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Der Autor hat seine ganz persönlichen und subjektiven Gedanken über Länder, Menschen und Sprache in einem kurzweiligen und informativen Buch zusammengestellt, in dem Allgemeinwissen und verbreitete Irrtümer neben Erstaunlichem und Bemerkenswertem stehen. Die erzählerische und anekdotische Darstellung erleichtert es den Lesern, Fakten im Gedächtnis zu behalten und sie bei passender Gelegenheit abzurufen - sei es im "Small Talk" auf einer Party oder gar bei einem Quiz, wie es der Verfasser gerne selbst spielt. Aus diesem Grund hat er seinem Buch im Anhang auch ein umfangreiches Multiple-Choice-Quiz nachgestellt, das nach der Lektüre leicht zu bewältigen sein sollte und auch online gespielt werden kann (Zugang im Buch). Die Leser erfahren in diesem Buch, ob es zu Neuseeland auch ein altes Seeland gibt und wo es liegt, was ein Seeungeheuer mit unserem Gehirn zu tun hat, dass Mozart nicht Amadeus hieß, weshalb "Super-GAU" unsinnig ist und wir nicht den Begriff "Corona" verwenden sollten, wie Halloween nach Deutschland kam und der "Grundsautag" in die USA, ob Frakturschrift wirklich typisch deutsch ist, wo Briten mit Euro zahlen und ob der Schokoriegel nach dem Planeten oder dem Gott Mars benannt wurde - und vieles mehr.
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Seitenzahl: 307
Veröffentlichungsjahr: 2021
Dr. Kinnes Sprechstunde
Dr. Thomas Kinne
Dr. KinnesSprechstunde
Gedanken überSprache, Menschen und die Welt
mit 100 spannendenQuizfragen
2., überarbeitete Auflage
© 2021 Thomas Kinne
2., erweiterte und aktualisierte Auflage
Autor: Thomas Kinne
Umschlaggestaltung, Layout, Illustration (soweit nicht andersvermerkt), Lektorat und Korrektorat: Thomas KinneBildquelle (soweit nicht anders vermerkt): pixabay
Verlag & Druck: tredition GmbH
Halenreie 40–44, 22359 Hamburg
ISBN: 978-3-347-25316-2 (Paperback)
978-3-347-25317-9 (Hardcover)
978-3-347-25318-6 (e-Book)
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Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliographie (DNB).
Detaillierte bibliographische Daten sind im Internet unterhttp://dnb.d-nb.de abrufbar.
Die Verfügbarkeit der Online-Version des Quiz im Anhangkann nicht auf unbegrenzte Zeit garantiert werden.
Inhalt
Einleitende Worte
Unsere bunte Sprache
Natürlich natürlich!
Wir sind alle Bio
Hula-Hoop auf den Färöern
Ausgesprochen falsch
Plurales Denken
Gebrochenes Deutsch
Punkt, Punkt, Komma, Strich
Was zum ?
Elementar, mein lieber Watson!
Götter im Alltag
Das kommt mir griechisch vor
Geteilte Freude
Deutsch ist englisch?
Alles ist englisch?
Vorsicht, falsche Freunde!
Feierabend für die Grundsau
Unsere bunte Welt
Andere Länder, andere Kürzel
Hauptstadtfrage
Wer wohnt wo?
Geokonfusion
Neuland
Neue Welt und alte Namen
Vom Rheinland in alle Welt
Da haben wir den Salat!
Karos, Kuchen, Königshäuser
Karibik drunter und drüber
Der Himmel auf Erden
Ein mehr oder weniger vereinigtes Königreich
Das Ende von Europa
Anhang
Das Quiz zum Buch
Lösungsschlüssel
Über den Autor
Einleitende Worte
Nauheim, Februar 2021
Ich bin Übersetzer und Autor, schreibe und reise gerne, sammle Wissen und Comics aus aller Welt, habe über Woody Allen promoviert, trete seit dreißig Jahren als Quizzer im Fernsehen auf und interessiere mich grundsätzlich für fast alles – außer Fußball.
