Dr. Julia Richter: In der Kälte des Skalpells - Cora Nyári - E-Book

Dr. Julia Richter: In der Kälte des Skalpells E-Book

Cora Nyári

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Beschreibung

Dr. Julia Richter, erfahrene Chirurgin und bekannt für ihre unbestechliche Integrität, ist skeptisch, als das Krankenhaus einen neuen Star-Chirurgen einstellt. Dr. Alexander Kessler, ein Spezialist für minimalinvasive Chirurgie, beeindruckt mit seiner makellosen Vita und einer präzisen Arbeitsweise, die fast schon maschinell wirkt. Doch der erste Eindruck trügt: Immer häufiger treten bei seinen Patienten schwerwiegende Komplikationen auf. Während ihre Kollegen ihn bewundern, beginnt Julia, Ungereimtheiten in Kesslers Arbeit zu entdecken. Als sie ihre Nachforschungen vertieft, stößt sie auf ein Netz aus Lügen, Manipulation und dunklen Geheimnissen, das weit über den Operationssaal hinausreicht. Doch Kessler ist nicht nur ein brillanter Chirurg – er ist auch ein gefährlicher Gegner, der bereit ist, alles zu tun, um seine Geheimnisse zu schützen. Julias Mut wird auf die Probe gestellt, als sie sich einem Feind gegenüber sieht, der die menschliche Verletzlichkeit genauso gut beherrscht wie das Skalpell. Kann sie die Wahrheit ans Licht bringen, bevor sie selbst zur Zielscheibe wird? „In der Kälte des Skalpells“ – Ein hochspannender Medizinthriller, der Fragen über Ethik, Macht und die Grenzen der Wissenschaft aufwirft.

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Seitenzahl: 141

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Ähnliche


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Dr. Julia Richter:

In der Kälte des Skalpells

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1     Der neue Star

Kapitel 2     Die Wahrheit unter der Oberfläche

Kapitel 3     Ein düsteres Geheimnis

Kapitel 4     Erste Drohungen

Kapitel 5     Ein riskantes Spiel

Kapitel 6     Die verborgene Motivation

Kapitel 7     Gefahr auf Leben und Tod

Kapitel 8     Das Netz zieht sich zu

Kapitel 9     Ein riskantes Spiel

Kapitel 10     Der Preis der Gerechtigkeit

Über die Autorin

Impressum

Kapitel 1Der neue Star

Julia Richter galt als brillante Chirurgin, bekannt für ihre Präzision und ihren unermüdlichen Einsatz im OP-Saal. Mit 35 Jahren hatte sie sich einen festen Platz in der medizinischen Welt erkämpft. Ihre blonden Haare band sie meist streng zum Pferdeschwanz – eine praktische Entscheidung in einem Beruf, der keinen Spielraum für Fehler ließ. Trotz ihres Erfolgs und ihrer Autorität blieb sie für alle schlicht „Julia“.

Doch etwas hatte sich verändert. Seit Wochen fühlte sie ein unbestimmtes Unbehagen, sobald sie den OP-Trakt betrat. Ein Flüstern schien in ihrem Hinterkopf zu lauern. Wie ein unsichtbarer Schatten, der sie nicht aus den Augen ließ. Selbst die Routine, die sie sonst wie ein sicherer Anker begleitete, fühlte sich fremd an. Heute lag eine drückende Spannung in der Luft. Der Geruch von Desinfektionsmitteln vermischte sich mit dem bitteren Aroma von Krankenhauskaffee. Die Atmosphäre schien anders zu sein, schwer und unheilvoll.   

Dr. Alexander Kessler, der neue Chirurg, dominierte die Gespräche in der Klinik. Seine beeindruckende Vita sprach für sich, dennoch spürte Julia eine gewisse Zurückhaltung bei ihren Kollegen. Warum hatte ein Mann mit solch einem tadellosen Ruf seine Karriere in einer mittelgroßen Klinik fortgesetzt? Seine zahlreichen Wechsel in den letzten Jahren warfen Fragen auf, die niemand laut auszusprechen wagte.  

