fünf Jahren?

Über die digitale Überwachungs- und Enteignungsfalle

1. Utopie und Realität

2. Unser großer Bruder steuert uns

3. Auf dem Weg zum normierten Digitalzombie?

4. Wem gehören die Daten?

5. Spaltung und Zerstörung der Gesellschaft

6. Die Maschinen übernehmen uns, wenn wir die Regeln nicht mehr bestimmen

7. Systemabsturz

Privatwirtschaftliche Treiber der Digitalisierung und ihre Einflussnahme auf Regierungen

8. Ökonomisierung aller Lebensbereiche – gibt es ein Entrinnen?

9. Smart Home oder elektronisches Gefängnis?

10. Mehr Wellness oder mehr Gesundheitsdiktatur?

11. Das Auto – Ihre rollende Überwachungsmaschine

12. Die zunehmende Macht der Digitalkonzerne

13. Gleiche Eigner

14. Anonym geht auch ohne Bargeld: Die Blockchain-Technologie

15. Digitaler Kapitalismus: gemeinsame Interessenlagen von Datensammlern, Finanzwirtschaft und Sicherheitsdiensten

Staatliche Treiber der Digitalisierung – Machtausweitung für die Volksvertreter und digitale Knechtschaft fürs Volk

16. Kriminalitäts- und Steuerfluchtbekämpfung – die wesentlichen Scheinargumente zur Einschränkung Ihrer Freiheit

17. Aufbau neuer Feindbilder und der Kampf gegen das Internet

18. Pre-Crime-Verfolgung zur Terrorabwehr und Cyberwar – Alibis für die Komplettüberwachung

19. Marx goes digital? – Über sozialistische Volksbeglückungsträume

20. Gibt es noch Raum für Subsidiarität und Familien?

21. Bargeldverbot und digitale Enteignung

22. Digitale Besteuerung

23. Staatliche Datensammelwut und steigende öffentliche Schulden gefährden die Demokratie

24. Digitaler Sozialismus: totalitäre Feinde der Freiheit und ihre Neigung zu Überwachung und Kontrolle

Digitale Knechtschaft und Enteignung verhindern, Freiheitsspielräume erhöhen!

25. Digitaler Kapitalismus und digitaler Sozialismus – gibt es eine Synthese?

26. Sicherung von Freiheit und Demokratie – warum ein maßvoll agierender Staat wichtiger denn je ist

27. Gründe, digitale Knechtschaft zu verhindern

28. Chancen der Digitalisierung nutzen – mit Ludwig Erhards zeitlosen marktwirtschaftlichen Konzepten

29. Mehr Eigenverantwortung ermöglichen!

30. Zum Schluss

Hilfestellungen für einen entspannten Umgang mit der Digitalisierung

Über die Autoren

Glossar

Ausgewählte Literatur und Quellenangaben

Anmerkungen

Prolog: Ein ganz normaler Tag in fünf Jahren?

Unser Smartphone weckt uns morgens mit der ›To-Do-Liste‹ für die nächsten Minuten: Duschen, Zähne putzen, Toilettengang und ein paar Dehn- und Streckübungen, um die ersten Tagespunkte für unsere Versicherungsapp zu sammeln. Je mehr Punkte wir in einem Monat schaffen, desto billiger wird unser Krankenversicherungsbeitrag.

Die Wetterapp unseres Versanddienstleisters für Kleidung empfiehlt uns aus unserem Kleiderschrank die passenden Klamotten für den heutigen Tag. Natürlich wurde dabei nicht vergessen, dass wir heute noch einen wichtigen Termin mit einem neuen Kunden haben, der auf dezente Farben steht. Daher fällt unser Outfit – trotz strahlendem Sonnenschein – etwas weniger grell aus. Die elektrische Drehleiste in unserem Schrank liefert uns dann, dank der eingearbeiteten Funkchips, die von der App ausgesuchten Kleiderstücke. Eine lästige Suche im vollgefüllten Kleiderschrank ist nicht notwendig.

Wenn nicht schon längst geschehen, werden nun alle wichtigen sozialen Apps wie Facebook, Twitter etc. gecheckt und eventuell einige Kommentare abgegeben. Diese werden von diesen Firmen natürlich nicht »personalisiert« gespeichert, aber das »individuelle« Abbild von uns wird um weitere Details ergänzt, um uns in den nächsten Tagen beziehungsweise Wochen die »passende« Werbung zukommen zu lassen.

Mit unserem Smartphone schießen wir das obligatorische, erste Foto des Tages: unser Frühstück. Wir laden es auf unsere Versicherungsapp, damit wir auch nachweisen können, dass wir uns gesund ernährt haben – und zwei weitere Punkte erhalten. Der zusätzliche Check auf der Vergleichsdatenbank des Versicherers zeigt zudem an, dass wir wieder einen Platz höher in der Liste der besten Optimierer gestiegen sind. Es ermuntert uns, weiter durchzuhalten, um noch bis in die Spitzengruppe zu kommen.

Der Kühlschrank signalisiert uns, dass die Margarine vom führenden Lebensmittelkonzern ausgegangen ist. »Er« bestellt gleich – zusammen mit anderen ebenfalls knapp gewordenen Grundnahrungsmitteln – bei einem Versanddienstleister die fehlenden Artikel, die dann im Laufe des Vormittags bei uns in der Kühlbox vor dem Haus von einer Drohne automatisch eingelagert werden. Wer möchte schon seine wertvolle Zeit mit so unwichtigen Dingen wie dem lästigen Einkaufen von Nahrungsmitteln verbringen?

Dabei wird uns ganz nebenbei das neueste Fertigprodukt von unserem Lieblingsversanddienstleister empfohlen. Unsere bisherigen Wareneinkäufe und das von uns abgespeicherte Profil zeigen eindeutig, dass uns diese neueste Produktschöpfung vorzüglich munden sollte. Selbstverständlich wurde das neue Produkt vorab mit unserer Versicherungsapp abgestimmt, damit es im Einklang mit den Empfehlungen zu unserer gesunden Ernährung steht. Es reicht also allein eine kurze Bestätigung – und der Kühlschrank wird am Abend gut gefüllt sein.

Unser Hauscomputer verriegelt nicht nur automatisch die Türe beim Verlassen der Wohnung, sondern er kümmert sich auch das ganze Jahr über um Heizung und Lüftung – optimal auf unsere Bedürfnisse abgestimmt, je nach Tages- und Jahreszeit. Ein lästiger Schlüssel in der Hosen- oder Handtasche ist auch nicht mehr notwendig. Denn dank eines unauffälligen Iris-Scans und einem implantierten Funkchip wird sich die Türe automatisch für uns öffnen, wenn wir abends wieder nach Hause kommen.

