Duncan Sisters - Ein Kuss für Lady Constance - Jane Feather - E-Book
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Duncan Sisters - Ein Kuss für Lady Constance E-Book

Jane Feather

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Beschreibung

Dieses verräterische Herz … Der historische Liebesroman »Duncan Sisters – Ein Kuss für Lady Constance« von Jane Feather jetzt als eBook bei venusbooks. Heiraten und sich sittsam einem Ehemann unterordnen? Das kommt für die selbstbewusste Lady Constance nicht in Frage! Zusammen mit ihren Schwestern Prudence und Chastity veröffentlicht sie in ganz London die Zeitung »The Mayfair Lady«, in der die drei mit glühendem Eifer für die Frauenrechte kämpfen. Dies erweckt auch die Aufmerksamkeit des Politikers Max Ensor, der nur ein müdes Lächeln für das »schwächere Geschlecht« übrig hat: eine Herausforderung, auf die sich Constance nur zu gern einlässt … Doch leider ist Max genauso gutaussehend wie stur – und schafft es so immer wieder, sie zur Weißglut zu bringen. Als aber ein Streit zwischen den beiden in einem leidenschaftlichen Kuss endet, weiß Constance plötzlich nicht mehr, wo ihr der Kopf steht … »Jane Feathers turbulenter Liebesroman garantiert viel Vergnügen, prickelnde Liebe und spannende Unterhaltung!« Publishers Weekly Jetzt als eBook kaufen und genießen: »Duncan Sisters – Ein Kuss für Lady Constance« von Jane Feather ist der Auftakt ihrer aufregenden Romance-Serie, in der drei selbstbewusste Schwestern der Londoner Männerwelt den Kopf verdrehen. Alle Bände können unabhängig voneinander gelesen werden und werden die Fans von Evie Dunmore begeistern. Lesen ist sexy: venusbooks – der erotische eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 511

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Über dieses Buch:

Heiraten und sich sittsam einem Ehemann unterordnen? Das kommt für die selbstbewusste Lady Constance nicht in Frage! Zusammen mit ihren Schwestern Prudence und Chastity veröffentlicht sie in ganz London die Zeitung »The Mayfair Lady«, in der die drei mit glühendem Eifer für die Frauenrechte kämpfen. Dies erweckt auch die Aufmerksamkeit des Politikers Max Ensor, der nur ein müdes Lächeln für das »schwächere Geschlecht« übrig hat: eine Herausforderung, auf die sich Constance nur zu gern einlässt … Doch leider ist Max genauso gutaussehend wie stur – und schafft es so immer wieder, sie zur Weißglut zu bringen. Als aber ein Streit zwischen den beiden in einem leidenschaftlichen Kuss endet, weiß Constance plötzlich nicht mehr, wo ihr der Kopf steht …

»Jane Feathers turbulenter Liebesroman garantiert viel Vergnügen, prickelnde Liebe und spannende Unterhaltung!« Publishers Weekly

Über die Autorin:

Jane Feather ist in Kairo geboren, wuchs in Südengland auf und lebt derzeit mit ihrer Familie in Washington D.C. Sie studierte angewandte Sozialkunde und war als Psychologin tätig, bevor sie ihrer Leidenschaft für Bücher nachgab und zu schreiben begann. Ihre Bestseller verkaufen sich weltweit in Millionenhöhe.

Bei venusbooks erscheint ihre »Duncan Sisters«-Trilogie:

»Ein Kuss für Lady Constance – Band 1«

»Ein Ring für Lady Prudence – Band 2«

»Ein Gentleman für Lady Chastity – Band 3«

Außerdem veröffentlichte die Autorin ihre romantische Trilogie der »Regency Angels«:

»Die unwiderstehliche Spionin – Band 1«

»Die verführerische Diebin – Band 2«

»Die verlockende Betrügerin – Band 3«

Unter dem Titel »Regency Nobles« erschienen die Romane:

»Das Geheimnis des Earls – Band 1«

»Das Begehren des Lords – Band 2«

»Der Kuss des Lords – Band 3«

Weiter erschienen in der Reihe »Love Charms«:

»Die gestohlene Braut – Band 1«

»Die geliebte Feindin – Band 2«

»Die falsche Lady – Band 3«

Zu guter Letzt finden Sie bei venusbooks auch Jane Feathers Trilogie »Die Ladys vom Cavendish Square«:

