Drachenblut 8 - die Fantasy Bestseller Serie - Lindsay Buroker - E-Book

Drachenblut 8 - die Fantasy Bestseller Serie E-Book

Lindsay Buroker

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Beschreibung

Die Drachenblut Saga - die Bestseller Fantasy Serie aus den USA! Band acht Der krönende Abschluss der Drachenblut Saga! Atemlose Abenteuer, eine verbotene Liebe und ein sprechendes Schwert halten in Lindsay Burokers weltweitem Bestseller die Spannung bis zur letzten Seite. Für alle, die epische Fantasy für Erwachsene mit Romantik und einer Prise Humor lieben! Über die Drachenblut Saga Tausend Jahre sind vergangen, seit zuletzt ein Drache gesichtet wurde. Wissenschaft und Technologie haben die alte Magie verdrängt. Doch es gibt Menschen, durch deren Adern noch immer Drachenblut fließt, entfernte Nachfahren der mächtigen Kreaturen von einst. Diese Menschen haben die Macht, Magie zu wirken, zu heilen und Waffen herzustellen, die Kriege entscheiden können. Wegen dieser Kräfte sind sie gefürchtet, und in den letzten Jahrhunderten wurden sie fast bis zur Ausrottung gejagt. Die wenigen Überlebenden müssen einen Weg finden, die Magie von einst wieder aufleben zu lassen, oder sie werden für immer aus der Welt verschwinden. Die große Fantasy Bestseller Serie erstmals in deutscher Übersetzung Und es geht in der Welt von Ardelle, Grat und Co. weiter: mit Lindsay Burokers neuer Serie DRACHEN ERWACHEN. Ab Juni erhältlich!

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DRACHENBLUT

Band 8Ein Schwur fürs Leben

von Lindsay Buroker

Zuerst 2018 erschienen unter dem Titel Oaths (Dragon Blood Book 8).

Titel: Drachenblut Band 8 – Ein Schwur fürs Leben

© 2018 Lindsay Buroker

Übersetzung: Sabrina Siemons

Cover: Maria Spada

ISBN: 978-3-910990-30-2

Deutsche Übersetzung © 2024 Von Morgen Verlag, Berlin

Alle Rechte vorbehalten.

Prolog

Während Dampfkutschen und Pferdewagen die geschäftige Straße hinter ihm füllten, betrachtete Leutnant Farris „Pimples“ Averstash die hübschen ledergebundenen Notizbücher in der Auslage eines Schreibwarenladens. Am liebsten hätte er selbst ein leeres Notizbuch für die Häuser gehabt, die er entwarf, wenn er mal nicht mit dem Fliegen beschäftigt war – oder manchmal auch, wenn er es war. In letzter Zeit hatte er größere Häuser mit Zimmern für Kinder und für Prinzessinnen mit Hofstaat entworfen.

Hatte Zia einen Hofstaat? Nur weil sie das jüngste Kind des Cofah-Kaisers war und er sie zum ersten Mal allein in einem mit Alligatoren gefüllten Sumpf getroffen hatte, bedeutete das nicht, dass sie nicht normalerweise mit einem Gefolge reiste.

„Du willst ihnen doch nicht etwa ein Buch kaufen, oder?“ Leutnant Duck kam auf ihn zu und schaute mit einem spöttischen Grinsen in das Schaufenster. Sie waren erst seit fünfzehn Minuten unterwegs und Farris bereute es bereits, einen seiner männlichen Kollegen aus dem Wolfsgeschwader zum Einkaufen mitgenommen zu haben. Er hätte eine Frau fragen sollen. Frauen kauften gerne ein, und sie wussten alles über Hochzeiten und die passenden Geschenke für Braut und Bräutigam.

Er hätte Leutnant Ahn mitbringen sollen. Nein, warte. Sie war nicht sehr feminin. Sie würde dem Brautpaar wahrscheinlich ein Scharfschützengewehr schenken. Er hätte Captain Blazer mitbringen sollen. Nein, sie war noch weniger feminin. Bei den sieben Göttern, Farris musste einfach mehr weiblichere Frauen kennenlernen! Wie Zia. Sie war schön und klug und … Warum musste sie einen Ozean und einen Kontinent entfernt sein?

„Farris?“ Duck stupste ihn an. „Keine Bücher. Das ist langweilig.“

„Ardelle ist eine Historikerin. Sie könnte sich über ein Notizbuch freuen, in dem sie ihre Gedanken und Grübeleien festhalten kann.“

„Aber was ist mit General Zirkander? Ich glaube nicht, dass er grübelt.“

„Er grübelt bestimmt in seinem Entenstall, den er zu seinem privaten Refugium umgebaut hat. Dort stehen schließlich Regale mit Büchern und Zeitschriften.“

„Ich glaube, er versteckt sich dort nur vor dem Magieunterricht, der im Haus stattfindet. Und vor den gestaltwandelnden Drachen, die durch die Küche schlendern und seinen Käse stehlen wie Füchse, die sich in den Hühnerstall schleichen.“ Duck schüttelte den Kopf. „Wenn du mir vor einem Jahr gesagt hättest, dass ich solche Sätze sagen würde, wäre ich vor Lachen umgefallen. Oder ich wäre weggelaufen und hätte mich versteckt bei der Vorstellung, dass es Magie auf der Welt gibt.“

„Es war ein ereignisreiches Jahr.“

Widerwillig trat Farris vom Fenster zurück. Obwohl ihm die Notizbücher zwar gefielen, vermutete er jedoch, dass man Geschenke kaufen sollte, die zu den Personen passten, die sie erhielten. Aber Ardelle und Zirkander waren so unterschiedlich. Farris wusste nicht, was genau sie zusammengebracht hatte. Er wusste auch nicht, welche Gegenstände ihnen nach der Heirat nützlich sein würden. Sie lebten bereits zusammen. Gab es etwas für das Haus, das sie brauchen könnten? Etwas Praktisches? Sollten Hochzeitsgeschenke praktisch sein? Oder eher frivol und lustig?

Er hätte jemanden fragen sollen, denn er war noch nie zu einer Hochzeit eingeladen gewesen. Deshalb war er auch froh, dass man ihm gesagt hatte, seine iskandische Armeeuniform sei die richtige Kleidung für eine Hochzeit, denn er besaß keine schicke Zivilkleidung.

Duck packte ihn am Arm und zeigte auf die andere Straßenseite. „Das ist der Laden.“

Farris ließ sich über die viel befahrene Straße ziehen und tat sein Bestes, um den frischen Pferdeäpfeln auszuweichen. Er freute sich schon auf die Zeit, wenn Dampffahrzeuge endlich auf die letzten Pferdewagen und Kutschen ersetzen würden. Besonders hier in der Hauptstadt, wo die Meeresbrise den Rauch der Schornsteine wegblies.

„Das hier.“ Duck blieb vor einem Laden stehen, in dessen Schaufenster allerlei Kinderspielzeuge zum Aufziehen ausgestellt waren. Einige von ihnen taumelten auf Stummelbeinen umher, andere hatten Räder. Ein flauschiger Ball rollte scheinbar von selbst im Kreis herum. „Nein, das!“

Duck grinste Farris an und seine Augen leuchteten, als er auf ein bronzenes, hundeförmiges Spielzeug mit Eisennieten zeigte. Es ging einige Schritte geradeaus, drehte sich dann um und ging zurück. Am Ende seiner Runde hob es ein Hinterbein.

„Der Hund pinkelt ja hoffentlich nicht auch noch“, bemerkte Farris.

„Nun, ich sehe keine echte Flüssigkeit. Das ist auch gut so. Das wäre eine Sauerei. Oh, sieh mal. Ich glaube, du kannst den kleinen Laternenpfahl da drüben noch hinzufügen. Für die Versi… Verisimi… um es lebensechter zu machen.“

Farris hielt sich kurz die Hände vors Gesicht. „Verisimilitude. Hast du an der kleinen ostiskandischen Universität, die du besucht hast, keine Kurse belegt, die nichts mit Fliegen zu tun hatten?“

„Nicht, wenn ich es verhindern konnte. Du weißt, dass ich erst mit achtzehn Jahren lesen gelernt habe. Du solltest froh sein, dass ich dir sagen kann, dass der Laternenpfahl beim Kauf des Hundes um die Hälfte reduziert ist.“ Duck zeigte auf ein Schild im Schaufenster. „Ich gehe jetzt rein.“

„Nein.“ Farris packte ihn am Arm. „Denk an Ardelle, Mann! Sie will kein pinkelndes Hundespielzeug.“

„Wie kannst du dir da sicher sein?“

„Ihr Schwert hat es mir gesagt.“

Duck blinzelte ihn an.

Durch die wenigen Male, die Jaxi, Ardelles Seelenklinge, in seine Gedanken gesprochen hatte, vermutete Farris, dass sie vor Freude über das scheußliche Geschenk kichern würde. Nun, vielleicht auch nicht. Er hatte gehört, dass Jaxi Ardelle verboten hatte, ihre Schwertscheide auf die von Kugeln zerfetzte Couch aus Fliegerteilen zu legen, die das Geschwader dem General zur Einweihung geschenkt hatte.

„Warum besorgst du dir nicht etwas, das ein bisschen mehr Klasse hat?“ schlug Farris vor. „Du müsstest doch reichlich Geld haben, schließlich hast du die Wette um den Hochzeitstermin im Hangar gewonnen.“

Er selbst hoffte auf mehr Glück bei der Baby-Wette. Die Hochzeitswette war in letzter Minute zustande gekommen, als General Zirkander begonnen hatte, die Leute um Ratschläge für den Heiratsantrag zu bitten. Als Farris dazukam, waren bereits alle wichtigen Termine festgelegt gewesen.