Entspannt und zufrieden gehen wir zur nächsten U-Bahn oder steigen in unser selbstfahrendes Auto, das uns zur Arbeitsstelle bringt. Eine Fahrkarte für die U-Bahn ist genauso überflüssig wie Bargeld im »Geldbeutel«, da der uns implantierte Funkchip alle notwendigen Zahlungsfunktionen übernimmt und das Konto bei Bedarf automatisch belastet. So können wir »nebenbei« unser derzeitiges Lieblingsspiel auf der Spieleapp spielen.

In der Arbeit kommen unsere technisch-biologischen Implantate richtig zur Geltung. Dank ständiger Hard- und Softwareoptimierung gelingt es uns erneut, eine bessere Arbeitsleistung vorzuweisen als unser Kollege. Schließlich wissen wir, nach welchen Apps sich unser Chef orientiert, und das reicht, um neuerlich als zuverlässiger Mitarbeiter eingestuft zu werden. Dadurch behalten wir unsere Bevorzugung gegenüber unseren Kollegen, zum Beispiel bei der nächsten Gehaltsrunde.

Spätestens am Nachmittag beginnt die »Planung« für den Abend, wobei wir immerhin noch zwischen »daheim« oder »auswärts« entscheiden können. Wählen wir die Inhouse-Option, folgt der Vorschlag für das Abendessen, das bestellt und am Heimweg aus der Box beim Supermarkt abgeholt werden kann. Während das Essen in der Mikrowelle aufgewärmt wird, können wir die Zeit für einige Fitnessübungen nutzen. Nach dem Abendessen entspannen wir bei der neuesten Folge unserer Lieblingsserie, die wir rasch von einem der Anbieter herunterladen. Schließlich sollen wir fit und stressfrei bleiben, um auch die nächsten Tage, Monate und Jahre 100 Prozent arbeitsfähig zu bleiben.

Rechtzeitig fängt schließlich unser Smartphone an, uns darauf hinzuweisen, dass es demnächst Schlafenszeit ist und wir uns langsam ums Zähneputzen und die restlichen Abendrituale kümmern sollten. Zum letzten Mal checken wir unsere Mails, Apps etc. Wir können zu Bett gehen – mit unserem »treuen« Begleiter neben uns. Schließlich soll er uns ja am nächsten Morgen wecken. Von unserem technisch-biologischen Funkchip erhalten wir passende, beruhigende Elektrostimulanzien, damit sich unser Gehirn und Kreislaufsystem möglichst schnell in den Schlafmodus versetzt. Sobald wir schlafen, beginnen unsere installierten technologischen Helfer die neuesten Updates herunterzuladen, damit der nächste Tag noch optimierter verlaufen kann.

Ist dieses Szenario für Sie nur eine Fiktion oder könnte das schon in den nächsten Jahren tatsächlich Realität werden? Wenn es nach den großen Digitalunternehmen geht, ist diese Zukunft nicht mehr allzu weit entfernt.

Aber wollen Sie wirklich so leben? Geführt von Programmen und Ideen anderer Leute und Konzerne, die für Sie Ihr Leben regeln? Ein Leben ohne jegliche Individualität. Kein ›Ich habe heute keinen Bock auf Schinken, sondern lieber auf Käse‹? Kein ›Ich fühl mich gerade nicht so angenehm und bleib lieber liegen‹? Ein Leben, in dem Sie nur noch dem Takt der Apps folgen und sich dabei ständig selbst optimieren?

Was passiert, wenn Sie aus diesem Takt ausbrechen und nicht mehr der Optimierung durch alle Fremdvorgaben folgen wollen? Wie schnell werden Sie vom System als Störfaktor identifiziert, der wieder auf Gleichschaltung gebracht werden muss?

Wie schnell wird Ihre Wohnung gekündigt, wenn Sie ein schlechtes Rating vom Arbeitgeber und den Versanddienstleistern bekommen? Wie schnell landen Sie in ›Ghettos‹, weil Sie nicht mehr als passendes Zahnrad im System funktionieren?

Wer schützt Ihre Daten und Ihre Privatsphäre noch, wenn wir zum ›Schutze Ihrer Sicherheit und vor Terroranschlägen‹ total überwacht werden müssen? Inwieweit ist da noch Kreativität und Individualismus möglich?

Dann bleibt Ihnen keine Muße mehr und auch keine Möglichkeiten mehr zur Selbstreflektion. Sie sind nur noch ein von den Optimierungsapps getriebener Arbeitsteilnehmer. Freizeit, Kreativität und Lebensfreude bleiben außen vor. Alles konzentriert sich nur noch aufs Funktionieren und darum, besser zu sein als die anderen.

Und was passiert, wenn es einen längeren Stromausfall gibt? Sind Sie dann noch in der Lage, sich selber mit Essen und Trinken zu versorgen?

Über dieses Buch…

Wir hoffen, dass der Prolog Sie schon ein bisschen aufgerüttelt hat. Wir sind mitten in einer Umbruchphase, in der die Nutznießer unserer Daten uns weismachen wollen, dass sie das Beste für uns wollen. Die analoge Welt wird als chaotisch und abstoßend gebrandmarkt werden, die Bargeldscheine sind ohnehin »hochgradig bakteriell verseucht«. Die schöne neue digitale Welt verführt uns mit der Aussicht auf mehr Bequemlichkeit und maßgeschneiderten neuen Werbebotschaften. Die smarten Anwendungen schaffen einen enormen Kundennutzen, wird uns von den Datensammlern suggeriert.

Sie müssen nur ihre privaten Daten liefern…. Fehlt nicht schon das Problembewusstsein, wenn wir das leichtfertig tun? Winston Smith1 wusste, dass er laufend überwacht wurde. Die Bürger heute wissen es dagegen nicht oder verdrängen es. Das ist weit schlimmer. Wir verlieren dann wohl mehr als wir gewinnen: Was macht das mit uns, wenn wir wissen, das sowieso jeder alles von uns weiß?

Wenn die Falle zuschnappt, sind wir nicht mehr selbstbestimmt und liefer(te)n »freiwillig« unsere Daten, um uns von anderen beherrschen zu lassen. Wir leben dann das Leben, das diese uns empfehlen oder sogar vorschreiben.

