Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Die Schrift "Direktdemokratie Jetzt!" gibt Antworten auf die Frage, wie wir Bürger durch neue machtpolitische Medien in die Lage versetzt werden, die überfällige demokratische Entscheidungshoheit durchzusetzen und damit eine gemeinnützige Politik in unserem Land. Dabei wird auch das politische Versagen parlamentarischen Demokratie und der öffentlich-rechtlichen Medien thematisiert.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 150
Veröffentlichungsjahr: 2017
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Henrik Muhs
Die mögliche Rolle machtpolitischer Bürgerinformationen bei der Durchsetzung einer
Imprint
Direktdemokratie Jetzt! Henrik Muhs
Copyright: © 2017 Henrik Muhs Lehnitzstraße 47 16515 Oranienburg
Published by epubliwww.epubli.de Ein Service der neopubli GmbH, Berlin
Vorwort
Teil 1 – Die direkte Demokratie
Die wesentlichen demokratischen Machtinstrumente
Der direktdemokratische Staat
Eine föderale Europäische Union
Die Interessenlage in der direkten Demokratie
Glücksfall Schweiz
Teil 2 – Eine Kritik der parlamentarischen Demokratie
Der vertretene Souverän
Die marktkonforme Demokratie
Die Parteiendemokratie als beste aller denkbaren Demokratien?
Systematische Verantwortungslosigkeit
Die goldenen Hoftrompeten
Teil 3 – Machtpolitische Bürgerinformationen (MB)
Das Konzept der Machtpolitischen Bürgerinformationen
Die Bedeutung der Verantwortung
MB-Thema: Massenmigration
MB-Thema: Umweltschutz
Teil 4 – Demokratie 4.0
Industrie 4.0 und die marktkonforme Demokratie
Mehr Demokratie als Konsequenz der vierten industriellen Revolution
Krisen als Chance einer notwendigen Demokratisierung
Demokratisierungsparteien
Das Konzept der MB in der Teildemokratie
Argumente für die direkte Demokratie
Die MB als Instrument einer direktdemokratischen Revolution
Anhang
Quellenverzeichnis
Das Ziel dieser Schrift ist nicht, weitere kritische Texte über das bestehende politische System zu veröffentlichen, sondern einen möglichen Weg für dessen Demokratisierung aufzuzeigen. Diese ist notwendig, weil die Bundesrepublik heute von Parteien und nicht vom Volk regiert wird. Die politische Unmündigkeit des deutschen Volkes steht im Widerspruch zu der Forderung des Grundgesetzes (Artikel 20, Abs. 2), wo es heißt: »Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.« Diese Forderung wurde seit dem Bestehen der Bundesrepublik nie umgesetzt. Auf Bundesebene hat seit 1949 keine einzige Volksabstimmung stattgefunden!
Die Stagnation der demokratischen Entwicklung in der Bundesrepublik, kann durch neue demokratische Medien beendet werden, die dem Volk als politisches Machtinstrument dienen und sich deshalb nicht nur durch die Anwendung moderner digitaler Technik, sondern vor allem durch neue Inhalte auszeichnen. Damit das Volk direkte politische Verantwortung übernehmen und bestimmen kann, wie unser Land aussehen soll!
Das Wort »Demokratie« entstammt dem Griechischen und bedeutet »Volksherrschaft«. Danach müsste die Macht in einem demokratischen Staat vom Volk als Souverän ausgehen, wie in einer Monarchie vom König, in einer Plutokratie von den Reichen oder in einer Diktatur von einem Führer oder einer herrschenden Partei.
Trotz der Eindeutigkeit des Demokratiebegriffs, findet man eine große Zahl von Auslegungen, was eine Volksherrschaft alles sein soll. Da gibt es die repräsentative oder parlamentarische Demokratie, die Parteiendemokratie, einen demokratischen Sozialismus, die durch den russischen Präsidenten Putin »geführte« Demokratie etc. Alles wird als »Demokratie« ausgegeben, von der Direktdemokratie in der Schweiz über die parlamentarische Demokratie in Deutschland bis hin zur Einmanndemokratie in der »Demokratischen Volksrepublik Nordkorea«. Diese Praxis, lässt sich mit dem Wunsch der Herrschenden begründen, ihrem politischen System den Anschein einer Legitimation durch das Volk zu geben und die bestehende Interessenlage zu verschleiern. Hier handelt es sich um eine Verfahrensweise, die schon eine alte chinesische Weisheit beschreibt: »Zuerst verwirren sich die Worte, dann verwirren sich die Begriffe und schließlich verwirren sich die Sachen.« [1]
Der Begriff »Machtinstrument« bezieht sich dieser Schrift auf politische Verfahren und Institutionen, welche den Herrschenden die Macht in Staat und Gesellschaft sichern. Das kann je nach Herrschaftsform ein Parlament, Zentralkomitee oder Propagandaministerium etc. sein.