»Das Verlangen des Viscounts – Band 1«

»Die Leidenschaft des Prinzen – Band 2«

»Das Begehren des Spions – Band 3«

***

eBook-Neuausgabe September 2022

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 2004 unter dem Originaltitel »Bachelor List« bei Bantam Books, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2004 unter dem Titel »Geliebter Schuft« bei Random House.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 2004 by Jane Feather

Published by Arrangement with Shelagh Jane Feather

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2004 by Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Copyright © der Neuausgabe 2022 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © Adobe Stock sowie © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)

ISBN 978-3-96898-208-3

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des venusbooks-Verlags

***

Wenn Ihnen dieses eBook gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Duncan Sisters 1« an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

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Jane Feather

Duncan Sisters – Ein Kuss für Lady Constance

Roman

Aus dem Amerikanischen von Ingrid Rothmann

venusbooks

Kapitel 1

Constance Duncan nickte dem Portier zu, der ihr die Glastüren von Fortnum and Mason aufhielt, und betrat die marmorne Weite des Teesalons, in dessen Stimmengewirr die Klänge des tapfer spielenden Streichquartetts auf dem kleinen Podium hinter der schimmernden Tanzfläche fast untergingen.

Sie hielt einen Moment auf der Schwelle inne, bis sie ihre zwei Schwestern an ihrem bevorzugten Tisch vor einem der hohen, auf den Piccadilly hinausblickenden Fenster erspähte, doch boten die vom Regen gestreiften Scheiben kaum Aussicht auf die Straße oder Burlington House gegenüber.

Ihre Schwester Prudence erblickte sie fast gleichzeitig. Constance hob grüßend eine Hand und eilte zwischen den Tischen hindurch auf die beiden zu.

»Du siehst ja aus wie eine gebadete Maus«, bemerkte Chastity, die jüngste der drei, als Constance vor ihnen stand.

»Danke, Herzchen«, erwiderte Constance mit ironisch hochgezogenen Brauen. Sie schüttelte die Nässe vom Regenschirm und übergab ihn einem Kellner, der plötzlich an ihrer Seite aufgetaucht war. »Es regnet in Strömen.«

Sie zog die Nadeln aus dem Hut und betrachtete ihn mit einer gewissen Wehmut. »Um die Straußenfeder ist es wohl geschehen … sie trieft vor Nässe.« Sie reichte den Hut dem Kellner. »Nehmen Sie den auch mit. Vielleicht trocknet er in der Garderobe.«

»Gewiss, Miss Duncan.« Er nahm das tropfende Gebilde in Empfang, verbeugte sich und eilte lautlos davon.

Constance zog einen zierlichen vergoldeten Stuhl heran und setzte sich, wobei sie die Falten ihrer feuchten Taftröcke ausbreitete. Sie zog ihre Glacéhandschuhe aus, strich sie glatt und legte sie neben sich auf den Tisch. Ihre Schwestern warteten geduldig, bis sie es sich bequem gemacht hatte.

»Tee?« Prudence hob die silberne Teekanne.

»Nein, ich nehme lieber einen Schluck Sherry«, sagte Constance und wandte sich dem Serviermädchen zu, das sich dem Tisch näherte. »Mir ist so kalt, und ich bin so durchnässt wie nach einer Moorhuhnjagd, obwohl es erst Juli ist. Ach, und getoastete Teekuchen, bitte.«

Das Mädchen knickste kurz und eilte davon.

»Prue und ich sind dem Regen entgangen«, sagte Chastity. »Er fing erst an, als wir hier ankamen.« Sie leckte ihren Finger ab und tupfte Kuchenkrümel vom Teller auf. »Was meinst du, Prue, können wir es uns leisten, wenn ich mir noch eines dieser köstlichen Millefeuilles gönne?«

Prudence seufzte. »Deine Naschhaftigkeit ist unsere kleinste Sorge, Chas. Sie wird uns sicher nicht ruinieren.«

Constance fasste ihre Schwester schärfer ins Auge. »Was ist, Prue? Gibt es etwas Neues?«