„Nee, niemand hat das genaue Datum erraten. Ich bin einer von drei Leuten, die auf einen Tag in der ersten Herbstwoche getippt haben. Es wird ein Stechen geben, um zu sehen, wer das Geld bekommt.“

„Ach? Und wie soll das gehen?“

„Derjenige von uns, der die richtige Anzahl von Drachen errät, die bei der Hochzeit erscheinen werden, gewinnt. Das bedeutet, dass niemand die Auszahlung vor dem Tag nach der Hochzeit bekommt. Ich habe also genauso wenig Geld, wie ein Bär am Ende seines Winterschlafs Fett angesetzt hat.“

„Fett angesetzt?“ Farris verzog den Mund. Er hätte auf jeden Fall eine Frau mitnehmen sollen.

„Das ist eine Redewendung.“

„Das bezweifle ich. Auf wie viele Drachen hast du gewettet?“

„Einen. Ich dachte, Bhrava Saruth und General Zirkander sind eng befreundet.“ Duck faltete die Hände vor dem Körper und verschränkte die Finger ineinander. „Er wird den Drachen auf jeden Fall einladen. Vielleicht bittet er Bhrava Saruth sogar, einer seiner beiden Sippenwächter zu sein.“

„Äh, wenn man bedenkt, dass dieser Job darin besteht, die Braut lüstern anzuglotzen und zu beurteilen, ob sie gesund und munter aussieht und in der Lage ist, Kinder zu gebären, bezweifle ich, dass Zirkander einen Drachen einladen wird. Schon gar nicht diesen Drachen. Der ist sowas von spitz.“

„Hm, das ist wahr. Ich hoffe aber, dass ich mit meiner Vermutung richtig liege. Normalerweise habe ich so viel Glück wie ein Wolf mit einem Dorn in seiner Pfote. Ich gewinne nie etwas. Es wäre toll, diese Serie zu durchbrechen.“

„Wie lauteten die anderen Tipps?“, fragte Farris. „Wir haben nicht so viele Verbündete unter den Drachen.“

„Colonel Coyote sagte zwei. Captain Kaika sagte drei, was beunruhigend ist.“

„Wir haben keine drei verbündeten Drachen.“

„Deshalb ist es ja auch so beunruhigend.“ Duck schaute in den wolkenverhangenen Himmel, vielleicht erinnerte er sich an ihren Kampf mit den Drachen zu Beginn des Sommers. Zum Glück hatte es keine weiteren Angriffe gegeben, seit sie die Cofah-Drachen in die Flucht geschlagen hatten. „Ich habe die friedlichen Monate in letzter Zeit genossen.“

Ja, in der Hauptstadt war es ruhig – fast schon langweilig –, seit der Cofah-Kaiser offiziell von der Bildfläche verschwunden war. Farris hatte zu dem Team gehört, das für die Entführung verantwortlich gewesen war, aber er hatte keine Ahnung, was König Angulus mit dem Gefangenen gemacht hatte, nachdem sie ihn auf iskandischen Boden zurückgebracht hatten. Es war von einer Zwangsverbannung die Rede gewesen, aber als Leutnant erfuhr Farris nicht viel von dem, was hinter den Kulissen geschah. Nach allem, was er wusste, hätte der Kaiser auch für immer verschwinden können.

„Äh“, sagte Duck, den Blick immer noch gen Himmel gerichtet.

„Was ist los?“ Farris schaute auf. Er nahm an, dass es dumm war, auf einen Piratenangriff zu hoffen, der abgewehrt werden musste. Ardelle und General Zirkander würden es wahrscheinlich zu schätzen wissen, wenn es bis zu ihrer glücklichen Vermählung ruhig bleiben würde.

Natürlich, wenn jetzt der stadtweite Alarm losging und alle Piloten des Wolfsgeschwaders zum Hangar gerufen würden, würde das Duck davon abhalten, den Aufziehhund zu kaufen. Das sollte das Paar zumindest freuen.

„Ärger“, sagte Duck.

Ein goldener Drache kam in Sicht und flog in Richtung der Armeefestung.

„Ich glaube, das ist Bhrava Saruth“, sagte Farris.

„Das widerlegt nicht unbedingt meine Aussage.“

Soweit Farris wusste, war der Drache schon eine Weile nicht mehr in der Hauptstadt gesehen worden. Seine Rückkehr könnte in der Tat auf Ärger hindeuten. Vielleicht war er aber auch nur zu Besuch gekommen, um im Haushalt der Zirkanders Torten zu schnorren.

„Das werden wir wohl bald herausfinden.“

Kapitel 1

General Gratwanderer Zirkander hatte vor seiner Hochzeit noch tausend Dinge zu erledigen und hoffte daher, dass es in der Zitadelle ruhig sein würde und er ungestört arbeiten konnte. Ardelle und seine Mutter kümmerten sich um die meisten Vorbereitungen für das Ereignis, so dass sie seine Aufgabenliste nicht überfrachteten. Das war hilfreich, denn er war dabei, den Lehrplan der Flugakademie zu überarbeiten und Piloten für ein neues Geschwader auszuwählen, für das er die Erlaubnis erhalten hatte. Das Geschwader sollte nicht in einer Stadt stationiert, sondern von Anfang an unterwegs und jederzeit auf dem gesamten Kontinent einsatzbereit sein. Grat glaubte nicht, dass die Cofah in absehbarer Zeit wirklich keine Bedrohung mehr darstellen würden, nur weil sie ihren Kaiser verloren hatten.

Seine Bürotür flog auf und ein junger Mann mit goldenen Locken, Sandalen und einer weiten Tunika – oder war es ein Kleid? – schlenderte herein, ohne anzuklopfen. Vielleicht, weil er normalerweise ein Drache war, und Drachen klopften nicht an. Vermutlich hatten Drachen auch keine eigenen Türen, nur Höhlen oder Verstecke. Wie auch immer man sie nannte.

„Wir nennen sie Höhlen“, sagte Bhrava Saruth, und seine tiefen smaragdgrünen Augen trafen auf die von Grat. „Aber solche Behausungen neigen zu Feuchtigkeit. Und zu Schimmel.“ Er rümpfte die Nase. „Sie sind einem Gott wie mir überhaupt nicht angemessen. Deshalb brauche ich einen Tempel, wie du weißt, Gefährte meiner Hohepriesterin. Wir haben dieses Gespräch schon oft geführt. Ich brauche einen Tempel.“

Diese grünen Augen hatten eine Anziehungskraft, die es schwer machte, den Blick abzuwenden. Und schwer, dem Drachen seinen Wunsch zu verweigern.

„Ich bitte dich nicht nur zu meinem eigenen Vergnügen, Gratwanderer.“ Bhrava Saruth presste eine Hand auf seine Brust, die lockeren Armbänder an seinem Handgelenk klimperten. „Ich bin durch ganz Iskandoth gereist und habe dreizehn weitere Anhänger gefunden. Ein Tempel hier in der zentralsten aller menschlichen Städte ist ideal, da viele von ihnen an dieser Küste leben. Mit einem Tempel können meine Anhänger mich leicht finden und haben einen Ort, an dem ich mich um ihre Bedürfnisse kümmern und sie segnen kann. Ich habe bereits einen Hysrinthiea-narsh gebaut.“

„Natürlich“, sagte Grat, der keine Ahnung hatte, was die vielen Buchstaben bedeuteten. „Ich habe gehört, dass jeder Tempel einen braucht.“

„Das ist wahr! Mit dem Gerät kann ich erkennen, wenn einer meiner Anhänger angekommen ist, meinen Thron berührt hat und meine Hilfe ersucht.“

„Du willst einen Thron errichten?“

„Für den Fall, dass ich in menschlicher Gestalt bin.“ Bhrava Saruth fuhr mit seiner Hand an seinem Körper hoch und runter. Grat versuchte, nicht darauf zu achten, wie viel Bein zu sehen war. Es war schließlich Sommer. Vielleicht war dies die Drachenversion von Shorts. Luftige Shorts, die schwankten, wenn er sich bewegte. „Ich muss mich wohlfühlen, wenn ich meinen Segen verkünde.“

„Wird er größer sein als der Thron von König Angulus?“

„Er muss ausreichen, um meine prächtige Gestalt aufzunehmen.“

„Das werte ich als ein Ja.“ Grat schob ein paar Ordner beiseite, um Platz auf seinem Schreibtisch zu schaffen, und griff dann nach einer aufgerollten Karte und einigen vorläufigen Bauplänen, die an seinem Aktenschrank lehnten.

„Du siehst, dass ich voll und ganz darauf vorbereitet bin, für meine Anhänger erreichbar und ein guter Gott zu sein“, sagte Bhrava Saruth. „Alles, was ich brauche, ist mein Tempel. Du hast dich bereit erklärt, mir beim Bau zu helfen. Ich hätte ihn einfach selbst gebaut, aber du und dein König haben noch kein geeignetes Land für das Projekt zur Verfügung gestellt.“

„Ich weiß, ich weiß. Ich habe versprochen, dir beim Bau deines Tempels zu helfen.“

Grat fragte sich immer noch, wie er sich jemals dazu hatte überreden lassen. Wahrscheinlich hatte er den Fehler gemacht, dem Drachen in die Augen zu sehen, als dieser seine Aura ausstrahlte, eine Aura, die es als die natürlichste Sache der Welt erscheinen ließ, ihm zu gehorchen. Aber Bhrava Saruth hatte bei zahlreichen Gelegenheiten geholfen, feindliche Drachen abzuwehren, und er hatte auch Ardelle geholfen, Grat zu finden, als dieser ohne Gedächtnis in den Händen der feindlichen Magierin gewesen war.