Die Mehrheitsinteressen des Volkes, können durch die nachstehend aufgeführten demokratischen Machtinstrumente sicher gestellt werden:
Das erste Machtinstrument bilden die direktdemokratischen Entscheidungsrechte des Volkes. Die Volksentscheide/Volksabstimmungen, ermöglichen die Bürgerbeteiligung beim Regieren der Gemeinden, der Länder und des Staates. Der Volksentscheid kann über ein Volksbegehren eingeleitet werden. Dafür muss eine bestimmte Zahl von Unterschriften in einem festgelegten Zeitraum zusammenkommen. Das Sammeln von Stimmen für ein Volksbegehren kann von kleinen Minderheiten oder einzelnen Bürger ausgehen.
Die Volksinitiative ermöglicht es der Bürgerschaft eigene Gesetzesvorschläge einzubringen, mit denen sich das Parlament befassen muss. Lehnt das Parlament die Vorschläge ab, bliebe immer noch der Weg über die Volksabstimmung.
Die fakultative Volksabstimmung schafft die Möglichkeit, Entscheidungen des Parlamentes nachträglich durch das Volk zu korrigieren. Dazu muss eine bestimmte Zahl von Unterschriften für die Einleitung eines Referendums vorliegen.
Die obligatorische Volksabstimmung kann für bestimmte Entscheidungen, z. B. für Verfassungsänderungen, vorgeschrieben werden. Das stellt sicher, dass wichtige Rechtsgrundlagen nicht am Volk vorbei geändert werden können.
Die Vorgabe von Zustimmungsquoten ist bei Volksabstimmungen nicht erforderlich, weil die Beteiligung an den Abstimmungen jedem interessierten Bürger offen steht. Auf Bundesebenen sollten Volksabstimmungen nur wenige Male im Jahr und gleich zu mehreren Fragen abgehalten werden, wie dies in der Schweiz praktiziert wird.
Eine kurze Erklärung der o. g. und weiterer Begriffe der Bürgerbeteiligung befindet sich im Anhang dieser Schrift.
Das zweite Machtinstrument bildet das vom Volk gewählte Parlament und die durch die Mehrheit der Abgeordneten bestimmte Regierung. Sie sollen als Vertreter des Volkes dessen politische Interessen wahrnehmen.
Anders als in der »parlamentarischen Demokratie« besteht für das Volk in einer Direktdemokratie die Möglichkeit, auch zwischen den Wahlen (durch den Gebrauch seines ersten direktdemokratischen Machtinstruments) in das politische Geschäft einzugreifen. Die Rolle des Parlaments und der Regierung ist mit der eines Verwalters vergleichbar, welcher seinem Herrn die Geschäfte abnimmt, ohne sich dessen Willen entziehen zu können, was die Politik zu einer ständigen Beachtung der Gemeinwohlinteressen zwingt.
Das dritte Machtinstrument sind die öffentlich finanzierten Medien. Deren erste Aufgabe müsste darin bestehen, der Öffentlichkeit machtrelevante Informationen bereitzustellen, die geeignet sind, politische und gesellschaftliche Zusammenhänge zu erkennen, und den Staatsbürger in die Lage versetzen, seine Interessen durch Initiativen, bei Wahlen oder Abstimmungen wahrzunehmen. Die eigene Interessenwahrnehmung setzt die Möglichkeit der freien Meinungsbildung jedes Bürgers voraus, die auch das Recht beinhaltet, jeden politischen Vorgang zu hinterfragen und seine Meinung öffentlich zu äußern, selbst wenn andere diese für falsch oder dumm halten. Ganz nach der Forderung die Jean-Michel Voltaire (franz. Philosoph und Schriftsteller 1694 – 1778) zugeschrieben werden: »Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.« [1]
Die Meinungsfreiheit ist ein Bestandteil der Menschenrechte nach der Erklärung von 1948 [2] und für jeden freien Bürger ein unverzichtbares Recht, wie die Gleichheit vor Gesetz, die Versammlungsfreiheit, der Schutz des Eigentums usw.