Oder im Merkelschen Neusprech ausgedrückt: Wir machen das, was uns »alternativlos« offeriert wird. Vermeintliche Wahlmöglichkeiten sind unattraktiv. Der immer realeren Gefahr einer digitalen Knechtschaft widmet sich dieses Buch. Wir möchten Ihnen hier aufzeigen, welche technologischen Fortschritte schon umgesetzt beziehungsweise geplant sind, und welchen Einschränkungen aller Art wir derzeit schon unterliegen, ohne uns dessen im Einzelnen schon bewusst zu sein. Vor allem aber möchten wir Ihnen die Augen öffnen für die Risiken und Probleme, die sich für uns daraus ergeben. Das Buch möchte somit nicht nur anprangern, sondern auch Hilfestellung geben, auf welche Art und Weise wir mit dieser neuen ›digitalen Knechtschaft‹ umgehen können, und welche Möglichkeiten wir haben, gewissen Zukunftsentwicklungen, die uns nicht gefallen, auch etwas entgegenzusetzen oder diese vielleicht auch verhindern zu können.

Zunächst werden wir Alternativen zu vermeintlich zwangsläufigen Entwicklungen aufzeigen. Sie kennen das: Neue technische Errungenschaften werden selbstverständlich mit großer Begeisterung aufgenommen, sie erscheinen uns notwendig und schlüssig. So versprechen uns beispielsweise neue smarte Digitallösungen ein einfacheres und bequemeres Leben. Aus der Einladung wird unbewusst bald ein ›Befehl‹ – und schließlich eine Abhängigkeit. Wir zahlen also mit der Datenübergabe und Aufgabe unserer Privatheit einen hohen Preis. Der Zwang, einem Kollektiv – nach dem Motto: ›Das macht doch jeder‹ – zu folgen, wird immer größer. Das ist auch das Instrumentarium international tätiger Digitalkonzerne – und umverteilender Sozialisten (nationalistischer oder internationalistischer Prägung). Bislang standen ihnen solche Manipulations- und Überwachungstechniken für die Bürger noch nicht zur Verfügung. Die Analogdiktatur war noch freiheitsbewahrender, die Digitaldikatur ist de facto eine lückenlose Komplettüberwachung. Selbst George Orwell wäre heute sicher erstaunt und würde seinen Roman 1984 noch drastischer formulieren.

Das heißt: Ein freies Netz für freie Bürger wird immer mehr zu einer Illusion, wenn der Datenschutz immer mehr beiseite geschoben wird. Dennoch lohnt es sich, dafür zu kämpfen, denn wenn Sie nicht gezielt gegensteuern, werden Sie politisch entmündigt und ökonomisch enteignet. Die Digitalisierung schafft Manipulationsmöglichkeiten, die bislang unvorstellbar erschienen. So gestalten exzellente Programmierer und skrupellose Manager in den Digitalkonzernen unser Lebensumfeld immer mehr zu ihrem Vorteil oder dem kooperierender Regierungen.

Keine wirksame Regulierung verhindert diese Lenkung und Überwachung und die damit geschaffenen Enteignungsmöglichkeiten, eher das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Regierungen profitieren von der zunehmenden Entmündigung von uns Bürgern. Sie müssen sich weniger kritische Fragen stellen lassen und nur dafür sorgen, dass offener Aufruhr mit medialer Unterstützung verhindert wird. ›Durchregieren‹, zur Not mit Dekreten, wird erleichtert. Ohne Gegensteuerung sind wir normale Bürger zunehmend wehrlos: Unsere natürlichen eigenen Warnsysteme werden immer mehr beiseitegeschoben oder sogar ganz ›ausgeschaltet‹. Sie realisieren gar nicht, dass Sie Dinge kaufen, die Sie eigentlich gar nicht wollen – und auch noch zu weit überhöhten Preisen. Mit diesem neuerdings digital gestützten ›Konsumterror‹ wird vor allem der Gewinn des Anbieters hervorragend maximiert. Daraus resultiert letztlich, dass private Verschuldung immer mehr zum Normalfall wird. Die Digitalisierung schafft laufend neue Möglichkeiten, uns finanziell zu übervorteilen oder sogar systematisch zu enteignen2.

Machen Sie sich bewusst: Unsere digitalen Giganten Amazon, Alphabet (Google), Facebook, Apple oder Ebay nutzen unsere Daten, die wir ihnen kostenlos Tag für Tag überlassen, um unser Leben immer mehr zu steuern. Das ist – stark verkürzt – ein Teil ihres Geschäftsmodells. Per Knopfdruck könnten Sie Dossiers, auch über mehrere Hundert Seiten, über jeden Einzelnen von uns, der ihre Dienstleistungen nutzt, abrufen. Das schafft Begehrlichkeiten, auch bei staatlichen Stellen. Wir müssen daher, um eigene Nachteile zu vermeiden, die Fallen, die man uns laufend stellt, erkennen.

Wir möchten auch die finanziellen Gefahren durch die Digitalisierung aufzeigen und Alternativen vorstellen. Jeder unsolide finanzierte Haushalt ist irgendwann pleite – es sei denn, es wird jemand gefunden, der das süße Leben auf Pump verlängert oder subventioniert. Dies gilt für Privatleute, Betriebe und selbstverständlich auch für unser Gemeinwesen, den Staat. Ein von verantwortungslosen Politikern gesteuerter Staat ist eine besonders gefährliche ›Geldvernichtungsmaschine‹. Milton Friedman unterschied zwischen vier verschiedenen Stufen des Geldausgebens und Sparens. Entscheidend ist für ihn, wessen Geld für wen ausgegeben wird. Beim eigenen Geld wirtschaftet man für sich sparsam, aber für andere schon großzügiger. Wenn man fremdes Geld für sich verwenden kann, fallen schon weitere Schranken. Geradezu bodenlos wird es, wenn fremdes Geld für andere verwendet werden kann3.

Wenn fremde Leute über unser Geld entscheiden, ist der Geldvergeudung Tür und Tor geöffnet. Da sind wir dann beim Staats- oder Politikversagen. Die Geschichte ist voll von Beispielen, wie durch Machtmissbrauch und Hybris ganze Nationen zugrunde gerichtet wurden. Politiker, die sich nach außen demokratisch geben, sind davon oft nicht frei. Die Anmaßung von Wissen (Friedrich August von Hayek) kann furchtbare Folgen haben: kriegerische Auseinandersetzungen, Maßlosigkeit sowie generell korruptes Verhalten von Machthabern. Zu viel Gestaltungsmacht von Politikern gefährdet den Wohlstand der Bürger, darüber können sogar Demokratie und Freiheit verloren gehen.