Grat seufzte vor sich hin. Nein, auch wenn die Aura des mächtigen Drachen ihn ein wenig beeinflusst hatte, schuldeten er, die Stadt und das Land Bhrava Saruth ein paar Gefallen. Dies war ein kleiner Preis für die Hilfe, die er geleistet hatte.

„Mit diesem Gedanken im Hinterkopf“, sagte Grat, „bin ich zum Steueramt gegangen und habe einige Karten der Ländereien des Königs besorgt. Ich glaube nicht, dass wir Privatpersonen davon überzeugen können, ihr Land für deinen Tempel abzugeben, obwohl ich versucht war, den König darauf hinzuweisen, dass Therriks Familiensitz nicht weit außerhalb der Stadt liegt. Es hört sich so an, als würdest du es vorziehen, so nah wie möglich an der Hauptstadt zu sein.“

„Oh ja. Es wäre für meine Anhänger am praktischsten, wenn mein Tempel in der Nähe eures Hafens und auch in der Nähe der Haltestelle für eure rollenden Kisten liegen würde.“

„Der Bahnhof?“ Grat breitete die Karten aus. „Es wird schwierig sein, in der Nähe zu bauen, weil das alles Privatland ist, aber ich habe ein paar mögliche Orte eingekreist. Das ist der Krumme Canyon, etwa zwanzig Meilen nördlich der Stadt. Er ist atemberaubend, vor allem, wenn du mit Höchstgeschwindigkeit um die Felssäulen und unter den Bögen hindurch flitzen kannst.“

„Ich weiß es noch. Ich habe dich und meine Hohepriesterin für euer Paarungsritual dorthin gebracht.“

„Äh, das war der Antrag.“ Grat lächelte und erinnerte sich gerne daran, wie er und Ardelle auf dem Bogen gelandet waren, mit einer Decke, einem Picknickkorb, seiner Versprechungshalskette und der Referatu-Manschette, die sie für ihn gemacht hatte.

„Habt ihr euch danach nicht gepaart?“

„Ja, aber du hättest nicht bleiben und zusehen sollen.“

„Wenn ich mich richtig erinnere, gab es die Sorge, dass du durch deine heftige Kopulation vom Rand des Bogens rollen würdest und möglicherweise mit Magie gerettet werden müsstest.“

Grat hätte schwören können, dass er viel zu alt war, um sich für irgendetwas zu schämen, aber dass ihm ein Mitglied einer anderen Spezies seine Kopulationsbedenken mitteilte, schien ein Grund für Unbehagen zu sein.

„Jaxi wollte das eigentlich übernehmen, aber zurück zur Karte, ja?“

„In der Tat. Der Krumme Canyon ist ein viel zu weit entfernter Ort für meinen Tempel. Und er liegt in einer Schlucht. Er wäre weder von eurer Straße noch vom Meer aus zu sehen. Wie sollen die Menschen so seine Pracht bewundern?“

„Ich dachte, du würdest vielleicht einen privaten Ort bevorzugen. Für den Komfort deiner Anhänger.“ Grat fragte sich, wie viele „Anhänger“ der Drache hatte, aber er beschloss, nicht zu fragen. Es war schon schlimm genug, dass Bhrava Saruth ihn zu seinen Anhängern zählte, egal wie oft Grat versucht hatte, vorzuschlagen, dass sie einfach Freunde sein sollten. Die Tatsache, dass er seit Jahren seine hölzerne Drachenfigur als Glücksbringer gerieben hatte, hatte Bhrava Saruth davon überzeugt, dass die Figur ihn repräsentierte. „Wie wäre es mit einem ruhigen Ort im Schützenwald?“ Er deutete mit dem Finger auf einen eingekreisten Ort und verdeckte dabei den kleingedruckten Namen „Mirinath Schlammlawine“.

Bhrava Saruth schob seinen Finger sanft zur Seite. „Es klingt abgelegen und unwirtlich.“

„Es ist weniger als fünfzehn Meilen von der Stadt entfernt.“ Grat dachte sich, dass seine Chancen, Angulus dazu zu bringen, königliches Land für dieses Vorhaben abzugeben, umso größer waren, je weiter das Land von seiner Burg entfernt war.

„Was ist das für ein Kreis hier?“ Bhrava Saruth deutete auf den letzten Punkt. „Er scheint ganz in der Nähe eures Hafens und nur wenige Schritte von den Stadtmauern entfernt zu sein, obwohl diese Klippen für diejenigen, die nicht fliegen können, schwierig zu erreichen sein könnten. Ich kann meine Anhänger natürlich zu dieser kleinen Insel hinunterschweben lassen. Es ist doch die Insel, oder? Nicht etwas unter Wasser, nehme ich an? Es bräuchte mächtige Magie, um einen Ort unter Wasser für Menschen zugänglich zu machen.“

„Ich dachte an die Insel, ja.“ Der Gedanke, dass Magie einen Ort unter Wasser für irgendetwas anderes als für Kreaturen mit Tentakeln und Flossen zugänglich machen könnte, machte Grat stutzig. „Sie ist von dieser Bucht mit den Klippen ringsum geschützt. Sie ist vielleicht nicht so gut sichtbar, wie du es dir erhofft hast, aber es wird privat und abgelegen sein, obwohl sie in unmittelbarer Nähe der Stadt liegt.“

Grat dachte, Angulus könnte überzeugt werden, die Insel abzugeben. Er hatte sie schon unzählige Male überflogen und wusste, dass sie aus nichts als Felsen und Seelöwenkot bestand.

Bhrava Saruths blonde Augenbrauen hoben sich. „Seelöwenkot? Wirklich, Gratwanderer?“

„Ich bin mir sicher, dass sie gereinigt werden kann, bevor der Bau des Tempels beginnt. Hier sind ein paar Skizzen, die ich von einer örtlichen Architektin habe anfertigen lassen.“ Er hatte eine einheimische Architektin für diese Entwürfe bezahlt. Obwohl er versucht hatte, die Frau davon zu überzeugen, dass die Arbeit für einen Drachengott schon eine Belohnung für sich darstellte, hatte er am Ende eine Rechnung für diesen Nebenjob erhalten. Wenigstens war sie bereit gewesen, sein Angebot anzunehmen, als Teil der Bezahlung in der Taverne seines Kumpels Towee ein Freibier zu trinken. Trotzdem waren dies nur vorläufige Zeichnungen. Ein Glück, dass er die Beförderung Anfang des Sommers angenommen hatte.

„Hm.“ Bhrava Saruth legte einen Finger an sein Kinn und betrachtete die Entwürfe, die Grat ausbreitete.

„Sie haben alle Platz für die Statue von dir, um die du gebeten hast.“

„Und einen Thron?“

„Ich erinnere mich nicht, dass du einen Thron erwähnt hast, aber ich nehme an, dass das Mobiliar hineinpasst. Die Architektin hat ihn so groß gemacht, dass du hineinpasst, egal ob du als Mensch oder als Drache lebst.“

„Oh, ausgezeichnet. Und durchdacht. Mir gefällt das da, mit der offenen Vorder- und Rückseite und den Marmorsäulen. Ja, sehr majestätisch. Gratwanderer, das ist wunderbar. Ich hatte schon befürchtet, du würdest diese Aufgabe nicht für mich übernehmen, aber du bist wirklich ein wunderbarer und hingebungsvoller Anhänger.“

Bhrava Saruth grinste, sein zotteliger Pony hing ihm in die Augen und er trat mit ausgebreiteten Armen um den Schreibtisch herum. Als Grat klar wurde, dass eine Umarmung bevorstand, legten sich bereits begeisterte Arme um ihn.

„Ich freue mich, dass du es zu schätzen weißt, aber das ist nicht nötig“, sagte Grat. „Besonders, wenn du ein Kleid trägst.“

Bhrava Saruth trat einen Schritt zurück. „Es ist eine Kryka. Ein luftiger gewickelter Umhang. Sie sind sehr beliebt bei den Clanmitgliedern, die auf der Südseite eures Kontinents leben.“

„Ich bin mir sicher, dass es alles gut durchlüftet.“ Grat löste sich aus der Umarmung des Drachen und rollte die Karte und die Baupläne zusammen. „Ich bringe sie morgen zum König und frage ihn, ob er seine Insel für eines der beiden Projekte zur Verfügung stellt.“

Die andere Sache, die er den König fragen wollte, kam ihm in den Sinn, und sein Magen machte eine nervöse Drehung. Er würde es bald tun müssen, wenn er es wirklich tun wollte. Er hatte General Ort bereits gebeten, bei der Hochzeit als einer der Wächter seiner Sippe an seiner Seite zu stehen. Hätte das Ereignis vor einigen Jahren stattgefunden, hätte er seinen alten Freund Mox gebeten, als zweiter Sippenwächter zu fungieren. Oder vielleicht Digger oder Major Antar. Aber diese Kollegen waren alle in den letzten fünf oder sechs Jahren bei der Ausübung ihrer Pflicht ums Leben gekommen. Es war traurig, an all die Offizierskollegen zu denken, die er überlebt hatte und von denen einige sehr gute Freunde gewesen waren.

Er wusste, dass viele der jüngeren Männer im Wolfsgeschwader gerne einspringen würden, aber er dachte auch daran, was Ardelle gefallen würde. Er wusste, dass sie Angulus als Freund betrachtete – einer der ersten, die sie in dieser Zeit kennengelernt hatte – und dass es ihr eine Ehre wäre, ihn in irgendeiner Funktion bei der Hochzeit dabei zu haben. Vielleicht sollte Grat ihn einfach als Gast einladen. Sie hatten bereits eine Einladung für ihn ausgefüllt, die er aber noch nicht überreicht hatte. Er gab zu, dass er Angulus gerne als Freund betrachten würde und umgekehrt, zumal sie jetzt, wo Grat das Fliegerbataillon leitete, öfter zusammenarbeiteten. Vielleicht würde die Bitte an ihn, bei der Hochzeit als Wächter der Sippe aufzutreten, Angulus zeigen, dass Grat ihn als König und Anführer der Nation schätzte. Er wusste, dass seine schnoddrigen Bemerkungen das nicht immer vermittelten.

