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Eine ohne jeglichen Humor beginnende Reise, quer durch einige unbekannte Lokalitäten, angehaucht von exzessiver Gewalt und leichter Erotik am Rande. Eine von Bayern bis nach Dinslaken durchlaufende Tour. Ob es Restaurants oder einfache Kneipen betrifft, Tanzlokale oder Dorfschenken. Alles wird ein wenig unter die Lupe genommen. Dialekte werden verstanden und falsch gedeutet. Menschen unterschiedlichen Schlages werden hinterfragt. Hier bestätigt sich leider, dass die Inhaltsangabe nicht das wiedergibt, um was es eigentlich geht.
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Seitenzahl: 114
Veröffentlichungsjahr: 2021
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VORWORT
Die in diesem Buch beschriebenen Personen, Namen und Orte sind frei erfunden und entsprechen höchstens der Fantasie der Lesenden. Bausteine werden falsch zusammengesetzt und daher auch falsch interpretiert. Sollten doch Ähnlichkeiten mit bestehenden Namen, Städten und Lokalitäten bestehen, so ist das nicht gewollt und voll unbeabsichtigt. Die Rechtschutzversicherung müsste das allerdings abdecken. Szenen, die von brachialer Gewalt oder purer Erotik bestimmt sind oder diesen Touch vermitteln, sind absichtlich in den Hintergrund verbannt worden. Hier sollte das reine Lesevergnügen im Vordergrund stehen, nicht die Fantasie des Einzelnen.
Die kleine Kneipe
»Meine Fresse, stinkt das hier. Was haben die denn hier bloß wieder angestellt?«
Das waren die ersten Worte der kleinen beliebten Landhauskneipe, die sie nach einer anstrengenden Woche am frühen Sonntagmorgen über die Lippen brachte. Eigentlich hatte sie einen ruhigen Job. Von Montag bis Mittwoch kamen die Alteingesessenen, das waren der HuberPaul, der PallhuberBernd, der PfaffenDieter und der WachtveitlAlois. Die waren jeden Tag da, ob Sommer oder Winter, ob Feiertag oder Beerdigung, ob Championsleague oder Dorffest. Sie hatten nur eine Regel. Nie vor halba Elfe die erste Maß und immer nach dreiviertel Zehne die letzte. Man musste sich ja auf dem Laufenden halten.
Am Donnerstag kamen die Mitglieder der Trachtenkapelle dazu und am Freitag eine ganze Gruppe der ortsansässigen Freiwuiige Feiawehr. (Freiwilligen Feuerwehr). Das Wochenende war sowieso ausgelastet mit allen, die unter der Woche schon da waren und denen, die irgendwie dazugehörten oder zugehören wollten. Und jeder hatte was zu sagen, zu erzählen oder rumzujammern. Und das alles bekam natürlich die kleine Kneipe immer mit. Was sie nicht schon alles hören musste an wahren Geschichten und Lügen, an Jägerlatein und Anglererfahrungen, an Gerüchten und Halbwahrheiten. Frommen Nonnen und Nonninnen hätte es hier die Schamesröte ins Gesicht und sonst wo hin noch getrieben.
Tagein tagaus der immer wiederkehrende gleiche Ablauf. Die abends, wegen der Reinigung des Stüberls auf die Tische gestellten Stühle, wurden vom Wirt, dem ObermayerStefan, wieder vor die Tische gestellt. Eigentlich war das sinnlos, denn der Boden klebte auch nicht viel weniger als am Abend zuvor. Nur hatte der ObermayerStefan da einmal feuchtfröhlich trocken mit seinem erst kürzlich erworbenen „Floor Master 2020“ durchgewischt, um hinterher festzustellen, dass der Unterschied zu vorher ziemlich eindeutig war. Erst trocken, dann nass. Der Floor Master gab aber immer das Gefühl, doch etwas geschafft zu haben. Der ObermayerStefan putzte auch nur, weil er musste. Seine Frau, die einstige ObermayerKarin war ihm vor ein paar Jahren weggelaufen, weil sie sich mit einem „Depperten Touri“, so ObermayerStefans Worte, auf ein kleines tete a`tete eingelassen hatte. Der hatte wohl so einen überwältigen Eindruck bei der ObermayerKarin hinterlassen, dass sie ihre sieben Sechssachen zusammenpackte und gleich mit ihm verschwand. Der ObermayerStefan hörte dann viel später davon, dass die ObermayerKarin jetzt ihren Namen in KoppermannKarina umgeändert hatte. Aber da war der Floor Master auch schon lange nass.
