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In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie ist Denise überall im Einsatz. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Doch auf Denise ist Verlass. In der Reihe Sophienlust Extra werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg. »Ein Brief von Sascha«, rief Denise von Schoenecker verwundert aus, als sie den Umschlag mit der Handschrift ihres ältesten Sohnes, der in Heidelberg studierte, neben ihrem Teller entdeckte. »Sicher etwas Wichtiges. Sascha schreibt doch sonst nicht.« Es war ein Samstagmorgen, und die Familie saß am Frühstückstisch. Es herrschte ausgesprochene Wochenendstimmung. »Ziemlich dicker Brief«, stellte Henrik mit vollem Munde fest, während seine Mutter den Umschlag öffnete. »Aber geschrieben hat er kaum etwas«, fügte er hinzu, als er bemerkte, dass sein großer Bruder der Mutter einen Zeitungsausschnitt geschickt hatte, dem er nur einen Zettel beigefügt hatte. Henrik war sieben Jahre alt und das jüngste Mitglied der Familie von Schoenecker. Der fünfzehnjährige Nick, eigentlich auf den schönen Namen Dominik getauft, reckte den Hals. Er wollte so schnell wie möglich erfahren, was Sascha geschrieben hatte. Nur Alexander von Schoenecker, der Gutsherr von Schoeneich, fasste sich in Geduld und frühstückte seelenruhig weiter. Er wusste, dass seine Frau ihm ohnehin erzählen würde, was Sascha wollte. Denise überflog zuerst die wenigen Zeilen von Sascha. Liebe Mutter! Ich glaube, das wäre ein Fall für Sophienlust. Ob Du Dich einschalten könntest? Das kleine Mädchen und die beiden Hunde können einem leidtun.
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Seitenzahl: 148
Veröffentlichungsjahr: 2024
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»Ein Brief von Sascha«, rief Denise von Schoenecker verwundert aus, als sie den Umschlag mit der Handschrift ihres ältesten Sohnes, der in Heidelberg studierte, neben ihrem Teller entdeckte. »Sicher etwas Wichtiges. Sascha schreibt doch sonst nicht.«
Es war ein Samstagmorgen, und die Familie saß am Frühstückstisch. Es herrschte ausgesprochene Wochenendstimmung.
»Ziemlich dicker Brief«, stellte Henrik mit vollem Munde fest, während seine Mutter den Umschlag öffnete. »Aber geschrieben hat er kaum etwas«, fügte er hinzu, als er bemerkte, dass sein großer Bruder der Mutter einen Zeitungsausschnitt geschickt hatte, dem er nur einen Zettel beigefügt hatte.
Henrik war sieben Jahre alt und das jüngste Mitglied der Familie von Schoenecker. Der fünfzehnjährige Nick, eigentlich auf den schönen Namen Dominik getauft, reckte den Hals. Er wollte so schnell wie möglich erfahren, was Sascha geschrieben hatte.
Nur Alexander von Schoenecker, der Gutsherr von Schoeneich, fasste sich in Geduld und frühstückte seelenruhig weiter. Er wusste, dass seine Frau ihm ohnehin erzählen würde, was Sascha wollte.
Denise überflog zuerst die wenigen Zeilen von Sascha.
Liebe Mutter! Ich glaube, das wäre ein Fall für Sophienlust. Ob Du Dich einschalten könntest? Das kleine Mädchen und die beiden Hunde können einem leidtun. Herzliche Grüße an alle. Dein Sascha.
Denise griff nun nach dem Zeitungsausschnitt. Schweigend warteten ihre beiden Söhne. Sie verbargen ihre Neugier durchaus nicht. Nur die Einsicht, dass sie ihre Mutter durch Fragen nur am Lesen hindern würden, ließ sie still bleiben.