Beim Betreten des OP-Vorraums flackerte die Neonbeleuchtung kurz auf. Julia spürte einen Druck in der Brust, ein Ziehen im Magen, das sich wie eine Vorahnung anfühlte. Kessler stand bereits da, sein Blick traf sie direkt und schien ihre Gedanken zu durchdringen. Er war mit seinen einen Meter achtzig zwar nur zehn Zentimeter größer als Julia, doch seine Präsenz verlieh ihm eine beeindruckendere Ausstrahlung. Unter seiner OP-Montur zeichneten sich muskulöse Konturen ab, die seine scharf geschnittenen Gesichtszüge unterstrichen. Etwas an ihm fühlte sich unnatürlich an, fast zu perfekt, als trüge er eine Maske.

„Dr. Richter, nehme ich an“, begrüßte er sie, seine Stimme so ruhig, dass sie wie ein Hauch durch den Raum glitt. Doch die Kälte darin ließ sie frösteln. Es klang nicht wie die Stimme eines Heilers. Vielmehr klang sie wie die eines Mannes, für den ein menschliches Leben nicht mehr als eine technische Herausforderung bedeutete.

Die Herzklappen-Operation begann, und Julia beobachtete jede seiner Bewegungen mit scharfem Blick. Seine Technik zeigte sich makellos, doch gerade diese Perfektion bereitete ihr Unbehagen. Das Skalpell glitt durch das Gewebe, präzise und ohne nachzudenken. Es fehlte etwas, eine Verbindung zum Leben, die Menschlichkeit.

Die dumpfe Geräuschkulisse des OP-Saals, das monotone Piepen der Monitore, das leise Summen der Geräte, all das wurde für Julia zu einem bedrückenden Hintergrundrauschen. Kesslers Arbeit wirkte mechanisch, fast zu glatt, als steuerte ein Algorithmus seine Bewegungen. 

Als die Operation endete, trat Kessler zurück, legte das Skalpell beiseite und verließ den Raum. Kein Blick zurück auf den Patienten, keine Worte des Abschlusses. Julia spürte, wie sich ein Knoten in ihrer Brust zusammenzog. Sie konnte nicht sagen, was genau sie störte, nur, dass es etwas gab, das sich falsch anfühlte.

Der Patient lag still, als das Team ihn in den Aufwachraum schob. Julias Brust fühlte sich eng an. Das Unbehagen ließ nicht nach, unerbittlich und fremd.

Am nächsten Morgen prallte der stechende Geruch von Desinfektionsmitteln auf Julias Sinne, als sie die Intensivstation betrat. Die Luft lastete schwer, die kühle Klimatisierung linderte kaum das monotone Geräusch der Maschinen. Draußen bahnten sich Regenschleier ihren Weg über die Fenster, indem das graue Licht den Raum in eine trostlose Szenerie tauchte.

Vor dem Bett des Patienten stockte ihr der Atem. Sein Brustkorb hob sich ungleichmäßig, als würde jeder Atemzug ein inneres Gefecht bedeuten. Kalter Schweiß glänzte auf seiner Stirn, und die Monitore spuckten chaotische Werte aus. Instabiler Blutdruck, unregelmäßiger Herzschlag. Julia griff nach der Akte, die fest in ihrer Hand lag, und suchte fieberhaft nach Antworten. Doch die Einträge gaben nichts preis, was diesen Zustand erklären könnte. Ihre Finger glitten über die feuchte, kalte Haut des Patienten. Ihr Blick sah rastlos auf die flatternden Kurven der Monitoranzeigen.

„Ungewöhnlich“, murmelte sie kaum hörbar, mehr zu sich selbst als zu den umstehenden Kollegen. Ihre Stimme verschwand im monotonen Summen der Geräte. Um sie herum wirbelte das Team, geübt und routiniert. Die Hektik im Raum ließ keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Situation aufkommen.

