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Ein Mord mit einer öffentlich zur Schau gestellten Leiche. Ruben Weiss und seine Kollegin Sara Preuss finden keinen Ansatzpunkt. Noch mehr Morde verlangen alles von Ihnen ab, speziell von Sara Preuss, die ein dunkles Geheimnis umgibt. Unterstützt werden sie von Prof. Dr. Siegward von Mannteuffel, dem amtlichen Leichenbeschauer und dem fleißigen Streifenpolizisten Ali Schahin. Schaffen sie es, den Täter zur Verantwortung zu ziehen?
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Seitenzahl: 290
Veröffentlichungsjahr: 2021
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VORWORT
Die in diesem Buch beschriebenen Personen, Namen und Orte sind frei erfunden und entbehren jeglicher Grundlage. Sollten Ähnlichkeiten zu lebenden oder bereits toten Personen bestehen, so lag das nicht in der Absicht des Autors. Falls ein Leser meint, dass dies doch der Fall sei, so irrt er sich und der Autor spricht sich frei von jeder Schuld. Zartbesaitete Seelen sollten einen großen Bogen um die nachfolgende Lektüre schlagen. Kinder und Erwachsene unter 18 Jahren sollten nach diesem Absatz Schluss machen und nicht weiterlesen. Ich selbst habe aber bereits viel Schlimmeres gelesen. Sollte jetzt der Eindruck entstehen, das Buch sei humoristisch, so ist das absolut falsch. Es gibt gute und böse Menschen. Hier sind es die ganz Bösen. Sie schlagen zu und fühlen sich gut dabei. Einige Gute sind hinter ihnen her. Wie sieht es aber andersherum aus? Ist wer hinter Dir her? Abends allein auf die Straße? Kann es nicht jeden treffen? Dich nicht auch?
DINSLAKEN – Eine Stadt in Angst
-EINS-
Die leichte Decke hob und senkte sich im Takt der gleichmäßigen Atembewegungen. Immer wenn sie einatmete, wurde die Kontur ihres Busens noch deutlich sichtbarer. Beim Ausatmen bewegte sich eine Locke ihres roten Haares ein paar Millimeter in die Höhe. Wie sie so dalag, bot sie das Bild einer hübschen, doch sehr verletzlichen jungen Frau, die aber nur die schönen Seiten des Lebens kannte. Kein Leid wurde ihr jemals angetan, kein Schmerz zugefügt. Behütet und geliebt in ihrer natürlichen Unschuld, bot sie das Bild eines perfekten Individuums, behütet in einer perfekten Welt. Sein Kopf näherte sich ihrem Dekolleté und seine Nase sog langsam den betörenden Duft ihres Körpers ein. Mit geschlossenen Augen gab er sich kurz seinen Gefühlen hin. Als sie sich bewegte und auf die Seite drehte, öffnete er seine Augen. Mit einer zärtlichen Geste zog er die dünne Decke vorsichtig über ihre Schulter. Im Schutze der Dunkelheit verschwand er so lautlos, wie er gekommen war.
-ZWEI-
Willi Serafin fror. Kein Wunder, es waren eben 2 Grad und Willi hatte nur einen schwarzen Jogginganzug und eine schwarze Pudelmütze an. Außerdem pfiff ein schneidender Wind über die Hünxer Straße. Es war kurz nach 2 Uhr nachts und die Straßen waren an diesem Dienstagmorgen wie leergefegt. Willi mochte es so, denn dann konnte er in Ruhe seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen. Am gestrigen Nachmittag hatte er sich bereits unauffällig die alten Zechenhäuser auf der Luisenstraße angesehen. Bei zwei der Häuser waren die Kellerfenster einen Spalt weit geöffnet. Kein Problem für den drahtigen leichtgewichtigen Willi. Er musste nur warten, weil eben noch ein alter Skoda mit lärmenden Kids in Richtung Stadtbadvorbeifuhr. Die aus dem Wagen ertönende Musik war noch lauter als der defekte Auspuff. Noch ein kurzer Blick und drei Sekunden später steckten Willis Beine bereits im kleinen Fenster des Zweifamilienhauses mit der Nummer 39. Es war für ihn kein Problem seinen Körper auch noch durch die kleine Öffnung durchzuzwängen. Ein kurzes Innehalten, höchste Konzentration aufs Hören, ob alles ruhig blieb. Dann ließ er seine Füße langsam auf den Boden herunter. Alles war, wie er es am liebsten hatte, dunkel und ruhig. Er knipste seine kleine Maglite an und sah sich in aller Ruhe um. Alte Schallplatten und ein dazugehöriger Plattenspieler von Technics, waren das Einzige, was hier unten eventuell einen kleinen Wert hatte. Da waren noch alte Tapeten, Reste von Schränken und ein zusammengerollter Teppich. Der Lichtstrahl wanderte schon weiter, als Willi aus einem Gefühl heraus noch einmal den Teppich anleuchtete. An einem Ende des Teppichs hatte sich ein großer dunkler Fleck gebildet, der leicht im Licht glänzte. Willi trat neugierig ein wenig näher und leuchtete in das Ende des Teppichs hinein und hob dessen Ecke ein bisschen an. Einen kurzen leisen Schrei ausstoßend stürzte er rückwärts und landete mit seinem Hinterteil auf ein paar Schuhen. Bevor er überhaupt registrieren konnte, dass das nicht nur ein paar Schuhe waren, sondern in den Schuhen auch noch Füße steckten, erkannte er eine riesige schwarze Hand, die sich um seinen Kehlkopf legte und unbarmherzig zudrückte. Sein Atem wurde schwerer und mit zunehmender Luftknappheit sah er kleine Sternchen vor seinen Augen. Das war auch das Letzte, was er sah, als er noch einen fürchterlichen Schmerz an seinem Hinterkopf fühlte und ihm schwarz vor Augen wurde.
