Double the Blessing - Jana Highholder - E-Book

Double the Blessing E-Book

Jana Highholder

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Beschreibung

"Gott will mit uns Geschichte schreiben", daran glaubt Jana fest. In diesem Buch erzählt "Gottes Influencerin" Jana Highholder ehrlich und persönlich von ihrem Glauben, ihren Gefühlen und ihren Erlebnissen mit Gott. Sie erzählt von Momenten voller Trauer, Wut und Verzweiflung, wie z.B. während ihrer Krebs-Erkrankung oder nach einer schmerzhaften Trennung, aber auch Momenten voller echter Freude, unendlicher Dankbarkeit und tiefer Liebe. Und sie erzählt von ihren Visionen, Träumen und ihrer Hoffnung. Jana ist davon überzeugt, dass Gott nicht nur mit ihr, sondern auch mit jedem anderen Menschen noch Großes vor hat. Mit ihrer Geschichte macht sie jungen Frauen Mut: Es gibt kein Hindernis, das Gott mit Dir und für Dich nicht überwinden kann

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Seitenzahl: 173

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Jana Highholder

Double the Blessing

Gott hat noch was vor

Wenn nicht anders angegeben, so sind die Bibelstellen der Übersetzung Hoffnung für alle® entnommen, © 1983, 1996, 2002, 2015 by Biblica, Inc.®.

Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers Fontis.

Des Weiteren wurden die folgenden Bibelübersetzungen verwendet:

Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart (LUT)

Neues Leben. Die Bibel © der deutschen Ausgabe 2002 / 2006 / 2017 SCM R. Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH, Max-Eyth-Str. 41, 71088 Holzgerlingen (NLB)

© Verlag Herder GmbH, Freiburg 2021

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Gestaltungssaal, Rosenheim

Umschlagmotiv: © Karina Kortl

E-Book-Konvertierung: Daniel Foerster, Belgern

ISBN E-Book: 978-3-451-82231-5

ISBN Print: 978-3-451-03285-1

Für alle, mit denen Gott Geschichte schreibt.

Also auch für dich.

Inhalt

Solange ich atme

Zwischen den Zeilen

Ein neues Level

Berufen und befähigt

Ich will und werde

Gottes Influencerin

Hass und Hype

Zeit heilt keine Wunden

Siebenundvierzig Tage

Ganz anders - und viel besser

Verdoppelter Segen

Danke

Über die Autorin

Solange ich atme

Ich bin Jana und der festen Überzeugung, dass die besten Geschichten jene sind, die Gott schreibt. Ich bin Medizinstudentin, mittlerweile im fünften Jahr, 22 Jahre alt, Buchautorin und eine der einflussreichsten christlichen Influencerinnen im deutschsprachigen Raum. Ich laufe Jesus hinterher und einer Generation voraus, habe die Ehre und Freude, das Evangelium zu verkünden, auf Bühnen zu stehen, Seminare zu geben und dort von dem zu erzählen, an den ich glaube. Ich glaube an einen triumphalen Gott, der uns mit seinem Triumphzug vorausgeht und uns darin mitführt. An einen Gott, der ein Leben in Fülle und im Überfluss für uns hat. Und das nicht, weil in meinem Leben alles immer easy-peasy und der Himmel immer strahlend blau war, ganz im Gegenteil, sondern weil ich auch an den Regentagen meines Lebens diesen guten Gott erlebt und an ihm festgehalten habe und weil er sich mir immer als gut bewiesen und gezeigt hat.

In diesem Buch will ich nicht nur meine Geschichte erzählen. Ich will dich dazu ermutigen, deine eigene Geschichte zu erzählen und sie mutig weiterzuschreiben. Denn ich bin mir sicher, dass Gott auch dich gesegnet hat und dich gebrauchen kann, um seinen Segen auf dieser Welt weiterzugeben.

Um deine Geschichte zu erzählen, musst du zunächst wissen, wo sie anfängt. Jede Geschichte hat einen Anfang, aber du musst diesen Anfang erst finden. Wie hat deine Geschichte begonnen, wo hat sie begonnen, womit, wodurch, mit wem hat deine Geschichte, vielleicht auch deine Geschichte mit Gott, ganz bewusst angefangen? Vielleicht war dir das in dem Moment auch gar nicht klar und erst im Rückblick erkennst du, an welchem Punkt Gott seine Geschichte mit dir begonnen hat.