In den darauffolgenden Wochen richtete sich Julias Fokus zunehmend auf Kessler. Seine mechanisch wirkenden Bewegungen ließen keinen Raum für Fehler. Doch die Patientenakten erzählten eine andere Geschichte. Immer wieder tauchten unerklärliche Komplikationen auf, die ihre Kollegen achselzuckend als unvermeidbare Risiken abtaten. Julia wusste es besser. Sie begann, Kessler zu beobachten, suchte in jeder seiner Handlungen nach einer Spur, die ihren Verdacht untermauern könnte.

Abends, in der Einsamkeit ihres Büros, türmten sich Akten und ihre Berichte. Der Regen peitschte gleichmäßig gegen die Fenster, und der bittere Geruch von abgestandenem Kaffee vermischte sich mit dem typischen Geruch der Klink. Julias Blick wanderte unaufhörlich über die Zahlenreihen und Tabellen, die wie ein verschlüsseltes Muster vor ihr lagen. Herzstillstände, Atemprobleme, plötzliche Schwankungen im Blutdruck. Ein stetiges, verstörendes Echo, das wie zufällig erschien. 

Die Klinik begann ihren Tag in gewohnter Routine. Julia erlebte die Welt durch einen Filter. Ihre Wahrnehmung schärfte sich. Jedes Detail schien intensiver, jedes Geräusch lauter. Am Ende eines langen Ganges entdeckte sie Kessler. Seine Haltung verriet Selbstbewusstsein, sein Blick strahlte kühle Kontrolle aus und seine Anwesenheit pulsierte wie ein dunkler Schatten in ihrem Geist. Die Erinnerung an die letzte Begegnung mit ihm brannte noch immer in ihr nach. Instinktiv verlangsamte sie ihren Schritt. Sie blieb in sicherer Entfernung stehen und beobachtete ihn, wie er mit einem Kollegen sprach, als wäre nichts geschehen. Doch Julia wusste es besser. Unter der glatten Fassade verbarg sich ein Abgrund, den sie unbedingt entlarven musste.

Eines Abends klopfte es unerwartet an Julias Tür. Das Herz pochte schnell, und als sie aufsah, stand Sarah, eine ehrgeizige Journalistin im Rahmen. Ihr Parfum, eine lebhafte Mischung aus blumigen Noten, verdrängte für einen kurzen Moment den abgestandenen Geruch von Kaffee und kalter Pizza.

Sarah Lehmann war eine enge Freundin von Julia. Ihre wachen, braunen Augen vereinten Neugier und Skepsis in einem durchdringenden Blick. Ihr kurzes, kastanienbraunes Haar umrahmte ein schmales Gesicht mit markanten Wangenknochen. Besonders schätzte Julia an ihr die aufrechte Haltung, die Professionalität und ausstrahlende Entschlossenheit. Speziell mochte Julia das feine Lächeln, das augenblicklich Wärme und gute Laune verbreitete. Sarah erwarb sich ihren Ruf durch ihre Genauigkeit und Offenheit. Ihr Instinkt für verborgene Details machte sie für Julia zu einer unschätzbaren Verbündeten. Ihre Fähigkeiten hatte sie bereits mehrfach unter Beweis gestellt.

„Du siehst aus, als hättest du tagelang nicht geschlafen“, bemerkte Sarah mit einem schiefen Lächeln und betrachtete den chaotischen Schreibtisch. Stapel von Akten, zerknitterten Notizen und leeren Kaffeebechern hatten die Oberfläche vollständig eingenommen.

„Ich habe auch nicht geschlafen“, erwiderte Julia knapp, während sie eine Akte zur Seite schob. „Aber ich glaube, ich habe etwas gefunden.“

Sarah setzte sich auf den Besucherstuhl, in dem sie sich neugierig leicht nach vorn lehnte. „Erzähl mir alles.“

Julias Schultern sackten herab und sie atmete schwer aus. Mit stockenden Worten schilderte sie die wiederkehrenden Komplikationen, die verdächtigen Muster in den Patientenakten und Kesslers unheimliche Präzision in der Chirurgie. Sarahs Gesichtszüge verhärteten sich mit jedem neuen Detail.