Immer, wenn die Demokratie in der Geschichte einen Aufschwung erlebte, gewannen auch die Bürger- und Menschenrechte an Bedeutung. Die mit der Demokratie verbundenen Machtstrukturen dienen zuerst den allgemeinen Interessen und nicht den Sonderinteressen einer kleinen exklusiven Oberschicht. Eine unabhängige Justiz und Exekutive, die nach den Gesetzen sowie unter Beachtung der Gewaltenteilung (von John Locke und Montesquieu), arbeitet, gewährleistet die Rechtssicherheit.
Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte erfolgte durch die französische Nationalversammlung am 26. August 1789. Teile der Erklärung wurden 1791 in die nordamerikanische Verfassung übernommen. Dort heißt es, unter anderem:
Artikel 1, Satz 1: »Die Menschen werden frei und gleich an Rechten geboren und bleiben es.«
Artikel 2: »Der Zweck jeder politischen Vereinigung ist der Erhalt der natürlichen und unantastbaren Menschenrechte. Diese sind das Recht auf Freiheit, das Recht auf Eigentum, das Recht auf Sicherheit und das Recht auf Widerstand gegen Unterdrückung.«
Artikel 4: »Die Freiheit besteht darin, alles tun zu dürfen, was einem anderen nicht schadet: Die Ausübung der natürlichen Rechte eines jeden Menschen hat also nur die Grenzen, die anderen Mitgliedern der Gesellschaft den Genuss ebendieser Rechte sichern. Diese Grenzen können nur durch das Gesetz bestimmt werden.« [3]
Durch den Artikel 4 erhält die individuelle Freiheit eine weite Auslegung, die Lebensentwürfe, sexuelle Ausrichtungen usw. den persönlichen Neigungen und Überzeugungen weitestgehend jedem einzelnen Menschen überlässt. Der Schutz des Einzelnen ist die extremste Form des Minderheitenschutzes, was der Tatsache Rechnung trägt, dass jeder Mensch auf verschiedenen Gebieten einer Minderheit angehören kann, z. B. vor Gericht, im Krankheitsfall usw.
Die Bürgerechte gehen noch über die Menschenrechte hinaus. Diese ermöglichen es dem Staatsvolk seine Mehrheitsinteressen durchzusetzen. Auf der anderen Seite ist der Bürger seinem Staat durch Steuerzahlungen, Wehrdienst usw. in besonderer Weise verpflichtet.
Die Beachtung der Mehrheitsinteressen des Volkes ist wiederum eine wichtige Voraussetzung für die Durchsetzung der Menschenrechte. Der Staatsrechtsprofessor Giorgio Giacometti von der Universität Padova äußert sich zu diesem Zusammenhang dahingehend, dass Volk und Volksvertreter als Nutznießer der Freiheitsrechte die Garantie der Menschenrechte in sich selber tragen würden. Sie könnten darum gar nicht deren Feind sein. Dem Volk als Träger der Freiheitsrechte sei das Wächteramt über die Menschenrechte wesensgemäß. [4]
Die emeritierte Professorin für politische Theorie und Ideengeschichte, Ingeborg Maus, schreibt in ihrem Buch »Menschenrechte Demokratie und Frieden: »Es […] entspricht wiederum aufs genaueste der Logik der Prinzipien Kants wie der Systematik demokratischer Verfassungen, die gleichermaßen nicht nur die wechselseitige Optimierung von Menschenrechten und Volkssouveränität voraussetzen, sondern auch Volkssouveränität selbst als ein Menschenrecht definiert.« [5]
Die real existierenden Bürger- und Menschenrechte sind eine wichtige Voraussetzung für die gemeinnützige Leistungsfähigkeit des Staates. Diese Rechte begründen das hohe Maß an Freiheit und Selbstbestimmung, von denen die positive Ausstrahlung der Demokratie ausgeht.