Prudence nahm ihre Brille ab und reinigte sie mit der Serviette. Dann hielt sie die Gläser ans Licht und spähte kurzsichtig hindurch, ehe sie sie für klar befand und wieder auf ihrer langen Nase platzierte. »Jenkins wandte sich heute Morgen an mich … noch sorgenvoller als sonst. Es geht darum, dass Vater bei Harper an der Gracechurch Street Anweisung gab, ein Fässchen Port für ihn einzulagern und seinen Weinkeller mit einem Dutzend Gebinden eines ganz speziellen Margaux zu ergänzen. Von Mr. Harper kam daraufhin eine sehr hohe und sehr überfällige Rechnung mit dem höflichen Ersuchen, sie zu begleichen. Erst dann sei an eine neue Bestellung zu denken …«

Sie unterbrach sich, als die Bedienung mit einem silbernen, abgedeckten Tablett und einem Glas dunklen, starken Sherry erschien. Beides wurde vor Constance hingestellt, sodann wurde der Deckel gehoben, unter dem köstlich duftende, getoastete Teekuchen zum Vorschein kamen.

»Die sehen ja vorzüglich aus.« Chastity streckte eine Hand aus und bediente sich. »Du hast doch nichts dagegen, Con?«

»Nein, nur zu. Aber ich dachte, du möchtest noch ein Millefeuille.«

»Nein, ich nasche lieber von deinen Kuchen, das ist billiger.« Chastity biss von dem gebutterten Stück ab und wischte mit der feinen Leinenserviette sacht über den Mund. »Und wie reagierte Vater auf Mr. Harpers Rechnung?«

»Rate mal … ach, ich möchte eine Schnitte von diesem herrlich dekadenten Schokoladenkuchen, bitte.« Prudence lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und deutete auf den Gebäckwagen. »Er polterte los und drohte, bei Harper künftig nichts mehr zu bestellen … An die hundert Jahre sind die Duncans Kunden bei Harper an der Gracechurch Street…« Sie nahm eine Gabel voll Kuchen und führte sie an die Lippen. »Das übliche Gedonner ... ach, das schmeckt aber gut.«

»Vielleicht gönne ich mir auch eine Scheibe.« Chastity nickte der Kellnerin zu. »Was ist mit dir, Con?«

Constance schüttelte den Kopf und trank einen Schluck Sherry. »Mehr Süßes brauche ich nicht.«

»Ich begreife nicht, wie du diesen Verlockungen widerstehen kannst«, bemerkte Chastity. »Vermutlich bleibst du deshalb so dünn.« Sie senkte den Blick wehmütig auf ihren runden, von einer weißen Spitzenbluse gebändigten Busen. »Natürlich kommt dir zugute, dass du viel größer bist als ich.«

Constance schüttelte lachend den Kopf. »Um wieder auf das Thema von vorhin zurückzukommen … Ich brachte einige Nummern von The Mayfair Lady heute zu etlichen Zeitschriftenhändlern und bat sie, das Blatt auszulegen. Nur ein oder zwei Exemplare zur Probe, um festzustellen, ob sich Käufer finden.«

»Diese Ausgabe?« Prudence griff unter dem Tisch nach ihrer geräumigen Handtasche und zog eine Zeitung heraus.

»Wenn das die neue ist.« Constance beugte sich vor und warf einen Blick darauf. »Ja, das ist die Ausgabe mit dem Artikel über die neuen Öffnungszeiten für Lokale.« Sie tunkte mit einem Stückchen Kuchen Butter vom Teller auf und verspeiste es mit Genuss. Ich machte den Zeitungsverkäufer darauf aufmerksam, dass dies für seine Kundschaft von Interesse sein könnte. Da man sich nicht mehr zu jeder Tages- und Nachtzeit voll laufen lassen kann, stellt sich die Frage, ob die Trunksucht im Allgemeinen zurückgehen wird, ob die Produktivität steigen wird und die Männer aufhören werden, ihre Frauen zu schlagen. »Da in London fast jeder betroffen ist, müssen die Leute zu diesem Thema doch eine Meinung haben, meint ihr nicht?«

»Und bist du auf Interesse gestoßen?«, erkundigte Prudence sich und blätterte die Zeitung durch.

»Nun, zwei Händler zeigten sich einverstanden, sie eine Woche zusammen mit den anderen Zeitschriften anzubieten. Wir verlangen schließlich nur zwei Pence.«

»Zwei Pence pro Nummer werden uns nicht aus der Klemme helfen«, bemerkte Chastity.