„Euer König wäre dumm, wenn er diese Nutzung seines Landes nicht genehmigen würde“, sagte Bhrava Saruth. „Der Tempel eines Drachengottes in der Nähe seiner Stadt würde sicher viele Menschen anlocken. Das würde eurer Wirtschaft helfen, nicht wahr? Ja, euer König sollte sehr dankbar sein, dass ich hier wohnen und für meine Anhänger erreichbar sein möchte.“

„Ich bin sicher, er dankt den Göttern jede Nacht.“

„Er könnte auch einfach mir danken.“

„Finden andere Drachen deine Arroganz anziehend?“ Grat schüttelte den Kopf und ging auf die Tür zu.

„Andere Drachen sind spießig und humorlos. Wer will schon Zeit mit ihnen verbringen, um herauszufinden, was sie denken?“

„Da sind wir uns vielleicht einig.“

Grat begleitete seinen Gast zur Tür und erwähnte, dass es im Haus frisch gebackene Kekse gab. Er fühlte sich schuldig, Bhrava Saruth auf Ardelle abgewälzt zu haben, aber er hatte noch Arbeit zu erledigen und eine Bitte zu proben. Vorausgesetzt, er brachte den Mut auf, es zu tun. Warum war es weitaus entmutigender, den König zu bitten, bei seiner Hochzeit an seiner Seite zu stehen, als sich feindlichen Soldaten, Piraten oder gar Drachen zu stellen?

„Brauchst du dein kleines Dingsbums schon?“

Tolemek zog eine Augenbraue hoch, während er vorsichtig die klebrige grüne Mischung umrührte, die in einem Keramiktiegel über seinem Micon-Brenner gluckerte. Sie war auf dem Heimweg von der Arbeit bei ihm im Labor vorbeigekommen, was seinen Abend ungemein aufheiterte, zumal es noch ein paar Stunden dauern würde, bis er sich von seinem aktuellen Projekt lösen konnte.

„Das ist eine volumetrische Pipette“, sagte er.

„Stell dir vor, wie peinlich es mir ist, das nicht zu wissen.“

„In einer Versammlung von Wissenschaftlern würde man dich auslachen.“

„Selbst wenn ich meine Mark 500 dabeihätte?“

„Hm, vielleicht nicht.“ Tolemek bezweifelte, dass sich viele Akademiker über jemanden lustig machen würden, der ein Scharfschützengewehr gelassener mit sich herumtrug als andere Frauen ihre Handtaschen. „Dann hätten sie zu viel Angst, sich über dich lustig zu machen.“ Er lächelte, ging zu Cas’ Seite des Tisches und legte ihr einen Arm um die Schultern. „Zum Glück binich nicht so leicht zu erschrecken.“

„Überhaupt nicht?“ Sie erwiderte sein Lächeln, doch es lag ein Hauch von Schalk darin und prompt stieß sie ihm mit der Pipette in den Bauch.

„Gewiss nicht. Ich habe Mittel, mich zu verteidigen.“ Er schnappte sich einen Bleistift, fuchtelte wild damit herum, und sie lieferten sich einen lebhaften Fechtkampf.

Als sie sich trennten, war er versucht, ihr einen Kuss zu geben, aber er stank nach Chemikalien und trug Gummihandschuhe. Wahrscheinlich würde er sich etwas einfangen, wenn er es versuchte.

Aber sie überraschte ihn, indem sie sich auf ihre Zehenspitzen stellte und ihn küsste. Ihm wurde ganz warm ums Herz, und er überlegte, sein Projekt für die Nacht vorzeitig zu beenden. Zumal er vergessen hatte, den Ventilator einzuschalten, und es anfing zu stinken.

Cas musste das auch gedacht haben, denn sie unterbrach den Kuss und sah mit hochgezogener Augenbraue in Richtung des dampfenden Gebräus. „Was machst du da? Es riecht nach verbranntem Gummi.“

„Es handelt sich um einen experimentellen Sprengstoff, der eine formbare Masse haben wird, die einer Knetmasse nicht unähnlich ist und der einen leichten Klebstoff enthält, so dass er an Wänden und anderen vertikalen Oberflächen befestigt werden kann. Ich habe noch nicht mit der Arbeit an einem Zünder begonnen, aber Captain Kaika hat mich auf einige Ideen gebracht.“ Tolemek deutete auf ein offenes Notizbuch mit Skizzen.

Cas rümpfte die Nase. „Ich dachte, du würdest deine Macht und dein Wissen nicht mehr für die Herstellung von Waffen nutzen, sondern medizinisches und heilendes Klebezeug herstellen. Etwas, das den Menschen hilft.“

Es amüsierte Tolemek ein wenig, dass Cas es vorzog, mit harmlosen Substanzen zu arbeiten, wo sie doch selbst so tödlich war, sowohl mit ihrem Scharfschützengewehr als auch mit den Maschinengewehren ihrer Flieger. Nicht, dass sie jemals behauptet hätte, dass es ihr Spaß machte, Menschen zu töten. Sie war einfach nur effizient, wie ihr Vater, der Auftragsattentäter Ahnsung.

Aber Cas kannte Tolemeks Vergangenheit so gut wie jeder andere und wusste, dass er es zutiefst bedauerte, dass eine seiner Erfindungen dazu benutzt worden war, Hunderte von unschuldigen Menschen zu töten. Er wusste, dass sie sich genauso um seine Seele sorgte wie um die Menschen, die die iskandische Armee mit den von ihm erfundenen Formeln töten könnte.

„Captain Kaika sagte mir, dass Sprengstoffe Werkzeuge und keine Waffen sind“, sagte Tolemek.

Kaika war bei König Angulus gewesen, als Tolemek zu dem Treffen ins Schloss gerufen worden war, bei dem sie die Möglichkeit besprochen hatten, etwas wie dieses zu erfinden. Es würde Tolemek nicht überraschen, wenn er erfahren würde, dass es ursprünglich Kaikas Idee gewesen war und dass Angulus es in Auftrag gegeben hatte, zumindest teilweise, um sie glücklich zu machen. Er hatte es erst spät bemerkt, aber sie waren schon seit vielen Monaten ein Liebespaar. Ein ungleiches Paar, dachte er, aber wer hätte schon gedacht, dass er, ein ehemaliger Cofah-Militäroffizier und alchemistischer Pirat, sich in eine iskandische Kampfpilotin verlieben würde?

„Captain Kaika hat schon viele Luftschiffe und Menschen mit ihren Werkzeugen in die Luft gejagt“, sagte Cas.

„Darin scheint sie sehr geschickt zu sein. Der König hat bei mir auch weitere Heil- und Brandsalben bestellt, außerdem ein Gleitmittel, das ich zufällig erfunden habe und das sich für die Wartung von Dampffahrzeugen als nützlich erwiesen hat. Über einen Mangel an Arbeit kann ich mich nicht beklagen. Außerdem erhalte ich viele Bestellungen für meine Körperpflegeprodukte.“

„Die Pickelcreme?“ Cas lächelte wieder.

Tolemek sah dieses Lächeln gerne und freute sich, dass es in letzter Zeit häufiger zu sehen war. Sie schien sich zumindest teilweise von der versehentlichen Tötung eines ihrer Pilotenkollegen im Frühjahr erholt zu haben, aber sie war immer noch oft bedrückt und nachdenklich. Selbst wenn sie Witze machte, war ihr Tonfall so ernst, dass sich Tolemek nicht immer sicher war, ob es wirklich Witze waren.

„Die Porenreinigungstinktur Nummer 2 erweist sich tatsächlich als wirksam.“

„Das habe ich von Leutnant Pimples gehört. Wir müssen ihm vielleicht bald einen neuen Spitznamen geben.“

„Ich bin überrascht, wie schnell sich das unter den Studenten und jungen Soldaten herumgesprochen hat. Das hat zu einer großen Zahl an Bestellungen geführt. Ich gerate mit der Produktion immer mehr ins Hintertreffen und habe für die Erfindung neuer Substanzen nicht mehr viel Zeit, was, wie du weißt, meine Leidenschaft ist. Auch wenn es an und für sich nicht profitabel ist. Für keinen anderen als den König hätte ich mir die Zeit genommen, daran zu arbeiten.“ Tolemek schwenkte das Gemisch, während er es umrührte. „Ich habe darüber nachgedacht, einen Assistenten einzustellen. Ich nehme nicht an, dass du daran interessiert bist, dein Amt niederzulegen und für mich zu arbeiten?“

„Dein klebriges Zeug umrühren?“

„Es abfüllen. Etiketten erstellen, Bestellungen entgegennehmen, im Laden aufräumen.“

Wieder rümpfte sie die Nase.