Der griechische Philosoph Aristoteles, (384 – 322 v. Chr.) bezeichnet die Freiheit als Grundlage der demokratischen Staatsform. Diese Freiheit des Volkes macht es schwierig, die konkrete Gestaltung des Staates zu beschreiben, weil letztlich dessen mehrheitliche Interessen darüber entscheiden. Deshalb sollen hier nur einige sehr wahrscheinliche Merkmale des direktdemokratisch regierten Staates angesprochen werden. Beispielsweise ist ein schlanker Verwaltungsapparat wahrscheinlich, weil dessen Sparsamkeit von den Bürgern und Steuerzahlern eingefordert werden kann. Das ist an der direktdemokratisch regierten Schweiz nachweisbar. Hier existieren sieben Ministerien oder Departemente (Innenpolitik, Außenpolitik, Finanzen, Justiz/Polizei, Wirtschaft, Verteidigung, Umwelt/Verkehr/Energie). In Deutschland bestehen dagegen 14 Ministerien, also doppelt so viele, mit der Tendenz weitere zu schaffen. So sind ein Aufbau-Ost-Ministerium, ein Integrationsministerium, ein Energieministerium oder ein Zukunftsministerium im Gespräch. Undemokratische Staaten wie der Sudan bringen es sogar auf 28 Ministerien.
Die realen Machtverhältnisse in einem Staat treten bei dessen Repräsentation besonders deutlich hervor. Diese Aufgabe wird in einer Direktdemokratie nicht dem politischen Spitzenpersonal überlassen, das zu diesen Zweck in der Regel Paläste bewohnt, rauschende Feste feiert, sich in Luxuskarossen chauffieren lässt etc. Solcher Repräsentationspomp entstammt feudalen Zeiten. Die Repräsentation würde in einem direktdemokratisch regierten Land das Volk selbst übernehmen, indem es in einer gebildeten, wohlhabenden, friedlichen und selbstbestimmten Gesellschaft zusammenlebt. Das von den repräsentativen Aufgaben entlastete politische Personal könnte sich dann mehr seiner Arbeit für die allgemeinen Interessen widmen. Die Effizienz der öffentlichen Einrichtungen würde auch durch die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips verbessert werden, nachdem nicht auf Landesebene bearbeitet wird, was schon in der Gemeinde erledigt werden kann. Dadurch müssten nicht alle Aufgaben von jeder Gemeinde-, Landes- und Staatsebene gleichzeitig wahrgenommen werden. Außerdem ließe sich so deren Nähe zum Bürger verbessern. Der direktdemokratische Staat zeichnet sich dadurch aus, dass dessen Bürger bei der Finanzpolitik ein entscheidendes Wort mitreden können und somit diejenigen, welche die Steuern bezahlen, auch über deren Verwendung bestimmen. In dem Buch »Erfolgsmodell Schweiz« wird zur Rolle der direkten Beteiligung des Volkes an finanzpolitischen Entscheidungen ausgeführt: »Je direkter die Demokratie ist, desto stärker wird der Zusammenhang von Steuer und Gegenleistung wahrgenommen und gegenüber den Behörden, die gleichzeitig Steuern erheben und Infrastruktur bereitstellen, zum politischen Thema gemacht. Der mündige Steuerzahler ist in diesem Fall mit dem mündigen Bürger identisch, welcher dauernd kritisch das Preis/Leistungsverhältnis der von ihm gewählten Behörde überwacht, Sparsamkeit und Transparenz fordert und fördert sowie auf Unterversorgung aller Art empfindlich reagiert.« [6]
Der Bau des 2016 in der Schweiz fertiggestellten Gotthard- Basistunnels, mit ca. 57 km der längste Eisenbahntunnel der Welt, wurde durch zwei 1992 und 1998 durchgeführte Referenden beschlossen, obwohl die Volksentscheidung mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer für die Teilfinanzierung des Projektes verknüpft war. Die Baukosten blieben seit 1998 im Planungsbereich und die Inbetriebnahme erfolgte sogar ein Jahr früher als vorgesehen. Dagegen wird die Bundesrepublik die notwendige Anschlusstrasse der Bahn nicht wie ursprünglich vorgesehen im Jahr 2017, sondern voraussichtlich erst 2035 fertigstellen, eine Verzögerung wie schon bei anderen Großprojekten, wie dem Berliner Flughafen, Stuttgart 21 oder der Elbphilharmonie in Hamburg, wo die Kosten- und die Zeitpläne erheblich aus dem Ruder liefen. Die Möglichkeit von Finanzreferenden wie in der Schweiz, könnte auch in Deutschland zu einer besseren Kontrolle der öffentlichen Gelder führen. Zusätzlich werden durch öffentlich ablaufende Volksentscheide Kungeleien erschwert, die hinter verschlossenen Türen leicht möglich sind.