»Das ist wirklich ein Fall für Sophienlust«, sagte die schlanke dunkelhaarige Frau nun mit einem Lächeln. »Sascha hat einen Artikel entdeckt, in dem von einem Kind berichtet wird, das nach dem Tod seines Vaters in ein Heim gebracht wurde.«
»Ist es kein gutes Heim?«, unterbrach Nick seine Mutter aufgeregt. »Dann müssen wir das Kind sofort nach Sophienlust holen.«
»Das Heim ist sicherlich nicht schlecht, Nick. Aber das kleine Mädchen hat zwei große Hunde, die ihrem Vater gehörten. Da diese Hunde im Waisenhaus keinen Platz fanden, wurden sie verkauft.«
»Gemein«, warf Henrik ein. »Ist ihre Mutti auch gestorben? Hat sie sonst niemanden mehr?«
»Das Mädchen scheint ganz allein auf der Welt zu stehen. Es blieb wohl nichts anderes übrig, als das Kind und die beiden Hunde zu trennen. Aber niemand hatte damit gerechnet, dass die Hunde ihrem neuen Eigentümer ständig weglaufen würden. Sie fanden den Weg zum Kinderheim und standen bellend vor der Tür, sprangen durchs Fenster ins Haus und ruhten nicht, bis sie ihre kleine Herrin entdeckten. Das wiederholte sich so oft, dass der neue Besitzer vom Kauf der Tiere zurücktrat. Jetzt will natürlich niemand mehr die Hunde kaufen. Vor allem aber mag sich das kleine Mädchen nicht von ihren vierbeinigen Freunden trennen lassen.«
»Ist ja auch wirklich nicht nötig. Wir holen das Mädchen nach Sophienlust, Mutti. Andrea nimmt die beiden Hunde bestimmt gern im Tierheim auf.«
Nick bekam heiße Wangen. Sobald es um Sophienlust ging, war er ganz und gar bei der Sache. Denn ihm hatte seine Urgroßmutter, Sophie von Wellentin, den Herrensitz Sophienlust hinterlassen. Nach ihrem letzten Willen war dort eine Zufluchtsstätte für in Not geratene Kinder entstanden. Diese segensreiche Einrichtung wurde von seiner Mutter betreut, denn noch ging Nick zur Schule und konnte die Verantwortung für Sophienlust nicht selbst übernehmen.
Alexander von Schoenecker warf Nick einen liebevollen Blick zu. »Recht hast du, Nick. Ein Glück, dass wir nicht nur Kinder lieben, sondern auch Tiere.«
Denise ließ das Zeitungsblatt sinken. »Am besten, ich versuche mich mit dem Heim telefonisch in Verbindung zu setzen. Ich fürchte nämlich, dass das Kind recht unglücklich ist. Der Reporter hat die Meldung sicher nicht nur wegen der Treue der Hunde gebracht, die natürlich eine nette Story für seine Leser hergibt. Er empfindet wohl auch echtes Mitleid mit dem Kind, dem die Tiere nun doch wieder genommen werden müssen. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass sich eine Familie findet, die bereit ist, ein Kind und zwei Hunde bei sich aufzunehmen. So etwas ist eben nur in Sophienlust möglich.«
»Und in Andreas Tierheim«, fügte Henrik hinzu, obwohl er eben dabei war, das dritte Honigbrötchen zu verzehren, und infolgedessen schon wieder einen vollen Mund hatte.
»Zuvor solltest du aber wenigstens frühstücken, sofern deine Söhne dir noch etwas übrig lassen, Isi«, schaltete Alexander sich fürsorglich ein. »Auf eine Viertelstunde wird es doch nicht ankommen.«
Denise aß und trank, doch ihre Gedanken beschäftigten sich mit dem Kind. Niemand wusste besser als sie, wie viel bitteres Leid ein Kinderherz erfahren konnte. Deshalb war sie fest entschlossen, dem kleinen Mädchen zu helfen.
»Dürfen wir nach Sophienlust radeln?«, fragte Nick. »Du kommst ja später auch hin und wirst uns erzählen, ob es klappt mit dem Kind.«
»Fahrt nur los«, entgegnete Denise. »Aber verbreitet nicht gleich, dass ein kleines Mädchen zu uns kommen soll. Vorläufig steht nämlich noch gar nichts fest.«
»Das schaffst du bestimmt, Mutti«, meinte Nick im Brustton der Überzeugung. »Es ist doch wahnsinnig wichtig, dass dem Kind geholfen wird. Den Hunden natürlich auch.«
Die beiden Buben standen auf und verließen das Haus. Sophienlust lag nicht allzu weit von Schoeneich entfernt. Nick und Henrik waren meist dort zu finden. Nick besaß in dem ehemaligen Herrenhaus von Sophienlust sogar ein eigenes Zimmer, in dem er gelegentlich übernachten durfte.