„Erzähl mir nicht, dass du jetzt bei der Arbeit nicht aufräumen musst. In der Cofah-Armee musste ich Böden polieren, Latrinen schrubben und Rasen schneiden. Beim iskandischen Militär scheint es mir nicht wirklich anders zu sein.“

„Ja, aber wir dürfen fliegen, nachdem wir aufgeräumt haben. Vielleicht möchte Tylie mithelfen und etwas Geld dazuverdienen.“

„Im Herbst beginnt sie zusätzlich zu ihrer Ausbildung bei Ardelle eine formale Schulausbildung in der Stadt. Was eigentlich eine typische Cofah-Ausbildung sein sollte, wurde durch die Jahre, die sie in der Anstalt verbrachte, unterbrochen. Ich lasse sie ab und zu ein paar Aufgaben erledigen, damit sie ein bisschen Geld verdienen kann.“ Tolemek drehte sich um und zog ein Etikett aus einem Stapel in den Regalen hinter ihm. „Sie hat die Vorlage für das hier entworfen.“

Cas kam zu seiner Seite des Tisches und betrachtete das Bild, einen Wasserfall, der von den schneebedeckten Eisklingen in einen unberührten Teich im Wald floss. Unten auf dem Bild stand Porenreinigungstinktur Nummer 2.

„Das ist mit Abstand das schönste Pickelcreme-Etikett, das ich je gesehen habe“, sagte Cas.

„Du magst es nicht besonders den richtigen Namen für meine Formeln zu verwenden, nicht wahr?“

Sie lächelte wieder. „Ich habe dir gesagt, dass ich die richtigen Namen verwenden werde, wenn du anfängst, interessantere und kreativere Namen zu benutzen.“

„Klar zu sein ist besser als kreativ zu sein.“

„Äh, ja. Setz einen Marketingchef auf deine Liste der Menschen, die du einstellen willst.“

„Die Verkäufe explodieren. Ich glaube kaum, dass ich Hilfe beim Marketing brauche.“

„Ich nehme an, es hilft dir, dass die einzige Konkurrenz da draußen, die Haut- und Gesichtsbehaarung mehr wegätzt als dass sie Pickel entfernt.“

„Weißt du das aus Erfahrung?“ Tolemek kannte Cas nur mit reiner Haut, die Sommersprossen auf Nase und Wangen nicht mitgezählt.

„In einem Sommer im Ferienlager haben mich die Jungs, mit denen ich an Schießwettbewerben teilnahm, gehänselt, ich habe Zielscheiben im Gesicht.“

„Ich nehme an, du hast dich gerächt, indem du sie beim Schießen übertroffen hast.“

„Das habe ich allerdings. Außerdem hielt ich es für eine gute Idee, mich in das Zelt der Jungs zu schleichen und Honig in die Stiefel des Anführers zu leeren. In der Hoffnung, dass ein Bär sie mitten in der Nacht besuchen würde.“

„Hat es funktioniert?“ Tolemek hätte nicht gedacht, dass seine reife Pilotin schon im Teenageralter solche Streiche gespielt hatte.

„Nicht ganz. Ich wusste nicht, dass einer der Ausbilder auch in diesem Zelt geschlafen hat. Er war derjenige, der sich am meisten vor dem Bären erschrocken hat, als der sich hineindrängte. Er rannte schreiend hinaus, stolperte, rollte einen Hügel hinunter und brach sich den Arm. Niemand wusste, wer den Honig in das Zelt geschmuggelt hatte, aber ich fühlte mich zu schuldig, um mehr als zwei Stunden zu schmoren, bevor ich zum leitenden Ausbilder rannte und alles gestand. Das führte zu einem strengen Brief an meinen Vater und als ich nach Hause kam zu einer langen Belehrung, in der er mir mitteilte, dass es egal sei, was die Witzbolde von mir denken würden und dass ich Beleidigungen nicht mit Beleidigungen vergelten sollte. Oder Beleidigungen mit Streichen.“

„Und daran hast du dich seitdem gehalten?“ Tolemek hatte seinen eigenen Vater nicht geliebt, vor allem, nachdem er Tylie in dieses Sanatorium gesteckt hatte, aber er dachte, den humorlosen Ahnsung als Vater zu haben, wäre noch schlimmer gewesen.

„Ich denke schon.“ Cas reichte ihm das Etikett zurück. „Bist du zum Abendessen zuhause? Ich kann auf dem Weg dorthin etwas aus dem Dakrovian Deli mitnehmen.“

Zuhause. Als er hörte, wie sie das kleine Haus, das sie gemietet hatten, mit diesem Wort bezeichnete, wurde ihm warm ums Herz. Sie lebten schon fast den ganzen Sommer zusammen, und er fand die häusliche Beschaulichkeit immer noch reizvoll. Ihm war gar nicht bewusst, wie sehr er etwas so Einfaches wie ein gemeinsames Zuhause mit einem anderen Menschen genießen konnte. Das Herumfliegen auf Luftschiffen voller schmuddeliger Piraten hatte ihn nicht gerade mit einem Gefühl von häuslichem Glück erfüllt.

In letzter Zeit ertappte er sich dabei, dass er sich fragte, wie es wohl wäre, Kinder zu haben, die im Haus herumtrampelten und im Garten Ball spielten. Er hatte das Thema gegenüber Cas noch nicht angeschnitten. Sie hatten noch nicht einmal richtig über die Ehe gesprochen. Er wusste, dass sie ihre Karriere mochte und sie wahrscheinlich nicht aufgeben würde, um zu Hause zu bleiben und Kinder großzuziehen, also hatte er gezögert, darüber zu sprechen.

„Tolemek? Willst du etwa über die Vorzüge von aufgeschnittenem Rindfleisch im Vergleich zu traditionellen Alligatorensteaks von Dakrovian diskutieren?“

„Tut mir leid, nein. Das Deli ist eine gute Idee. Vielleicht kann ich, sobald ich einen Assistenten habe, ein paar Tage in der Woche früher gehen und versuchen, uns selbst ein Essen zu kochen.“ Es amüsierte ihn ein wenig, dass keiner von ihnen jemals die gemeinsamen Mahlzeiten zubereitete. Als Cas noch ein Kind gewesen war, hatte ihr Vater ein Dienstmädchen, einen Koch und einen Butler beschäftigt, und Cas hatte gesagt, er habe es für wichtiger gehalten, ihr den Umgang mit Waffen, anstatt mit Messbechern beizubringen. „Meine Mutter hat mir schon vor langer Zeit einige der Grundlagen gezeigt“, fügte er hinzu. „Sie hat versprochen, dass ich mich bei den Frauen beliebt machen würde, wenn ich wüsste, wie man Mahlzeiten zubereitet.

„Nun, ich habe deine Sandwiches gegessen.“

Eines davon war mit einem von ihm zusammengebrauten Wahrheitsserum versetzt gewesen. Sie verzogen gleichzeitig das Gesicht und er war sich sicher, dass sie gerade beide daran hatten denken müssen.

„Das habe ich nicht selbst gemacht“, sagte er. „Das war mein Captain. Aber vielleicht wäre ein deftiger und würziger Ergrotten-Eintopf schmackhafter. Ich brauche einfach einen freien Tag, denn es dauert lange, ihn zu kochen.“

Er schwor sich, irgendwann mal einen Tag frei zu nehmen. Seltsam, dass er jetzt, wo er selbstständig war, länger arbeitete als zu seiner Armeezeit.

„Dann freue ich mich schon darauf.“ Cas neigte ihren Kopf in Richtung Tür. „Ich lasse dich mit deiner Arbeit allein. Spreng dich nicht in die Luft. Und lass dich auch nicht dabei erwischen, wie du wieder achtlos giftige Dämpfe einatmest. Ich habe gehört, dass das die Eier eines Mannes verkümmern lassen kann.“

„Meine Eier sind so kräftig und robust wie mein Ergrotten-Eintopf.“

Sie warf ihm einen seltsamen Blick zu und er beschloss, dass das nicht der beste Vergleich gewesen war.

„Ich wollte damit nur sagen, dass meine unteren Regionen gesund und der Aufgabe gewachsen sind, sollte es jemals nötig sein, Kinder zu zeugen.“

„Ich schätze, das ist gut zu wissen.“

„Das Wissen beruhigt mich.“ Zugegeben, er konnte nicht wirklich wissen, ob alles der Aufgabe gewachsen war, Kinder zu zeugen, bis sie es versuchten. Falls sie es versuchten. So hatte er das Thema nicht unbedingt ansprechen wollen, aber vielleicht wäre es gut zu wissen, ob sie jemals dafür offen sein würde. „Für den Fall, dass du – ähm, wir uns jemals entscheiden, Kinder zu haben.“

Sie rümpfte ihre Nase. Sie hatte eine ausdrucksstarke Nase. Leider war er sich nicht sicher, was sie dieses Mal ausdrücken sollte. Abneigung gegen die Idee? Zweifel daran, dass sie Zeit für die Kindererziehung finden würden? Zweifel an seiner Fruchtbarkeit, nachdem er so viele Abgase eingeatmet hatte?

„Ich habe nicht geplant, Kinder zu bekommen“, sagte Cas.

„Niemals? Oder nur erstmal nicht?“

Er konnte verstehen, dass sie noch nicht so weit war, denn sie war einige Jahre jünger als er, auch wenn sie oft die reifere in ihrer Beziehung war. Er konnte sich aber nur schwer vorstellen, dass er nie Kinder haben wollte. Wenn man einen Lebenspartner gefunden hatte, war es dann nicht normal, irgendwann Kinder haben zu wollen? Ihr genetisches Material zu vermischen, um ein Wesen zu schaffen, das aus ihnen beiden hervorging?

„Niemals. Tut mir leid, Tolemek, aber ich habe keine mütterlichen Instinkte. Ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn Kinder mit mir reden, und wenn ich ein Baby weinen höre, möchte ich am liebsten weglaufen, anstatt hinzueilen und es zu beruhigen.“

„Ah.“

Er wusste nicht, was er noch sagen sollte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie die Idee völlig ausschließen würde.

„Willst du Kinder?“, fragte Cas und ein Hauch von Misstrauen trat in ihre Augen.