„Da steckt mehr dahinter“, murmelte sie ihre stirnrunzelnd. „Aber dir fehlen die Beweise, oder?“

„Genau das ist das Problem. Ich brauche die Aufnahmen der Operationen. Irgendetwas passiert, das ich bisher nicht sehe.“

Sarah schüttelte den Kopf, ein Ausdruck von Sorge breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Das ist riskant. Ohne Beweise wird die Klinik dich zerreißen. Kessler gilt als unantastbar. Ein falscher Schritt, und deine Karriere ist gewesen.“

„Es geht nicht um meine Karriere“, unterbrach Julia sie scharf. Ihre Augen funkelten vor Entschlossenheit. „Wenn ich recht habe, gefährdet er Menschenleben. Aber ich kann’s nicht beweisen. Meine Vermutung. Und meistens sagt mein Bauchgefühl mir mehr als mein logischer Verstand.“

Sarah schwieg einen Moment, bevor sie nickte. „Ich helfe dir. Ich schaue, was ich aus seiner Vergangenheit herausfinden kann. Aber sei vorsichtig, Julia. Das hier wird gefährlich. Ich spüre das. Das sagt mir mein Bauchgefühl.“

Die Tage zogen sich in einer düsteren Schleife aus Recherchen und wachsender Isolation dahin. Julia vertiefte sich in Akten, analysierte jede Zahl, jedes Detail. Ihre Kollegen mieden sie, die Gespräche verstummten, wenn sie einen Raum betrat. Flure, einst ein Ort geschäftiger Betriebsamkeit, verwandelten sich in ein Minenfeld aus unausgesprochenem Misstrauen. Doch Julia ließ sich nicht beirren. Die Wahrheit lag verborgen, und sie würde sie ans Licht bringen. Egal, was es kostete.

Eines Abends, als sie durch die Tiefgarage ging, schien der Raum sie zu erdrücken. Das Flackern der Neonröhren warf unruhige Schatten auf den Betonboden. Das leise Tropfen von Wasser hallte durch die Stille. Ein prickelndes Gefühl kroch ihren Nacken hinauf, als das Echo ihrer Schritte plötzlich verstummte.

Ist da jemand? Aus den Augenwinkeln sah sie einen Hauch von Bewegung. Ihr Herz schlug schneller. Sie beschleunigte ihre Schritte, bis sie ihren Wagen erreichte. Hektisch öffnete sie die Tür, ließ sich in den Fahrersitz plumpsen und blickte angespannt in den Rückspiegel. Nichts. Doch das Gefühl der Bedrohung wich nicht.

Kapitel 2Die Wahrheit unter der Oberfläche

In der St.-Johannes-Klinik lag eine greifbare Spannung in der Luft. Julia Richter ahnte, dass sie etwas Bedeutendes aufgedeckt hatte. Perfekte Operationen verwandelten sich in Organversagen, rätselhafte Infektionen, unberechenbare Gerinnungsstörungen. Immer dasselbe Muster, immer dieselben Fragen. Alles innerhalb kürzester Zeit nach den Eingriffen.

Ein scharfes Klopfen an der Tür riss Julia aus ihren Gedanken. Sie fuhr leicht zusammen und sah auf. In der Tür stand Prof. Dr. Martin Schwarz. Seine imposante Gestalt erfüllte den Raum mit seiner Autorität. Breit gebaut, mit einer Haltung, die Stärke und Ruhe ausstrahlte, trat er ein, sein Blick fest auf Julia gerichtet.

Der makellose Anzug unter dem weißen Kittel saß wie angegossen und die schwarze Krawatte locker genug, um ein wenig Zugänglichkeit zu signalisieren. Das leicht gelockte Haar, von grauen Strähnen durchzogen, verlieh ihm eine Aura von Weisheit. Die eisblauen Augen, scharf und prüfend, schienen mehr wahrzunehmen, als er jemals zeigte. Die markanten Züge verrieten Entschlossenheit, die er als Chefarzt auch vorweisen musste.

Hinter der strengen Fassade steckte jedoch ein liebenswerter Mann. Er war für Julia ein Mentor, der ihre Talente erkannte und förderte.

