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Dr. Stefan Frank 2489 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

Leben ist mehr
Wie sein Wunsch nach Freiheit Elias beinahe zum Verhängnis wurde

Als der erfolgreiche Fotograf Elias Kofler in London erfährt, dass seine Mutter Erika einen schweren Schlaganfall hatte und im Koma liegt, zerbeißt er einen Fluch auf den Lippen. Verdammt. Natürlich macht er sich Sorgen um seine Mutter, doch vor allem bedeutet dies, dass er vorerst sein ganzes Leben umkrempeln und zurück nach Grünwald ziehen muss. Dort betreibt Erika ein Seniorenstift, um das sich nun wohl oder übel Elias bis auf Weiteres kümmern muss.
In Grünwald angekommen, verscherzt er es sich sogleich mit Jennifer, der jungen Assistentin seiner Mutter. Jennifer hält Elias für arrogant, egoistisch und gefühllos, das merkt er schnell. Und obwohl ihm das anfangs egal ist, beginnt es ihn zunehmend zu stören, wie sie von ihm denkt. Doch gerade als er entdeckt, dass ihm Jennifer mehr bedeutet, als ihm lieb ist, geschieht ein tragisches Unglück. Seinem ausgeprägten Freiheitsdrang folgend, unternimmt Elias eine rasante Fahrt mit dem Motorrad. Und dann passiert es: In einer rutschigen Kurve verliert er bei hoher Geschwindigkeit die Kontrolle über seine Maschine ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Leben ist mehr

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: CandyBox Images / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 9-783-7325-7703-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Leben ist mehr

Wie sein Wunsch nach Freiheit Elias beinahe zum Verhängnis wurde

Als der erfolgreiche Fotograf Elias Kofler in London erfährt, dass seine Mutter Erika einen schweren Schlaganfall hatte und im Koma liegt, zerbeißt er einen Fluch auf den Lippen. Verdammt. Natürlich macht er sich Sorgen um seine Mutter, doch vor allem bedeutet dies, dass er vorerst sein ganzes Leben umkrempeln und zurück nach Grünwald ziehen muss. Dort betreibt Erika ein Seniorenstift, um das sich nun wohl oder übel Elias bis auf Weiteres kümmern muss.

In Grünwald angekommen, verscherzt er es sich sogleich mit Jennifer, der jungen Assistentin seiner Mutter. Jennifer hält Elias für arrogant, egoistisch und gefühllos, das merkt er schnell. Und obwohl ihm das anfangs egal ist, beginnt es ihn zunehmend zu stören, wie sie von ihm denkt. Doch gerade als er entdeckt, dass ihm Jennifer mehr bedeutet, als ihm lieb ist, geschieht ein tragisches Unglück. Seinem ausgeprägten Freiheitsdrang folgend, unternimmt Elias eine rasante Fahrt mit dem Motorrad. Und dann passiert es: In einer rutschigen Kurve verliert er bei hoher Geschwindigkeit die Kontrolle über seine Maschine …

Jemand beobachtete sie!

Jennifer spürte ein unangenehmes Kribbeln im Nacken.

Es fühlte sich an, als würden unsichtbare Augen auf ihr ruhen. Die Haut an ihren Armen überzog sich mit einer Gänsehaut.

So ein Unsinn, schalt sie sich selbst. Das bilde ich mir nur ein. Es ist heller Tag. Wer soll mich denn ausspionieren? Ich sollte mir wirklich abends keine Krimis mehr ansehen.

Das Gefühl hielt sich jedoch hartnäckig. Unsicher drehte sich Jennifer auf ihrem Schreibtischstuhl um hundertachtzig Grad und schaute sich um. Von ihrem Büro führte eine Glastür hinaus in den Garten des Seniorenstifts Waldidyll. Eine milde Frühlingsbrise wehte herein. Schmetterlinge gaukelten über den Rosen, Insekten summten. Und es duftete süß nach den Kirschbäumen, die in voller Blüte standen.

Das Frühjahr meinte es gut in diesem Jahr. Die warmen Temperaturen tupften zahllose Blüten an die Bäume und auf die Wiesen. Irgendwo in der Nähe zwitscherten Meisen voller Lebensfreude. Alles schien friedlich zu sein.