»Das gilt nur für Straßenkundschaft«, erklärte Prudence. »Leser aus Mayfair müssen sechs Pence bezahlen.« Sie deutete beredt auf das elegante, angeregt plaudernde Teepublikum um sie herum. »Ich konnte ein halbes Dutzend Friseure an der Regent Street und am Piccadilly überreden, das Blatt an der Kasse auszulegen, und Chastity bestürmte die Modistinnen und Schneiderinnen der Bond Street und Oxford Street.«

»Mit einigem Erfolg, wie ich hinzufügen darf.« Chastity lehnte sich zurück und betrachtete ihren leeren Teller nicht ohne Bedauern. »Ich bin eine gute Verkäuferin. Hinter meinem Schleier ließ ich meine ganze Überredungskunst spielen.«

»Immerhin ein Anfang«, lobte Constance. »Aber ich denke, dass wir mehr bieten müssten, mehr Serviceleistungen, wenn wir Geld für die Zeitschrift verlangen.« Sie beugte sich über den Tisch und senkte die Stimme. »Ich habe eine Idee, die sich als lukrativ erweisen könnte.«

Ihre Schwestern beugten sich vor und steckten, die Ellbogen auf den Tisch gestützt, die kupferroten Köpfe zusammen. »Ihr kennt doch die Zettel, die die Leute an die Scheiben der Schaufenster stecken«, fing Constance an. »Ich sah …« Sie hielt inne, als ein betontes Hüsteln hinter ihr ertönte.

»Ach, Lord Lucan!«, sagte Prudence und richtete sich auf, um dem jungen Mann, der an den Tisch getreten war, ohne allzu viel Wärme zuzulächeln. »Einen schönen guten Tag. Wir haben gar nicht gehört, wie Sie sich anschlichen.«

Der junge Mann errötete tief. »Ich … ich … verzeihen Sie. Ich wollte mich weder anschleichen, noch stören. Ich frage mich nur, ob Miss Chastity mir diesen Tanz gewähren würde.« Er deutete etwas matt auf die Tanzfläche, auf der sich zu den Klängen eines gemächlichen Walzers einige Paare drehten.

»Mit dem größten Vergnügen, David.« Chastity schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Wie aufmerksam von Ihnen, mich aufzufordern.« Sie stand auf, als er ihren Stuhl zurückzog, dann zog sie eine Braue hoch und sah ihre Schwestern an. »Ich bleibe nicht lange weg.« An Lord Lucans Arm schritt sie davon, wobei ihr smaragdgrüner Rock bei jedem Schritt anmutig schwang.

»Chas bringt für diese armen jungen Männer so viel Geduld auf«, sagte Prudence. »Sie umschwärmen sie wie Wespen den Honigtopf, und doch lässt sie sich nie den kleinsten Unwillen anmerken. Mich würde es wahnsinnig machen.«

»Unsere kleine Schwester ist eben von sehr liebenswürdiger Wesensart«, erklärte Constance mit der Andeutung eines Lächelns. »Anders als wir, Prudence.«

»Ja«, gab Prudence ihr Recht. »Wir sind richtige Ungeheuer. Wir würden alle bei lebendigem Leib auffressen, wenn wir könnten.«

»Aber denk daran, dass Mutter immer sagte, Chas ließe sich trotz ihrer scheinbar nachgiebigen Art von niemandem etwas dreinreden«, wandte Constance ein.

Prudence blieb ihr die Antwort schuldig, so dass beide einen Moment wortlos dasaßen, in Erinnerungen an ihre drei Jahre zuvor verstorbene Mutter versunken.

»Glaubst du, sie würde sich im Grab umdrehen, wenn sie wüsste, dass wir mit The Mayfair Lady Geld verdienen wollen?«, fragte Constance nach einer Weile, als die Walzerklänge verstummt waren.

»Nein, sie würde es sehr begrüßen«, erwiderte Prudence mit Nachdruck. »Wir müssen schließlich etwas tun, um die Familie über Wasser zu halten, und Vater ist uns dabei keine Hilfe.«

Nach einer Weile kehrte Chastity am Arm ihres Partners, den sie mit liebenswürdigem, wenn auch entschiedenem Lächeln entließ, an den Tisch zurück.

