Doppeltes Spiel - Robert B. Parker - E-Book

Doppeltes Spiel E-Book

Robert B Parker

4,8

Beschreibung

Cheryl ist von zu Hause abgehauen. Für eine 18-Jährige nichts Ungewöhnliches. Gefährlich wird es, als die junge Frau aus gutem Hause Zuflucht bei der »Kirche der Erneue­rung« sucht. Der charismatische Sektenführer verspricht seiner Gefolgschaft das Paradies auf Erden. Zwischenzeitlich haben Cheryls Eltern die Privatdetektivin Sunny Randall damit beauftragt, ihre Tochter aufzuspüren und nach Hause zu bringen, aber Cheryl möchte nicht zurück. Doch dann geht dem Guru das Geld aus, und er zwingt die jungen Frauen zur Prostitution. Hier kommt Jesse Stone ins Spiel. Zugleich hat er es mit zwei geheimnisvollen Zwillingen zu tun, die der besseren Gesellschaft angehören. Aber warum passieren so viele Verbrechen in ihrer Nähe?

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Robert B. Parker · Doppeltes Spiel

Robert B. Parker wurde 1932 geboren. Nach seinem M.A. in amerikanischer Literatur promovierte er 1971 über die »Schwarze Serie« in der amerikanischen Kriminalliteratur. Seit seinem Debüt »Spenser und das gestohlene Manuskript« im Jahr 1973 hat er über 50 Bücher veröffentlicht. 1976 erhielt er für den Titel »Beute für Profis« den Edgar-Allan-Poe-Award für den besten Kriminalroman des Jahres. Am 18. Januar 2010 verstarb Robert B. Parker in Massachusetts. www.robertbparker.de

Im Pendragon Verlag erscheinen von Robert B. Parker die beiden erfolgreichen Reihen »Ein Auftrag für Spenser« und »Ein Fall für Jesse Stone«. »Doppeltes Spiel« ist der letzte Fall für Jesse Stone aus der Feder von Robert. B. Parker.

Die Jesse-Stone-Reihe ist lieferbar:

Fall 1

»Das dunkle Paradies«

(2013)

Fall 2

»Terror auf Stiles Island«

(2013)

Fall 3

»Die Tote in Paradise«

(2014)

Fall 4

»Eiskalt«

(2014)

Fall 5

»Tod im Hafen«

(2014)

Fall 6

»Mord im Showbiz«

(2015)

Fall 7

»Der Killer kehrt zurück«

(2015)

Fall 8

»Verfolgt in Paradise«

(2016)

Fall 9

»Doppeltes Spiel«

(2016)

Robert B. Parker

Doppeltes Spiel

Ein Fall für Jesse Stone

Übersetzt Bernd Gockel

PENDRAGON

Pendragon Verlag

gegründet 1981

www.pendragon.de

Deutsche Erstausgabe

Veröffentlicht im Pendragon Verlag

© by Robert B. Parker 2010

© für die deutsche Ausgabe

by Pendragon Verlag Bielefeld 2016

Lektorat: Anja Schwarz

Umschlag und Herstellung: Uta Zeißler, Bielefeld

Umschlagfoto: Günther Butkus

ISBN 978-3-86532-556-3

eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net

1

Molly Crane steckte den Kopf durch Jesses Tür, die wie immer weit offenstand. »Chief Stone«, sagte sie, »Besuch aus Boston. Jemand von einer Privatdetektei möchte dich gerne sprechen.«

»Herein mit ihm.«

»Es handelt sich aber um eine sie.«

»Noch besser«, sagte Jesse.

Molly lächelte und ließ Sunny Randall passieren. Sunny trug eine Schultertasche aus Bast, eine grüne, ärmellose Bluse, weiße Hosen und farblich passende Sneaker.

»Wow«, sagte Jesse.

»Wow ist immer gut«, sagte Sunny und setzte sich.

»Besonders wenn’s von ganzem Herzen kommt«, sagte Jesse. »Wie schafft man’s nur, sich in diese Hose zu zwängen?«

»Hast du um diese Tageszeit etwa schon amouröse Ambitionen?«

Jesse grinste.