Trotz seiner oft distanzierten Art wusste Julia, dass er mehr als nur ein strenger Mentor war. Sie gehörte zu den wenigen, die ihn beim Vornamen nennen durften. Ein Privileg, das er sparsam in der Klinik vergab. Hinter der scheinbar unnahbaren Fassade verbarg sich jemand, der nicht nur forderte, sondern auch förderte. Mit seinen 62 Jahren hatte er sein Lebensziel verwirklicht und die Position des Chefarztes erreicht.

Anstatt sich zurückzulehnen, setzte er seine Erfahrung gezielt ein, um Talente wie Julia zu stärken. Er sprach selten über persönliche Anerkennung, doch seine Handlungen hatten Gewicht. Ein leises Nicken oder ein klar formulierter Ratschlag waren Beweise seiner Anerkennung.

„Julia“, begann er mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. „Ich habe von deinen Nachforschungen über Kessler gehört. Was genau suchst du?“ 

Julia schob die Akten vor ihn. „Sieh hin, Martin. Immer dasselbe Muster. Das sind keine Zufälle.“

Schwarz trat näher, nahm eine der Akten und überflog sie mit konzentriertem Blick. Sein Gesicht blieb ausdruckslos. „Komplikationen gehören zu unserem Alltag, besonders bei schwierigen Eingriffen.“  

„Nicht so häufig und nicht mit denselben Symptomen“, widersprach Julia. „Kesslers Patienten entwickeln immer wieder identische Probleme. Es passt einfach nicht zusammen.“  

Schwarz runzelte die Stirn. „Julia, wir sprechen hier von einem der angesehensten Chirurgen. Sein Ruf ist tadellos, seine Verbindungen mächtig. Wenn du etwas falsch machst, könnte das deinen Ruf und den der Klinik gefährden.“  

Ein Funken Wut blitzte in Julias Augen auf. „Soll ich einfach zusehen, wie Patienten sterben? Was schlägst du vor, Martin?“  

Schwarz stellte die Akte mit einer kontrollierten Bewegung zurück. „Ich sage nicht, dass du wegsehen sollst. Sei vorsichtig. Kessler ist nicht jemand, den du ohne Konsequenzen hinterfragen kannst.“  

„Warum nicht? Weißt du mehr, als du zugibst?“ Julia lehnte sich vor, ihre Stimme fordernd.  

Schwarz hielt ihrem Blick einen Moment stand, bevor er mit leiser Stimme sprach. „Kessler hat Einfluss. Es gibt Gerüchte, Julia. Mehr kann ich dir nicht sagen. Pass einfach auf.“  

Noch bevor Schwarz den Raum verließ, klopfte es erneut an der Tür. Ein junger Mann trat zögerlich in Julias Büro ein. Sein Blick ruhig und prüfend. Das blonde Haar fiel ihm locker in die Stirn, die blauen Augen schienen jeden Winkel zu sondieren. 

„Entschuldigung, ich wollte nicht stören“, sagte er. „Ich bin Dr. Lukas Meier, der neue Assistenzarzt.“  

Schwarz fixierte ihn mit einem strengen Blick. „Meier, wir haben Sie nicht gerufen. Warten Sie draußen.“ Lukas nickte und zog sich zurück. 

„Wer war das? Wollte er zu mir?“, fragte sie, sobald die Tür ins Schloss fiel.

„Ein Neuzugang“, antwortete Schwarz knapp. „Talentiert. Er muss noch lernen, wann er sich zurückzuhalten hat.“  

Julia fand ihn später in der Cafeteria. Er saß an einem Fensterplatz, die Hände um eine dampfende Tasse Kaffee gelegt. 

„Dr. Meier?“, sprach sie ihn an.