-DREI-
Das Telefon klingelte. Das schrille Schellen dröhnte in ihren Ohren. Hätte sie doch gestern nicht so ausgiebig mit ihrem Kollegen Ruben Weiss den abgeschlossenen Fall mit dem erst gestohlenen und dann auf die Schienen des Bahnhofes gelegten, 500 kg schweren Geldautomaten, gefeiert. Alle zwölf beteiligten Personen konnten ohne großen Aufwand verhaftet werden. Vier Deutsche, zwei Albaner, ein Syrer, ein Marokkaner und vier Asylanten ohne genau zuzuordnende Staatsangehörigkeit, bei denen die Anträge liefen. Sie hatten das Pech, zusammen in einer Hobbyfußballmannschaft zu spielen, die gerade am letzten Wochenende bei einem kleinen Turnier auf der Anlage von Wacker Dinslaken den Pokal gewinnen konnte. Hierbei tat sich ein Spieler mit besonders guten Leistungen hervor. Sein Markenzeichen waren die rot/goldenen Sportschuhe, mit denen er sechs Tore schoss und danach auch zum Spieler des Turniers gewählt wurde. Leider wurde einer dieser Schuhe inmitten der Trümmer des zerstörten Geldautomaten zwischen den Schienen des Bahnhofes gefunden. Die zwölf wurden in Gewahrsam genommen, weil sie nachts um drei mitten auf der Bahnstraße mit lautem Geschrei Fußball spielten. Dabei fiel einem der Beamten der fehlende Schuh des Syrers auf. So wurden dann die am Bahnhof gefundenen Fuß- und Schuhabdrücke abgeglichen und konnten jedem Beteiligten zugeordnet werden. Der Fall war gelöst. »Hauptkommissar Preuss, was kann ich für Sie tun?«, sprach Sara Preuss ins Telefon. Ein gelegentliches Nicken und Räuspern und ein anschließendes »Wir sind unterwegs«, beendete das Gespräch. »Wir haben eine Leiche. Weiß, männlich, ca. 65, mit einem Riesenloch im Hinterkopf«, erklärte sie Ruben Weiss. Dieser schaute auch ziemlich angeschlagen aus seinen kleinen Augen. »Wie, ne tote? «, fragte er mit einem leichten Grinsen. »Können wir uns ja Zeit lassen, die läuft ja nicht weg.« Sara Preuss zog sich ihren Mantel an. »Da haben wir monatelang nur Ladendiebstähle, Pöbeleien, Körperverletzungen und was weiß ich noch fürn Kleinscheiß. Jetzt haben wir halt mal was Richtiges. Los, komm schon, ich warte im Auto.«
-VIER-
Er stand mitten zwischen den Gaffern und Neugierigen. Wie sie, beobachtete er die Ordnungshüter, die ihre Arbeit machten. Interessanter waren da schon die in weiße Overalls gehüllten Leute, die von der Spurensicherung waren. Überall legten sie kleine Schilder mit aufgedruckten Nummern hin, um anschließend direkt ein Foto zu schießen. Er wusste, dass es nicht seine Spuren sein konnten, so dämlich war er nicht. Aber es machte Spaß zu schauen, auch wenn er im ersten Moment, als dieser Typ in seinem Keller aufgetaucht war, ziemlich sauer auf ihn war und er ihn dementsprechend bestraft e. Die abgedeckte Leiche wurde gerade in einen Leichenwagen geschoben. Vor zwei Stunden lag diese noch nackt auf der Rutschbahn des Spielplatzes. Er hatte diese Art der Zuschaustellung gewählt, um die Gedanken der Ermittler in eine andere Richtung zu lenken. Ein Wagen mit eingeschalteter Sirene bahnte sich einen Weg durch die Menschenmenge. Er erkannte einen müde aussehenden Mann um die dreißig und am Steuer eine sehr attraktive Rothaarige, ungefähr im gleichen Alter, die auch ein wenig schläfrig aussah. Ja, SIE war es. Die Rothaarige trat gerade ihrem Kollegen spielerisch in den Hintern, woraufhin er ihr eine leere Halbliterflasche Mineralwasser hinterherwarf. Die umherstehenden Personen bildeten einen kleinen Durchgang für das herannahende Paar. Er sah, wie die Rothaarige auf einmal wild mit den Armen fuchtelte und den sich dort befindlichen Personen mit lauter Stimme etwas mit wildem Gesichtsausdruck mitteilte. Leider war er nicht nahe genug am Geschehen, um etwas davon mitzubekommen. Ihr Partner rannte los, um den gerade losfahrenden Leichenwagen zu stoppen. Die Heckklappe wurde geöffnet, ebenso der Deckel des Zinksarges. Mit einem Smartphone machte der männliche Kripobeamte ein paar Fotos. Danach fuhr der Leichenwagen langsam an der gaffenden Meute und dem Beobachter vorbei. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen und mit der Gewissheit, dass SIE da war, bekam er einen gewaltigen Ständer.
-FÜNF-
Annkathrin Kramer war beunruhigt. Die 38-jährige wartete bereits seit Stunden auf ihre Tochter. Diese hatte gestern bei ihrer besten Freundin Elif übernachtet, war aber immer noch nicht wieder zu Hause. Sie wollten doch heute ins Centro, eine großflächige Einkaufspassage im nahen Oberhausen, um neue coole Klamotten für Sofia einzukaufen. Ein Anruf bei Elif hatte ergeben, dass Sofia bereits um 9 Uhr losgelaufen war. Nun war es bereits halb elf. Und Elif wohnte nur 500 m von hier, an der Amalienwiese. Auf Sofias Handy kam nur die Bandansage. Dort hatte Annkathrin bereits mindestens 10 Mal drauf gesprochen. Wieder schaute sie aus dem Fenster. In langsamer Fahrt fuhr ein schwarzer Leichenwagen vorbei, um dann rechts um die nächste Ecke zu biegen.