»Vielleicht sollten wir die Tür besser schließen«, sagte er.

»Lass mal stecken«, sagte Sunny. »Ausnahmsweise bin ich in offizieller Funktion hier.«

»Immer nur Arbeit«, sagte Jesse. »Wo bleibt das Vergnügen?«

»Diesem Aspekt können wir uns ja beim nächsten Mal wieder widmen.«

»Klingt vielversprechend«, sagte Jesse.

»War auch durchaus so gemeint«, sagte Sunny. »Aber im Moment hab ich was Anderes im Kopf: Hast du vielleicht mal von einer religiösen Gruppe gehört, die hier in Paradise ihr Unwesen treibt? Sie nennt sich Erneuerung oder Bund der Erneuerung.«

»Ich bin der Chef der Polizei«, sagte Jesse. »Ich bin über alles im Bilde.«

»Deswegen bin ich schließlich hier.«

Sie lächelte.

»Erzähl mir was über die Leute«, sagte sie.

»Sie residieren in einem Haus unten am Hafen – hübsches Haus, das einem der Mitglieder gehört. Sie leben dort wie in einer Kommune und hören auf einen Wortführer, der sich Patriarch nennt. Um die 40, bereits graue Haare – von denen Molly allerdings behauptet, dass es nicht ihre natürliche Farbe sei.«

»Soll das heißen, dass er sich die Haare bewusst grau färben lässt?«

»Glaubt Molly zumindest«, sagte Jesse. »Es leben dort einige Leute, die noch gar nicht so alt sind – etwa deine Preisklasse, wenn ich das recht sehe.«

»Pass auf, was du sagst.«

»Nun ja, ich meine, dass sie nicht unbedingt dem Klischee entsprechen, das man gewöhnlich von einem religiösen Ältestenrat hat.«

»Da bist du ja noch mal mit einem blauen Auge davongekommen«, sagte Sunny.

»Ansonsten leben dort vorwiegend Jugendliche. Und soweit ich das beurteilen kann, sind alle alt genug, um ihrer Beschäftigung nachzugehen.«

»Und die wäre?«

»Sie missionieren, verteilen Flugblätter, klopfen an Türen, bitten um Spenden.«

»Haben sie ein spezielles religiöses Anliegen?«

»Nun ja, sie wollen Erneuerung«, sagte Jesse.

»Und was zum Teufel soll das bedeuten?«

Jesse grinste.

»Sie fordern die innere Erneuerung des Christentums«, sagte er. »So versteh ich’s jedenfalls. Friede, Freude, Eierkuchen – solche Sachen.«

»Ach«, sagte Sunny, »also echte Revolutionäre.«

»Du sagst es. Man kann auch nicht gerade behaupten, dass sie hier in der Stadt willkommen sind. Dem Gemeinderat wäre es am liebsten, wenn ich sie Knall auf Fall aus der Stadt jagen würde.«

»Was du aber offensichtlich noch nicht gemacht hast.«

»Sie haben sich auch nichts zu Schulden kommen lassen.«

»Was ist denn der Stein des Anstoßes?«

»Sie sind anders als wir«, sagte Jesse. »Und sehen obendrein auch noch ziemlich gewöhnungsbedürftig aus.«

»Missionieren sie auf offener Straße?«

»Ja.«

»So was geht einem schnell auf den Keks«, sagte Sunny.

»In der Tat«, sagte Jesse. »Es ist absolut nervig, aber deshalb noch lange nicht ungesetzlich.«

»Und du hältst dich ans Gesetz?«

»Klar doch«, sagte Jesse. »In dieser Beziehung bin ich völlig altmodisch.«

»Was auch auf den Gemeinderat zutrifft?«

»Das glaube ich weniger.«

»Aber du hältst dich an das, was die Gemeinde beschließt?«

»Auch diesen Punkt würde ich nicht unterschreiben.«

Sie schwiegen für einen Moment. Es war eine angenehme Stille.

»Willst du nicht wissen, warum ich so neugierig bin?«, sagte sie schließlich.