„Ich weiß, es mag seltsam klingen, angesichts der Piratenkarriere, in der ich steckte, als wir uns kennenlernten – einer ausgesprochen frauenlosen Piratenkarriere –, aber als ich ein jüngerer Mann war, habe ich mir immer vorgestellt, eines Tages Kinder zu haben. In Tanglewood habe ich aufgehört, darüber nachzudenken, ob ich überhaupt ein glückliches Leben verdiene.“ Er zuckte mit einer Schulter. „Aber jetzt, wo wir schon eine Weile zusammenleben, sind diese elterlichen Gefühle wieder da, das gebe ich zu.“

„Oh.“

Tolemek gefiel der flache Tonfall nicht. Sie klang nicht enttäuscht – nicht wirklich –, aber sie klang, als wüsste sie nicht, was sie sagen sollte.

„Wir müssen jetzt nicht darüber reden.“ Tolemek, der merkte, dass er seinem Gebräu nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt hatte, beeilte sich, es umzurühren und die Seiten des Tiegels abzukratzen. Er hatte noch nicht die volle Menge des explosiven Elements hinzugefügt, das die Verbindung vervollständigen würde, aber er hatte etwas davon hineingeschüttet. Er wollte nicht, dass es überhitzte und in seinem Labor explodierte. Oder sein Labor in die Luft jagen.

„In Ordnung“, sagte Cas langsam, „aber du musst wissen, dass ich nicht vorhabe, meine Meinung zu ändern. So ungern ich es auch zugebe, aber ich scheine in vielerlei Hinsicht das Kind meines Vaters zu sein. Ich glaube, ich wurde ohne denTeil geboren, der Kinder großziehen möchte.“

Tolemek hielt sich selbst davon ab, ihr zu sagen, dass sie vielleicht eines Tages anders denken würde, dass sich die Dinge für sie vielleicht ändern würden, wenn sie älter würde. Er wollte nicht versuchen, sie zu etwas so Großem wie Kinderkriegen zu überreden. Er fand es einfach … enttäuschend zu erfahren, dass es vielleicht nie passieren würde.

„Tut mir leid“, sagte sie wieder.

Ihr Gesichtsausdruck wurde düster und er wünschte, er hätte etwas gesagt, anstatt schweigend auf seinen Arbeitstisch zu starren.

„Es muss dir nicht leidtun“, sagte er. „Das ist nichts, wofür du dich entschuldigen solltest. Ich wusste nur nicht, was ich sagen soll.“

„Könntest du bei jemandem bleiben, der keine Kinder will?“, fragte sie leise.

Könnte er das? Er konnte sich nicht vorstellen, ihre Beziehung deswegen zu beenden, nicht, wenn er gerade daran dachte, wie sehr er das Leben mit ihr genoss, aber das war heute. Würde er in einem Jahr noch genauso empfinden? In fünf Jahren? Bis dahin würden Zirkander und die anderen Männer, die er seit seiner Ankunft in Iskandia kennengelernt hatte, zweifellos selbst Kinder haben.

„Ich verstehe“, sagte Cas, die vielleicht zu viel hineininterpretierte, als er nicht sofort antwortete.

„Cas, ich denke nur nach. Ich wollte nichts andeuten.“

„Wenn du diese Frage nicht mit einem klaren Ja beantwortest, bedeutet das schon etwas. Ob du es nun wolltest oder nicht.“ Ihr Gesicht war jetzt verschleiert, unmöglich zu lesen, aber er glaubte, in ihrem Tonfall eine Verletzung zu erkennen.

Sie drehte sich um und ging auf die Tür zu.

„Cas, warte.“

Tolemek lief um den Tresen herum, aber sie verschwand im Gang, ohne sich umzudrehen. Er stieß mit der Hüfte an die Ecke des Tisches, als die Tür zuging. Der Schmelztiegel polterte bedrohlich auf dem Brenner. Er sprang zurück und hielt ihn fest, aber nur für eine Sekunde. Dann eilte er erneut um den Tisch und rannte Cas hinterher.

Aber als er die Tür öffnete, war sie bereits aus dem Gang verschwunden. Er hörte nicht einmal ihre Schritte auf der Treppe. Bei den sieben Göttern, war sie mit Höchstgeschwindigkeit davongesprintet?

Er lehnte seinen Kopf gegen den Türpfosten. Warum hatte er diesen Moment gewählt, um von Kindern zu sprechen? Und warum hatte er gezögert, als sie nach ihrer gemeinsamen Zukunft gefragt hatte? Er wollte nicht lügen, aber er wünschte, er hätte es geschafft, etwas zu sagen, das nicht andeutete, dass er sie eines Tages verlassen würde. Er wünschte …

Ein leises Klirren kam aus dem Treppenhaus, und er hob den Kopf.

Vielleicht war Cas zurückgekommen, um ihm eine zweite Chance zu geben, sich zu erklären. Aber hatte sie etwas getragen, das klirren könnte?

Eine bronzene Kugel flog aus Richtung Treppe durch die Luft. Sie klirrte, als sie auf den Dielen aufprallte und weiter in seine Richtung rollte.

Sein erster Gedanke war, dass einer der Erfinder im gemeinsamen Laborgebäude etwas gebaut hatte, das er gerade ausprobierte. Sein zweiter Gedanke war, dass jemand eine Waffe warf, eine Waffe, die für ihn bestimmt war.

Angesichts seiner Vergangenheit und all der Menschen, die ihn gerne tot sehen würden, war diese Möglichkeit zu real, um sie zu ignorieren. Er sprang zurück in sein Labor und knallte die Tür zu.

In der Annahme, den donnernden Knall einer Explosion zu hören, rannte er zu seinem Schreibtisch. Seit dieser labile Colonel Therrik in sein Labor gestürmt war und ihn angegriffen hatte, bewahrte Tolemek eine Schusswaffe in seinem Labor auf.

Bevor er sie erreichte, ertönte ein lautes Zischen aus dem Gang. Er stürzte sich auf die Schublade und riss sie auf. Als er die Pistole zog, stieg ihm der Geruch von faulen Eiern in die Nase. Grüner Rauch kräuselte sich unter der Tür in den Raum.

Tolemek widerstand dem Drang zu fluchen – dazu bräuchte er Luft. Stattdessen hielt er den Atem an und lief zu einem Schrank mit Filtermasken. Auf dem Weg dorthin schaltete er eine Abzugshaube über einem Arbeitsplatz ein, in der Hoffnung, dass sie den Rauch nach oben und nach draußen ziehen würde.

Die Tür knallte auf, und Männer mit bunten Masken und fransigen Kapuzen stürmten herein. Trotz der albernen Kopfbedeckung trugen sie Waffen.

Tolemek feuerte auf die Tür, während er sich hinter den Schrank stürzte, den er eigentlich hatte öffnen wollen. Jemand fluchte, seine Stimme wurde von seiner Maske gedämpft. Tolemek erkannte die Sprache nicht. Was zur Hölle war hier los?

Schüsse fielen, Kugeln schlugen in die Rückwand ein, und er war froh, dass er in Deckung gegangen war. Aber was jetzt? Er konnte nicht ewig die Luft anhalten, und er konnte nicht in den Schrank mit den Masken greifen, während die Leute auf ihn schossen.

Er lehnte sich vor, um zu schießen, aber er sah die Läufe von vier Pistolen auf sich gerichtet und wich zurück. Die Angreifer feuerten erneut. Die Becher aus Glas zersplitterten, Scherben fielen auf den Boden.

Tolemek klopfte auf der Suche nach Inspiration seinen Körper ab, aber er hatte keines seiner Präparate dabei. Jetzt wünschte er sich, er hätte zu den Phiolen mit den K.-o.-Tropfen gegriffen statt zu der Waffe.

Er betrachtete sein dampfendes Präparat auf dem Brenner, der zehn Fuß entfernt stand. Es hätte genauso gut zehn Meilen entfernt sein können.

Jemand bellte etwas in der fremden Sprache. Tolemek vermutete, dass es das Äquivalent zu „Schnappt ihn euch“ war.

Da seine Lungen brannten, musste er etwas unternehmen. Er befürchtete, dass diese Leute ihn tot sehen wollten, und nicht hier waren, um ihn zu verhören oder gefangen zu nehmen.

Er ging in die Hocke und achtete darauf, dass kein Teil seines Körpers zu sehen war, dann streckte er seine Pistole aus und feuerte zwei Mal. Als seine Feinde – wie er hoffte – in Deckung gingen, sprang er hinter dem Schrank hervor. Gebückt lief er zwei Schritte und versteckte sich hinter dem Arbeitstisch.

Pistolen wurden abgefeuert, Bodenfliesen zersplitterten als die Kugeln von ihnen abprallten. Etwas brannte an Tolemeks Fußsohle. Hatte eine Kugel ein Loch in seine Schuhsohle gebohrt?

Er zog seine Beine an sich heran. Seine Lungen rangen nach Luft und fühlten sich an, als würden sie bald explodieren, aber er wagte nicht einzuatmen. Der grüne Rauch vernebelte jetzt das ganze Labor, der Ventilator konnte ihn nicht schnell genug bekämpfen.

Er griff nach dem Schmelztiegel, aber etwas schlug gegen seine Hand. Im ersten Moment dachte er, der Tiegel sei gegen ihn gefallen und die explosive Knetmasse würde sich auf seinen Kopf ergießen.

Erschrocken riss er seine Hand weg und wich zurück. Etwas, das sich wie ein Spinnennetz anfühlte und auch so aussah, hatte sich um seine Finger gewickelt. Verwirrt krabbelte er noch weiter zurück, ließ seine Pistole fallen und versuchte, die Substanz abzureißen. Sobald er sie berührte, erkannte er seinen Fehler und fluchte innerlich.