Die Frage, ob die Direktdemokratie, welche die Repräsentativdemokratie kontrollieren hilft, auch beim Umgang mit Geld, Währung und Staatsfinanzen nachhaltiger ist, beantwortet Prof. Dr. Gerd Habermann, Wirtschaftsphilosoph der Universität Potsdam wie folgt: »Es liegen dazu eine Reihe empirischer Untersuchungen aus der Schweiz vor, die u. a. Folgendes belegen: Wo die Neuverschuldung ein Referendum passieren muss, ist sie (in den untersuchten amerikanischen Bundesstaaten) um ein Drittel niedriger, als im Durchschnitt aller Bundesstaaten. Ähnlich ist es in der Schweiz. Schweizerische und amerikanische Untersuchungen belegen, dass das Wachstum der Staatsausgaben bei stärkerer direktdemokratischer Beteiligung um fast ein Drittel niedriger ist, als in Staaten ohne direktdemokratische Beteiligung. Steuern und Abgaben können als Konsequenz direktdemokratischer Institutionen sinken. […] Es liegt auf der Hand, dass bei direktdemokratischen Verfahren Entscheidung und Haftung nicht so weit auseinander liegen wie bei der Repräsentativdemokratie. Die Bürger spüren direkt die Folgen ihrer Finanzentscheidungen durch höhere Abgabenbelastungen und höhere Zinsen. Die Politiker der Repräsentativdemokratie werden dagegen ihr Schäfchen ins Trockene gebracht haben, wenn die Konsequenzen ihrer Entscheidungen spürbar werden.« [7]
Das sehen die Gegner der Volkssouveränität naturgemäß anders, wenn sie behaupten, dass der Durchschnittsbürger bei grundlegenden Entscheidungen, z. B. über die Finanzpolitik, fachlich überfordert wäre. So schreibt z. B. der Spiegel »Wenigstens von den Staatsfinanzen, so das Flehen aus den Parteizentralen, sollte der gemeine Bürger die Finger lassen. Wenn das Volk erst Verfügung über die Staatskasse bekomme, seien die bald leer.« [8] In Wirklichkeit ist die Haushaltssituation in der Bundesrepublik, trotz fehlender Volksentscheide wesentlich problematischer als in der direktdemokratischen Schweiz, die keine Finanztabus kennt und die Bürger über Steuern, Ausgaben und andere finanzwirksame Fragen abstimmen lässt.
Dass gerade die sogenannten »einfachen Leute« fähig sind, über finanzpolitische Themen zu entscheiden, lässt sich damit begründen, dass in deren Privatleben der sparsame Umgang mit Geldmitteln meistens ein Erfordernis ist. Vor allem aber werden von niemand die Gemeinwohlinteressen nachdrücklicher unterstützt als durch die Mehrheit des Volkes. Das Gemeinwohlinteresse geht auch mit einem öffentlichen Interesse an der Wertstabilität des Geldes für die Spar- und Altersvorsorge zusammen. Durch eine hohe Entwertung verliert das Geld seine wichtige Funktion als Akkumulator von Werten und damit seine Rolle als ein öffentliches Gut (Prof. Wilhelm Hankel).