Pünktlich um halba Elfe war heute ausnahmsweise einmal der PfaffenDieter da, der seine Kuh bereits um viertel Siebene an die vollautomatische Melkmaschine angeschlossen hatte. Dieses wirklich fast einzigartige Konstrukt modernster Technik war mit seinen elfeinhalb Jahren schon etwas betagter, erfüllt aber weiterhin anstandslos seinen Zweck. Ausgelegt für 50 Kühe und teilweise auch Stiere, hatte es die ersten Monate wunderbar seinen Zweck erfüllt. Die frisch erworbene Milch wird hier durch kleine Spiralen einem großen Tank zugeführt. Hier wird sie dann zum Teil pasteurisiert und auch homogenisiert und das alles in einem einzigen Arbeitsschritt. Man braucht hinten die Milchtüte nur noch volllaufen zu lassen. Natürlich besteht auch die Möglichkeit, den Flüssigkeitsstrom sofort wieder den Trögen der gemolkenen Kühe zuzuführen, um danach eine noch bessere Qualität der gewonnenen Milch zu erhalten. Das ist doch pure Addition und Multiplikation. Nur hatte dieses hochmoderne Melkding irgendwie einen kleinen Fehler. Ein wenig Feuchtigkeit reichte, um ein wenig Strom, den diese Maschine benötigte, in die Euter der armen Kühe umzuleiten. Manche zuckten ganz wild, um sich später wieder zu beruhigen. Andere kippten gleich tot um. Leider konnte der PfaffenDieter hier nicht viel reklamieren, da der Kauf über seine Frau, die PfaffenUte lief. Diese hatte zwar die Maschine günstig griagd (bekommen), aber bei den Garantieleistungen aufgrund vorzüglicher körperlicher Betreuung durch den Verkäufer ziemlich geschlampt. Man denkt nicht viel mit dem Kopf im Heu. Sei`s drum. Monatelang hatten der PfaffenDieter und seine immer noch treue Gemahlin, die PfaffenUte Rindfleisch in Form von Rinderbraten, Rindergulasch, Rindfleischsuppe, kaltem Rindfleisch auf Brot, kaltem Rindfleisch ohne Brot, warmem Rindfleisch ohne alles und was es sonst noch so gibt, auf dem Tisch. Nur die letzte Kuh wollte nicht verrecken. Irgendwie genoss sie das große Kribbeln am Euter, schüttelte sich ein wenig und grinste vor sich hin. Die Milchproduktion der Kuh stagnierte, dafür war mehr saure Sahne da.
Gerade als sich der PfaffenDieter seiner ersten Maß zuwendet, verdunkelt sich der Türrahmen und der PallhuberBernd zwängt sich in das Stüberl. Ein finsterer Blick zum ObermayerStefan ermöglicht ihm ohne Worte seine Bestellung. An seinem, schon seit ewigen Zeiten bestehendem Stammplatz, lässt er sich mit einigem Getöse und Seufzen und Stöhnen auf die Bank nieder. »Grüaß di.« »Grüaß di oh«, kommt vom PfaffenDieter, dem sein Maß bereits zur Neige geht. Aber da kommt auch schon der ObermayerStefan und stellt zwei neue Maß vor die beiden auf den Tisch. »Wohlsein«, ertönt es dreimal, fast unisono. Nachdem die beiden sich fast eine halberl Stund ohne Worte unterhalten haben, fallen folgende Worte.
»Du, sog oamoi. Ois dei Kia voa a boh Jahrn so krank warn, wos hosd du do mocht?« (Für nicht Eingeweihte. »Du, sag einmal. Als Deine Kühe vor ein paar Jahren so krank waren, was hast Du da gemacht?«) »I hob ihna Lebertro gegem«. (»Ich habe Ihnen Lebertran gegeben«.)
Eine Woche später am späten Sonnabendvormittag gegen dreiviertelzwölfe. Wieder sitzen in der Kneipe der PfaffenDieter und der PallhuberBernd, diesmal verstärkt durch den HuberPaul und den Wachtvei-tlAlois.
»Du, i hob meina Kühn den Lebertro gegem.« (»Du, ich habe meinen Kühen den Lebertran gegeben.«) »San olle tot.« (»Sind alle tot.«) »Jo, meine damois aa.«(»Ja, meine damals auch. «)
Und so ging es der kleinen Kneipe eigentlich immer.