Meine Geschichte beginnt so: Ich bin in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen. Wenn ich mit anderen Leuten über mein Leben und meinen Glauben spreche, höre ich manchmal: »Klar bist du gläubig, Jana, du bist ja auch in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen, das ist deine Prägung. Du hast deinen Glauben einfach von deinen Eltern übernommen.« Es klingt dann fast wie ein Vorwurf, als wäre mein Glaube damit irgendwie ziemlich naiv.

Immer wieder höre ich von jungen Menschen, die ihre eigene Geschichte fast entschuldigend mit den Worten beginnen: »Ich habe keine krasse Geschichte, ich war nicht drogensüchtig. Ich kann nicht erzählen, dass ich aus kaputten Verhältnissen komme, Jesus mich gerettet hat und ich dann eine 180-Grad-Wendung gemacht habe.« Sie erzählen ihre Geschichte, als sei ein christliches Elternhaus etwas, für das sie sich entschuldigen müssen und als sei ihre Geschichte es nicht wert, erzählt zu werden.

Ich will dir sagen, dass auch eine Geschichte, die so beginnt, krass ist, denn eine Kindheit in einem christlichen Elternhaus ist ein Luxus – wirklich. Ich sehe darin immer wieder die Gunst Gottes. Den Segen zu erleben, in einem christlichen Elternhaus aufzuwachsen, ist ein riesiges Privileg. Deine Eltern öffnen dir von klein auf deinen Blick und weisen dich darauf hin, dass es so viel mehr in dieser Welt gibt als das, was offensichtlich und vor Augen ist. Sicherlich ist es wahr, dass es »leichter« ist, zu Gott zu finden, wenn man von seiner Kindheit an einen Bezug zum Glauben hatte – und dennoch ist es nicht selbstverständlich. Genauso aber ist es für Gott ganz und gar nicht unmöglich, dich zu finden, wenn du aus totalem Zerbruch kommst. Gott ist überall und immer derselbe.

Meine Eltern haben mit 18 geheiratet und sind aus Russland nach Deutschland gekommen. Sie kommen aus Familien, die zwar materiell nie besonders viel, aber immer einen großen Zusammenhalt und feste Prinzipien hatten. Das hat mich enorm geprägt. Meine Mutter und mein Vater hatten eine klare Haltung: Gemeinsam schaffen wir alles. Sie wussten, dass es Dinge auf dieser Welt gibt, die dir niemand nehmen kann. Zum Beispiel Beziehung und Bildung. Meine Eltern haben mich immer ermutigt zu lernen, weil Wissen etwas ist, das dir nicht über Nacht geschenkt wird, aber auch nicht über Nacht genommen werden kann, und weil Bildung dir hilft, im Leben zurechtzukommen. Sie haben mir vorgelebt, dass Beziehungen das wertvollste Fundament eines Einzelnen sind – und so Gemeinschaft entsteht.

Für mich sind meine Eltern wahre Helden. Sie sind mit nichts aus einem fremden Land gekommen, in einem sehr jungen Alter, und habe mit Treue, Ehrfurcht und Gottvertrauen begonnen, sich ein Leben aufzubauen, das mich staunen lässt. Für sie gab es immer noch etwas viel Größeres: ihr Glaube an einen Gott, der es gut mit uns meint. Meine Eltern haben mir vorgelebt, was es heißt, darauf zu vertrauen, dass auch in unsichersten Zeiten des Lebens ein guter Gott über dir, neben dir und hinter dir steht und dir vorausgeht.

Viele Leute glauben: Jana hat sicher superehrgeizige Eltern, die sie dazu drängen, raus auf die Bühnen zu gehen und erfolgreich zu sein. Doch der Weg, den ich gehe, ist mein eigener Weg. Die Dinge, die ich erlebt habe, waren meinen Eltern fremd, und die Orte, an die ich gegangen bin, waren Plätze, die meinen Eltern unbekannt waren und sind. Meine Eltern wussten gar nicht um all die Möglichkeiten, die es gibt. In mir selbst war die Neugierde, der Drang und die Suche nach mehr. Ich habe an Türen geklopft und bin einfach mutig durchgegangen. Auf diesen Wegen standen meine Eltern immer als Anfeuerer, Ermutiger und Unterstützer hinter mir. Und das tun sie auch heute noch. Heute Morgen musste ich zum Beispiel einen sehr frühen Zug nehmen, um rechtzeitig zu einem Termin in meinem Verlag zu sein. Für meinen Vater war es selbstverständlich, dass er mich um fünf Uhr morgens zum Bahnhof fährt. Sie taten immer und tun heute noch alles, was sie können.