»Ja.«

»Aber du bist nicht neugierig genug, um selbst die Frage zu stellen?«

»Nun ja«, sagte Jesse, »ich wusste doch, dass du früher oder später damit rüberkommen würdest.«

2

Suitcase Simpson saß im Streifenwagen und rollte über die Dammstraße nach Paradise Neck. Zu seiner Rechten knallte die Sonne aufs offene Meer, während zu seiner Linken der malerische Hafen lag, der durch die vorgelagerte Halbinsel vor dem Groll der Gezeiten geschützt war. Er hatte immer den Eindruck, dass das Meer die Sonne stärker reflektierte als das Wasser im Hafen. Doch weil ihn Jesse immer ausgelacht hatte, behielt er derartige Überlegungen lieber für sich. Was nichts daran änderte, dass er von der Richtigkeit seiner Beobachtung absolut überzeugt war.

Er hatte die Morgenschicht von sieben bis zwei und kurvte durch den Osten von Paradise, immer in der Nähe des Wassers. Arthur Angstrom war heute sein Partner und sorgte im Westen der Stadt für Recht und Ordnung. Es war genau zwölf Uhr, als Simpson an einem Cadillac Escalade vorbeikam, der am Ende der Dammstraße geparkt war. Er stand direkt hinter Paradise Neck an der Fahrbahn, ragte mit seinem Hinterteil aber so weit auf die Straße hinaus, dass Simpson anhielt, um nach dem Rechten zu sehen. Der Wagen war leer, auch kein Schlüssel im Zündschloss. Suit drückte auf den Türgriff. Die Tür öffnete sich. Er stieg ein und setzte sich hinters Steuer. Im Handschuhfach fand er die Registrierung, die auf den Namen Petrov Ognowski lautete. Gleich daneben befand sich der Knopf, mit dem sich die fünfte Tür des geräumigen SUVs entriegeln ließ. Er stieg aus, ging um den Wagen und öffnete die Tür.

Im Stauraum lag ein Toter.

Die Rückseite seines Kopfes war mit Blut bedeckt, das schon getrocknet und schwarz war. Suit legte seine Hand auf die Halsschlagader des Mannes. Kein Lebenszeichen. Seine Haut war bereits kalt. Suit ging zum Streifenwagen und erstattete Meldung.

»Molly? Suit hier. Hab eine Leiche, die in einem Cadillac-SUV liegt. Stehe am Ende der Dammstraße in Paradise Neck.«

»Willst du einen Notarzt?«

»Bin mir ziemlich sicher, dass wir ihn nicht mehr brauchen, aber schaden kann’s ja nicht. Wo steckt Jesse?«

»Im Büro ist er nicht«, sagte Molly. »Ich schick ihn los, sobald er aufkreuzt. Weißt du, wer der Tote ist?«

»Der Wagen ist auf einen Petrov Ognowski zugelassen. Kann aber bisher nicht bestätigen, dass er auch der Tote ist.«

»Hast du ihn nicht durchsucht?«

»Nein.«

»Ist vermutlich auch besser so«, sagte Molly. »Es dauert ja nicht lange, bis die ganze Bagage bei dir aufkreuzt.«

Als Erster lief Arthur ein. Er parkte seinen Streifenwagen hinter dem Auto von Suit, stieg aus und warf einen Blick in den Cadillac.

»Seinen Hinterkopf hat’s ganz schön erwischt«, sagte er.

»Ich denke mal, dass der Schuss auch die Todesursache ist«, sagte Suit.

»Messerscharf kombiniert«, sagte Arthur. »Da spricht der geborene Ermittler.«

Suit grinste.

»Eine Austrittswunde seh ich allerdings nicht«, sagte er.

»Na und?«

»Wollt’s ja nur gesagt haben.«

Hinter ihnen auf dem Damm hörte man eine Polizeisirene.

»Hast du ihn durchsucht?«, fragte Arthur.

»Dafür haben wir doch Spezialisten, oder nicht?«

»Ja, die Gerichtsmediziner werden uns eine detaillierte Liste vorlegen.«

»Dann sollten wir ihnen auch den Vortritt lassen.«

Die Sirene erstarb, als der Notarztwagen neben ihnen anhielt. Zwei Mediziner sprangen heraus. Einer von ihnen war eine Frau namens Annie Lopes.