Bei den zahlreichen Dorffesten machen sich die Madls immer besonders hübsch. Dies hat nur den Zweck, besser auszusehen als die anderen Madls, die waren nämlich auch alle pottenhässlich. Aber Schönheit liegt im Auge des Betrachters und nach einigen Mass Bier, werden sogar die nicht ganz so Netten bildschön. Es werden Volkslieder gesungen, getanzt und gelacht. Die Männa werden immer lauter und frivoler, die Madls immer lockerer. Blicke treffen sich und versteckte Zeichen werden gemacht. Die MoserhuberResi stützt sich leicht gebeugt an eine der großen Boxen, aus der laut ein urbayerisches Volkslied scheppert. Hinter ihr steht der Bruder vom WachtveitlAlois, der WachtveitlHansi und passt auf, dass sie nicht umfällt. Dabei muss er schon ganz genau aufpassen und er schiebt auch dauernd seine Hüfte vor und zurück, um das Gleichgewicht besser zu halten. Dazu hält er sich auch am hochgereckten Rock der MoserhuberResi fest, wahrscheinlich deshalb, damit im Falle eines Sturzes ihr Rock nicht schmutzig wird. Der MoserhuberResis Slip hängt ihr an den Knöcheln, vielleicht hat sie den Boden ja schon gewischt.
Drei Meter weiter heult die SedlmeierMoni laut vor sich hin, weil der KrawitzerToni, bei dem sie vorhin noch die Hand in der Hose hatte, sich unter der Bühne mit der SedlmeierChristine vergnügt, die die Mutter von der SedlmeierMoni ist. Hier muss man den KrawitzerToni schon verstehen. Er musste den ganzen Abend Tuba spielen, kam kaum zum Trinken und ist noch recht nüchtern. Die SedlmeierChristine ist wirklich ein hässliches Viech, aber auch die Tochter muss sich bei Halloween nicht verkleiden. Also überall Gejohle, Geheule, Geschrei, Stöhnen, Grunzen, Pfurzen. Der Boden nass von Verschüttetem, von Erbrochenem, von menschlichen und tierischen Exkrementen und auch von nach der Ekstase herrührenden Lusttröpfchen.
Nachdem wieder der urtypische bayerische Alltagstrott eingesetzt hat, sitzen wieder einmal der HuberPaul, der PallhuberBernd, der PfaffenDieter und der WachtveitlAlois zusammen. Ein richtiges Gespräch will nicht aufkommen, da wahrscheinlich alle noch vom letzten Dorffest schwer müde sind. Auf einmal gesellt sich der SchäferPeter, der eigentlich KrummbiegelPeter heißt, zu ihnen in die Runde. Er wird nur der Kürze halber so genannt, aber auch deswegen, weil er keine Rinder, sondern Schafe züchtet, was in der bayerischen Umgebung ja schon eine Seltenheit ist. »Fünf Mass«, ruft er in die Richtung des ObermayerStefan und lässt sich auf seinen Allerwertesten fallen. Das nichtstattfindende Gespräch beginnt zu stocken, beruhigt sich aber bei Eintreffen der fünf Mass sofort wieder. »Zum Wohl«, erklingt es unisono. »Passt schoh«, lässt sich der SchäferPeter, also eigentlich der KrummbiegelPeter entlocken. Nach zahlreichen, fast wortlosen Diskussionen deutet der SchäferPeter auf das Fenster und sagt: »Do hidn, hob i voa jahrn moi easte numma moicht«. (»Da hinten, habe ich vor Jahren meine erste Nummer gemacht«.) Weitere sechs Minuten vergehen.»Un zehn meta weida hod de Muada gelegn und zuageschaut«. (»Und zehn Meter weiter hat die Mutter gelegen und zugesehen«.) Noch drei Minuten später fragt der Wachtveitlalois: »Und, hod de wos gsogt? « (»Und, hat die was gesagt? «) Eine weitere Minute später. »Jo, määääähhhhhh.«
Das alles muss die kleine Kneipe nun schon jahrelang ertragen und hinnehmen. Immer öfter fragt sie sich, was man da ändern könnte und ihr fällt nur ein einziger Weg ein. Sie macht sich an die Vorbereitungen in eine andere Gegend zu ziehen. Sie durchstöbert die wöchentliche Tageszeitung und bleibt an einer ziemlich interessanten Stelle hängen. –Eckkneipe in Hamburg, Stadtteil Sankt Pauli zu verpachten-, steht in graden, großen fetten Buchstaben zu lesen. »Das könnte doch was für mich sein«, sagt sie zu sich und macht sich gleich ans Werk.