-SECHS-
Polizeiobermeister Ali Schahin drehte seine Dienstmütze verlegen in seinen Händen. »Wie kann man nur so dämlich sein und die Leiche wegräumen, bevor wir überhaupt nur einen Blick auf den Tatort werfen konnten? Was seid Ihr überhaupt für Vollpfosten? Idioten. Honks. Hornochsen.« Sara Preuss konnte sich gar nicht mehr beruhigen und schmiss ihre Jacke Richtung Kleiderständer, der daraufhin mit lautem Getöse umfiel. »Aber wir waren doch nur als erste am Tatort und wurden gleich darauf abgelöst, damit nicht so viele Überstunden auflaufen», versuchte sich Polizeiobermeister Ali Schahin zu rechtfertigen. »Das tut doch nichts zur Sache. Jeder Polizist sollte wissen, was er zu tun hat und zumindest auf jede Lage richtig reagieren können«, schrie sie fast in seine Richtung. »Jetzt beruhige Dich wieder. Wir sind doch selbst schuld, dass wir so spät da waren. Wenigstens haben sie Fotos gemacht und sonst doch auch ganz ordentlich gearbeitet, oder?«, versuchte Ruben Weiss dem Kollegen zur Seite zu springen. Er deutete dem Polizeiobermeister an, heimlich durch die Tür zu verschwinden. Dieser nutze auch sofort die nächste Gelegenheit, nicht ohne vorher noch einen ironischen Blick auf Sara Preuss zu werfen. Sara Preuss zog an ihrer E-Zigarette und blies eine blauweiße Wolke Richtung Decke. Durch die herein strahlende Sonne nahm die Intensität der Farbe noch mehr zu. Ruben Weiss schaute sie an und entschied, auf ihre nächste Erwiderung zu warten. 30 Sekunden später war es so weit. Sara Preuss stand unvermittelt auf und heftete ein DIN-A4-großes Foto, das den Toten zeigte, an die Pinnwand. »Willi Serafin. 65 Jahre alt. 172 cm groß. 65 kg. Graues Haar. Würgemale am Hals. Schwere Hinterkopfverletzung, wahrscheinlich durch einen Schlag mit etwas Metallenem, etwa einem Rohr. Habe ich was vergessen?« »Geldbörse neben der Leiche«, ergänzte Ruben Weiss. »Warum ist hier die Geldbörse mit allen Papieren und sogar das Geld noch da, von den Klamotten aber keine Spur zu finden? Irgendetwas ist doch hier oberfaul.« »Vielleicht ein Raubmord, weil es dem Mörder zu kalt war?«, warf Sara Preuss mit einem ironischen Lächeln ein. »Ach hör auf, sogar die Unterhose?«, widersprach Ruben Weiss. »Und wenn ich an die Socken denke, kriege ich Gänsehaut. Hast Du die dreckigen Füße von dem gesehen? Das war wirklich nicht schön. Pfui Teufel.« »Komm, stell Dich nicht so an und lass uns erst einmal essen gehen, so direkt nach dem Appetitanreger«, grinste Sara Preuss. Mit rollenden Augen folgte Ruben Weiss ihr Richtung Ausgang.
-SIEBEN-
Vom Baumarkt hatte er sich einen Satz extrafeste Müllsäcke besorgt. Die Kassiererin hatte noch dämlich gefragt, ob er was Schweres wegbringen müsse. Was für eine Frage. Sonst hätte er ja auch normale Müllsäcke nehmen können. Am liebsten hätte er sie gleich mit eingetütet. Dann hatte er dies und einen nur aus Edelstahl bestehenden Spaten mit seiner Euroscheckkarte bezahlt. Dick prangte das Logo des Herstellers mit der dazugehörigen Nummer auf dem Stiel. Obwohl dieser im Sonderangebot war, fehlte es ihm an einem Euro Bargeld. Er dachte nur noch kurz darüber nach, als er die Beine der Toten in den ersten Müllsack steckte. Mit Klebeband fixierte er den Sack um die Hüfte der Leiche. Die andere Seite war schwerer. Erst brachte er sein Opfer in eine sitzende Stellung, wobei sie mit dem Kopf schwer in seinen Unterleib schlug. Kurz blieb ihm die Luft weg. Seine Gedanken kreisten um den schnellen, einfachen Tod, den er ihr bereitet hatte. Sie war einfach zu schnell und zu wild für ihn gewesen. Hätte er sie nicht noch im Fallen am Fuß erwischt, wäre sie entkommen und er bereits in U-Haft. Aber schreien konnte sie nicht mehr, weil sie bei dem Sturz unglücklich mit dem Kopf in die Spitzen einer herumliegenden Harke gestürzt war. Was für ein Glück. Was für ein Pech. Keine kleinen Spielchen mit seinem wehrlosen Opfer. Kein Schreien. Kein Weinen. Nichts. Sie hatte ihn um seine Belohnung gebracht. Das würde die nächste büßen. Doppelt. Dreifach. Und er würde gewinnen. So, wie er immer gewann. Seine Gedanken kreisten bereits um das nächste Opfer.