Er hob den Kopf, ein freundliches Lächeln auf den Lippen. „Dr. Richter, richtig? Schön, Sie kennenzulernen.“  

Julia setzte sich ihm gegenüber, ihre Augen hielten seinen Blick fest. „Was hat Sie an unsere Klinik verschlagen? Und wollten Sie vorhin zu mir?“  

„Ja, ich wollte mich Ihnen vorstellen und einen frischen Start ins Berufsleben“, erwiderte er. „Die St.-Johannes-Klinik hat einen exzellenten Ruf.“  

Sein Ton blieb entspannt, dennoch lag in seinen Worten eine leichte Schärfe, die Julia aufhorchen ließ. „Man sagt, Sie sind diejenige, die Dinge wirklich bewegt“, fügte er hinzu. 

In seinem Ton schwang etwas mit, das Julia aufhorchen ließ. „Interessant“, sagte Julia, ohne ihre Miene zu verziehen. „Was erwarten Sie von mir?“  

Der Hauch eines Lächelns huschte über sein Gesicht. Es war schwer zu sagen, ob es echt war oder nur eine Maske. „Nur, dass Sie mir helfen, meinen Platz hier zu finden“, antwortete Lukas mit wachsamem Blick, während ein leichtes Lächeln seine Lippen spielte.  

Der Gedanke, warum er ausgerechnet sie angesprochen hatte, huschte durch ihren Kopf, doch sie verbannte ihn schnell. Ihre Stimme blieb ruhig, als sie antwortete: „Gut, dann sollten wir bei den Patienten anfangen. Hier zählen Ergebnisse, keine Worte.“ 

Ihr Blick ruhte einen Moment länger auf ihm, als sie ihre Tasse zur Seite schob. Warum ausgerechnet ich? Der Gedanke ließ sich nicht abschütteln, doch sie ließ sich nichts anmerken. In ihrem Kopf nahm sie den Plan auseinander. Zuerst die Patientenakte auswerten, dann mit Schwester Franziska reden. Die wusste immer mehr, als sie zugab. Und Lukas? Ihn würde sie im Auge behalten, ohne ihm zu viel zu zeigen. 

„Gut, wenn wir zusammenarbeiten. Ich bin Julia.“  

Lukas streckte ihr die Hand entgegen, sein Griff fest und angenehm. Julia erwiderte den Druck. Dabei ließ sie seinen Blick keinen Moment los. Sie suchte nach einem Zeichen von Unsicherheit oder Überheblichkeit, doch sie fand nichts. Seine Haltung war neutral, fast zu neutral.

„Lukas Meier. Danke, dass du dir die Zeit nimmst.“  

„Zeit habe ich wenig“, erwiderte Julia trocken. „Wenn es jedoch um die Patienten geht, bin ich dabei. Also, Lukas, was genau willst du?“  

Lukas Blick wanderte für einen Moment zur Tür, als wollte er sicherstellen, dass niemand lauschte. Dann atmete er flach aus, bevor er wieder zu Julia sah. „Offen gesagt wollte ich zuerst den Alltag hier verstehen“, begann er mit einer bewusst ruhigen Stimme. 

Julia bemerkte ein kaum merkliches Flackern in seinen Augen, das verriet, dass er seine Worte mit Bedacht wählte. 

„Natürlich habe ich auch ein paar Fragen. Man hört Gerüchte.“

Julia hob eine Augenbraue, ihr Oberkörper neigte sich minimal nach vorn. Ihre Hände ruhten auf der Tischkante, während ihre Augen Lukas fixierten.  „Welche Gerüchte?“

„Ungewöhnliche Fälle. Komplikationen, die schwer erklärbar sind. Manche sagen, dass du dem nachgehst.“ 

Julia ließ sich nichts anmerken. Innerlich hörte sie, wie ihre Alarmglocken leise zu läuten begannen. Woher wusste er das? Ihre Finger glitten unauffällig über die Tischkante, ein nervöser Reflex, den sie schnell unter Kontrolle brachte. 

„Das tue ich“, antwortete Julia kühl. „Und es gibt Gründe dafür. Wenn du hier arbeitest, wirst du schnell merken, dass nicht alles so ist, wie es scheint.“  

„Das habe ich schon gemerkt.“ Lukas’ Ton wurde kühler, und ein kaum merklicher Schatten huschte über sein Gesicht.