Denise leerte ihre Tasse und erhob sich.
»Ich mache inzwischen einen Rundgang durch die Stallungen, Liebste«, sagte ihr Mann. »Du wirst jetzt wohl eine Zeit lang am Telefon beschäftigt sein. Am Sonnabend ist es nicht leicht, die richtigen Leute zu erreichen.«
Denise schmiegte die Wange an die ihres Gatten. »Aber am Montag ist es vielleicht schon zu spät, Alexander. Ich muss versuchen, gleich zu helfen. Kindertränen sind die traurigsten Tränen.«
*
Die Leiterin des Waisenhauses war eine sympathische Frau von etwa vierzig Jahren. Sie wirkte ein wenig überarbeitet. Das große, etwas altmodische Gebäude, in dem das Heim untergebracht war, hallte vom fröhlichen Lärm spielender Kinder wider. Eine gedrückte Atmosphäre schien hier nicht zu herrschen.
»Frau von Schoenecker?«, vergewisserte sich die Leiterin, als Denise ihr gegenübersaß.
»Ja, die bin ich, liebe Frau Weiß. Ich habe mich der Einfachheit halber sofort in meinen Wagen gesetzt. Jetzt können wir die Angelegenheit persönlich besprechen.«
Irene Weiß sah Denise dankbar an. »Ich bin froh, dass Sie da sind, Frau von Schoenecker. Durch einen glücklichen Zufall konnte ich eben telefonisch mit dem zuständigen Beamten des Jugendamtes sprechen. Sophienlust ist ihm bekannt. Es bestehen absolut keine Bedenken, Josi Unger zu Ihnen zu schicken. Nur wegen der beiden schrecklichen Köter mache ich mir Sorgen. Es sind zwei große Jagdhunde, richtige Ungetüme. Es kann unmöglich Ihr Ernst sein, dass Sie diese Tiere mitnehmen wollen, nur um Josi eine Freude zu bereiten.«
Denise lächelte. »Sophienlust liegt auf dem Lande. Bei uns gibt es eine Menge Tiere. Meine Tochter, die mit einem Tierarzt verheiratet ist, wird die Hunde in das von ihr errichtete Tierheim aufnehmen. Ich habe bereits mit ihr darüber gesprochen.«
Irene Weiß schaute Denise zweifelnd an. »Sie haben schon eine verheiratete Tochter?«, meinte sie unsicher.
Denise lachte.
»Sie meinen gewiss, dazu sei ich noch zu jung. Damit haben Sie nicht ganz unrecht. Unsere beiden älteren Kinder stammen aus der ersten Ehe meines Mannes. Sascha ist Student. Durch ihn erhielt ich die Zeitungsnotiz über das Kind und die beiden Hunde. Andrea hat gleich nach der Schule geheiratet und ist bereits Mutter eines kleinen Jungen. Ihr Wohnsitz ist ganz in der Nähe von Sophienlust. Falls Josi sich nicht sofort von ihren Hunden trennen will, darf sie zunächst bei meiner Tochter wohnen.«
»In einem öffentlichen Heim kann man unmöglich für jedes Kind eine Ausnahme machen«, versetzte die Heimleiterin seufzend. »Sie sind zu beneiden, dass Sie nach eigenem Ermessen handeln dürfen.«
»Sophienlust ist das Vermächtnis einer gütigen alten Dame. Wir verfügen über genügend Platz und glücklicherweise auch über ein stattliches Vermögen, das zum Nutzen der Kinder verwendet werden kann.«
»Schade, dass ich nicht mit meinen siebzig Schützlingen zu Ihnen übersiedeln kann«, erwiderte Frau Weiß bedauernd.