-ACHT-
»Sara Preuss hier. Hast Du schon was für uns, was uns irgendwie weiterhelfen könnte?«, sprach sie in ihr Smartphone, einem IPhone 6 mit 256GByte Speicher und ganz in schwarz gehalten. Am anderen Ende entstand ein kurzes Räuspern, bevor sich der zuständige Gerichtsmediziner, der aber auch Leichenbeschauer und Forensiker in einem war, meldete. Sein Name war Prof. Dr. Siegward von Manntheuffel, von seinen Freunden kurz Manni gerufen. Den Namen verdankte er seinem verstorbenen Onkel, der gar nicht sein richtiger Onkel war, sondern ihn einfach aus dem Waisenhaus holte und ohne großes Federlesen adoptierte. Bis dahin hatte er sich mit kämpferischem Elan, Intelligenz und Mut gegen jede ihm feindlich gesonnene Aktion erfolgreich gewehrt. Eine Narbe an der Oberlippe zeugte davon. So bekam er die Achtung bei den anderen, die es ihm erlaubte immer oben mitzuschwimmen. Mittlerweile 38 Jahre alt, waren ihm die Freuden des Lebens nicht fremd. Aber auch nicht das Grauen. »Die Todesursache ist eindeutig auf nur einen Schlag mit einem noch nicht genau zu definierenden Tatwerkzeug zurückzuführen. Vorher wurde er noch von hinten mit einer Hand gewürgt, wahrscheinlich, um ihn zu fixieren, bevor der tödliche Schlag erfolgte. Der Täter oder die Täterin schlug direkt von hinten mittig auf den Schädel, sodass dieser aufplatzte wie eine Kokosnuss. Die Hirnmasse muss sich nach allen Seiten ausgebreitet haben. Ergo ist die Fundstelle nicht der Tatort, was aber auch schon an den Leichenflecken erkennbar war.« Prof. Dr. Siegward von Manntheuffel stoppte kurz. Sara Preuss hörte, wie er einen tiefen Zug aus seiner Zigarette nahm und war ein wenig neidisch, weil sie nur noch ihre eigens kürzlich erworbene E-Zigarette rauchte. »Das Tatwerkzeug dürfte ein etwa 3-4 cm dickes rohrähnliches Aussehen haben. Das Opfer wurde in einen Teppich gewickelt, was sich aus den gefundenen Faserteilchen, die wir in seiner Lunge gefunden haben, schließen lässt.« »Das ist ja auch nicht mehr, als wir vorher schon wussten. Dafür brauchen wir ja nicht so einen überbezahlten Leichenfuzzi wie Dich«, frotzelte Sara Preuss. »Du hast mich ja nicht ausreden lassen. Das Beste kommt doch immer zum Schluss. Du weißt ja, wie es läuft. Ein gemeinsames Abendessen und Du hast bereits vor morgen früh die Ergebnisse auf Deinem Tisch liegen«, versuchte er es, wie schon unzählige Male vorher. »Nun rede schon. Du weißt, dass Du nicht mehr bei mir landen kannst. Der eine Abend mit Deinem liegengebliebenem altersschwachen Oldtimer, ohne Benzin, dem Spaziergang mit dem zufällig im Kofferraum befindlichen Schlitten durch den Schneesturm, der angeblich kaputten Sicherung mit der anschließend umgefallenen Kerze, die mein Kleid ruiniert hat und Deinem Versuch, die Situation auszunutzen, hält mich davon ab, mehr für Dich zu sein. Und lass das ABER weg. Und jetzt rück raus mit der Sprache, Manni.« »Okay, okay. Einen Versuch war es wert«, resignierte der Pathologe. Eine kurze Pause entstand. Sie hörte Klappern und anstrengendes Keuchen. »Ich glaube, ich habe die Tatwaffe gefunden. Ein ca. 40 cm langes Rohr. Und darin waren noch 4 verschiedenfarbige Spielfiguren, augenscheinlich von einem, wie hieß das früher, ah ja, Halma-Spiel. Und es steckte in seinem Hintern!!!«
-NEUN-
Alle drei Schritte richtig ein- und ausgeatmet bewegte sich Sammy Rückert in ihrem pinkfarbenen Jogginganzug und den dazu passenden ebenfalls pinken Laufschuhen durch den Wohnungswald. Sie hatte bereits die Hälfte der Strecke, die sie sich vorgenommen hatte, zurückgelegt. Es nieselte ein wenig, was eventuell dafür sorgte, dass heute kaum ein anderer Läufer unterwegs war. Aber es war ja auch noch ziemlich früh, noch vor dem Mittag. Ihre muskelbewährten Beine flogen nur so über den leicht kieseligen Weg. Plötzlich sah sie aus den Augenwinkeln von links einen Schatten auf sich zukommen. Gerade eben konnte sie noch stoppen, um nicht in die andere Person hineinzulaufen. Sie wollte schon hinterherschreien, wie blöd man wohl sein könne, als abermals die Person, diesmal von der anderen Seite kommend, nahe an ihr vorbeilief. Erst da erkannte Sammy Rückert, dass sie gar nichts hörte, außer ihrem eigenen Atem. Sie schaute nochmals der Person hinterher, die sich ihr aber schon wieder näherte und sah, dass diese an einem Seil um den Hals auf sie zu schwang. Voller Panik und Erschrecken wollte sie nur noch weg, aber eine schwarze Hand, die sich um ihren Hals legte, hinderte sie am Davonlaufen. Sie unternahm noch eine letzte Anstrengung, bevor ihre Gedanken im Sternenschauer explodierten.