Ich mache mir hin und wieder ein paar Gedanken über die Welt und über Dinge, die ich merkwürdig oder schräg finde und versuche, mir durch Nachschlagen und Niederschreiben etwas mehr Durchblick in dieser unübersichtlichen Welt zu verschaffen.
Freilich habe ich auf diese Weise auch schon viel gelernt, was mir im Leben und in mancher Quizsendung half – vielleicht geht es ja dem einen oder anderen von Ihnen genauso. Ich freue mich auf die erste Rückmeldung, wenn jemand durch mich zum Quizmillionär* geworden ist. Aber es reicht auch, wenn jemand einfach mal ein Aha-Erlebnis hatte oder eine Eins in einer Klassenarbeit.
Wenn Sie übrigens nach der Lektüre feststellen möchten, ob Ihnen dieses Buch beim Beantworten von Quizfragen helfen kann, dann spielen Sie einfach das Quiz ab Seite 281 durch. Noch besser: Um zu sehen, was Ihnen das Buch bringt, tun Sie es einmal vor und einmal nach dem Lesen des Buches …
In diesem Sinne: Viel Spaß!
P.S.: Ich würde nie behaupten, dass ich alles besser weiß. Ich freue mich (wirklich) auf eine Korrektur meiner eigenen Irrtümer und lerne auch gerne dazu. Schreiben Sie mir einfach unter [email protected]. Sie finden die Korrektur dann in der nächsten Auflage. An dieser Stelle möchte ich mich auch herzlich für all die freundlichen Hinweise und Korrekturen meiner bisherigen Leser bedanken, die bereits zur Verbesserung der vorliegenden Ausgabe beigetragen haben.
*) Nein, in diesem Buch findet man keine „der/dem einen oder anderen Leser*_(In)“ und ähnliche Wortakrobatik. Wenn ich von Lesern, Katzen oder Chamäleons spreche, dann sind, unabhängig vom grammatischen Geschlecht (Genus), immer sämtliche biologischen Geschlechter (Sexus) gemeint. Das Buch soll schließlich lesbar sein.
Wir sind alle Bio
Ich habe auch meine Probleme mit dem Schlagwort bio, das ich schon im vorangehenden Kapitel im Vorübergehen erwähnt habe. Das hängt nicht nur damit zusammen, dass der Gebrauch so verwaschen ist, dass es eher für hohe Preise als für garantierte Qualität, Gesundheit, Umweltverträglichkeit oder Tierliebe steht (anderes Thema!). Vor allem stört mich der Gebrauch aus sprachlicher Sicht. Was heißt denn eigentlich bio?
Bio leitet sich vom griechischen Wort βίος ab, was soviel wie „Leben“ bedeutet. Es steht aber auch als Kurzform für Biologie („Lehre vom Leben“2) und das davon abgeleitete Adjektiv biologisch. So weit war und ist der Begriff noch klar umrissen. Irgendwann begann aber eine bestimmte Form der „alternativen“ Landwirtschaft, sich diesen Begriff anzueignen. Während die Erzeugnisse jedweder Landwirtschaft von Lebewesen (Pflanzen oder Tieren) stammen und in diesem Sinne biologischen Ursprungs sind, besetzte nun diese spezielle Form den Begriff und meldete eine Art Alleinvertretungsanspruch an. Demnach wäre nur noch das als bio(logisch) zu bezeichnen, was bestimmten Zucht- oder Anbaukriterien entsprach (ohne „böse“ Chemie!).
Es kommt in der Sprache freilich häufig vor, dass sich – aus reiner Bequemlichkeit oder Kürzungssucht – einzelne Silben verselbständigen, die dann nur noch wenig oder sogar einen „falschen“ Sinn ergeben.
Das bekannteste Beispiel ist unser Auto. Wir wissen alle, dass das Kurzwort für Automobil steht, ein Zwitterwort aus dem griechischen αὐτός („selbst“) und dem lateinischen mobilis („beweglich“). Wenn wir jedoch von Auto sprechen, dann bleibt nur noch „Selbst“ – und bil, die Kurzform der Schweden (aus der letzten Silbe) für dieses Gefährt, ergibt alleinstehend überhaupt keinen Sinn mehr.