»Alle könnten wir in Sophienlust auch nicht aufnehmen. Da müssten wir anbauen. Aber wenn sich ein Notfall ergeben sollte, können Sie sich jederzeit an mich wenden.«
»Josi Unger ist ein echter Notfall«, erklärte Frau Weiß ernst. »Sie konnte sich vom ersten Tag an nicht bei uns einleben. Die Mutter ist bei der Geburt des kleinen Mädchens gestorben. So zog der Vater das Baby allein auf. Er war Maler und Grafiker. In der Hauptsache beschäftigte er sich mit der Illustration von Kinder- und Jugendbüchern. Vater und Tochter bewohnten ein winziges Haus weit außerhalb der Stadt. Die großen Hunde waren Josis beste Freunde und Spielgefährten. Hier im Heim, unter völlig veränderten Bedingungen, fühlt sich das Kind unglücklich und sehnt sich nach dem toten Vater. Dass man die Hunde weggab, konnte die arme Josi überhaupt nicht begreifen.«
»Eine traurige Geschichte. Wo sind die Hunde jetzt? Ich bin darauf vorbereitet, Josi und ihre Hunde mitzunehmen, wenn Sie mir die Erlaubnis dazu erteilen.«
Irene Weiß atmete sichtlich erleichtert auf. »Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass sich so schnell eine Lösung finden würde«, gestand sie. »Über den Zeitungsartikel habe ich mich eigentlich geärgert. Die beiden Hunde bellten mehrmals die gesamte Nachbarschaft wach. Dadurch wurde man auf die Sache aufmerksam.«
»Es scheinen intelligente Tiere zu sein«, stellte Denise heiter fest. »Ist Josi jetzt im Haus?«
»Sie hockt mit den Hunden in der Waschküche. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Aber ich kann die Tiere im Haus nicht frei herumlaufen lassen, weil ich die Verantwortung trage, wenn einem Kind etwas passieren sollte. Also sperrten wir sie ein. Nun ist Josi nicht um die Welt aus der Waschküche herauszubekommen. Die schrecklichen Hunde knurren mich an, wenn ich den Versuch mache, das Kind zu holen. Sogar die Nacht hat Josi in der Waschküche verbracht.«
Denise erhob sich. »Wenn Sie einverstanden sind, gehen wir in die Waschküche und unterhalten uns mit Josi. Es ist wichtig, dass sie von Anfang an Vertrauen zu mir hat und gern mitkommt. Das arme Ding muss ja ganz verstört sein.«
Denise war nun froh, dass sie sofort etwas unternommen hatte. Je schneller das Kind aus dem freiwillig gewählten Gefängnis befreit wurde, desto besser.
Irene Weiß führte ihre elegante Besucherin ins Untergeschoss. Die Waschküche erwies sich als ein großer heller Raum, den Denise furchtlos betrat, während die Heimleiterin in der halb geöffneten Tür stehen blieb, jeden Augenblick bereit, vor den Hunden die Flucht zu ergreifen.
Josi hockte auf einem Stuhl. Die beiden Hunde lagen zu ihren Füßen. Sie hoben die Köpfe und beobachteten die Besucherin mit klugen, wachsamen Augen, zeigten jedoch keinerlei Feindseligkeit.
»Grüß Gott, Josi. Ich möchte etwas mit dir besprechen.«
Denise schätzte Josi Unger auf etwa acht Jahre. Sie hatte dunkles Haar, das auf dem Köpfchen zu einem lustigen Knoten geschlungen war. Ihre braunen Augen ähnelten denen der beiden Hunde. Wachsam und scheu.