-ZEHN-
»Was soll denn die Scheiße? Der tote Typ nackt auf der Rutsche mit einem Rohr im Arsch. Geld und Papiere noch da, die Klamotten verschwunden. Was will uns denn da einer sagen?«, dachte Ruben Weiss laut. »Das ist nicht nur ein Rohr. Das ist die Tatwaffe«, wand Sara Preuss ein und schob ihre weiteren Gedanken an die Seite. »Glaubst Du, das ist eine Botschaft? Das würde ja für die vier Spielfiguren sprechen. Aber da passt der Kinderspielplatz nicht dazu, außer Willi Serafin war ein Pädophiler, der sich vielleicht beim Spielen an Kindern vergriffen hat. Dann wären aber mit Sicherheit irgendwelche Meldungen oder Anzeigen in der Zentrale eingegangen.« »Ich schau mal, ob ich was finden kann«, sagte Ruben Weiss, als er gleichzeitig nach dem klingelnden Telefon griff. Nach einigen `Mhmms`, ein paar kurzen `Jos` und einem immer finster werdenden Gesicht legte er auf. »Noch `ne Leiche. Im Wohnungswald. Ein Jogger hat sie gefunden.«
-ELF-
Die Kleine war niedlich. Hübsches Gesicht. Muskulöser Körper. Nur ein bisschen zu viel Titten für seinen Geschmack. Aber jetzt mit dem weißen Blüschen, dem karierten kurzen Rock und den Kniestrümpfen, die er ihr angezogen hatte und den zu Zöpfen geflochtenen Haaren, sah sie aus wie elf oder höchstens zwölf. Und wie sie so in der Ecke mit Tränen in den Augen saß und ihn angstvoll anstarrte, ab und zu mit einem hörbaren Seufzer, wusste er, dass sie es war. Sie war seine neue Spielgefährtin. Mit einem anzüglichen Grinsen sagte er nur einen kleinen kurzen Satz, der Sammy Rückert abermals in Schrecken versetzte. »Du bist dran.«
-ZWÖLF-
Als Sara Preuss und Ruben Weiss im Wohnungswald ankamen, hatten sie schon zahlreiche Staus und stockenden Verkehr hinter sich, obwohl das Blaulicht an und die Sirene weit zu hören war. Irgendetwas musste durchgesickert sein, denn selbst zu Fuß waren zahlreiche Leute unterwegs. Auf der Helenenstraße, an der Ecke zum Kriemhildenweg hatte sich eine riesige Menschentraube gebildet. Das Ziel der beiden Ermittler war aber noch ein Stück weiter Richtung Annastraße. Von der anderen Seite kommend bahnte sich ein riesiger Feuerwehrwagen mit lautem Gehupe einen Weg durch die sich zäh öffnende Menschengasse. Ruben Weiss schaltete schnell und fuhr geschickt in die geöffnete Lücke und einhundert Meter später sprangen beide aus dem Wagen. Absperrbänder wurden für sie in die Höhe gehoben und eine junge Beamtin führte sie zum Ort des Geschehens. Diesmal hing die Leiche noch genauso da, wie man sie gefunden hatte. Blickdicht mit aufgehängten weißen Laken verborgen. Die Leute der Spurensicherung wuselten hin und her. »Was haben wir?«, fragte Sara Preuss in die Runde. Eine blonde Frau, Ruben Weiss kannte sie als Tamara Kirschfels, ergriff das Wort. »Weibliche Leiche. Mülltüte über den Kopf gezogen. Darum gewickelt ein handelsübliches Tau, dass man in jedem Baumarkt findet. Glitzersteine auf Jeans und Jeansjacke. Sie dürfte nicht älter als 15 sein, grob geschätzt. Keine Papiere. Mehr haben wir noch nicht, da wir auf Euch gewartet haben.« »Dann macht sie endlich von dem Strick ab und holt sie runter«, erwiderte Sara Preuss mehr erbost als gewollt. Ihr ging so etwas immer an die Nieren. So jung und nichts vom Leben gehabt. Dann vielleicht noch gequält oder andere Leiden erlebt. Das war einfach nicht gerecht. Sie kniete sich neben das Opfer, genau in dem Augenblick, als einer des Teams dem Opfer die Mülltüte vorsichtig vom Kopf nahm. Sara Preuss erschrak. Beide Augen waren blutig, die Augäpfel zerfetzt. Zwischen und neben den Augen waren große, teilweise mit Erde verschmierte Wunden zu sehen. Der Mund ein wenig geöffnet, die kleine Stupsnase unversehrt. »Sie ist höchstens 14 oder 15«, ergriff Ruben Weiss das Wort. »Wer tut sowas«? Nach kurzem Überlegen richtete er das Wort an seine Partnerin. »Du Sara. Soll ich erst einmal allein hier anfangen? Du könntest Dich ja um unseren Willi kümmern. Da sind wir ja auch noch nicht viel weiter. Ich halte Dich über alles am Laufenden, genauso wie Du mich. Und wenn Not am Mann ist, greifen wir wieder gemeinsam an.« Sara Preuss wusste ganz genau, warum Ruben das vorschlug. Ihre eigene Geschichte lag zwar schon etliche Jahre zurück, war aber immer noch gegenwärtig, besonders in solch einem Fall, wo ein junges Mädchen eine Rolle spielte. Sie nickte kurz, nahm seine Autoschlüssel und fuhr Richtung Dianastraße davon.