Ein weiteres bekanntes Beispiel ist Foto: Die Fotografie (oder Photographie) – von griechisch φωτός („Licht“) und γράφειν („schreiben, zeichnen, malen“) – ist das „Malen mit Licht“ oder „Lichtmalen“, wenn man die Tätigkeit meint, und das „Lichtgemälde“, wenn man vom Produkt spricht. Wenn man dieses aber kurz Foto nennt, ist es eigentlich nur noch „Licht“.3
Ähnliches gilt für das Kino, die Kurzform von Kinematograph („Bewegungsschreiber“). Dieses Kombigerät der Brüder Lumière wurde ursprünglich sowohl zur Aufnahme als auch zum Projizieren von Filmen verwendet. Heute bezeichnen wir nur noch Lichtspielhäuser (auch Filmtheater genannt) als Kino. In den Niederlanden heißen sie bioscoop („Lebensschauer“), in Schweden biograf („Lebensschreiber“) und abgekürzt bio – wer also in Schweden ins Kino geht, geht der Wortbedeutung nach ins „Leben“ – womit wir wieder bei der Verwirrung mit dem Begriff Bio wären („Bio-Lebensmittel“ sind in Schweden übrigens ekologisk).
Es ist nicht falsch, wenn ich behaupte, dass wir alle Homo sind, nämlich Angehörige der Spezies Homo sapiens sapiens, des modernen Menschen (modern bezieht sich hier auf die Neuzeit – nicht etwa auf unser Verhältnis zur Technik oder zur modernen Kunst). Was uns bei dem Satz aber wahrscheinlich alle etwas stutzig macht, ist, dass es neben dem lateinischen Substantiv homo noch das griechische Adjektiv ὁμός gibt, das „gleich“ bedeutet. Aus diesem hat sich in unserer und vielen anderen Sprachen die Vorsilbe homo- abgeleitet, die genauso klingt und genauso geschrieben wird – Sprachwissenschaftler sprechen hier von einem Homonym. Und als ob das noch nicht verwirrend genug wäre, hat sich auch diese Vorsilbe homo- recht einseitig verselbständigt. Man findet sie in unzähligen Adjektiven, wie homogen, homolog oder homophon (und entsprechenden Substantiven), und immer bedeutet sie hier, dass etwas „gleich“ ist: gleichbeschaffen, gleichlautend, gleichklingend und so weiter. Doch beim Adjektiv homophob tappt man in eine böse Falle, denn hier steht homo- nicht, wie man meinen könnte, für „gleich“, sondern als Kurzform für den sehr spezifischen Begriff homosexuell, also „gleichgeschlechtlich“. Während Arachnophobie die Angst vor Spinnentieren ist,4Agoraphobie die Angst vor offenen Plätzen (Platzangst), Klaustrophobie die vor geschlossenen Räumen (das Gegenteil von Platzangst) und Xenophobie die vor Fremden, ist Homophobie nicht etwa die Angst vor allem Gleichen, sondern die spezifische Angst vor (oder Feindseligkeit gegenüber) Homosexualität und Homosexuellen – nur dass das aus dem Wort so nicht hervorgeht.