»Was haben wir denn Schönes?«, fragte sie.

»Sieht ganz wie ein Mord aus«, sagte Arthur.

Suit sagte: »Sofern er sich nicht selbst in den Hinterkopf geschossen hat und anschließend in den Kofferraum geklettert ist und die Tür zugezogen hat.«

»Hast du ihn genauso vorgefunden?«, fragte Annie.

»Ja.«

Die beiden Mediziner schauten sich den Körper genauer an. Annie drückte einen Finger auf die Halsschlagader und legte dann ihre Hand auf sein Gesicht. Sie hob seinen rechten Arm und ließ ihn wieder fallen.

»Erste Anzeichen von Leichenstarre«, sagte sie.

»Dann ist er also definitiv tot«, sagte Arthur.

»Wenn schon die Leichenstarre eingetreten ist, kann man eigentlich davon ausgehen«, sagte Annie spöttisch.

Ihr Kollege war ein Notarzt, der auf den Namen Ralph hörte.

»Habt ihr den Schlüssel gefunden?«, fragte er.

»Nein, nichts.«

»Wie habt ihr denn die hintere Tür aufgekriegt?«

»Die Fahrertür war nicht verschlossen«, sagte Suit. »Die Hecktür hab ich von innen geöffnet.«

»Genial«, sagte Annie lachend.

»Cops wissen sich eben zu helfen«, sagte Suit.

Auf der Dammstraße hinter ihnen heulten inzwischen gleich mehrere Sirenen auf.

3

»Eins der Kids, die bei der Erneuerung gelandet sind, heißt Cheryl DeMarco«, sagte Sunny. »Sie ist gerade 18 geworden. Ihre Eltern haben mich beauftragt, sie da rauszuholen.«

»Auch wenn sie selbst bleiben will?«, fragte Jesse.

»Ich informierte die Eltern, dass mir in diesem Fall die Hände gebunden seien.«

»Und?«

»Sie fragten mich, ob ich in diesem Fall vielleicht jemanden kennen würde, der sie notfalls auch mit Gewalt rausholen könne.«

»Was du natürlich bejaht hast.«

»Nein«, sagte Sunny. »Ich sagte ihnen, dass mir niemand bekannt sei.«

»Was natürlich glatt gelogen ist.«

Sunny lächelte.

»Stimmt«, sagte sie. »Aber ich habe eigentlich nicht vor, als Helfershelfer bei einem Kidnapping in Erscheinung zu treten.«

»Sollte das Kind plötzlich verschwinden, werd ich mir die Eltern wohl etwas genauer anschauen müssen«, sagte Jesse.

»Nein, so weit würden sie bestimmt nicht gehen. Sie fragten mich nur, ob ich sie auftreiben könne, um mit ihr zu sprechen.«

»Die Erneuerung ist nicht gerade ein Geheimbund, der sich hinter dicken Mauern versteckt«, sagte Jesse. »Wie kann es angehen, dass sie das Mädchen nicht finden können?«

»Ich habe fast den Eindruck, dass sie Schiss vor der ganzen Organisation haben.«

Jesse nickte.

»Haben sie denn Grund zur Vermutung, die Erneuerung sei eine gewalttätige Vereinigung?«, fragte Sunny.

»Nein.«

»Manchmal haben die Leute schon Angst vor Sachen, die sie nicht verstehen«, sagte Sunny.

»Gut möglich.«

»Und weißt du, was ich noch denke?«

»Nein, weiß ich nicht.«

Sunny schnitt eine Grimasse.

»Ich habe den Eindruck, dass sie Angst vor ihrem eigenen Kind haben.«

»Körperlich?«

Sunny schüttelte den Kopf.

»Nein«, sagte sie. »Sie haben eher Angst, dass ihre Tochter ausrastet und ihnen die Hölle heiß macht.«

»Wahrscheinlich hat sie ohnehin schon die Hasskappe auf«, sagte Jesse.