-DREIZEHN-
Von weitem konnte er die Gestalten in ihren weißen Ganzkörperanzügen beobachten. Wie sie die Tote von dem Seil abschnitten. Er selbst hatte ein wenig Mühe gehabt, das Seil über den ziemlich hohen Ast des alten Baumes zu bekommen. Im dritten Anlauf war es ihm geglückt. Er wollte sie noch einmal sehen, war aber nicht imstande, ihr ins Gesicht zu sehen. So ließ er die Mülltüte über ihrem Gesicht und fixierte diese mit dem Strick. Daraufhin nahm er das andere Ende und mit drei, vier Zügen hatte er die Leiche knapp über dem Boden hängen. Den Strick an den Baum bindend hörte er plötzlich das typische Geräusch von schnellen Schuhen auf kiesigem Untergrund. In Panik griff er die Leiche und zerrte sie, so gut es ging, mit sich hinter den großen Baum. Sein Fuß verfing sich in einer Wurzel und die Tote machte sich in die andere Richtung selbstständig. Inzwischen hatte die Joggerin jäh gestoppt und sah zu der hin und her pendelnden Leiche. Er schwang sich auf die Füße, einen dicken Ast in der einen Hand, mit der anderen an ihrer Kehle und schlug der völlig überraschten Joggerin von hinten auf den Kopf. Atemlos analysierte er die Situation. Nachdem er in alle Richtungen nach möglichen Zuschauern gespäht hatte, packte er sich die Joggerin auf die Schulter, um mit ihr leise pfeifend im Wald zu verschwinden. Keine Mühe. Aus der Überraschung einen Vorteil gemacht. Und nun konnte er sich das Schauspiel von hier aus ansehen. Würden sie was finden? Hatte er etwas übersehen, nur, weil er wollte, dass man sie schnell fand?
-VIERZEHN-
Prof. Dr. Siegward von Manntheuffel war in seinem Element. »Sofia Kramer. Blond. 15 Jahre alt. Ihr Name war auf der Schulmappe, die wir gefunden haben, ebenfalls auf den Heften. Keine 24 Stunden tot. Sie wurde nicht erdrosselt oder stranguliert. Todesursache war ein Sturz, wahrscheinlich in eine auf dem Boden liegende Harke. Für einen Schlag befinden sich die Wunden nicht im richtigen Winkel, außer es hat ein Kleinwüchsiger zugeschlagen.« Sein leichtes Lächeln legte sich sofort, als er in die Augen von Ruben Weiss blickte. »Am rechten Fuß Hämatome in Form einer Hand. Man könnte schließen, dass sie wegrennen wollte, aber ein Griff an ihren Knöchel brachte sie so unglücklich zu Fall, dass sie mit dem Gesicht in eine Harke fiel. Die Zinken bohrten sich direkt ins Gehirn. Sie war sofort tot.« »Also ein Unglücksfall! Aber warum dann diese Art der Zurschaustellung? Das passt doch nicht zusammen«, wandte Ruben Weiss ein. »Das ergibt schon Sinn«, widersprach Prof. Dr. Siegward von Manntheuffel. »Er wollte, ich gehe jetzt erst einmal davon aus, dass der Täter ein Mann ist, dass sie schnell gefunden wird. Es hat geregnet und der Zettel, den ich in ihrem Mund gefunden habe, war mit Tinte beschrieben.« »Wie Zettel? Was für ein Zettel?«, polterte Ruben Weiss los. »Du lässt mich ja nie ausreden«, gab der Professor gespielt empört zurück. »Ein kleiner gelber Post-It-Zettel, auf den mit Tinte geschrieben wurde. Natürlich hält die Tinte nicht lange in feuchter Umgebung, dann verläuft sie. Insofern haben wir noch Glück gehabt, dass die Kleine eine Mülltüte über dem Kopf hatte. Aber auch im unwahrscheinlichen Falle, dass die Schrift verlaufen wäre, hätte...«»WAS STEHT AUF DEM ZETTEL?«, schrie Ruben Weiss ihm direkt ins Gesicht. Er nahm die Tüte mit dem Zettel aus der Hand des Professors und las das Wort: Ärgere
-FÜNFZEHN-
Sammy Rückert zitterte vor Angst. Was war, wenn sie jetzt etwas tat, was ihm ganz und gar nicht gefiel? Sollte sie einfach ganz normal weitermachen, oder sich in ihr Schicksal ergeben? Ihr Blick wechselte vom Boden vor ihr zu der angstverbreitenden Gestalt, der ein anzügliches widerliches Grinsen im Gesicht stand. Sie war wieder dran.
-SECHZEHN-
Sara Preuss und Ruben Weiss saßen still im Wohnzimmer von Annkathrin Kramer. Soeben hatten sie ihr die Nachricht vom Tod ihrer Tochter so schonend wie möglich beigebracht. Trotz allem lag sie nun auf dem Sofa und weinte ohne Unterbrechung. Manchmal schrie sie auch, weil sie den unfassbaren Schmerz nicht ertragen konnte. Die Tür ging auf und ein Sanitäter mit Arztkoffer betrat den Raum. »So, dann machen wir mal weiter und fahren ins Büro«, sagte Sara Preuss halblaut zu Ruben Weiss. Der Sanitäter nickte kurz und begab sich zu Annkathrin Kramer. Ein Windspiel tanzte in einer leichten Brise.
-SIEBZEHN-
»Bist Du denn mit unserem Willi weitergekommen?«, fragte Ruben Weiss sein Gegenüber. «Nein, absolute Fehlanzeige, was den Mord betrifft. Von Willi wissen wir nur die paar Vorstrafen, also Einbruch, Hehlerei und auch mal eine Anzeige wegen sexueller Belästigung und versuchter Vergewaltigung. Ist aber im Sand verlaufen. Mit Kindern hat er unseres Wissens nie etwas zu tun gehabt, also nichts Negatives. Ich werde jetzt noch sein persönliches Umfeld, sprich Nachbarschaft, Freunde, Bekannte, Saufkumpane abklopfen. Vielleicht ergibt sich da etwas Brauchbares. Hast Du denn was Neues?«, fragte Sara Preuss. »Nee Du, ich war ja noch bei dem geschiedenen Herrn Kramer. Der war sichtlich erschüttert, über den Verlust seiner Tochter, hat aber die ganze Zeit seinen Hund angeschrien. Das arme Viech. Aber sonst hat er gar nichts erzählt. Ich kann mir ganz und gar keinen Reim auf diesen Zettel machen. Wer soll sich denn ärgern? Das Opfer? Die Mutter? Peter, Paul and Mary? Im Moment ist Stillstand und deswegen mache ich jetzt Feierabend. Muss noch einkaufen. Soll ich Kaffee und Tee mitbringen, oder haben wir noch?«, richtete Ruben Weiss die Frage an Sara Preuss. »Wasser haben wir keines mehr. Und Süßstoff. Aber nicht den Teuren, der andere tut`s auch. Sonst weiß ich auch nichts«, antwortete Sara Preuss und eine Sekunde später erinnerte nur noch das Schließen der Türe an ihre Anwesenheit.