Die Digitalisierung des Geldes ist eine besonders krasse Form versteckter Veränderungen, denn sie erlaubt viel unauffälligere Enteignungs- (Negativzinsen) und Umverteilungsmöglichkeiten als alles bisher Dagewesene. Angesichts der maßlosen Überschuldung der Staaten wird eine schnelle und massive Einschränkung der Bargeldnutzung eine willkommene Option. Die neue ›Digitalökonomie‹ ermöglicht nämlich eine dauerhafte und unauffällige Umverteilung zu unseren Lasten. Dann würden wir desinformierte Bürger unfreiwillig eine längst gescheiterte Politik, die den Dauerkrisenmodus akzeptiert, subventionieren.

Eine fortschreitende Digitalisierung führt unweigerlich dazu, dass nicht nur wir Bürger, sondern auch Staaten verlieren und gleichzeitig Digitalkonzerne an Bedeutung gewinnen. Diese Digital-Multis zahlen kaum Steuern und können Regierungen sowie Politiker eher steuern als umgekehrt. Für uns Bürger bedeutet diese Entwicklung keine gute Freiheits- und Finanzperspektive. Statt der sich etablierenden ›Machtwirtschaft‹ muss eine Marktwirtschaft in einer funktionierenden Demokratie mit freiheitssichernden Regeln für die Bürger gesichert werden. Das wäre auch grundgesetzkonform, und hier sollte die ursprüngliche Fassung maßgeblich bleiben. Die permanenten Änderungen machen unsere Verfassung, so ist zu befürchten, zur Dispositionsmasse von Interessensgruppen. Wir Bürger müssen weiter Vorrang haben, die Würde des Menschen darf nicht schleichend neuen Opportunitäten geopfert werden. Vermeintliche äußere Feinde werden von totalitären Systemen leicht geschaffen. Ist der Kampf gegen ›Terror‹ und mögliche ›Gefährder‹ ohne Maß nicht auch schon ein Vorbote für diese fragwürdige Entwicklung?

Die Machtbegrenzung monopolistischer Datensammler und -anwender zugunsten unserer Freiheitssphäre und unserer wirtschaftlichen Unabhängigkeit würde die Märkte wieder funktionsfähiger machen. Aber bis dahin müssen wir uns gegen die digital vernetzten finanziellen Ausbeuter wappnen, die im Zweifel Hand in Hand mit den Staaten arbeiten.

Allein ein Staatswesen, das uns Bürgern möglichst große Freiräume schafft und gleichzeitig wirtschaftliche Macht (-Kartelle) bekämpft, würde neues Zukunftsvertrauen rechtfertigen. Es wäre auf Dauer erfolgversprechender als der heutige ›Dauerkrisenmodus‹ mit digital gesteuerter Umverteilung.

Dankbar sind wir Stephan Werhahn, Gründer und Direktor des Steinbeis-Instituts ›Europa der Marktwirtschaften‹ sowie Prof. Dr. Gerald Mann, Mitautor des Buches Bargeldverbot, Stefan Voß und Wolfgang P. Warth, Mitinitiator des PDU Project for Democratic Union, für vielfältige hilfreiche Anregungen. Wesentliche Hinweise zu den möglichen diskriminierenden Auswirkungen durch die Digitalisierung gab Andreas Happ.

Erich Gluch begleitete das Manuskript unermüdlich und kritisch. Neben seinen fachlichen Kenntnissen trug er durch ein umfassendes Lektorat zum Gelingen dieses Buches wesentlich bei, vielen Dank dafür lieber Erich!

Dem Verlag schulden wir Dank für das Vertrauen und die begleitende kreative Unterstützung, insbesondere im Rahmen anregender Diskussionen mit Georg Hodolitsch.

Dr. Ulrich Horstmann, Ralph Lutz

Über die digitale Überwachungs- und Enteignungsfalle

1. Utopie und Realität

»Wir waren die ersten, die erklärt haben, daß die Freiheit des Individuums umso mehr beschränkt werden muß, je komplizierter die Zivilisation wird.«

Benito Mussolini4

Die heutige Welt mit ihren technischen Möglichkeiten wäre vor wenigen Jahrzehnten noch als ›utopisch‹ bezeichnet worden. Mit der weltweiten Verbreitung des Internets kann in Sekundenschnelle auf Inhalte zugegriffen werden, was u.a. auch zu einer massiven Beschleunigung bei der globalen Arbeitsteilung geführt hat. Die faszinierenden Anwendungen – Mobiltelefone sind inzwischen voll entwickelte Computer – führten zu einem Durchbruch der Digitalisierung, der unser gesamtes Lebensumfeld betrifft. Der Begriff ›Digitalisierung‹ ist, das sei vorausgeschickt, noch sehr neu. In Meyers Taschen Lexikon, Band 3, aus dem Jahr 1996 ist er nicht zu finden, stattdessen ›Digitaltechnik‹, mit folgenden Angaben: ›Teilgebiet der Informationstechnik und Elektronik zur Erfassung, Darstellung, Verarbeitung und Übertragung digitaler Größen. Mit Digitaltechnik arbeiten u.a. Fernsprechverbindungen, Compact Discs, DAT, Rundfunk und Fernsehen‹5. Das ist gerade einmal gut 20 Jahre her.

Hier wird Digitalisierung weiter gefasst und bezeichnet nicht nur den Übergang von der analogen zur digitalen Welt, den wir seit Jahren beobachten. Die zunehmende Vielfalt zeigt sich auch bei der Begriffsbeschreibung von Prof. Dr. Oliver Bendel, der nach verschiedenen Bedeutungen unterteilt: der ›digitalen Umwandlung‹, der Informationsdurchführung, der ›Modifikation von Instrumenten, Geräten und Fahrzeugen‹ oder der ›digitalen Revolution‹. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts stehen nach seiner Einschätzung »disruptive Technologien und innovative Geschäftsmodelle sowie Autonomisierung, Flexibilisierung und Individualisierung in der Digitalisierung im Vordergrund«.6

Wir befassen uns hier vor allem mit den jüngsten Entwicklungen der Digitalisierung und den disruptiven Aspekten von neueren revolutionären technischen Veränderungen. Dabei verstehen wir unter Disruption die vollständige Verdrängung bislang bestehender Marktstrukturen durch die Digitalisierung - meist durch innovative Technologien, aber auch durch bessere Produkte oder Dienstleistungen.