Warum also schnürte ihr ein namenloses Unbehagen die Brust zusammen?

Unbehaglich schlang Jennifer die Arme um sich selbst. Ihr Büro lag im Erdgeschoss der Wohnanlage. Auf ihrem Schreibtisch stapelten sich Abrechnungen, Quittungen und Aufnahmeanträge. Darum musste sie sich bis zum Abend noch kümmern. Außerdem sollte sie für ihre Chefin einen Termin bei der Bank vereinbaren.

Seit zwei Jahren arbeitete Jennifer als Assistentin der Leiterin des Waldidylls. Sie liebte ihre Arbeit heiß und innig. Nicht nur, weil jeder Tag etwas Neues bot, sondern vor allem, weil sie den Kontakt zu den Bewohnern genoss. Die Senioren waren wie eine Familie für sie, und Jennifer hätte beinahe alles für sie getan.

Die Wohnanlage befand sich am Rand von Grünwald und machte ihrem Namen Waldidyll alle Ehre. Die Wohnungen waren nicht sehr groß, aber ebenso durchdacht wie gemütlich.

Es gab begehbare Duschen, breite Balkons, einen Hausnotruf, der rund um die Uhr besetzt war, und zahlreiche Annehmlichkeiten wie den Shuttleservice, der mehrmals wöchentlich in die Münchner Innenstadt und wieder zurück pendelte und die Möglichkeit bot, bequem Besorgungen oder einen Bummel zu machen.

Hinter dem Seniorenstift begann der Wald. Davor bot sich ein zauberhafter Ausblick auf das Isartal.

Ein blühender Garten lud zum Spazieren ein. Auf einer der Bänke saß Herr Fiedler und schmökerte ganz versunken in einem Buch. Er liebte Geschichten und vergaß beim Lesen alles um sich herum.

Frau Sellmayer schlenderte mit ihrer Hündin über den mit Kies bestreuten Weg.

Es war so idyllisch, dass sich Jennifer ihr mulmiges Gefühl nicht erklären konnte.

Meine Nerven spielen mir einen Streich. Das ist alles, dachte sie und schüttelte leicht den Kopf über sich selbst, sodass ihre langen Ohrringe baumelten. Sie liebte lange Ohrhänger und stellte die fröhlich-bunten Gebilde aus Keramik und Perlen selbst her. Zu ihren kurzen, fransig in die Stirn gezupften blonden Haaren sahen sie sehr hübsch aus.

Vielleicht sollte ich nicht mehr so viel Kaffee trinken. Das Koffein macht mich übernervös. Entschlossen schob Jennifer ihren Kaffeebecher zur Seite. Dann druckte sie die Verträge für die neuen Bewohner des Stifts aus und legte sie sorgsam in eine Mappe. Ihre Chefin sollte die Unterlagen noch durchsehen und unterschreiben.

Jennifer klopfte nebenan an der Tür ihrer Chefin und hörte von drinnen ein gedämpftes Stöhnen, aber keinen Hereinruf.

Alarmiert wiederholte sie das Klopfen.

„Ja, bitte“, kam es gedämpft zurück.

Sie drückte die Klinke hinunter und erschrak im nächsten Augenblick zutiefst. Ihre Chefin saß zusammengesunken hinter dem Schreibtisch und stemmte die Fäuste gegen ihre Schläfen. Ein gequälter Zug grub sich um ihren Mund ein.

Jennifer kannte ihre Chefin nur voller Tatendrang und energiegeladen. Erika Kofler hatte das Waldidyll aufgebaut und eine zauberhafte Wohnanlage daraus gemacht, die an ein Hotel erinnerte und in der sich jeder geborgen fühlen konnte.

Ihr Mann hatte das Haus vor zehn Jahren gekauft, aber er war wenige Wochen später während eines Eisregens tödlich mit dem Wagen verunglückt. Damals war Erika Kofler gerade zweiundvierzig Jahre alt gewesen und hatte keine Ahnung gehabt, wie man solch eine Anlage leitete.