Auch im Glauben bin ich meinen eigenen Weg gegangen. Meine Eltern haben mir ein Urvertrauen in Gott und eine tiefe Liebe zu ihm mitgegeben, aber meinen Glaubensweg bin ich allein gegangen. Heute gehe ich meinen Eltern auch oft im Glauben voraus und darf sie ermutigen.

So wie ich auf meinen eigenen Wegen von Gott geführt wurde, so führt er auch dich. Was ich auf meinem Weg erlebt habe, das will ich in diesem Buch erzählen. Jede Geschichte hat nicht nur einen Anfang, sondern auch markante Ereignisse. Es gibt Dinge, von denen werde ich auch in zwanzig oder dreißig Jahren immer noch berichten können. Sie begründen meine Perspektive und haben meine Herzenshaltung geprägt. Dabei ist natürlich nicht jeder Tag meines Lebens außergewöhnlich, denn alle Geschichten haben markante Ereignisse und genauso auch wertvolle Randnotizen. An meine Unter- und Mittelstufenzeit habe ich zum Beispiel kaum noch Erinnerungen, außer dass ich jeden Morgen zur Schule gegangen bin und nachmittags wiedergekommen bin, und das war’s. Trotzdem sind auch solche Zeiten welche, in denen wir wachsen und wichtige Erfahrungen machen, auch wenn wir uns später oft nicht mehr an sie erinnern können. Aber es gibt eben auch Erlebnisse, die besonders, einschneidend und lebensverändernd sind, und an diese Gegebenheiten erinnerst du dich mit Sicherheit dein ganzes Leben lang. Sie sind für mich die Landmarken des Lebens.

An der ersten Landmarke meines Lebenswegs stand ich mit sechs Jahren. Damals wurde bei mir akute lymphatische Leukämie, kurz ALL, diagnostiziert. ALL ist die häufigste Form von Blutkrebs im Kindesalter. Die Diagnose bekam ich kurz nach meinem sechsten Geburtstag. Von diesem Geburtstag gibt es ein Foto: Ich trage eine selbst gebastelte Papierkrone mit einer Sechs, die ich aus buntem Papier ausgeschnitten und falsch herum auf die Krone geklebt habe – eigentlich ein sehr lustiges Bild. Doch wenn ich heute dieses Bild betrachte, fällt mir sofort auf, dass mein Gesicht weiß wie die Wand war. Rund um diesen Geburtstag bekam ich so heftige Bauchschmerzen, dass meine Mama mit mir zum Kinderarzt fuhr. Dieser Kinderarzt schickte uns sofort ins Krankenhaus und rettete mir damit das Leben. Im Krankenhaus ging alles ganz schnell: Ich bekam Blut abgenommen und es wurden viele Tests gemacht. Ich erinnere mich, dass ich wenige Tage später in meinem Krankenhausbett lag und Mama weinend neben mir saß.

Ich weiß noch, dass der Arzt zu mir ans Bett kam und sagte: »Jana, du musst jetzt ein bisschen länger hierbleiben.« Mich irritierte das und ich fragte: »Wie lange denn? Ein paar Tage, eine Woche?« Da schüttelte er nur den Kopf: »Nein, das wird länger dauern, du hast Krebs.« In diesem Moment fing meine Mama noch heftiger an zu weinen. Und da sagte ich einen Satz, an den wir beide uns heute noch erinnern: »Mama, weine nicht, Gott schleppt uns da durch.« Das war der erste bewusste Satz, den ich im Glauben gesprochen habe. Schon vorher bin ich in den Kindergottesdienst gegangen, aber ich kann mich nicht erinnern, dass meine lebendige Beziehung zu Gott oder ein Gespräch mit Gott vor diesem ersten Satz stattgefunden hat. Meine Geschichte mit Gott beginnt daher in diesem Krankenhauszimmer, in diesem Moment, im Alter von sechs Jahren.