Eine bessere Machtposition des Volkes in der Politik wäre eine gute Voraussetzung zur Verbesserung der Steuergerechtigkeit. Das würde die Umsetzung von Lösungen erleichtern, die z. B. der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof vorgeschlagen hat. Danach sollen die Zahlungsverpflichtungen proportional mit den jeweiligen Einkommen steigen. In der Einkommenssteuer will er alle 530 Ausnahmen streichen, Pendlerpauschale inbegriffen. 10.000 Euro wären steuerfrei, von jedem Euro darüber gingen 25 Cent an den Fiskus. Bei seinem Steuermodell wisse man sicher, dass von einer Million Euro ein Viertel in die Staatskasse fließe. Plötzlich hätten wir wieder Freude am Erfolg des anderen. [9] Die Umsetzung dieses Vorschlages würde dazu führen, dass Millionäre im Verhältnis nicht weniger Steuern bezahlen als ein durchschnittlich verdienender Facharbeiter. Erst recht müssten diejenigen mit deutlichen Sanktionen zu rechnen haben, welche sich ihren Steuerpflichten entzieht wollen, indem sie diese in Niedrigsteuerstaaten entrichten – so wie der ehemalige Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel, der seine Steuern seit 2002 in der Schweiz entrichtet. Das war kein Hinderungsgrund, dass er zum deutschen Sportler des Jahres 2010 gewählt wurde und 2012 das »Silberne Lorbeerblatt« als höchste Sportauszeichnung erhielt. Wie arm an Werten muss ein Land sein, das solche Helden hat? Bezeichnenderweise hielten diesen Sachverhalt fast alle deutschen Medien nicht einmal für erwähnenswert.
Die gegenwärtige Situation auch in der Bundesrepublik bestätigt die Theorie des amerikanischen Ökonomen und ehemaligen US Arbeitsministers Robert Reich, der feststellte: »Einkommen und Vermögen hängen zunehmend davon ab, wer die Macht hat, die Spielregeln zu schreiben.« [10] Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass nur eine Änderung der politischen Machtverhältnisse den Prozess einer zunehmenden Umverteilung des Volksvermögens, hin zu relativ wenigen großen Privatvermögen, beenden kann. Das bevorzugte Wachsen großer Vermögen wird auch durch die Zinszahlung, für eine wachsende Staatsverschuldung, gefördert. So hatte der deutsche Steuerzahler im Jahr 2016 (Stand Juli) für die Staatsschulden von ca. 2.258 Milliarden Euro ca. 47 Milliarden Euro an Zinslasten aufbringen müssen. [11] Diese Zahlungen würden nach einer Beendigung der derzeitigen Nullzinspolitik der Zentralbank sprunghaft ansteigen. Deshalb wäre die Schuldenvermeidung eine wichtige politische Aufgabe eines direktdemokratischen Staates.
Ein Bündnis souveräner demokratischer Staaten würde sich auf die Aufgaben beschränken, die sich auf nationaler Ebene nicht besser organisieren lassen, wozu sicherlich nicht die Normierung von Obst und Gemüse gehört. Das würde z. B. eine gemeinsame Handels-, Sicherheits- und Außenpolitik sein.
Die EU könnte auch weiterhin Finanzausgleichszahlungen, zwischen reicheren und ärmeren EU- Ländern leisten. Diese müssten allerdings für die Bürger nachvollziehbarer und gerechter organisiert sein als heute. So dürften die Bürger aus Nehmerländern nicht mit geringeren Steuersätzen belastet werden als in den Geberländern. [12]
Das in vielen Nehmerländern heute weit verbreitete Interesse an einer Beibehaltung der Umverteilungspolitik, beruht auf dem Prinzip der persönlichen Vorteilsnahme und verhindert die Entwicklung einer echten Solidargemeinschaft, die auf einer gegenseitigen Hilfsbereitschaft aufbaut. Eine ausschließliche Orientierung auf den eigenen Vorteil wird die Hilfsbereitschaft zwischen den Mitgliedsstaaten zwangsläufig dauerhaft beschädigen und zeugt von einem schlechten Zustand der Demokratie, in der offensichtliche Solidaritätsdefizite nicht als Problem erkannt wird.
Heute muss festgestellt werden, dass die EU seit ihrem Bestehen wenig zur Weiterentwicklung der Demokratie in Europa beigetragen hat, was auch zu der schlechten Leistungsbilanz der EU auf vielen Gebieten, wie der Finanz- oder Sicherheitspolitik, führte. Diese Leistungsschwäche zeigt sich in der vorrangigen Wahrnehmung der Sonderinteressen internationaler Konzerne, durch Freihandelsverträge wie CETA, wogegen den Interessen der Mehrheit der Europäer nur eine untergeordnete Rolle eingeräumt wird. Das sich das englische Volk 2016 mehrheitlich entschied, die EU zu verlassen, lag nicht an zu viel vorhandenen direktdemokratischen Rechten in Europa, sondern an deren Abwesenheit.