Nur wenige haben diese rasanten Veränderungen so kommen sehen. Bereits in dem Buch Die informierte Gesellschaft beschrieb beispielsweise der Zukunftsforscher Karl Steinbuch 1966 die künftige Entwicklung der Fernsprechtechnik bis hin zu den heutige Mobiltelefonen auf S. 126: »Mit Hilfe eines so kleinen und leichten Gerätes, … etwa in der Art einer Armbanduhr, sollte es ermöglicht werden, jeden beliebigen anderen Menschen, wo immer er sich auch befinde, mühelos anzusprechen und sich mit ihm unterhalten zu können.«7

In dem zukunftsoptimistischen Werk erkannte Steinbuch zutreffend, dass die Kommunikationsindustrie die Zukunft prägen wird. Heute sind die Smartphones mit ständigem Internetzugang fast schon für jedermann erschwinglich. Bald könnten auch ›Virtual-Reality‹-Brillen einen ähnlichen Durchbruch erzielen.

Diese technischen Möglichkeiten, die digital gesteuert sind, bedürfen besonders klarer freiheitssichernder Regeln, da sie unsere Freiheit beschränken und dauerhaft Umverteilungen ermöglichen können. Die Verwendung unserer Daten durch Unternehmen und Staaten mit kommerziellen und politischen Zielen ist allzu verführerisch. Diese Fehlentwicklung geht mit Desinformation beziehungsweise Nichtinformation über die Risiken einher. Wir sorglosen Bürger liefern unsere Daten ›frei Haus‹. Diese Perspektive wäre für George Orwell und Friedrich August von Hayek sicher ein Alptraum gewesen. Der erste faschistische Diktator, Benito Mussolini, den von Hayek8 zitierte, brüstete sich sogar damit, die Freiheit des Individuums zu beschränken.

George Orwells 1984 und Friedrich August von Hayeks Werk Der Weg zur Knechtschaft zeigen die Gefährdungen, denen unsere Demokratie und Freiheit permanent unterliegen. Diese Errungenschaften müssen wir Bürger immer wieder neu verteidigen. Sonst werden ›Dystopien‹ schleichend zur Realität, denen man immer schwerer entweichen kann. Eine ›DDR 2.0‹9 als mögliche neue freiheitsfeindliche Diktatur würde sogar den früheren sozialistischen ›Arbeiter- und Bauern-Staat‹ noch als Hort der Freiheit erscheinen lassen, die Digitaldiktatur ist eben noch viel tiefgreifender lenkend und überwachend als die früheren Analogdiktaturen. In dem Regime eines Erich Honecker und Erich Mielke konnten sich die Menschen nämlich noch verstellen. Dies ist mithilfe der Datenkraken und staatlichen Unterstützer nicht mehr möglich. Wir werden nicht nur kontrolliert, wenn wir im Internet surfen, unser Mobilhandy wird zunehmend zur freiwilligen Überwachungsfessel, wie die unfreiwillig zu tragenden Fußfesseln. Der Weg von einer freiheitlichen Demokratie zu einer »totalitären Demokratie«10 ist längst vorstellbar. Dann ist es auch nicht mehr sehr weit zu einer digital gestützten Diktatur, die sich kommerzieller Anbieter bedient.

Kameras mit Gesichtserkennung prägen zunehmend öffentliche Räume. Google testet bereits Zahlsysteme mit Gesichtserkennung.11 Das Smartphone kann in der Tasche bleiben, das Herausholen ist ja doch nur lästig, wenn die Daten ohnehin hinterlegt sind… Die Produktion von personenbezogenen Bewegungsbildern, früher von Datenschützern häufig noch scharf kritisiert, ist fast schon normal und wird immer mehr akzeptiert.

Fazit: Demokratie und Freiheit, früher in westlichen Staaten eher selbstverständlich, unterliegen inzwischen einem ›Stress-test‹. Wenn angesichts der vermeintlich ›alternativlosen Notwendigkeiten‹ unsere Grundwerte auf dem Prüfstand stehen, sollten wir Bürger einem solchen Ansinnen selbstbewusst entgegentreten. Eine frühere Utopie darf nicht zur neuen dystopischen Realität werden.

2. Unser großer Bruder steuert uns

»Der große Universalgelehrte europäischer Tradition, Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften von 1974, hat in seinem Lebenswerk (›Die Verfassung der Freiheit‹, Anm. d. Verf.), das auf einer tiefen Kenntnis vieler Disziplinen (Ökonomie, Rechtswissenschaft, Geschichte, Biologie und Psychologie) beruht, mit Beharrlichkeit den Gedanken verfolgt, daß allein individuelle Freiheit die Bewahrung und Fortentwicklung der Zivilisation sicherstellen kann. Er hat darin mehr als einen Stein des Anstoßes für den Zeitgeist niedergelegt.«

Wilhelm Seuß12

Professor Dr. Wilhelm Seuß hat mit dieser Feststellung den inhaltlichen Kern von Friedrich August von Hayeks zeitlosem und lesenswerten Buch Die Verfassung der Freiheit treffend beschrieben. Die Bewahrung der individuellen Freiheit scheint heute wichtiger denn je, denn ›Big Brother‹ ist inzwischen mitten unter uns. Das neue ›Über-Ich‹ lenkt uns zunehmend. Er steuert unser von geschickt agierenden Opinion-Leadern neu gestaltetes ›Über ich‹13, und wir merken es zunehmend nicht mehr. Wir werden fremdgeleitet, die fünf Sinne werden kaum mehr genutzt. Das neue digitale Ausbeutungs- und Überwachungssystem verkauft sich uns übermoralisch als höhere Instanz des Wissens. Das Marketing ist aus Verkäufersicht hervorragend, und es kaschiert die Schwächen: Die Anmaßung des Wissens (Friedrich August von Hayek) wird schön verpackt, der Informationskapitalismus (Yvonne Hofstätter) ist vermeintlich ›smart‹ und nützlich14. Das neue Umerziehungssystem ist nicht mehr aufdringlich und paternalistisch fürsorglich, sondern bietet sich zunächst als freundlicher Mitspieler an. Es offeriert uns neue Chancen. Wir machen daher gerne mit. Der neue Partner erscheint unverdächtig und fair. Nach einiger Zeit fällt uns nur immer häufiger auf, dass er einen zunehmend größeren Anteil unserer – wertvollen – Zeit absorbiert. Wir geben dem professionellen und überlegenen Mitspieler, der in Wahrheit unser Gegner ist, die Chance, immer mehr über uns zu erfahren, als uns bei schärferem Nachdenken wohl lieb wäre.