Gottes Geschichte mit mir beginnt jedoch nicht erst in diesem Krankenhausbett. Sie beginnt viel früher. In der Bibel steht, dass Gott mich im Leib meiner Mutter geformt hat. Gott hat an mein Leben schon lange vor meiner Geburt gedacht. Er hat mich erschaffen und in diese Welt platziert und sein Ja über mein Leben ausgesprochen. Er hat mir sein Ja über mein Leben das erste Mal gegeben und er hat es mir auch das zweite Mal gegeben. Ich durfte weiterleben.

Während meiner Krebserkrankung musste ich neun Monate im Krankenhaus verbringen. Ich bekam eine Chemotherapie, verlor meine Haare, fühlte mich schlapp und schwach. Es gibt ein Ereignis, an das ich mich gut erinnere: Ich wollte trotz allem die Hoffnung nicht aufgeben, mit meinem neuen Schulranzen und meiner Schultüte zu meiner Einschulungsfeier zu gehen. Also hoffte ich jeden Tag, dass meine Blutwerte vielleicht doch den richtigen Wert erreichen würden. Doch meine Hoffnung sollte sich nicht erfüllen. Kurz vor der Einschulungsfeier waren meine Blutwerte sogar so schlecht, dass ich zeitweise nicht einmal mehr mein Zimmer verlassen durfte. Statt großer Einschulungsfeier mit vielen Kindern hieß es für mich »Mundschutz/Kittel«. »Mundschutz/Kittel« bedeutete, dass ich in meinem Zimmer isoliert wurde und alle, die reinkamen, einen Mundschutz und einen Kittel anziehen mussten. »Mundschutz/Kittel« war das Schlimmste, was dir als Kind auf dieser Station passieren konnte, denn es bedeutete, dass du nicht mit den anderen Kindern zusammen sein konntest. Während die anderen miteinander spielten, galt für dich »Mundschutz/Kittel«. So saß ich nun allein in meinem Krankenhauszimmer und als klar war, dass ich nicht zu meiner Einschulungsfeier gehen konnte und diesen Tag nicht miterleben durfte, war ich so traurig, dass ich meine Buntstifte mit beiden Händen umklammerte und wütend den weißen Tisch in meinem Krankenzimmer vollkritzelte. Ich war enttäuscht – auch von diesem guten Gott.

Auch in dieser Zeit erlebte ich jedoch, dass Gott treu war und mich nicht vergessen hat. Denn in all dieser Herausforderung gab es immer wieder Hoffnung. Und so konnte ich am Tag meiner Einschulung zwar nicht morgens mit allen anderen Kindern an der großen Feier teilnehmen, aber meine Grundschullehrerin öffnete mir später am Nachmittag, als alle weg waren, die Türen. Sie nahm sich viel Zeit, um mich allein durch die leeren Hallen der Schule und die Klassenräume zu führen. Noch heute lebe ich mit dieser ersten Lehrerin von damals Beziehung: Wir sehen uns in unregelmäßiger Regelmäßigkeit und ihre Begleitung durch mein Leben ist wertvoll für mich.

Nicht nur die große Einschulungsfeier fiel für mich aus. Auch am Sankt-Martins-Zug konnte ich nicht teilnehmen. Mein Papa wusste, wie gern ich mit meiner Laterne durch die Straßen gelaufen wäre, und hatte eine Idee. Am nächsten Tag, als alle schon weg waren, ging er mit mir allein die gleiche Strecke. Und so veranstalteten wir einfach unseren eigenen Martinsumzug: Einer sagte »Wir«, der andere »haben«, der Erste wieder »unseren«, der andere dann »eigenen« und dann riefen wir zusammen »Zug!«. Das war das pure Glück in dieser Zeit.

Diese Erlebnisse haben mich unheimlich geprägt. Heute weiß ich: Wenn man in der Masse nicht mitgehen kann, ist Gott ein Gott, der dem Einzelnen nachgeht und der den Einzelnen sieht. Er ist ein Gott, der mich schon damals als Einzelne sah. Und mich nicht alleine gehen ließ. Schon früh wurde mir so der Wert von Gemeinschaft und Familie bewusst. Nur gemeinsam konnte diese Zeit durchgestanden werden.