Ein Wort, das in den letzten Jahren (leider) in aller Munde war, ist Corona. Auch hier handelt es sich um die Verkürzung eines längeren Begriffs – und hier beginnt schon die Problematik, weil man es (hauptsächlich in Deutschland) umgangssprachlich sowohl als Kurzform für das Coronavirus selbst als auch für die von ihm verursachte Coronaviruskrankheit verwendete und ganz konkret für die aus dem Jahre 2019. Aber schlüsseln wir die Sache von vorn auf: Was ist ein Coronavirus und woher kommt der Name? Im Lateinischen bedeutet corona schlicht „Kranz, Krone“. Der Begriff findet unter anderem in der Astronomie Verwendung, ist aber auch als Biermarke bekannt sowie als Schreibmaschinen- und Automodell. Eine Familie von Viren (inzwischen dürfte es sich auch herumgesprochen haben, dass es „das Virus“ und nicht „der Virus“ heißt) wird aufgrund ihres Erscheinungsbilds5 als Coronaviridae, umgangssprachlich Coronaviren, bezeichnet. Der Begriff entstand in den späten 1960er Jahren und bezeichnet eine Vielzahl unterschiedlicher Viren. In die Schlagzeilen gerieten aber vor allem jene Coronaviren, die 2002 die erste SARS-Pandemie und 2012 die MERS-Epidemie auslösten. SARS steht für Severe Acute Respiratory Syndrome („schweres akutes Atemwegssyndrom“), MERS für Middle-East Respiratory Syndrome (nach ihrem Ursprungsort, dem Nahen Osten). Aus SARS-related coronavirus („SARS-assoziiertes Coronavirus“) wurde 2002 die Kurzform SARS-CoV gebildet. Als 2019 ein zweites SARS-CoV auftauchte, gab man dem ersten nachträglich die Bezeichnung SARS-CoV-1 (wir kennen das vom Ersten Weltkrieg, der diese Bezeichnung auch erst erhielt, als es einen zweiten gab) und nannte das neue SARS-CoV-2. Dieses Virus löst die Coronaviruskrankheit 2019, englisch Coronavirus Disease 2019, kurz COVID-19, aus. Durch den Zusatz 2019 oder 19 wurde diese Krankheit vorsorglich mit einer Jahreszahl versehen, um sie von früheren und später einmal auch von künftigen Coronaviruskrankheiten (die es wohl mit Sicherheit geben wird) abzugrenzen. Genau diese Unterscheidungsmöglichkeit besteht aber nicht mehr, wenn man alles – sowohl das Virus als auch die Krankheit, sowohl die frühere als auch etwaige spätere – pauschal mit dem griffigen, aber an sich unsinnigen Begriff Corona bezeichnet. Zudem besteht die Gefahr, dass auch viel harmlosere Coronaviren und die von ihnen ausgelösten Erkrankungen (vom Bier ganz zu schweigen) in Zukunft Panik beim Hörer oder Leser auslösen könnten, weil sie mit dem Begriff Corona in Verbindung gebracht werden, obwohl sie möglicherweise weniger folgenschwer sind als SARS-CoV-2.
Echte Bauchschmerzen (!) bereitete mir allerdings schon lange vor Corona die Vorsilbe Gastro-. Sie leitet sich vom griechischen Genitiv γαστρός ab und bedeutet eigentlich „Magen“ – wie jeder weiß, der schon einmal Gastritis („Magen[schleimhaut]entzündung“) hatte oder eine Gastroskopie („Magenspiegelung“) über sich ergehen ließ. Mit der gleichen Vorsilbe wurde auch der Begriff Gastronomie gebildet, der eigentlich „Magenkunde“ bedeutet, aber bekanntlich ein Teilbereich des Gastgewerbes ist, der sich mit der Bewirtung befasst. Aufgrund der irreführenden Ähnlichkeit mit dem Wort Gast (das in seiner ursprünglichen Bedeutung „Fremdling“ und sogar „Feind“ bedeutete!) denkt kaum noch ein Gastronom an „Magen“, aber gerade das führt zu den absurdesten Wortkombinationen, wenn es um Gastronomie geht. So liest man auf Websites wie gastrohero.de („Magen-Held“) von „Gastro-Technik“ und „Gastro-Geräten“ (etwa Gastroskope?) und „Gastro-Messen“ wie „GastroTageWest“ oder „Intergastra“ (für den „Zwischenmagen“?). Wenn sich den Besuchern da mal nicht der Magen umdreht …
2 Die Nachsilbe -logie steht in allen Verbindungen grundsätzlich für „Lehre“ – aber Vorsicht: nicht immer für Wissenschaft! Lehren kann man nämlich auch groben Unfug – siehe Astrologie. Nur weil dieser Begriff schon von der Sterndeuterei belegt war, musste man bei der Bezeichnung der Wissenschaft, die sich mit Sternen und dem Weltraum allgemein beschäftigt, auf Astronomie ausweichen. Bitte nicht verwechseln!