-ACHTZEHN-
Der Beobachter schaute durch ein Loch in der Wand, dass er sehr geschickt angebracht hatte. Von der anderen Seite konnte man nicht erahnen, dass man von hier einen kompletten Überblick über den kleinen Raum hatte. Sie lag zusammengerollt auf der alten Matratze, ihre Blöße notdürftig mit einem fadenscheinigen Badehandtuch bedeckt und schluchzte vor sich hin. Die ersten beiden Runden hatte er klar für sich entschieden. Falls er beim nächsten Mal wieder die Oberhand behalten sollte, musste sie weg. Er hätte dann wenigstens ein kleinbisschen Spaß. Was konnte er denn dafür, dass sie sich so doof anstellte. Sie hatte doch buchstäblich alles in ihrer Hand. Aber so kam er seinem Ziel wieder ein Stückchen näher. Er verschloss das Loch, griff an seine wild pochende Erregung und grinste diabolisch. DU wirst schon sehen. Bald sind wir wieder vereint, sprach er lautlos vor sich hin.
-NEUNZEHN-
Ein paar Tage später waren sie immer noch kein Stück weitergekommen. Der nackte Willi war eine Fehlanzeige. Kein Nachbar, kein Freund oder Bekannter konnte irgendwie weiterhelfen. Der Herr Kramer, der Vater der toten Sofia konnte auch nichts beitragen. Die nicht vorhandenen Spuren verliefen im Sande. Sofia Kramer war mittlerweile auch schon unter der Erde. Sara Preuss hatte sich bei der Beerdigung weit im Hintergrund gehalten und Ruben Weiss hatte versteckt alle Trauergäste fotografiert. Keine Spur. Nichts. Es war zum Verzweifeln. Sie standen vor schwarzen Wänden.
-ZWANZIG-
Er wusste, dass Sonntagmorgens um sechs bei Hinz&Kunz, einer ansässigen Oldie-Kneipe, die auch ihm sehr zusagte, die letzten schon gegangen waren. Auf dem hinter dem Gebäude liegenden Parkplatz standen noch zahlreiche Fahrzeuge von Leuten, die ihren Führerschein noch länger behalten wollten. Er stieg aus seinem Auto, das verdeckt hinter dem großen Transporter des Eigentümers stand. Er hatte bewusst diesen Platz gewählt. So war alles einfacher. Er öffnete den Kofferraum und mit zwei zügigen kräftigen Bewegungen hatte er den zusammengerollten Teppich auf der Schulter. Diesen legte er sorgfältig hinter einen dort stehenden Container, penibel darauf achtend, keine Fußabdrücke zu hinterlassen. Er wusste auch, dass hier keine Kameras installiert waren, die ihn hätten aufnehmen können. Dann verschloss er sein Auto und ging zu Fuß, den Weg über den benachbarten BMW-Handel einschlagend, davon. Das Auto würde er in ein paar Stunden abholen, das machten auch andere so. Bis dahin hatte er noch Zeit, sich etwas mit dem kleinen Früchtchen, dass auch alles, wirklich alles falsch machte, zu beschäftigen. In ihm kribbelte es schon wieder und es war ein gutes Gefühl.
-EINUNDZWANZIG-
Sie war auf einem Spielplatz, den sie sehr gut kannte. Mit einem kleinen gelben Schippchen füllte sie Sand in einen Spieleimer, der halb mit Wasser gefüllt war. Als der Eimer voll war, nahm sie ihn und stülpte ihn verkehrt herum auf eine Steinplatte. Langsam zog sie den Eimer herunter. Der Hügel fiel in sich zusammen. Ganz enttäuscht wollte sie den nassen Sand wieder in den Eimer schütten. Da sah sie vor sich einen Schatten auf sich zukommen. Sie schaute hoch und ihm direkt in die Augen. Er näherte sich ihr Zentimeter für Zentimeter. Sein Gesicht wurde größer. Seine schwarzen Hände bewegten sich langsam auf ihre Augen zu. Schweißgebadet fuhr sie hoch und schaute sich nach allen Richtungen um. Sie war allein und in ihrem Schlafzimmer. Und sie zitterte. Lange Zeit hatte sie diesen Traum nicht mehr gehabt. Sie atmete tief ein und aus, schwang sich aus ihrem Bett und ging Richtung Badezimmer. Das Schlafshirt einfach fallen gelassen und der Slip folgte in hohem Bogen. Nackt trat sie in die ebenerdig gebaute Dusche und drehte den Kaltwasserhahn voll auf. Der harte Strahl tat auf der Haut weh und sie fror erbärmlich. Das Läuten des Telefons weckte sie aus ihrer Starre. Nackt wie sie war, hastete sie zum Telefon. Es war Ruben Weiss. Was wollte er zu dieser Zeit? »Ruben, was ist los. Kannst Du nicht schlafen?« »Wir haben schon wieder eine Leiche. Soll ich Dich abholen?« »Wo wurde sie denn gefunden?«, fragte Sara nach. »Auf dem Parkplatz des Hinz&Kunz. Purer Zufall, sonst hätte sie noch bis Mittwoch dagelegen.«
-ZWEIUNDZWANZIG-
Sie schaute auf die beiden kleinen schwarzen Augen. Das konnte nicht wahr sein. Sollte sie doch noch einmal davongekommen sein? Sammy hatte vor einigen Augenblicken ihren Peiniger wutentbrannt aus dem Raum stürzen sehen. Er hatte kein Wort gesagt, nur vor sich hingestarrt mit immer deutlich werdendem Anschwellen seiner Adern am Hals und den Unterarmen. Fast lautlos hatte er sich erhoben, hatte ihr von oben tief und bedrohend in ihre Augen gestarrt und dann war er plötzlich weg. Sammy atmete tief ein, bevor das Licht wieder ausging und sie in voller Dunkelheit allein zurückließ.