Viele Leute fragen mich: »Jana, hast du dir nie die Frage gestellt: ›Warum du?‹ und ›Wie konnte ein guter Gott zulassen, dass du an Krebs erkrankt bist? Du warst doch so ein kleines Kind. Und was ist es eigentlich mit allen andern, die es nicht geschafft haben, gesund zu werden?‹« Ich habe auf die Frage »Warum ich?« keine Antwort. Aber ich trage eine Gewissheit im Herzen: Ich glaube, dass Gott uns nie mehr aufträgt, als wir gemeinsam tragen können. Ich sehe, dass Menschen an ihren Schicksalen zugrunde gehen können, weil sie ihre Last allein nicht mehr tragen können. Doch ich weiß, dass ich gar nicht aufgefordert bin, allein zu tragen. Gott stellt uns Menschen an die Seite, die mit uns durch die Dunkelheit gehen. Ich bin eingeladen, die Last auf die Schultern derer zu verteilen, die mich umgeben. Und ich weiß, dass Gott mir zu keiner Zeit von der Seite weicht. Ich darf meine Abhängigkeit von Gott annehmen und zu ihm sagen: »Du trägst mit mir mit. Und manchmal trägst du mich sogar.« Darum glaube ich, dass wir nicht mehr tragen müssen, als wir gemeinsam tragen können.

Heute sage ich nicht, dass ich dankbar für meine Krankheit bin, auf keinen Fall. Doch ich bin dankbar dafür, wie mich diese Erfahrungen geprägt haben, denn diese Zeit der Krankheit begründet ganz entscheidend meine Herzenshaltung und meine Sicht aufs Leben. In jungen Jahren wurde mir etwas bewusst, was mir ohne meine Krebserkrankung vielleicht erst viel später bewusst geworden wäre: Das Leben ist endlich und wann es vorbeigeht, das weißt du nie. Denn welche Kinder der Station am nächsten Morgen wieder aufwachen würden, das war nie sicher. Und so wurde jeder Tag zu einem echten Geschenk, zu einem echten Segen, zu einer wahren Freude und die vielen kleinen Dinge wurden wertgeschätzt. Wenn meine Mama mir Nudeln mitgebracht hat und die Soße in eine zweite Dose gefüllt hatte, weil ich die Nudeln lieber aß, wenn die Soße noch nicht durchgezogen ist, dann habe ich mich gefreut, wie ein kleines Kind sich eben freuen kann. Und diese kindliche Freude ist etwas, was ich auch heute noch erleben kann, weil ich weiß, dass im Leben nichts selbstverständlich und es zu jedem Zeitpunkt endlich ist. Doch dieser Gedanke macht mich nicht ängstlich. Meine Gedanken kreisen nicht unaufhörlich darum, dass das Leben morgen vorbei sein könnte. Nein, diese Erkenntnis macht mich dankbar für den Tag, den ich heute verbringe, und für den Moment, den ich heute erlebe, und für die Menschen, die ich heute um mich habe – und für die Nudeln mit Soße, die ich heute essen kann.

Die zweite Einsicht, die ich aus dieser Zeit heute noch habe, ist: Jugend schützt dich nicht. Wir sagen immer: »Wir haben noch so viel Zeit. Alles liegt vor uns. Wenn nicht heute, dann halt morgen.« Aber das stimmt nicht. Du weißt einfach nicht, wie deine Zukunft aussehen wird. Und ich glaube, es ist die Arroganz unserer Zeit und es ist die Arroganz meiner Generation und der Jugend zu sagen: »Für uns gibt es doch keine Limits, wir sind doch jung und haben noch ewig Zeit. Wir lassen uns einfach mal treiben.« Und so verschwenden wir unsere Zeit, unsere Ressourcen und unser Leben. So gehen wir und unsere gesamte Gesellschaft nicht nur mit unserer Zeit, sondern auch mit unseren Körpern und unserer Gesundheit um. Solange du nicht direkt am Abgrund stehst, bist du dir deines Limits nicht bewusst. Doch das Leben ist endlich und Jugend schützt dich nicht.