Sie nahm ihren Platz wieder ein. »Wo waren wir stehen geblieben?«

»Bei unseren finanziellen Plänen«, sagte Constance. »Ich fragte Prue, ob sie glaube, dass Mutter von der Vorstellung, für The Mayfair Lady einen Verkaufspreis zu verlangen, entsetzt wäre.«

»Nein, natürlich nicht. Sie hätte es selbst getan, wenn es nötig gewesen wäre.«

»Und dieser Fall wäre nicht eingetreten. Wäre sie noch am Leben, hätte Vater sich niemals auf so ein riskantes finanzielles Abenteuer eingelassen.« Prudence schüttelte missbilligend den Kopf. »Was ist ihm nur eingefallen, jeden Penny in ein so gewagtes Unternehmen zu stecken? Wer hat jemals etwas von einer Eisenbahn durch die Sahara gehört?«

»Die Trans-Sahara-Bahn«, sagte Constance und lachte unwillkürlich auf. »Wäre unsere Situation nicht so ernst, wäre es komisch.«

Prudence ließ sich zu einem Lachen verleiten, das ebenso unwillig klang wie das ihrer älteren Schwester, und Chastity war vergebens bemüht, sich ein Lächeln zu verkneifen.

Ihre Mutter, Lady Duncan, hatte allen drei Töchtern einen guten Sinn für Humor vererbt, der oft unangebracht und schwer zu unterdrücken war.

»Seht nicht hin, aber meine Ohren glühen«, sagte Chastity gleichmütig und nahm eine dicke Rosine vom Tablett. »Jede Wette, dass man in eben diesem Moment ausgiebig, um nicht zu sagen ‒ genüsslich über uns herzieht.«

»Wer?« Prudence lehnte sich zurück und ließ ihren kurzsichtigen Blick durch den Raum wandern.

»Elizabeth Armitage nahm eben mit einem Mann Platz, den ich noch nie gesehen habe.«

»Interessant«, sagte Constance. »Ein Fremder in dieser Umgebung ist ein seltener Anblick. Wo sitzen sie?«

»Hinter dir, aber dreh dich nicht um, es wäre zu auffallend. Ich weiß, dass sie über uns spricht. Fast kann ich es von ihren Lippen ablesen.«

»Eine richtige Klatschbase«, erklärte Prudence.

»Was ist denn so schlimm an Klatsch?«, meinte Constance. »Ich schreibe immer darüber.« Sie deutete auf das Blättchen, das noch auf dem Tisch lag. »Sieh dir an, was ich auf Seite zwei über Patsy Maguires Hochzeit schrieb.«

»Das ist nicht richtiger Klatsch«, sagte Chastity. »Das fällt unter Gesellschaftsnachrichten.«

»Ich könnte mir vorstellen, etwas Boshaftes zu schreiben, wenn ich der Meinung wäre, es würde einem nützlichen Zweck dienen«, sagte Constance nachdenklich. »Mutter war sehr dafür, die Heuchelei der Menschen bloßzustellen, wenn sie glaubte, etwas damit bewirken zu können.«

»Dann wäre es auch nicht nur boshaftes Geklatsche«, stellte Chastity fest. »Ich würde gar zu gern wissen, was Elizabeth über uns zu sagen hat. Ich muss schon sagen, der Mann ist ein wahres Prachtexemplar. Viel zu attraktiv, um mit Lady Armitage zu tratschen. Mal sehen, ob ich die beiden aus der Fassung bringen kann.« Sie stützte die Ellbogen auf, legte das Kinn in die Hand und blickte unverwandt und gelassen zu einem Tisch, an dem eine eckige Dame in mittleren Jahren in ein Gespräch mit einem hochgewachsenen Mann vertieft war, dessen Haar ihm in einer großzügigen Welle in die Stirn fiel.

»Chas, du bist schlimm«, sagte Prudence, obwohl sie ihre Schwester nachahmte und ebenfalls die Ellbogen aufstützte und den Blick unbeirrt auf den bewussten Tisch richtete. Constance, die Lady Armitage und ihrem Begleiter den Rücken zukehrte, verbiss sich ihr Lächeln und wartete auf den Bericht.