-DREIUNDZWANZIG-
»Das soll wohl ein Witz sein? Was denkt Ihr Euch überhaupt? Für eine tote Dogge macht Ihr hier so einen Aufstand? Haben wir umgeschult auf Veterinäre?«, echauffierte sich Sara Preuss. »Jetzt beruhige Dich doch erstmal«, erwiderte Prof. Dr. Siegward von Manntheuffel. »Den Kollegen ist aufgefallen, dass der tote Hund einen gebrochenen Schädel hatte, der auch geblutet hat, aber das erklärt bei weitem nicht den Blutfleck am anderen Ende des Teppichs, der auch schon etwas älter ist und bei dem versucht wurde, diesen auszuwaschen.« »Wahrscheinlich hat irgendwer Rotwein verschüttet, versucht den Teppich zu retten, dann aus Wut, weil das nicht geklappt hat, seinen Hund gekillt und alles zusammen ganz einfach hier entsorgt«, warf Ruben Weiss mit vollem Enthusiasmus ein. Ein zaghaftes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. »Egal. Manni, nimm das in die Hand. Mit dem Labor eilt es ja nicht, lass Dir ruhig Zeit. Ruben, nimmst Du mich mit? Oder sollen wir noch nach Götterswickershamm, schön ein kaltes Bierchen genießen?«, fragte Sara Preuss. »Ja, ist klar. Du schnabulierst Dir ein paar Bierchen und ich trinke Wasser. Das nenne ich wahre Freundschaft«, antwortete Ruben Weiss. »Jetzt stell Dich nicht so an. Nächstes Mal bin ich wieder dran.« Ein kurzes Schulterzucken später brausten sie davon.
-VIERUNDZWANZIG-
Der BMW gefiel ihm. Schwarz, tolle Alufelgen, 360PS, tiefer gelegt, Baujahr 2013, alle Extras, für 36399 Euro. Durch die Scheiben konnte er den roten Wildfang gut erkennen. Im Moment echauffierte SIE SICH sehr mit Gesten und lautem Geschrei. Dann beruhigte SIE SICH wieder, redete mit ihrem Kollegen und beide fuhren kurz darauf weg. Er sah noch, wie die Männer in den weißen Anzügen an irgendetwas auf dem Boden herumfummelten, konnte aber nicht erkennen, was es war. Hatten sie den Teppich so schnell gefunden? Warum war denn das rote Luder hier, wo es doch keine Leiche gab? Er hatte sich bei seinem Morgenspaziergang bereits gewundert, warum hier so ein Großaufgebot von Polizisten vor Ort war. Absperrbänder. Spurensicherung. Blaulichter. Nein, da musste etwas passiert sein, was nichts mit ihm zu tun hatte. Oder? Also hatte er beschlossen, sich doch einmal die ausgestellten Wagen vor der BMW-Filiale anzusehen und sich dann den anderen Schaulustigen anzuschließen. Unauffälliger ging es nicht. Aber was er sah, bereitete ihm leichtes Unbehagen. Er konnte sich nicht einmal an IHREM Anblick ergötzen.
-FÜNFUNDZWANZIG-
Gutgelaunt und voller Elan stürmte Sara Preuss ins Büro. Ruben Weiss war bereits anwesend. Er hatte sich ein feuchtes Handtuch ins Genick gelegt und nuckelte an einem Glas mit milchiger Flüssigkeit. »Nicht so laut«, murmelte er. »Ey Rubi, wie siehst Du denn aus? Haste gestern Abend noch ein Frust-Saufen veranstaltet?«, rief Sara zurück. »Ja, iss klar. Du hattest ja Deine, bei fünf habe ich aufgehört zu zählen, Biere. Ich trinke den ganzen Abend nur Wasser und hab so einen dicken Kopf. Wahrscheinlich hab` ich mir `ne Grippe eingefangen», bemerkte Ruben. »Ja, `ne Männergrippe. Da fällst Du ja wieder drei Wochen aus und ich kann den Fall allein lösen«, grinste Sara Preuss gemein. »Apropos Fall. Mir ist noch was eingefallen. Der tote Hund vom Hinz & Kunz hat eine verblüffende Ähnlichkeit mit der Dogge von unserem Herrn Kramer. Dieser Gedanke ist mir heute Morgen gekommen«, warf Ruben Weiss in den Raum. »Was? Mit dem dicken Kürbis? Du kannst doch noch gar nicht richtig denken«, lachte Sara Preuss. »Nee, wirklich. Ich setze mich gleich mal dran. Aber das wäre wohl purer Zufall, oder?« »Ich steige wieder mit ein. Mit unserem Willi komme ich ja auch nicht weiter. Aber erst mal Kaffee. Du auch einen?