Durch meine Erkrankung habe ich schon früh verstanden, dass ich das Leben nicht selbst in der Hand habe. Ich habe noch nie die Sonne aufgehen lassen und lasse sie auch an keinem Abend wieder untergehen. Es muss eine Hand über mir geben, die alles in den Händen hält, einen Schöpfer, der seinen Geschöpfen das Leben schenkt. Ich bin ganz und gar abhängig von einem Gott, der mir das Leben geschenkt hat und der mein Leben immer wieder bejaht.

Wir leben in einer Zeit, in der eigentlich kein Mensch abhängig sein will. Abhängigkeit ist heute ein extrem negativ besetztes Wort. Schließlich wollen wir alle frei und selbstbestimmt sein und tun und lassen können, was wir wollen. Ich aber glaube, dass es das Natürlichste auf der Welt ist, dass ein Geschöpf von seinem Schöpfer abhängig ist. Dass ein kleines Kind von der Liebe seiner Eltern abhängig ist, ist für uns schließlich auch völlig normal. Es ist abhängig von der Fürsorge, der Liebe und der Bejahung des Lebens der beiden Menschen, die es initiiert haben. Wie könnte es bei unserem himmlischen Vater anders sein?

Eine tiefe Gewissheit hat sich in mein Herz gebrannt: Solange ich atme und solange ich lebe, bin ich mir sicher: Gott hat noch was mit mir vor. Und das will ich auch dir zusprechen. Solange du atmest, solange du lebst, solange du diese Zeilen noch lesen kannst, darfst du dir sicher sein, dass Gott dich nicht vergessen hast. Du bist ihm nicht aus dem Sichtfeld gerutscht, er hat dich nicht links liegen lassen, du bist in seinem Fokus. Sein direkter Blick liegt auf dir und Gott sehnt sich danach, dass du seinen Blick erwiderst, denn er hat noch etwas mit dir vor. Gott meint es gut mit dir. Er hat auch für dich das Leben in Fülle und im Überfluss. Das heißt nicht, dass es keine Kämpfe geben wird und dass jeden Tag die Sonne scheint, aber dass auch an den Regentagen deines Lebens ein guter Gott seinen Blick auf dich gerichtet hat. Daran halte ich bis heute fest. Und das erlebe ich.

Wenn ich Tage habe, an denen ich nicht weiß, wozu das alles gut sein soll, wozu ich lerne, wozu ich mich investiere oder wann endlich der Himmel wieder aufreißt, dann mache ich Folgendes: Ich fasse mir an meine Halsschlagader und wenn du magst, kannst du das jetzt einfach auch tun. Die Halsschlag­ader ist das pulsierende Gefäß, das an deinem Hals entlangführt. Ich schließe meine Augen und spüre einfach den Schlag meines Herzens. Und wenn das nicht Motivation genug ist für diesen heutigen Tag, dann weiß ich auch nicht.

Meine Geschichte mit Gott beginnt mit meinem sechsten Lebensjahr. An die Zeit davor kann ich mich schlichtweg nicht erinnern. Doch ich glaube, dass Gottes Geschichte mit mir schon viel früher beginnt. So wie ich das über mein Leben glaube, darfst du das auch über dein Leben glauben. Er hat schon lange vor deiner Geburt an dich gedacht. Er kannte deinen Namen und er kannte dein Leben. Gott hat sich an dir gefreut, noch bevor du auf der Welt warst. Gott wusste um mich und mein Leben und Gott wusste um dich und dein Leben. Und das ist sein Geschenk an dich.

Zwischen den Zeilen

In Interviews werde ich immer wieder auf die markanten Ereignisse meines Lebens angesprochen. Als wären sie die Fundamente meines Glaubens oder die Begründung für alles, was ich bin, denke und tue. Es stimmt, mein bewusster Weg mit Gott hat damals in diesem Krankenhauszimmer mit meiner Krankheit begonnen und diese Zeit hat mich geprägt. Aber die Erfahrungen, die ich damals als Sechsjährige mit Gott gemacht habe, sind nicht das, was meinen Glauben heute begründet. Wenn ich mich heute, über 15 Jahre später, noch immer einzig und allein auf diese Erlebnisse berufen würde, wäre mein Glaube nicht lebendig. Dann hätte ich zwar einmal etwas Intensives mit Gott erlebt, aber das würde nicht ausreichen, um zu begründen, warum ich heute immer noch an ihn glaube.