»Ich kenne Sie nicht. Wer sind Sie?«
»Ich heiße für unsere Kinder Tante Isi. Wenn du willst, darfst du mich auch so nennen. Bei uns gibt es ein Heim für Hunde und andere Tiere, die kein richtiges Zuhause mehr haben. Ich dachte, dass das ein Platz für deine beiden Hunde wäre. Wie heißen sie eigentlich?«
»Das ist Bigo. Man kann ihn an den schwarzen Flecken erkennen. Jelo hat braune Flecken.«
»Bigo und Jelo. Schöne Namen. Du hast die beiden natürlich lieb, nicht wahr?«
Josi nickte mit ernstem Gesichtchen. »Sehr lieb, Tante Isi. Zuerst sind fremde Leute gekommen und haben sie weggeholt. Für Geld. Weil sonst nämlich kein Geld da war, haben sie gesagt. Aber Bigo und Jelo sind immer wieder ausgerissen. Sogar die Ketten haben sie zerrissen. Jetzt bleiben sie bei mir. Ich gebe sie nicht mehr her.«
»Das sollst du auch gar nicht, Josi. Ich lade Bigo, Jelo und dich ein. Ihr könnt mit mir im Auto wegfahren. Deinen Koffer nehmen wir auch mit.«
»Wenn aber die Hunde in ein Heim kommen, dann ist da sicher kein Platz für Kinder«, wandte Josi zweifelnd ein. »Hier ist ein Kinderheim, doch Hunde wollen sie nicht haben.«
»Da findet sich ein Weg, Josi. Ich verspreche es dir. Du kannst selbst wählen, ob du bei Tante Andrea wohnen möchtest oder im Haus der glücklichen Kinder. Tante Andrea gehört das Tierheim. Es heißt Waldi & Co. Klingt das nicht lustig? Waldi ist ein Dackel. Den wirst du auch kennenlernen.«
»Ich möchte zu den Tieren und zu Tante Andrea«, erklärte Josi, ohne zu zögern. »In das Haus der glücklichen Kinder mag ich nicht, weil ich nämlich nicht glücklich bin, sondern ganz, ganz traurig.«
Die müde Stimme des kleinen Mädchens schnitt Denise ins Herz. Es war schlimmer, als wenn Josi bitterlich geweint hätte.
»Abgemacht, Josi. Ich bringe dich also zum Tierheim und zu Tante Andrea. Die anderen Kinder wirst du trotzdem kennenlernen. Sie sind nämlich so gern bei uns in Sophienlust, dass sie es das Haus der glücklichen Kinder getauft haben. Das Tierheim trägt den Namen Heim der glücklichen Tiere Waldi & Co.«
Josis Interesse erwachte. »Ob Bigo und Jelo sich mit einem Dackel vertragen werden?«, fragte sie.
»Es sind doch kluge Tiere. Waldi ist sogar superschlau. Bestimmt geht das gut. Bis jetzt haben sich alle Tiere im Heim vertragen.«
»Was für Tiere, Tante Isi?«
Das Mädchen war nun schon ganz zutraulich geworden. Bigo und Jelo begannen mit den Schwänzen auf den Boden zu klopfen, was gewiss ein Zeichen von freundschaftlichen Gefühlen war.
»Du wirst staunen, Josi. Es gibt eine Braunbärin mit ihren beiden Jungen, Füchse, ein Reh, eine zahme Dohle, eine Katze und sogar eine Ringelnatter und einen Dachs. Dazu kommt Waldis Dackelfamilie. Er hat eine Frau und zwei Kinder. Tante Andrea besitzt auch eine schwarze Dogge. Du wirst dich dort keine einzige Minute langweilen. Und Bigo und Jelo wird es ganz bestimmt auch gefallen.«
Josi nickte. »Dann möchte ich gern mit dir fahren, Tante Isi. Hier können wir sowieso nicht bleiben, weil sie für Hunde einfach keinen Platz haben.«
Das Kind rutschte vom Stuhl. Sogleich setzten sich die beiden Hunde auf. Liebevoll legte Josi ihre Hände auf die großen Hundeköpfe. »Ja, ihr seid meine Besten«, sagte sie zärtlich. »Habt ihr gehört, dass Tante Isi uns alle drei mitnehmen will?«
So einfach und problemlos hatte sich Denise diesen Aufbruch nicht vorgestellt. Auch Irene Weiß war überrascht, dass Josi, aus der zuletzt kaum noch ein Wort herauszubringen gewesen war, sich Denise von Schoenecker gegenüber so aufgeschlossen zeigte.