Sie hatte die Ärmel hochgekrempelt und es übernommen, den Traum ihres Mannes zu verwirklichen. Niemand wusste, wie viele durchwachte Nächte, Tränen und Seufzer es sie gekostet hatte, aber die zahlreichen Auszeichnungen für das Waldidyll verrieten ihren Erfolg.

Mit Herzblut leitete Erika Kofler die Wohnanlage. Ihr Mann hatte ihr genügend Geld hinterlassen, das es ihr mit Hilfe einer Stiftung erlaubte, die Wohnkosten für die Mieter bezahlbar zu halten. Das Stift war nicht groß und bot lediglich zwanzig Wohnplätze. Gerade das mochte Jennifer jedoch, denn es trug zu dem behaglichen Wohngefühl in der Anlage bei.

„Ist etwas nicht in Ordnung, Frau Kofler?“, fragte sie nun erschrocken.

„Ich fühle mich nicht gut.“ Erika Kofler war auffallend rot im Gesicht. „Mir zerspringt fast der Schädel. Ich habe schon eine Schmerztablette genommen, aber es wird einfach nicht besser.“

„Vielleicht sollten Sie sich ausruhen. Möchten Sie, dass ich einen Arzt rufe?“

„Nein, nein, es ist doch nur Kopfweh.“

„Trotzdem sollten Sie für heute Schluss machen.“

„Ich muss noch die Einladungen für unseren Info-Abend rausschicken.“

„Das kann ich übernehmen. Die Adressen habe ich ja alle.“

„Lassen Sie nur. Sie haben selbst genug zu tun, Jennifer.“

„Das macht mir nichts aus. Wirklich nicht. Ich mache es gern.“

„Sie sind viel zu fleißig.“ Ein mattes Lächeln huschte über das Gesicht ihrer Chefin. „Ich werde das auf keinen Fall ausnutzen. Ich bleibe, bis alles erledigt ist. Danach gehe ich heim und lasse mir ein Bad ein.“

„Sind Sie sicher?“

„Absolut.“

„Aber …“ Jennifer wollte noch etwas einwenden, doch Erika Kofler nahm ihr die Mappe ab und beugte sich konzentriert darüber, um die Verträge durchzusehen.

Zögernd kehrte Jennifer in ihr Büro zurück. Sie machte sich wieder an ihre Arbeit, konnte sich jedoch nicht recht konzentrieren. Wie elend ihre Chefin ausgesehen hatte!

Wenig später klopfte es an ihrer Tür, und Frau Sellmayer kam mit Laika an der Leine herein. Die brave Retriever-Hündin war nach dem ersten Hund benannt, der das Weltall bereist hatte.

Frau Sellmayer hatte eine Schwäche für russische Geschichte und liebte auch die russische Literatur: Dostojewski, Puschkin und Tolstoi. Sie konnte stundenlang von den Klassikern schwärmen und hatte Jennifer schon so manches Buch ans Herz gelegt, das sie selbst gern mochte.

„Könnten Sie mir mit einer Briefmarke aushelfen?“, bat sie. „Ich möchte bei einem Preisausschreiben mitmachen und habe kein Porto mehr. Der Einsendeschluss ist schon morgen.“

„Dann sollten wir uns ranhalten. Brauchen Sie die Marke für eine Postkarte oder für einen Brief?“

„Für eine Karte. Meine Lieblingszeitschrift verlost ein zauberhaftes Plaid aus warmer schottischer Wolle. So etwas wollte ich schon immer gern haben. Es muss wunderbar sein, sich an kühlen Abenden darunterkuscheln zu können. Vielleicht habe ich Glück und gewinne.“

„Dann drücke ich Ihnen die Daumen.“ Jennifer nahm eine Marke aus ihrem Vorrat und reichte sie der Seniorin.