So setzt Facebook bislang bei der Prüfung von so genannten ›Fake News‹ noch auf menschliche Urteile. Das soll sich künftig ändern. Denn Mark Zuckerberg ist von Verfahren der Künstlichen Intelligenz überzeugt. Er glaubt, dass »innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre Computer dem Menschen in Bereichen wie dem Sehen und Hören oder der Sprache überlegen wären«.15

Vermutlich ist Ihnen der Begriff ›Transhumanismus‹ wenig oder überhaupt nicht geläufig, und somit können Sie sich unter diesem etwas sperrigen Begriff auch nichts vorstellen. Befassen sich nur harmlose, technologiegläubige Spinner damit oder doch eher ernst zu nehmende Vordenker in den Thinktanks dieser Welt? Welche Folgen hätte es, wenn die transhumanistische Bewegung gesellschaftliche Veränderungsprozesse in ihrem Sinne auslöst? Diese Fragestellungen und die umstrittenen Fortschritte durch ›Künstliche Intelligenz‹ werden wir später noch aufgreifen. Die größere Effizienzsteigerung des Menschen durch den Einsatz ›künstlicher Intelligenz‹ ist die, wenn auch fragwürdige, positive Seite. Die Manipulationsmöglichkeiten durch die Nutzung von ›Big Data‹16 ist dagegen die negative. Weniger informierte Kunden unter uns müssen dann für das gleiche Produkt mehr zahlen als andere.

Besonders »fortschrittlich« läuft die Datenselektion bereits heute bei Flugbuchungen. Hier wird Knappheit in Abhängigkeit von unserem sozialen Status signalisiert, der anhand unserer Bewegungsprofile ermittelt wird. Bei Ihrer Suche erscheint der Hinweis ›Nur noch zwei Plätze verfügbar‹. Das mag stimmen, aber nur genau zu den genannten Konditionen. Jemand anderes bekommt den Flug eventuell günstiger, wenn er – nach seinen Bewegungsdaten – nicht so scharf darauf aus ist wie Sie, einen Platz zu ergattern oder über weniger Finanzmittel verfügt. Auch ein nach dem Nutzerprofil weniger markenaffiner Typus zahlt weniger als Sie. Der Algorithmus wird kontinuierlich weiterentwickelt. Selbstlernende Mechanismen mit künstlicher Intelligenz werden uns Menschen irgendwann unsere Grenzen mehr denn je aufzeigen. Die Maschinen übernehmen uns dann, wenn wir es zulassen.

Die Angebote der Digitalisierer sind nicht mehr weit davon entfernt. Wie sonst nur unter dem Regime von Diktatoren denkbar, hier aber auffällig und nachvollziehbar überwachend, wie auch in George Orwells 1984, sind neue bevormundende soziale Umerziehungsapps in liberalen Demokratiegesellschaften denkbar. Solche Apps steuern uns subtil, unauffällig und tarnen sich als Lebenshilfe. Diese Art von ›Über-Ich‹-Apps, die sämtliche Daten von uns kennen und uns manipulieren können, werden im Roman Zero von Marc Elsberg eindrücklich beschrieben. Die Internetplattformen Freemee und ActApps, die die Nutzer steuern, haben dort fatale Folgen: »Der freie Wille wird zur Illusion! Deine Algorithmen sind die neuen Zehn Gebote! Bloß, dass niemand davon weiß!«17

Marc Felix Serrao, ehemaliger Wirtschaftsredakteur bei der FAS, nennt ein mögliches Programm zur Steuerung sozialer Beziehungen »Betterlove« und warnt zutreffend: »Der Algorithmus war ein Instrument. Nun wird er zur Autorität, die immer nur mein Bestes will«.18

Technisch und kommerziell ist viel möglich. Es ist auch nicht auszuschließen, dass Apps, die uns ständig Vorschläge machen, wie wir uns in bestimmen Situationen stressfrei verhalten sollen – bei Heranziehung auch der Sprach- und sonstiger Daten von Partnern, Freunden und Bekannten –, auf große Zustimmung stoßen. Das wäre eine komplette Unterwerfung vor den uns steuernden Algorithmen, die paternalistisch bestimmt werden könnten.19 Hier müssen Grenzen gezogen werden, sonst verkommt Datenschutz zu einer Farce. In den westlichen Staaten bestand bislang die Hoffnung, dass der Staat zumindest die Privatsphäre von uns Bürgern schützt. Inzwischen ist das Vertrauen deutlich erschüttert, dafür muss nicht nur das Kürzel ›NSA‹20 herhalten. Auch unsere Kanzlerin Merkel gehört zu den »hartnäckigsten Kritikern des Datenschutzes«21.

China gehört zu den Staaten, die besonders rigide ein eigenes geschlossenes digitales System entwickeln. Westliche Internetanbieter wie Google werden dort gesperrt, dafür gibt es eigene chinesische Giganten, die den Riesenmarkt bearbeiten. So ist beispielweise Baidu das Pendant zu Google22, Alibaba der chinesische Gegenpart von Amazon beziehungsweise Ebay und Tencent23 das Gegenstück zu Facebook.

Trotz der Abschottungsmaßnahmen bleibt die Verbindung der Bürger in ›Rotchina‹24 zu anderen Staaten durch den Aufbau virtueller privater Netzwerke (VPN) möglich. Das wird offensichtlich bislang von der kommunistischen Führung des Landes toleriert. Grundsätzlich werden die Internetaktivitäten laufend überwacht und könnten je nach Gefahrensituation eingeschränkt werden. Der ›Citizen Score‹ ist das nächste ehrgeizige Projekt der chinesischen Regierung, das bis zum Jahr 2020 realisiert und für alle chinesischen Bürger verpflichtend sein soll. Es handelt sich dabei um ein Bewertungssystem, das das Verhalten der Bürger dokumentiert. Es soll von den beiden chinesischen Digitalkonzernen Alibaba und Tencent verwaltet werden.

Das Kaufverhalten wird von Alibaba, die sozialen Aktivitäten der Nutzer von Tencent »gemessen«. Bereits heute zeichnen beide Unternehmen die entsprechenden Daten auf. Es fehlt nur noch der Verbund. Der Zusammenschluss der Daten zu einem Big-Data-System ist der nächste große Schritt. Dann ist eine Überwachung möglich, die selbst ›Big Brother‹ in George Orwells Roman 1984 übertrifft. Die überwachten, eingeschüchterten Bürger »lechzen« nach Regierungslob, denn nur das verschafft ihnen eine Besserstellung.25 Die Algorithmen könnten dann auch ›Zuverlässigkeit‹ ermitteln, nicht nur die ›Kreditwürdigkeit‹ und ›Ehrlichkeit‹. Über die sozialen Netzwerke können die Freunde gefunden werden sowie die Art, wie miteinander kommuniziert wird, festgehalten werden.26