»Weil sie von Zuhause ausreißt und sich einer seltsamen Sekte anschließt?«

»Ich könnte mir schon vorstellen, dass in einem derartigen Entschluss immer auch Wut und Verbitterung mitschwingen.«

»So was wie jugendliche Rebellion?«, sagte Sunny. »Ja, könnte gut angehen. Vielleicht ist ihre Verbitterung ja sogar gerechtfertigt.«

»Ausschließen kann man’s nicht.«

»Du bist wie immer eine große Hilfe.«

»Ich tu mein Bestes«, sagte Jesse.

»Also, wo find ich die Leute?«

»Gleich in der Nähe vom ›Gray Gull‹«, sagte Jesse. »Ich kann dich hinbringen.«

Sunny schaute auf ihre Uhr.

»Mein Gott, wie schnell die Zeit vergeht«, sagte sie. »Es ist schon Mittag.«

»Lunch?«, fragte Jesse.

»Nun ja, wenn wir eh schon beim Gray Gull sind.«

»Sind wir.«

»Dann essen wir erst ’ne Kleinigkeit und gehen dann rüber zur Erneuerung.«

»Vielleicht treffen wir im ›Gray Gull‹ ja auch Spike«, sagte Jesse. »Ist er um diese Zeit schon bei der Arbeit?«

»Um Gottes willen. Zur Mittagszeit ist Spike noch nicht mal auf den Beinen. Aber es reicht ja, wenn wir beiden Hübschen was essen gehen.«

»Sollte es etwa gar kein Zufall sein, dass du genau zur Mittagszeit hier aufkreuzt?«

»Ich hab nun mal ein Talent fürs perfekte Timing«, sagte Sunny. »Irritiert dich das?«

»Mitnichten«, sagte Jesse. »Mir gefällt es.«

4

Sie bestellten Eistee und Hummer-Häppchen, Jesse zusätzlich noch ein paar Fritten. Sunny hatte sich auf die gegenüberliegende Seite des Tisches gesetzt und studierte sein Gesicht. Er sieht wie ein Mensch aus, der mit sich selbst im Reinen ist, dachte sie – ganz wie Richie. Beide ruhten in sich, waren die Ausgeglichenheit in Person und bewegten sich mit einer Lockerheit, die gleichzeitig aber auch höchste Entschlossenheit signalisiert. Er macht den Eindruck, als seien all seine Einzelteile perfekt aufeinander abgestimmt, dachte sie.

»Hast du was von Jenn gehört?«, fragte sie.

Jesse schüttelte den Kopf.

»Wir haben keinen Kontakt mehr«, sagte er.

»Sie ist wirklich aus deinem Leben verschwunden?«

»Aus den Augen, aus dem Sinn.«

»Und wie kommst du damit klar?«

Er schüttelte den Kopf.

»Du klingst fast schon wie Dix«, sagte er. »Könnte es sein, dass wir es mit dem Psychologisieren ein wenig übertreiben?«

»Ein cleveres Ablenkungsmanöver, aber trotzdem eine faule Ausrede.«

Jesse nickte.

»Okay«, sagte er. »Ich werde über das Thema referieren, wenn es das Hohe Gericht denn wünscht. Aber im Anschluss hältst du mir einen Vortrag über Richie.«

»Mein Gott, du bist wirklich ein knallharter Bursche.«

»Kein Wunder«, sagte Jesse, »schließlich bin ich der Chef der Polizei.«

Er verdrückte eine Pommes.

»Abgemacht«, sagte Sunny.

Jesse nickte.

»Und, was willst du wissen?«

»Wie du mit ihrer Abwesenheit klarkommst.«

»Einen Teil von ihr vermisse ich«, sagte Jesse. »Ein Teil von ihr war einfach einmalig – und ist es wahrscheinlich noch immer. Sie ist lustig, charmant, gewitzt, lebendig, zärtlich, sexy. Das ist der Teil, den ich geliebt habe – und vermutlich noch immer liebe. Wahrscheinlich werde ich ihn mein Leben lang vermissen.«

»Natürlich wirst du das vermissen«, sagte Sunny. »Jeder würde …«

»… aber irgendwann kam der Punkt, an dem der Ballast zu groß wurde.«

»Zum Beispiel?«

»Das verzweifelte Bemühen, etwas Besonderes zu sein, etwas Wichtiges, etwas Außergewöhnliches.«

»Das Bedürfnis, von der Welt respektiert zu werden?«

»Genau«, sagte Jesse. »Es war eine Sucht, die sie innerlich verzehrte. Sie schien einfach nicht in der Lage, dieses Bedürfnis abzuschütteln.«

»Hast du eine Ahnung, wie sich die Sucht erklären lässt?«

»Das Bedürfnis, im Mittelpunkt stehen zu müssen? Nein.«

»Wusste sie’s?«, fragte Sunny.