„Haben Sie vielen Dank. Ich lasse Ihnen mein Exemplar der Zeitschrift hier. Blättern Sie einmal zu Seite acht vor. Dort werden Sie einen Bericht über den Sohn unserer Chefin finden.“

„Über Elias Kofler? Er steht in der Zeitung? Sagen Sie bloß!“

„Oh ja. Der Bericht erzählt von seiner Reise zum Himalaya. Er war ganz allein unterwegs und soll in einen Schneesturm geraten und beinahe ums Leben gekommen sein. Angeblich hat er sich zwei Zehen abgefroren.“

„So eine Tour sollte man auch nicht unbedingt allein machen, oder?“

„Auf keinen Fall. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es für seine arme Mutter sein muss, das zu lesen. Sie muss vor Angst um ihn beinahe vergehen.“

Jennifer nickte. In den zwei Jahren, in denen sie für Erika Kofler arbeitete, war sie Elias nicht ein einziges Mal begegnet. Sie kannte ihn nur von den Fotos auf dem Schreibtisch seiner Mutter. Ein attraktiver Mann, das musste sie zugeben, aber einer von der Sorte, die ihre Wirkung auf Frauen kannten und ausnutzten.

Er reiste durch die halbe Welt, kam jedoch niemals heim, um seine Mutter zu besuchen. Nicht einmal zu Weihnachten war er da gewesen. Lediglich eine Postkarte aus Tibet hatte er geschickt. Das nahm Jennifer ihm übel.

Wie hieß es so schön? Geld verdirbt den Charakter? Nun, auf Elias Kofler traf das sicherlich zu. Er sollte vermögend sein, aber sympathischer machte ihn das in ihren Augen nicht gerade.

„Man muss seine Abenteuer erleben, solange man jung ist“, sagte Frau Sellmayer nachsichtig. „Ich bin früher auch viel gereist. Zur Zugspitze, nach Wien und an die Nordsee. Das war wunderbar. Heute habe ich lieber meine vertrauten vier Wände um mich, aber ich verstehe schon, wenn Elias mehr von der Welt sehen will. Würden Sie nicht auch gern einmal verreisen?“

„Doch, das würde ich schon gern“, gab Jennifer zu.

„Was hindert Sie, Liebes?“

„Ich habe niemanden, der mich begleitet. Meine Freundin hat bereits eine Familie und fährt mit ihrem Mann in die Ferien. Und allein bin ich nicht gern unterwegs.“

„Oh, Sie sollten es einmal versuchen. Gerade auf Reisen kommt man leicht mit anderen Menschen ins Gespräch. Man bleibt nie lange allein. Glauben Sie mir. Wer weiß, vielleicht wartet der Mann Ihrer Träume im nächsten Flieger auf Sie.“

Jennifer schüttelte kaum merklich den Kopf.

Dem Mann, der durch ihre Träume geisterte, wollte sie ganz sicher nicht begegnen. Weder im Flieger noch irgendwo anders. Thomas verfolgte sie in ihren Albträumen …

Ein leichter Schauer rieselte durch ihren Körper.

Frau Sellmayer schien es nicht zu bemerken.

„Sind Sie heute Abend verabredet, Liebes?“, fragte sie munter.

„Ja, mit meiner Badewanne und dem Buch von Dostojewski, das Sie mir empfohlen haben.“

„Das ist kein schlechter Plan, aber Sie sind jung und sollten ausgehen.“

Unwillkürlich zuckte Jennifer zusammen. Von Verabredungen war sie kuriert. Seit ihrer Trennung fiel es ihr schwer, einem anderen Menschen zu vertrauen. Sie liebte ihre Arbeit und ihre hübsche kleine Wohnung unter dem Dach des Stifts.

Womöglich musste das genug sein?

Frau Sellmayer bezahlte ihre Briefmarke und verließ mit ihrer Hündin das Büro. Sie ging jedoch nicht, ohne Jennifer noch einmal zu ermuntern, wieder einmal auszugehen.

Jennifer wünschte sich, sie könnte über ihren Schatten springen und das Vergangene so einfach abstreifen, aber es hatte sich tief in ihr Herz geritzt und verfolgte sie auf Schritt und Tritt. Mit einem leisen Seufzen wandte sie sich wieder ihrer Arbeit zu, bis der Postbote mit einem Paket für sie kam und sie ihm den Empfang quittieren musste.

Während der Bote weiterfuhr, riss sie das braune Klebeband auf. Einen Absender trug die Sendung nicht, aber es konnte sich eigentlich nur um die Briefumschläge handeln, die sie für die Arbeit bestellt hatte.