3 In einigen Gegenden Deutschlands gibt es übrigens auch noch den Foto und zwar als umgangssprachlichen Begriff für einen Fotoapparat, also eine Kamera – aber das steht auf einem anderen Blatt.
4Arachnophobie ist nicht zu verwechseln mit Arachibutyrophobie, der Angst, dass Erdnussbutter am Gaumen festkleben könnte. Andere interessante Phobien sind Kompounophobie (Angst vor Knöpfen), Ophthalmophobie (Angst, angestarrt zu werden), Aphephosmophobie (Angst, angefasst zu werden), Ostraconophobie (Angst vor Schalentieren), Spheksophobie (Angst vor Wespen), Pteromerhanophobie (Angst vor dem Fliegen), Triskaidekaphobie (Angst vor der Zahl 13) und Hexakosioihexekontahexaphobie (Angst vor der 666).
5 D. Tyrrell u.a., “Virology: Coronaviruses”, in: Nature 220:650, 16. November 1968
Ausgesprochen falsch
Wir sprachen im Zusammenhang mit guerrilla vorhin bereits das spanische ll an. Manche Menschen, die sich für gebildet halten, weisen gerne darauf hin, dass etwas bildungsfernere Schichten den Namen der beliebten Urlaubsinsel Mallorca mit einem deutschen l-Laut aussprechen, wie im deutschen hallo. Im Katalanischen, wie es auf den Balearen gesprochen wird, wird ein doppeltes l jedoch ähnlich dem deutschen j ausgesprochen. Aus dem lateinischen insula maior („die größere Insel“ – im Vergleich zu Menorca, der kleineren) war über die Zwischenform Maiorica das heutige Mallorca entstanden, das im Katalanischen und im Kastilischen (den beiden Amtssprachen der Insel) gleich geschrieben, aber leicht unterschiedlich ausgesprochen wird. Doch auch im Kastilischen – der Sprache, die wir allgemein als „Spanisch“ bezeichnen – klingt ein Doppel-l ähnlich (phonetische Feinheiten lassen wir einmal unberücksichtigt14) wie ein deutsches j. So weit, so gut.
Was mir jedoch immer wieder auffällt, ist, dass genau jene „Bildungsmenschen“ eine Art Hyperkorrektur (d.h. einer „Korrektur“ von etwas, das keiner Korrektur bedarf) vornehmen, wenn es um das Wort Tequila geht und daraus einen „Tequilla“ machen, also das l auch hier – völlig grundlos – als deutsches lj oder j aussprechen, obwohl ein spanisches l im Grunde sehr ähnlich klingt wie ein deutsches: Korrekt ist einzig und allein [te'ki: la].
EXKURS
Eine Konsonantenverdoppelung im Spanischen ändert auch nicht die Aussprache des vorangehenden Vokals, wie es etwa in den deutschen Wörtern Stele und Stelle der Fall ist. Während ich also im deutschen Wort Novelle das ll „benötige“, um das vorausgehende e zu verkürzen, ist dies im Kastilischen nicht nur nicht notwendig, sondern sogar unmöglich (weil ll ja einen anderen Laut bezeichnet). Folglich heißt der Roman (nicht die Novelle!) novela – das e ist kurz auszusprechen (/ɛ/), fast so wie im deutschen Novelle. Dennoch fühlen sich auch hier wieder unzählige deutsche „Besserwisser“ zu Hyperkorrekturen verleitet und sprechen zum Beispiel fälschlich von einer „Telenoveeela“ (mit bewusst langgezogenem /e:/), wenn sie die lateinamerikanische Version einer Seifenoper meinen.
Überhaupt werden die meisten Buchstaben im Spanischen ähnlich wie im Deutschen ausgesprochen, aber es gibt halt ein paar Ausnahmen, die für große Verwirrung sorgen, denn: ein spanisches ll klingt, wie gesagt, ähnlich wie ein deutsches j, ein spanisches j hingegen klingt ähnlich wie das deutsche ch (in Wörtern wie Bach [IPA: /x/]), und spanisches ch klingt wie deutsches tsch (/tʃ/).