Idiot. Das Zeug war so klebrig, dass seine Finger nun am Handrücken der anderen Hand klebten. Er konnte die Pistole nicht mehr aufheben.

Nicht, dass er sie überhaupt hätte finden können. Durch den Sauerstoffmangel wurde es vor seinen Augen immer schwärzer. Er stieß mit den Schultern gegen den Tresen hinter ihm und sein angehaltener Atem entwich. Seine Instinkte setzten sich über seinen Verstand hinweg und er sog die Luft ein.

Eine braun gekleidete Gestalt erschien und trat um die Ecke des Arbeitstisches. Der Kapuzenmann warf einen Blick auf den immer noch schwelenden Schmelztiegel. Tolemek hoffte vergeblich, dass der unbeaufsichtigte Brenner die darin befindliche Substanz überhitzen und in die Luft gehen würde. Es könnte sich lohnen, sein Labor zu vernichten, wenn die Explosion alle diese … wer auch immer sie waren, mit vernichten würde.

Die Gestalt kam auf ihn zu. Tolemek versuchte aufzuspringen, denn er war sich sicher, dass er gleich erschossen werden würde.

Aber seine Beine waren gummiartig geworden, er stolperte und fiel zurück auf den Boden. Was auch immer dieser Rauch war, er wirkte bereits. Verdammt noch mal!

„Cas!“, versuchte er zu schreien, aber es kam nur ein heiseres Krächzen heraus.

Der Mann hielt eine Pistole auf Tolemeks Gesicht. Aber er schoss nicht. Er deutete mit dem Kinn in Richtung Tolemek, während er etwas in seiner Sprache sagte. Zwei weitere Männer stürmten vor, der grüne Rauch wirbelte um sie herum, und Tolemek erkannte, dass sie Filter in ihren auffälligen Masken haben mussten. Es sei denn, ein Zauber schützte sie.

Die Männer spannten ein Netz zwischen sich auf.

Tolemek, dessen Gliedmaßen nicht mehr auf seine mentalen Befehle reagierten, konnte nur starren, als es sich über ihn senkte. Das Letzte, dessen er sich bewusst war, war, dass er wie ein Huhn gefesselt zwischen zwei Männern hochgehoben wurde. Dann wurde die Welt schwarz.

Kapitel 2

„Mache ich es richtig, Ardelle?“, fragte Tylie.

„Hm?“ Ardelle sah von der Zeitung auf, die sie mit zunehmender Besorgnis durchgeblättert hatte. Herrliches Spätsommerlicht fiel in den Garten und erwärmte bereits die Morgenluft, während sie am Picknicktisch saß und ihren gewürzten Orangentee trank. Tylie übte sich in der Nähe in ihren aufkeimenden Schwebefähigkeiten, während die Katze Spots im Haus nach Mäusen schnüffelte. Es hätte ein entspannter und angenehmer Start in den Tag sein sollen, aber die Gesellschaftskolumne machte deutlich, dass es keiner war.

„Ich habe den Stein zweimal über Phel hin- und herschweben lassen, ohne dass er es bemerkt hat“, sagt Tylie.

Ich habe es bemerkt, aber es war mir einfach egal. Phelistoth lag ausgestreckt auf dem Rasen und nahm den größten Teil des Gartens ein. Die Sonne glitzerte auf seinen silbernen Schuppen, während die Spitze seines Schwanzes ab und zu im Gras zuckte. Er sah in dem Sonnenlicht aus wie eine Katze. Eine sehr große Katze in Form eines Drachen. Du brauchst deine Hand nicht auszustrecken oder irgendeine Geste zu machen, wenn du deine Kraft abrufst, Tylie. Es ist eine mentale Fähigkeit. Es ist nicht nötig, menschliches Flair hinzuzufügen.

„Ich mag Flair.“ Tylie lächelte und schien nicht verärgert über den Hinweis des Drachen, obwohl sie ihren Arm senkte.

„Meiner Meinung nach machst du es richtig, wenn du den Stein nicht auf deinen großen, geschuppten Freund fallen lässt“, sagte Ardelle und lächelte ebenfalls, obwohl ihr Blick unweigerlich zur Zeitung zurückkehrte.

Als ob ich das zugelassen hätte, sprach Phelistoth mit einer Art hochmütigem Schnaufen in ihre Gedanken.

Ich weiß nicht, warum du dir wegen dieses dummen Zeitungsartikels Sorgen machst, sagte Jaxi zu Ardelle, die sie anscheinend beim Lesen von dem Regal aus beobachtet hatte, an dem sie und Wreltad, Tylies neue Seelenklinge, im Wohnzimmer hingen.

In der Tat, fügte Wreltad hinzu. Grat macht sich bestimmt keine Sorgen darüber, was die Journalisten in eurer Stadt über ihn berichten.

Ich bin so froh, dass ihr beide mich sogar vom Haus aus ausspionieren könnt. Ardelle verdrehte die Augen. Die Geste galt allerdings eher der Zeitung als den Seelenklingen, obwohl sie sich heute Morgen generell nicht gut fühlte.

Spionieren? fragte Wreltad. Wir beobachten nur, was im Haus vor sich geht. Ich muss Tylies Ausbildung beaufsichtigen, um sicherzustellen, dass sie angemessen voranschreitet.

Und ich kann unmöglich spionieren, sagte Jaxi. Du bist meine Trägerin. Wir sind miteinander verbunden. Es gibt keine Geheimnisse zwischen uns.Außerdem war es interessanter, die Zeitung zu lesen, als diese Schrottkiste von einer Couch anzustarren. Ich kann immer noch nicht glauben, dass du dachtest, dieser Raum wäre ein guter Ort, um mich aufzuhängen.

Du hast keine Augen. Was macht das schon?

Ich habe meine Sinne, Ardelle. Meine Güte.

Ardelle schob die Zeitung beiseite, unfähig, noch mehr von dem Gefasel zu lesen. Es war das vierte Mal, dass dieselbe Journalistin angebliche Beweise sammelte und darüber berichtete, dass Ardelle ihre „hexerischen“ Kräfte einsetzen würde, um den begehrtesten Junggesellen der Hauptstadt zu zwingen, sie zu heiraten.

Welche Beweise sie hatte, konnte sich Ardelle nicht vorstellen. Die Journalistin war jedenfalls nie gekommen, um mit ihr zu sprechen. Allerdings hatte die Frau, wie Grat in der Woche zuvor erwähnt hatte, ihn beim Verlassen der Armeefestung erwischt und mit allen möglichen Fragen gelöchert. Sie hatte sogar die Dreistigkeit besessen, eine mit Federn bedeckte Attrappe eines „Magiedetektor“ zu zücken, mit dem man angeblich feststellen konnte, ob eine Person von einem Geist besessen war oder unter dem Einfluss eines Magiers stand.

Ardelle brauchte das Gerät nicht zu sehen, um zu wissen, dass es eine Täuschung war. Sie konnte sich vorstellen, wie die Journalistin um Grat herumgeschwirrt und den Detektor als Vorwand benutzt hatte, um ihn zu berühren. Vielleicht hatte sie sich ein paar Mal sehr dicht an seine Uniform gedrückt. Ardelle biss die Zähne zusammen.

So ist es nicht gewesen, sagte Jaxi trocken. Teilst du keine Erinnerungen mit deinem Seelentröster?

Ich bin mir sicher, sie wollte, dass das passiert.

Trotzdem hat Grat die Frau den Wärtern am Tor übergeben und ihnen gesagt, sie sollen sie festhalten, bis sie jemanden gefunden hätten, der den so genannten Magiedetektor gründlich überprüfen könnte. Er sagte, dass er sich vielleicht irren würde, aber er glaubte, etwas Ähnliches in Cofahre gesehen zu haben, und befürchtete, dass das Gerät Informationen an das Imperium weitergeben könnte, ohne dass die Journalistin davon wusste. Dann schritt er davon und ließ die armen jungen Wärter verwirrt zurück. Der eine hielt den Detektor eine Armeslänge entfernt zwischen zwei Fingern, während der andere unsicher den Arm der Frau hielt und sagte, sie müsse bei ihnen bleiben, bis ihre Vorgesetzten kämen, um mit ihr zu sprechen.

Ich weiß, Jaxi. Er hat mir die Geschichte erzählt. Und ich liebe ihn dafür, dass er so …

Verlogen ist?

Er hat nur gelogen, um mich zu schützen. Und um den Klauen der Frau zu entkommen. Dafür liebe ich ihn.

Und er liebt dich, wahrscheinlich wegen mir und der Art und Weise, wie sich mein beruhigender Einfluss positiv auf dich auswirkt.

Ardelle schnaubte.

Warum machst du dir dann Sorgen wegen der Zeitungen? Der König hält dir den Rücken frei, Grat hält dir den Rücken frei und was am wichtigsten ist, ich halte dir den Rücken frei. Wäre ich dabei gewesen, hätte ich diese lächerliche Vorrichtung verbrannt. Und möglicherweise auch die Haare der Frau.

Ich dachte nur, wir hätten all diese albernen Zeitungsgeschichten hinter uns. Albern? Lästig war das Wort, das Ardelle hätte benutzen sollen. Im letzten Frühjahr, als wir beide der Armee geholfen haben, die schwimmende Cofah-Festung zu zerstören, hat Angulus öffentlich verkündet, dass ich eine Verbündete Iskandias bin und dass jeder, der versucht, mir Schaden zuzufügen, mit aller Härte bestraft wird.

Technisch gesehen schaden dir die Zeitungsjournalisten nicht, meint Jaxi.