Diktatur wird so wieder ein Stück billiger27 und Bestandteil eines Scoring-Systems. Mao wäre bestimmt über ein System hocherfreut gewesen, das lückenlose Informationen per Knopfdruck ermöglicht. Der chinesische Netzwerkausrüster und Smartphone-Hersteller Huawei ist beispielsweise in der Lage, anhand einer Karte zu analysieren, wer zum Beispiel in einem Stadtteil von Shanghai wie viel verdient und ob er Interesse an US-Filmen zeigt28. Mit einer derartigen Überwachungssoftware kann man uns auch vorsorglich abschrecken. Dann gilt der Grundsatz »Big brother is watching you«. Solche Machthaber misstrauen den Bürgern – auch in westlichen Staaten, in denen viele bereits mit dem Führungsmodell der ›totalitären Demokratie‹ sympathisieren. Haben die Regierenden vielleicht Angst vor der eigenen Bevölkerung? Immer häufiger wird die Unschuldsvermutung beiseite geschoben. Dieses grundlegende Prinzip eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens gilt nicht nur bei dem eng begrenzten Kreis von sogenannten ›Gefährdern‹ nicht mehr.

Jeder wird zunehmend verdächtig, nicht nur in China. Auch uns könnte bei einer Einreise in die USA schon bald anhand der Kenntnis von bestimmten Suchbegriffen (›Selektoren‹) in sozialen Netzwerken die Einreise verweigert werden, wenn die digitale Überprüfung ergeben hat, dass wir vermeintlich Gefährder sind.29 Immer mehr Gesetze mit dem Ziel einer lückenlosen Kontrolle werden geschaffen. In einem solchen Umfeld werden auch vorauseilende Selbstzensur und Denunziation verstärkt.30 Wir sind vor dem Hintergrund der Berichte über Terroranschläge verunsichert und bereit, Sicherheitsmaßnahmen, die zu Lasten unserer Freiheit gehen, leichtfertiger als sonst zu akzeptieren.31 Die staatliche »Lizenz zum Hacken«32 mit dem Einsatz von Staatstrojanern ist auch ein fragwürdiger Angriff auf unsere Privatsphäre, mit der vermeintlichen größeren Sicherheit wird sicher unsere Freiheit ausgehebelt. Dann nimmt das Verhängnis seinen Lauf, bereits Gustave Le Bon warnte vor einengenden Gesetzen und Beschränkungen, die für die Opfer zu drückenden Fesseln werden und sie entsprechend deformieren: »…und büßen zuletzt alle Ursprünglichkeit und Kraft ein. Sie sind nur noch wesenlose Schatten, Automaten, willenlos, ohne Widerstand und Kraft.«33

Es bleibt nur zu hoffen, dass es soweit nicht kommt. Zugangssteuerungen zum Beispiel über Fingerabdrücke, Iris-Scan und andere Verfahren laufender Authentifizierungen sind zweischneidig.34 Nichts ist vor Hackern sicher und damit das analoge System nicht chaotisch oder böse, sondern freiheitlich und auch ohne Strom funktionsfähig.35

Wir Bürger tragen, wenn auch meist unbewusst, mit unserer Datenweitergabe selbst zur Einschränkung unserer Freiheit und einer zunehmenden Überwachung bei. Besonders problematisch ist die Verlinkung unserer persönlichen Geschäfts- und Banktransaktionsdaten mit staatlicher Kontrolle. Es bleibt zu hoffen, dass Regierungen – wie angeblich die chinesische – darauf verzichten, unser mehr oder minder staatsloyales Verhalten mit einem Kreditrating zu verbinden.36 Das verstärkt digital gesteuerte Geldsystem wäre dann vor allem für der Staatsführung besonders verbundene ›gute oder zuverlässige Leute‹ offen, die natürlich auch vorrangig mit Personen verkehren, denen man im System vertrauen kann. Damit würden eindeutige Einstufungsmöglichkeiten geschaffen: Wer als illoyal angesehen ist, bekommt ein niedrigeres Scoring oder fliegt ganz raus.37 Wie gesagt, zu hoffen ist, dass es soweit nicht kommt, denn Gustave Le Bon urteilt auch38:

»So wird der Staat zu einem allmächtigen Gott. Die Erfahrung lehrt aber, daß die Macht solcher Gottheiten weder von Dauer noch sehr stark war.«

Fazit: Es bedarf keines implantierten Chips, um die eigene Freiheit wegzuwerfen. Denn angesichts der großen Begeisterung für die neuen Techniken, die das Surfen im Netz und vor allem mit Smartphones zu fast schon einem ›kollektiven Wahn‹ machen, ist kein Zwang notwendig. Unsere schleichende Aufgabe unserer Autonomie ist vermutlich völlig ausreichend, um uns zu digital gesteuerten Produkten – und damit der Geschäftsmodelle anderer – werden zu lassen. Wir würden hier von ›digitaler Knechtschaft‹ sprechen.

3. Auf dem Weg zum normierten Digitalzombie?

»›Wer nichts zu verbergen hat, braucht nichts zu befürchten.‹ Ich aber fürchte mich. Denn diesmal sind die Mittel von todsicherer Effizienz.«

Antje Ravic Strubel39

Wenn die Bürger bei lückenloser Überwachung zu Mitläufern werden, wie Antje Ravic Strubel in ihrem Beitrag zu Recht befürchtet, werden wir uns mehr denn je anpassen und normieren lassen. Das ist in totalitären Systemen so üblich, dazu benötigt man noch nicht einmal einen zeitintensiven Geschichtsunterricht. Auch wenn es sozialistisch geprägte Weltveränderer nicht immer gerne hören: Menschen sind unterschiedlich. Auch der Entzug von der Familie oder von kulturellen Bindungen schafft keine gleichen Menschen. Sie sind individuell unverwechselbar, insbesondere Mann und Frau sind – trotz gegenteiliger Behauptungen – ungleich40, und lassen sich nicht in die Vorgaben von Ideologen pressen. Trotz vieler gescheiterter Versuche in der Vergangenheit wird es immer wieder versucht.

Macht zu haben ist eben für viele Berufspolitiker und Manager anziehender, als die Spielregeln einer freiheitlich parlamentarischen, bürgernahen Demokratie zu beachten. Letztere ist lästig und für Politiker mit vielen öffentlichen Debatten verbunden und machtbegrenzend. Also müssen die Regeln den neuen Erfordernissen angepasst werden… Die Nutzung auch unserer privatesten Daten hilft dabei.