Jennifer klappte den Deckel hoch – und fuhr jäh zusammen, als wäre ihr eine Kobra entgegengeschnellt. In dem Paket lag ein Plüschbär. Oder vielmehr – die Teile eines solchen. Jemand hatte den armen Gesellen auseinandergepflückt: Pfoten, Kopf und Rumpf lagen einzeln im Karton. Dazwischen kullerte ein rotes Plastikherz herum. Was, um alles in der Welt …

Ein Zittern rieselte durch ihren Körper, als sie verstand.

Das war nicht nur ein makabrer Scherz. Das war eine Botschaft: Du hast mir das Herz herausgerissen. Nun mache ich dasselbe mit dir.

Jennifer trat von dem Paket zurück. Ihre Gedanken überschlugen sich. Offenbar hatte sie sich vorhin nicht nur eingebildet, dass sie beobachtet wurde. Nein. Er war hier! Er war ganz in ihrer Nähe. Anders konnte es nicht sein.

Eine namenlose Furcht kroch in ihr hoch und ließ ihre Kopfhaut kribbeln. Was hatte er vor?

Hatte er denn noch nicht genug angerichtet?

***

Später an diesem Nachmittag kam Dr. Frank auf seiner Hausbesuchsrunde ins Waldidyll. Seine Praxis befand sich am anderen Ende von Grünwald. Einmal in der Woche besuchte er das Seniorenstift. Hier schaute er nicht nur rasch nach seinen Patienten, sondern nahm sich auch Zeit für einen Plausch.

„Ich weiß mir keinen Rat mehr, Herr Doktor.“ Franz Fiedler saß in seinem Ohrenbackensessel und schüttelte bedächtig den ergrauten Schopf. „Seit Ewigkeiten finde ich keinen Schlaf mehr. Was soll ich bloß machen?“

„Können Sie nicht einschlafen?“, hakte Dr. Frank nach. „Oder wachen Sie nachts auf und haben Probleme, durchzuschlafen?“

„Beides. Abends wälze ich mich stundenlang im Bett herum, und wenn ich dann mal einnicke, bin ich wenig später wieder hellwach. Das wäre ja nicht so schlimm, wenn ich morgens nicht wie erschlagen aufwachen würde. Meistens fühlt es sich an, als wäre ich in der Nacht von einem Zug überrollt worden. Ich habe es schon mit allen möglichen Hausmitteln versucht: warme Milch, ein Wannenbad … Sogar eine neue Matratze habe ich mir gekauft, weil ich gelesen hab, das könnte helfen.“

„Und nichts davon hat geholfen?“

„Gar nichts. Mein Rücken tut mir nicht mehr so weh mit der neuen Matratze, aber sonst? Fehlanzeige!“ Der Mittsiebziger seufzte. „Ich habe sogar meine Zubettgehzeit verschoben. Hat auch nichts gebracht. Gestern Abend war ich kurz davor, Hertha von nebenan zu fragen, ob sie mir eins mit dem Nudelholz überbrät, nur, damit ich mal eine Weile weg bin.“

„Na, na, zu so drastischen Mitteln wollen wir lieber nicht greifen.“

„Mir wäre beinahe alles recht, wenn ich nur endlich wieder schlafen könnte. Ich habe schon versucht, mir die Zeit mit Lesen zu vertreiben und mich dann wieder hinzulegen. Dadurch komme ich zwar mit meiner Lektüre voran, aber es hilft nichts.“

„Haben Sie denn noch andere Symptome, Herr Fiedler?“

„Eigentlich nicht. Mein Rücken zwackt immer mal, aber das ist wieder eine andere Geschichte.“

„Halten die Schmerzen Sie eventuell vom Schlafen ab?“

„Nein, die hab ich schon so lange. Die Schlaflosigkeit ist neu.“

„Trinken Sie nachmittags noch Bohnenkaffee?“

„Schon lange nicht mehr. Haben Sie mir ja verboten. Wegen dem Blutdruck.“

„Haben Sie Sorgen, die Sie um den Schlaf bringen könnten?“