»Keine Ahnung. Jedenfalls hat sie diese Sucht bis heute nicht in den Griff bekommen.«

»Und du warst ihr nicht genug«, sagte Sunny.

Jesse trank seinen Tee aus und winkte mit dem Glas der Kellnerin zu. Sie kam und schüttete nach. Er kippte etwas Zucker hinein, rührte um und nahm einen Schluck.

»Nein«, sagte er, »ich war ihr nicht genug.«

»Wurmt dich das?«, fragte sie.

»Und ob«, sagte er.

»Ist das der Grund, warum du trinkst?«

»Ich hab schon immer zu viel getrunken«, sagte er. »Aber als Jenn und ich zunehmend Probleme bekamen, geriet es völlig außer Kontrolle.«

»Hast du’s heute wieder im Griff?«

»Denke schon«, sagte Jesse. »Gewöhnlich genehmige ich mir nach der Arbeit ein paar Drinks, aber richtig betrunken war ich schon lange nicht mehr.«

Sunny streckte ihre Arme über den Tisch und tätschelte seine Hände.

»Warum willst du denn …?«

Jesses Handy klingelte.

»Entschuldige«, sagte er und nahm das Gespräch an.

Er hörte für einen Moment zu.

»Okay«, sagte er schließlich, »bin gleich da.«

Er schaute zu Sunny.

»Arbeit?«, fragte sie.

»Ja.«

»Dann mach ruhig die Biege«, sagte sie. »Ich kümmere mich schon um die Rechnung.«

»Bin nicht gerade begeistert, von dir ausgehalten zu werden.«

»Spike hat noch nie Geld von mir genommen«, sagte sie. »Wenn ich mit einem Scheck bezahlen will, reißt er ihn umgehend in Stücke.«

Jesse stand auf.

»In seinem Bostoner Restaurant auch?«

»Auch in Boston«, sagte Sunny. »Spike liebt mich nun mal.«

»Vielleicht sollte ich auch mal mein Glück versuchen«, sagte Jesse.

»Dich liebt er aber nicht.«

»Und ich dachte, Spike stünde auf Männer.«

»Tut er auch«, sagte Sunny. »Aber mich liebt er eben, ohne an Sex zu denken.«

»Es soll auch Männer geben, die beides gleichzeitig können«, sagte Jesse.

»Hast du einen konkreten Kandidaten im Auge?«

»Lass uns darüber später sprechen«, sagte Jesse. »Du hattest ja auch noch eine Frage, als wir unterbrochen wurden.«

»Nicht so wichtig«, sagte Sunny. »Geh und spiel Polizeichef.«

»Polizeichef bin ich rund um die Uhr.«

»Tatsächlich?«, sagte Sunny. »Auch damals in der Umkleidekabine der Boutique auf dem Rodeo Drive?«

Jesse grinste.

»Das war die große Ausnahme«, sagte er.

5

Sunny entschloss sich, Die Erneuerung auf eigene Faust zu besuchen. Sie hatte die Adresse und wusste, dass das Haus hier gleich in der Nähe sein musste. Vom Kai ging sie die Front Street hinauf, vorbei an den alten, einstöckigen Häusern, die den gesamten Hafen säumten. Es war erstaunlich, wie sehr Jesse sie an ihren verflossenen Ehemann erinnerte. Beide waren so kontrolliert, so emotional abgekapselt, so körperlich und komprimiert – und deshalb vielleicht auch ein bisschen unberechenbar und gefährlich. Ihr Vater war ein ähnlicher Typ gewesen. Sie musste lächeln.

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