»Die Formalitäten werden wir schriftlich erledigen, wenn es Ihnen recht ist, Frau von Schoenecker«, schlug Frau Weiß vor. »Die Ämter sind heute geschlossen. Da kann man sowieso nichts in Ordnung bringen. Josis Koffer ist in fünf Minuten fertig. Viel besitzt sie nicht.«
Josi schob ihre Hand in Denises Hand. »Ich bin froh, dass ich nicht mehr in der Waschküche bleiben muss«, flüsterte sie. »Bigo und Jelo freuen sich auch. Es ist nämlich langweilig und ungemütlich.«
Denise nickte ihr zu. »Das kann ich mir vorstellen, Josi. Jetzt müssen wir zusehen, dass wir uns in meinem Auto alle vertragen. Ich habe mir Bigo und Jelo nämlich nicht ganz so groß vorgestellt.«
»Es geht schon, Tante Isi«, meinte das Kind zuversichtlich. »Vatis Auto war auch nur klein. Trotzdem hatten wir immer Platz darin.«
Der Abschied vom Waisenhaus vollzog sich rasch. Die übrigen Kinder erschienen neugierig und schauten zu, als Josi mit ihren beiden Hunden auf den Rücksitz von Denises Wagen kletterte, nachdem ihr Köfferchen im Gepäckraum Platz gefunden hatte.
Irene Weiß wollte Josi zum Abschied die Hand schütteln, doch die beiden Hunde knurrten sie böse an.
»Weil sie hier nicht bleiben durften«, erklärte Josi entschuldigend.
»Dreimal hat Tante Irene sie hinausgeworfen. Das haben sie nicht vergessen.«
»Es tut mir leid, Josi. Es war nicht böse gemeint. Ich wünsche dir viel, viel Glück.«
Josi nickte. Auch die Heimleiterin tat es. Die vielen Kinder hüpften aufgeregt um den Wagen herum und fragten immer wieder, ob Josi mit den beiden Hunden nie mehr wiederkommen würde.
»Ich fahre jetzt zu den glücklichen Tieren. Dort bleibe ich«, verkündete Josi.
Denise setzte sich hinter das Steuer und legte den Gang ein. Josi beschwichtigte ihre aufgeregten Vierbeiner und erreichte, dass sie sich artig hinlegten und nun nicht mehr ganz so viel Raum beanspruchten.
»Ich bin froh, dass wir jetzt beisammen bleiben können, Tante Isi«, meinte das Kind seufzend. »Mein Vati hätte bestimmt nicht gewollt, dass Bigo und Jelo zu einem fremden Mann kommen, der sie mit Ketten anbindet, damit sie nicht ausreißen.«
»Jetzt ist ja alles gut, Josi. Du brauchst nicht mehr traurig zu sein.«
»Traurig bin ich trotzdem«, erwiderte das Kind leise. »Mein Vati kommt nie mehr zurück. Er war ja schon so lange krank.«
»Das verstehe ich, Josi. Aber du musst versuchen, nicht nur an deinen Kummer zu denken. Das hätte dein guter Vater sicherlich nicht gewollt. Du bist doch ein tapferes kleines Mädchen. Jetzt hast du deine Hunde wieder, und von heute ab wird dir das Leben sicher wieder gefallen.«
»Das weiß ich noch nicht, Tante Isi«, meinte das Kind zurückhaltend. »Erzähle mir bitte von Sophienlust und vom Heim der glücklichen Tiere.«
Denise schilderte während der Fahrt das schöne ehemalige Herrenhaus mit dem dazugehörigen Landgut. Auch die Geschichte von der großen Erbschaft, die Nick nach dem Tod seiner Urgroßmutter gemacht hatte, erzählte sie.
»Stimmt das wirklich, oder ist es nur ein Märchen?«, warf Josi ein. »Unser Haus wurde anderen Leuten gegeben, als Vati tot war. Das musste so sein, wegen der Schulden, sagten sie mir. Denn ich dachte natürlich, dass es mein Haus wäre, weil ich doch immer darin gewohnt hatte.«
»Es ist kein Märchen, Josi. Nicks Vater starb vor vielen, vielen Jahren. So fiel diese große Erbschaft an ihn. Aber er hat das Haus nicht für sich allein, sondern es wohnen Kinder darin, die genauso allein sind wie du. Bald wirst du sie selbst kennenlernen.«
»Nein, Tante Isi. Ich möchte lieber mit Bigo und Jelo ins Heim der glücklichen Tiere. Das hast du mir versprochen.«
Denise lachte leise. »Nun, in einem Stall möchtest du doch nicht wohnen, Josilein. Aber das Haus von Tante Andrea steht gleich neben dem Tierheim. Du darfst selbstverständlich dortbleiben, wenn du das lieber möchtest.«