Sie schaden meinem Ruf. Niemand wird mehr zu mir kommen wollen, um sich heilen zu lassen oder, wenn er selbst Drachenblut hat, um Unterricht zu nehmen. Neben Tylie hatte Ardelle jetzt vier junge Schüler, aber die neuen waren alle im schulpflichtigen Alter und kamen nur ein paar Abende in der Woche, um Magie zu lernen. Bisher hatten ihre Eltern keine Bedenken wegen der Skandalgeschichten geäußert, zumindest nicht gegenüber Ardelle, aber sie machte sich Sorgen, dass dies ein Thema werden könnte. Und außerdem, Jaxi, ist es einfach so ärgerlich. Ich könnte speien.

Unwahrscheinlich. Es gibt Zeugen, und du bist viel zu damenhaft dafür.

Ardelle schaute sich, nicht besonders besorgt um die anwesenden Zeugen, im Garten um. Phelistoths Augen waren geschlossen, und sie war sich ziemlich sicher, dass sein tiefes Atmen ein Zeichen dafür war, dass er schlief, wenn nicht sogar das Drachenäquivalent eines Schnarchens zu hören war. Tylie, barfuß und in einem mit Farbe bespritzten Kleid, hatte ihre Zunge im Mundwinkel stecken, während sie sich darauf konzentrierte, den glatten Stein über Phelistoth hin- und herschweben zu lassen. Ardelle bezweifelte, dass einer der beiden sie für nicht damenhafte Handlungen wie das Zerknüllen der Zeitung zu einem Ball und das Wegwerfen in den nahen gelegenen Teich verurteilen würde.

Da ich weniger damenhaft bin, würde ich an deiner Stelle ausspeien, bot Jaxi an. Wenn ich Speichel hätte.

Du bist eine gute Freundin.

Natürlich. Deshalb sollte man von meinem Schwertständer auch Blumen oder einen Garten der Ruhe sehen und nicht eine Couch aus zerschossenen Fliegerteilen. Mit kotzfarbenen Polstern.

Wir haben keinen Garten der Ruhe. Und ein Drache hat wieder die Blumen im Vorgarten zertrampelt.

Diese Drachen sind schwerer, als sie aussehen. Jaxi machte ein räusperndes Geräusch in Ardelles Kopf, ein überraschend zurückhaltendes Geräusch. Lässt du dich von diesem Zeitungsdrama vielleicht mehr als sonst beeinflussen, weil du dich in einem … veränderten Zustand befindest?

Ein veränderter Zustand?

Ja, du hast noch nicht mit mir darüber gesprochen, aber da wir miteinander verbunden sind, weiß ich natürlich von Dingen, die du anderen noch nicht erzählt hast. Einschließlich Grat. Die letzten beiden Worte schienen einen Hauch von Vorwurf zu enthalten.

Ardelle stützte ihren Ellbogen auf den Tisch und legte ihre Stirn in die Hand.

Du bist doch nicht verzweifelt, oder? fragte Jaxi. Jetzt, wo du mit einem Mann zusammen bist, den du liebst und der dich liebt, scheint das eine ganz natürliche Sache zu sein. Nicht, dass ich damit einverstanden gewesen wäre, wenn du mich gefragt hättest. Babys sind chaotisch. Laut. Stinkend. Laut. Anspruchsvoll. Und laut.

Hast du Angst, dass der Lärm es dir schwer macht, dich zu entspannen und die Aussicht im Wohnzimmer zu bewundern?

Jetzt machst du dich über mich lustig.

Ardelle legte eine Hand auf ihren Bauch, um das winzige Leben zu spüren, das in ihrer Gebärmutter zu wachsen begonnen hatte. Sie schätzte, dass es in der sechsten oder siebten Woche und etwa zu der Zeit gezeugt worden war, als sie Grat einen Heiratsantrag gemacht hatte – und umgekehrt. Vielleicht war es sogar in dieser Nacht gewesen. Sie war etwas abgelenkt von der Tatsache, dass sie ihren Heiratsantrag auf einem tausend Fuß hohen Steinbogen im Krummen Canyon feierten – seinem Traumort für ein solches Ereignis, dem sie zugestimmt hatte, obwohl ihr ein Abendessen in einem netten Restaurant in der Stadt besser gefallen hätte.

Jaxi war da und bereit gewesen, magische Schwebehilfe zu leisten, wenn sie oder Grat von der Decke gerollt wären, die auf der flachen Stelle an der Spitze des Bogens ausgebreitet gewesen war, aber Ardelle war dennoch wegen der Höhe besorgt gewesen und hatte sich nicht darauf konzentriert, zu verhindern, dass bestimmte Dinge danach Wurzeln schlugen. Und weil sie Grat schon Monate zuvor gesagt hatte, dass sie das mit ihren magischen Kräften tun konnte und dass sie keine Verhütungsmittel benutzen mussten, hatten sie das auch nicht getan. Es hatte einige Tage gedauert, bis sie merkte, dass sie nach dem Geschlechtsverkehr nicht so gründlich gewesen war, wie sie hätte sein sollen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie überlegt, ob sie den Prozess fortsetzen sollte oder nicht, allerdings nicht lange. Auch wenn es noch sehr früh war, konnte sie sich nicht vorstellen, das Leben, das sie geschaffen hatten, zu beenden.

Sie hatte nur noch nicht herausgefunden, wie und wann sie es Grat sagen sollte. Als sie das letzte Mal über Kinder gesprochen hatten, war er erschrocken und sogar beunruhigt über die Vorstellung gewesen, selbst Vater zu werden, und hatte behauptet, dass er aufgrund seiner wilden Vergangenheit kein geeignetes Vorbild sei. Sie glaubte, dass sie kurz davor war, ihm das auszureden, indem sie ihm versprach, dass es nur darauf ankäme, was er nach der Geburt des Babys tun würde, und nicht darauf, was für ein Mann er zehn oder zwanzig Jahre zuvor gewesen war, aber dann hatten sie gegen Morishtomaric gekämpft und Grat war von der Magierin gefangen genommen worden. Seitdem hatten Ardelle und Grat nicht mehr über Kinder gesprochen, und sie machte sich Sorgen, wie er reagieren würde. Würde er eine so drastische Veränderung in seinem Leben wirklich begrüßen? Vor allem jetzt, wo er sich noch an seine neuen Pflichten und Verantwortungen als General gewöhnen musste und sie nicht sicher waren, dass friedliche Zeiten bevorstanden?

Gib ihm eine Chance, Ardelle, schlug Jaxi vor. Auch wenn er anfangs verblüfft reagieren wird, glaube ich, dass er auf lange Sicht begeistert sein wird. Er ist ein guter Mann. Sonst hätte ich dir nicht erlaubt, dich in ihn zu verlieben.

Du hättest es nicht erlaubt?Ich glaube, du warst unter Tausenden Tonnen Berg begraben, als ich mich das erste Mal in ihn verliebt habe.

Ich hätte meinen Einfluss geltend machen können, wenn es nötig gewesen wäre.

Ich …

Ein Schrei kam von der Seite des Hauses, und Ardelle wäre fast von der Picknickbank gefallen. Sie sprang auf und wirbelte in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war, während sie ihre Sinne ausstreckte.

Oje.

Grats Mutter, Fern, eine Frau, die weder an Magie noch an Drachen glaubte, stand auf dem Weg neben dem Haus, einen Korb mit Gemüse in der einen Hand und an die Brust gepresste Mappen in der anderen, während sie Phelistoth anstarrte. Tylie verlor die Konzentration, ihr Stein krachte auf den Boden. Erschrocken starrte sie Fern an. Phelistoth hob für ein paar Sekunden ein Augenlid, dann schloss er es wieder, ohne auf die Alarmrufe der Menschen zu achten.

„Fern.“ Ardelle eilte auf sie zu, während sie nach Worten der Erklärung suchte.

Monatelang hatte sie sich Sorgen gemacht, dass Fern erfahren würde, dass sie eine Magierin war – und dass es Magie gab –, wenn sie die Zeitung las oder von Ardelles Heldentaten in einer der Schlachten zur Verteidigung der Stadt hörte. Sie hätte sich nie vorstellen können, dass Fern einfach in den Garten gehen und Tylie entdecken würde, die Steine herumschweben ließ. Oder hatte sie das etwa gesehen? Vielleicht war Fern auf Phelistoth konzentriert gewesen. Ein zugegebenermaßen beunruhigender Anblick für eine Frau, die nicht an Drachen glaubte.

Die Mappen rutschten unbemerkt aus Ferns Armen, während sie ihn weiter anglotzte.

„Bist du in Ordnung?“, fragte Ardelle, als sie Fern erreichte. Sie war erleichtert, als Fern nicht zusammenzuckte – vielleicht lag das aber auch daran, dass sie zu betäubt war, um Ardelle zu bemerken.

Jaxi, warum hast du mich nicht gewarnt, dass sie kommt? fragte sie telepathisch, als sie sich bückte, um Ferns Mappen aufzuheben und ihr den Korb mit dem Gemüse abzunehmen. Es sah aus, als käme es frisch aus ihrem Garten.

Jaxi zuckte mental mit den Schultern. Weil ich nicht aufgepasst habe. Genau wie du.

Ardelle überlegte, ob sie Phelistoth die gleiche Frage stellen sollte, aber es war klar, dass er die Sonne genoss, wie ein fetter Leguan auf einem warmen Felsen, und sich nicht darum kümmerte, wer das Grundstück betrat.

„Fern?“, fragte Ardelle. „Das ist Phelistoth, einer der beiden momentan mit Iskandia verbündeten Drachen.“ Sie überlegte, ob sie Fern auch Phelistoth vorstellen sollte, aber sie bezweifelte, dass er sich dafür interessieren würde.

Gut geraten, sagte Jaxi.