Das Abweichen von der Norm wird erklärungsbedürftig, wenn es darum geht, nicht aufzufallen. Markus Hengstschläger hat in seinem lesenswerten Buch Die Durchschnittsfalle auf die Gefahren eindrücklich hingewiesen. So ist zum Beispiel die Bildungspolitik eindeutig auf Nivellierung ausgerichtet, wobei besondere Begabungen keinen Platz finden.41 Nach Hengstschläger ist Individualität »das höchste Gut, wenn es darum geht, sich auf die Zukunft vorzubereiten«.42 Stattdessen stehen bei uns vor allem Durchschnittlichkeit und Berechenbarkeit im Fokus. Der ›neue Mensch‹, diese klassische sozialistische Utopie, scheint im Zuge der Digitalisierung wieder an Bedeutung zu gewinnen. Nicht die Vervollkommnung und Verbesserung unserer individuellen Fähigkeiten, sondern die Verwertbarkeit des Kollektivs steht dann im Vordergrund.

Für die Politiker sind Sie ideal als möglichst unkritische Unterstützer. Der etwas altmodische Begriff ›vorauseilender Gehorsam‹ beschreibt den steigenden Anpassungsdruck ganz gut. Der von Sozialisten verschiedener Couleur benutzte Begriff ›Humankapital‹ zeigt die Verachtung individueller Betrachtung und damit auch der Fähigkeiten und Bedürfnisse des Einzelnen. Auch Manager sind nicht selten Anhänger solcher kollektivistischen Vorstellungen. Denken tun ganz andere als wir. Eine solche Haltung fragwürdiger und selbsternannter Eliten – einer neuen Nomenklatura wie in den früheren sozialistischen Staaten des Ostblocks – normiert uns und ermöglicht so unkritische Digitalzombies. Gedrillt in Anpassung und Unterwerfung, sind wir als neue Befehlsempfänger dann auch nicht mehr ausreichend in der Lage, selbstverantwortlich zu handeln.43

Nicht anders sein, nicht auffallen wird dann zur Richtschnur in einer uniformen, im Gleichschritt marschierenden Gesellschaft. In Nordkorea ist dies bereits recht gut verwirklicht. Der soldatisch wirkende Mensch – auch Frauen tragen dort häufig Uniform – mit möglichst gleichförmigem Gesichtsausdruck prägt die Leitkultur. Nur ein Führer darf spontan lachen und erst dann – nach einem prüfenden Blick in Richtung der obersten Autorität – dürfen es auch alle anderen. Die ›Selbstvergewisserung‹ des Einzelnen und des Kollektivs, und damit auch Denunziation im Falle nicht regierungskonformen Verhaltens, gehören dann auch zum ›new normal‹ von Digitalzombies, deren Internetverhalten laufend ›getrackt‹ wird.

Normalität kann aber auch in Fragen der Gesundheit künftig eine große Rolle spielen. Im Roman Corpus Delicti von Juli Zeh werden die Gefahren einer Gesundheitsdiktatur beschrieben. Letztlich geht es um die Deutungshoheit bei der Frage, was normal oder erwünscht ist: »Die METHODE gründet sich auf die Gesundheit ihrer Bürger und betrachtet Gesundheit als Normalität. […] Man kann den Menschen am Gegebenen messen und zu dem Ergebnis kommen, er sei normal, gesund und folglich gut.«44 Wenn wir in einem solchen System leben, werden wir zwangsläufig permanent an der so gedeuteten Normalität gemessen, in einer solchen Welt entstehen dann Zerrbilder über die Realität: »Sie führt ein normales Leben. Wie die meisten normalen Menschen glaubt sie an nichts – außer an das, was in den Zeitungen steht. Ich habe kein Recht, ihre Welt zu zerstören…«.45

Neben der politischen Gleichmacherei, vor allem in sozialistischen Regimen, sind auch kommerzielle Treiber von Bedeutung. Die Wirtschaft profitiert ebenfalls davon, wenn wir uns normiert verhalten. Wir sind als unkritische Digitalzombies, die sich berechenbar verhalten, ein besonders lukratives Geschäftsmodell. Unser abweichendes, individuelles Verhalten zu erfassen, bedarf einer aufwendigeren Datenauswertung – dies erhöht den Kostenaufwand, da sie nicht so leicht in die Standardgeschäftsmodelle integriert werden sollen. Aber auch wenn wir noch immer anders sind, die digitalen Konzerne sind dank Big Data dennoch in der Lage, uns abzuzocken.46

Fazit: Lassen Sie sich ihre Identität und Unverwechselbarkeit nicht rauben. Anderssein ist kein Makel!

4. Wem gehören die Daten?

»Hier wird ein öffentliches Interesse eingeführt, das sich in Motivation und Auslegungsmöglichkeit mit etwas deckt, das wir bisher nur in China gesehen haben.«

Sarah Spiekermann47

Auf die Frage, wem die Daten gehören, würden viele von uns auf Anhieb klar antworten: Mir/uns selbst! Andere müssten sie uns daher vorher wegnehmen, wenn sie sie verwenden. Dann müsste man gegebenenfalls über einen Preis verhandeln oder die Weitergabe persönlichster Daten auch ablehnen können. Das wäre meines Erachtens der selbstverständliche und sinnvollste Weg. De facto läuft es, wie wir inzwischen wissen, anders. Vergessen – und heute kaum mehr nachvollziehbar – sind die Zeiten, als Volkszählungen, wie in den 80er-Jahren, boykottiert wurden.48 Damals, vor rund 30 Jahren, waren die heutigen datentechnischen Erfassungs- und Auswertungsmöglichkeiten für die meisten wohl unvorstellbar.

Heute ist die Situation ganz anders: Die Verlockungen der Anbieter zigfacher Apps mit einzigartigen Anwendungsmöglichkeiten haben Wirkung gezeigt. Wir liefern uns für kleine Bequemlichkeitsvorteile aus. Bestenfalls noch mit einem Klick geben wir die Kontrolle über die Daten ab – und damit auch ein Stück weit über uns selbst. Zu einer Zeit, in der die Masse der Bevölkerung sorglos mit ihren eigenen Daten umgeht, beziehungsweise sich somit leicht manipulieren lässt, verläuft die Diskussion schon ganz anders. Es zeigt sich nämlich, dass dadurch plötzlich sogar Begehrlichkeiten kommerzieller Anbieter und staatlicher Kontrolleure untereinander wetteifern. Das Recht soll sich den Veränderungen durch die digitale Welt anpassen. Da muss man hellhörig werden.

So glaubt der ehemalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel »dass wir uns endgültig verabschieden müssen von dem klassischen Begriff des Datenschutzes, weil der natürlich nichts anderes ist als ein Mini-mierungsgebot von Daten«.49