Gerade dieses ch stiftet aber weitere Verwirrung. Einerseits gibt es Wörter wie Junta oder Gaucho, die die meisten Deutschen problemlos korrekt aussprechen. Dann gibt es Wörter wie Quijote oder den Ausruf ¡carajo!, die im Deutschen oft transkribiert werden, das heißt die spanische Schreibweise (j) wird verändert (zu ch), um sie der deutschen Aussprache anzupassen: Quichot(t)e und Karacho. Das führt allerdings auch dazu, dass dann das bereits umgeschriebene Wort teilweise wieder falsch ausgesprochen wird, weil es für ch im Deutschen zwei Aussprachvarianten gibt (z.B. in Kuchen und Küche), und so wird der Ritter von der traurigen Gestalt gelegentlich auch ähnlich wie im französischen Lehnwort quiche15 ausgesprochen: [ki'ʃɔt] statt [ki'xote].
Analog dazu vermutet mancher auch hinter Lehnwörtern aus dem Spanischen, deren Schreibweise gar nicht verändert wurde, irrtümlich eine ähnliche Vorgehensweise. Man schreibt machete im Spanischen bereits mit ch (und nicht etwa mit j) und spricht die Buchstaben mach daher so aus wie das deutsche Wort Matsch ([matʃ]), nicht wie den Imperativ mach! ([max]). Dennoch unterstellen viele Deutsche hier eine ähnliche Umwandlung wie von Quijote zu Quichote und wandeln die Machete ([ma'tʃe: tə])16 in ein (fiktives) „majete“zurück, das sie dann mit dem ch-Laut aus Bach aussprechen ([ma'xe: tə]).
Für Verwirrung sorgt auch eine bekannte Schnellrestaurantkette, wenn sie mexikanische Spezialitäten in bestimmten Aktionswochen anbietet, die sie „Los Wochos“ nennt: Das Kunstwort der Werbestrategen soll spanisch klingen, aber der Wortbestandteil Woch- soll deutsch ausgesprochen werden!
Auch im Englischen wird ein ch meist wie das deutsche tsch (/tʃ/) ausgesprochen, und im Süden und Westen der USA, wo viele Toponyme (Ortsnamen) aus dem Spanischen übernommen wurden, ergeben sich daraus keine Aussprachekonflikte. Ganz anders verhält es sich entlang dem Mississippi und in anderen Teilen der USA, in denen Ortsnamen (oft auf der Grundlage indianischer Bezeichnungen) zunächst von Franzosen vergeben wurden (siehe Kapitel „Neue Welt und alte Namen“), denn im Französischen gleicht der ch-Laut (z.B. in quiche) dem des Deutschen in Wörtern wie Küche. In Namen wie Chicago (Stadt) und Michigan (Staat) haben die englischsprachigen Amerikaner diese Aussprache interessanterweise beibehalten und sie nicht etwa ihrer eigenen angepasst (also der in chicken oder rich). Folglich heißt es eben nicht „Tschikago“ ([tʃɪ'kɑ:ɡoʊ]) oder „Mitschigan“ (['mɪtʃɪɡən]), wie man es in Deutschland oft hört, sondern [ʃɪ'kɑ:ɡoʊ] und ['mɪʃɪɡən].
Ein ähnliches Ausspracheproblem verursacht der Name Roosevelt, den immerhin zwei US-Präsidenten (entfernte Vettern) trugen. Auch hier ist wieder die Herkunft entscheidend für die Aussprache: Der Name stammt aus dem Niederländischen, wo er einfach nur „Rosenfeld“ bedeutet, und daher wird das Doppel-o wie das einzelne o im englischen Wort rose ausgesprochen und keinesfalls wie das oo in loose oder das o in lose.17
Wichtig ist dabei, dass sich lose und loose in der Aussprache nicht unterscheiden: Man kann ein doppeltes o im Englischen nicht „heraushören“. So wird es in loose ebenso wie in goofy („vertrottelt“ – bekannt durch die gleichnamige Disney-Figur), snooker oder scooter18 mit einem langen u-Laut (/u:/) gesprochen (wie in den deutschen Wörtern Huf oder Mut). Andererseits ist der u-Laut kurz (/ʊ/, wie im deutschen zucken oder gucken) in den auch hierzulande bekannten Doppel-o-Wörtern cookie, rookie oder hoodie. Oft fühlen sich deutsche Sprecher jedoch dazu verleitet, das u aufgrund der o-Doppelung (und durch falsche Analogiebildung zu den oben erwähnten Wörtern mit langem u-Laut) auch in diesen Fällen – fälschlich – in die Länge zu ziehen.