DREI Monate später hatte sie den Job. Alle Brücken hinter sich abbrechend zieht sie vom Land in die Stadt. Der erste Tag ist schon sehr nervenaufreibend. Mitten in der Nacht angekommen, wimmelt es auf den Straßen nur so von teilweise zwielichtigen Gestalten. Überall wird geflüstert und gewispert, geschrien, gebrüllt, gegrunzt und auch mal nur geheult. »Bloß nicht auffallen«, sagt die kleine Kneipe zu sich und begibt sich in ihr neues Refugium. Hier ist alles dunkel und klebrig. Und auch kleiner, als sie es vorher hatte. Dafür gibt es noch einen Keller und ein paar kleine Zimmer im Obergeschoss. »Was habe ich da nur gemacht?«, hört sie sich sagen. Trotzdem lässt sie sich den Mut nicht nehmen und wartet auf den neuen Morgen. Im Hellen sieht alles schon ein wenig besser aus. Zwar kommt durch die kleinen Fenster nicht viel Tageslicht in den Schankraum, aber die gemütliche indirekte Beleuchtung gibt der ganzen Sache schon ihren eigenen Flair. Auf einem riesengroßen roten Kühlschrank kann man den in goldenen Lettern aufgeprägten Schriftzug „Kühlschrank“ lesen. Da weiß man, wo man dran ist. Jede Menge Gläser der unterschiedlichsten Art stehen im Schrank oder hängen in den dafür vorgesehenen Vorrichtungen. Bei einigen der Schnapsflaschen kann man noch den Aufdruck erkennen. Ein Zapfhahn reicht wohl für die erlesene Kundschaft. Vor der Theke hängt an der Wand eine Dartscheibe. So eine, die man mit den altbewährten Pfeilen mit Stahlspitzen bewirft, rechts und links flankiert von Geldspielautomaten, die ihr nerviges TÜLIDEDÜ alle 20 Sekunden wiederholen. Ein paar Tische mit Stühlen davor, wobei es einen Stuhl nicht zweimal gibt. Eine rote Türe, die etwas schief in den Angeln hängt, gibt den Durchgang auf zwei weitere Räume frei, die gänzlich ohne Türen auskommen. Pissbecken rechts, ein Klo um die Ecke. Auf der linken Seite drei Kabinen, die man nicht abschließen kann. Es duftet nach Eau de Toilette und Salmiak. Waschbecken sind auch vorhanden. Die Handtücher haben auch schon mal bessere Zeiten gesehen.
Im Keller ein Lagerraum für alte und neue Fässer, sowie Gegenstände jeglicher Art und Weise. Ein alter Kicker mit verwitterten Figuren. Eine Schaufensterpuppe in rosa, mit dicken Titten. Im Schritt hat sie ein abgebrochenes Messer stecken. Tische und Stühle mit zwei oder drei Beinen. Ein grünes zusammengerolltes Fischernetz. Ein Ölgemälde mit klobigem goldenem Rahmen auf dem sich eine leicht bekleidete Zarah Leander räkelt. Jemand hat mit einem gelben Leuchtstift eine Sprechblase neben ihren Kopf gemalt. -Blas mir ein-, steht dort in klarster, vermutlich keiner Kinderschrift. Im Obergeschoss acht Zimmer. In jedem Zimmer ein Einzel-, manchmal auch ein Doppelbett. Alles in Plüsch und mit dicken Teppichen ausgelegt. 25-Watt-Birnen sind in die wenigen vorhandenen Lampen eingeschraubt. Viele Türen mit Kratzern und Dellen und alle bereits im Bereich des Schlosses schon zigmal repariert. »Ach, das wird schon«, sagt die kleine, größer gewordene Kneipe zu sich und harrt der Dinge, die da kommen werden.
Um Neunuhrsieben der erste Gast. Andreas Block, auch Blockwurst genannt, bei fast zwei Meter Größe und 65 Kilo Gewicht. »Nen Kurzen und een Helles«, fordert er mit leicht nervösem Unterton. Die Wirtin, die Scharfe Hanne, schaut ihm kurz in die Augen, lächelt und zapft mittlerweile das zweite Glas. Drei Minuten später stellt sie die beiden Gläser vor Blockwurst auf den Tresen. »Dreiachzich! Hasste klein?« »War noch nich auffer Bank. Hier haste vier, aber gib nich alles auf einmal aus«. Die Scharfe Hanne klaubt ihre Münzen auf und die Blockwurst hat den kurzen schon weggekippt. »Noch eenen, aber doppelt«, verlangt die Blockwurst und nippt an seinem Bier. Die Scharfe Hanne bückt sich, um eine neue Flasche aus der Kühlung zu holen. Dabei schiebt sich ihr kurzer schwarzer Rock am Hintern über die Naht ihrer halterlosen Strümpfe. Der String verdeckt nichts. Blockwurst fängt an zu husten, weil er sich verschluckt hat. Die Scharfe Hanne schaut ihm in die Augen. »Vielleicht sollteste mal besser Kaffee trinken, wenn dir das andere zu scharf ist«. Sie stützt sich auf die Theke, wobei ihre 95C-Körbchen mächtig in den Vordergrund gedrängt werden.
In der Hose von Blockwurst wird es langsam eng, was auch von dem hautengen Trainingsanzug, der hinten den riesigen Schriftzug Block1