Längst nicht so unproblematisch, wie man meinen könnte, sind auch deutsche Namen, die Amerikaner tragen. Während man durchaus darauf bestehen kann, dass sich Amerikaner und Briten Mühe geben, die Namen von Johann Sebastian Bach oder Robert Koch einigermaßen deutsch auszusprechen – auch wenn der ch-Laut ein großes Problem für sie darstellt –, so sollte man andererseits respektieren, dass der britische Arzt Edward Bach oder der US-Schriftsteller Richard Bach (angeblich ein Nachfahre des Komponisten) einerseits und der ehemalige New Yorker Bürgermeister Edward Koch oder die Lobbyistenbrüder Koch andererseits ihre Namen nicht nach deutschen Regeln aussprechen. Der Verfasser von Jonathan Livingston Seagull (1970, Die Möwe Jonathan) nennt sich wohl [bɑk], der Arzt hingegen, der sich die umstrittenen Bach flower remedies (BFRs) ausdachte, sprach seinen Namen [bætʃ] aus, also wie das englische Wort batch, und folglich sollte er auch im Begriff Bach-Blütentherapie entsprechend ausgesprochen werden (sie hat schließlich nichts mit fließenden Gewässern zu tun). Ed Koch spricht seinen Namen [kɒtʃ] aus, während die Koch-Brüder den ihren (und den ihrer Unternehmen) [koʊk], also wie Coke, aussprechen.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass Namen mit gleicher Schreibung unterschiedlich ausgesprochen werden. Ein weiteres bekanntes Beispiel dafür ist Houston. Die bekannte Stadt in Texas, in der sich das Johnson Space Center (“Houston, we have a problem!”19) befindet, wurde nach dem texanischen Revolutionsführer und Präsidenten Sam Houston (1793–1863) benannt und wird [ˈhjuːstən] ausgesprochen, also (grob gesagt) ähnlich wie das deutsche Wort Husten. Die Houston Street in Manhattan hingegen, der der Bezirk SoHo (“South of Houston”) seinen Namen verdankt, weil sie dessen Nordgrenze bildet, wurde nach einem Politiker aus Georgia namens William Houstoun (1755?–1813) benannt und wird daher – wie die Person – [ˈhaʊstən] ausgesprochen, also in der ersten Silbe wie das Wort house.
Obwohl die Namen der US-Präsidenten – zumindest während ihrer Amtszeit – in den Medien allgegenwärtig sind, ist erstaunlich, dass sich oft nicht einmal professionelle Nachrichtensprecher die korrekte Aussprache aneignen können. Neben den beiden Roosevelts waren und sind vor allem Reagan und Obama Opfer solcher Fehler. Kaum jemand konnte sich merken, dass Obamas Vorname Barack – ebenso wie die häufig falsch betonten Wörter excel,20tattoo oder avenger – auf der zweiten Silbe betont wird (wie das deutsche Baracke, nicht wie das englische barrack), und bei Reagan wurde das ea zum Problem: Es wird nicht wie das kurze e in Greg ausgesprochen (/ɛ/) und auch nicht mit langem i-Laut (/i:/) wie in league, sondern wie der Diphthong (/eɪ/) in raygun oder steak.21 Ausgerechnet in Reagans Amtszeit fielen dann auch noch unzählige Meldungen zum Flugabwehrsystem Patriot (ausgesprochen ['peɪtriət], wie pay, nicht wie pal [pæl],22) und zu den cruise missiles (im amerikanischen Englisch wird das zweite i, im Unterschied zum Inselenglisch, kaum betont und schon gar nicht wie ai ausgesprochen, also [mɪsl], nicht ['mɪsaɪl]).