»Ja, das wirkt. Sie kramt jetzt in ihrer Handtasche«, sagte Chastity befriedigt. »Und er lässt den Blick durch den Raum wandern, vermeidet es aber, unseren Tisch ins Auge zu fassen. Er scheint sich ungewöhnlich stark für die Tanzfläche zu interessieren. Vielleicht tanzt er gern Tango.«

Nun war es um Constances Zurückhaltung geschehen. Sie ließ ihre Serviette zu Boden fallen, bückte sich und drehte sich ganz beiläufig um, so dass sie einen Blick über die Schulter werfen konnte. »Du hast Recht. Ein sehr gut aussehendes Exemplar«, sagte sie. »Sehr vornehm, würde ich sagen.«

»Ein wenig arrogant, würde ich sagen«, fügte Prudence hinzu. »Ich nehme an, wir sollten beim Hinausgehen am Tisch stehen bleiben?«

Constance nickte ernst. »Das gebietet die Höflichkeit. Schließlich ist Elizabeth eine Freundin der Familie.« Sie gab dem Serviermädchen mit einer Handbewegung zu verstehen, dass sie die Rechnung bringen sollte.

»Aber du hast uns noch nicht gesagt, was für eine Idee du hast«, erinnerte Prudence sie.

»Ach, das sagte ich euch, wenn wir uns zum Dinner umziehen.« Constance nahm The Mayfair Lady und glättete die Seiten mit der flachen Hand, während Prudence Münzen auf den Tisch zählte.

Die drei jungen Frauen standen auf, nahmen Handschuhe, Schals und Handtaschen und schlenderten gemeinsam zwischen den Tischen hindurch, nach links und rechts mit einem Lächeln oder einem Kopfnicken grüßend, da und dort innehaltend und ein paar Worte wechselnd. So gelangten sie zu dem Tisch, an dem Lady Armitage und ihr geheimnisvoller Begleiter saßen.

»Elizabeth, wie geht es dir?« Constance begleitete die Frage mit einer kleinen, höflichen Neigung des Kopfes. »Schreckliches Wetter für Hochsommer, findest du nicht?«

»Ja, einfach grässlich. Wie geht es euch, meine Lieben? Ihr seht zauberhaft aus.« Lady Armitage hatte ihre Fassung wiedererlangt und begrüßte das Trio mit einem verhaltenen Witwenlächeln. »Ihr habt die Halbtrauer abgelegt.«

»Lavendel und Taubengrau wurden ein wenig fade«, sagte Constance. »Und Mutter war nie heikel in diesen Dingen.«

»Nein, wirklich nicht. Die Arme.« Mit einem leisen, mitfühlenden Seufzer wandte sie sich ihrem Begleiter zu.

»Meine Lieben, ich darf euch Max Ensor vorstellen. Er gewann vor kurzem die Nachwahl in Southwold und ist gekommen, um seinen Sitz im Parlament einzunehmen. Seine Schwester, die charmante Lady Graham, ist eine liebe Freundin von mir. Sicher kennt ihr sie. Mr. Ensor, darf ich die Ehrenwerten Misses Duncan vorstellen.« Sie machte die entsprechende Handbewegung zwischen den Damen und dem Gentleman, der sich erhoben hatte.

Constance registrierte, dass er noch größer war, als sie erwartet hatte. Seine imponierende Statur wurde durch die förmliche Kleidung ‒ schwarzer Gehrock, ebensolche Weste und grau gestreifte Hose ‒ sehr vorteilhaft betont. Der Kontrast seiner silbrig durchzogenen, schwarzen Haare zu den lebhaften blauen Augen unter gewölbten schwarzen Brauen war einfach hinreißend. »Constance Duncan, Mr. Ensor«, sagte sie. »Das sind meine Schwestern Prudence und Chastity.« Sie lächelte. »Natürlich kennen wir Lady Graham. Wohnen Sie bei ihr?«

Max Ensors Verbeugung war Begrüßung und Bejahung zugleich. »Bis ich ein passendes Haus in Westminster finde, sozusagen in Hörweite der Abstimmungsglocke, Miss Duncan.« Seiner Stimme, die erstaunlich weich, wohltönend und dunkel klang, war anzuhören, dass sie aus einem kraftvollen Körper kam.

»Das ist natürlich sehr wichtig«, erwiderte Constance mit verständnisvollem Nicken. »Damit Sie nicht Gefahr laufen, eine entscheidende Abstimmung zu versäumen.«

»Ganz recht.« Sein Blick schärfte sich, als er sich fragte, ob die offenkundig ernste Zustimmung nicht von leisem Spott gefärbt war. Machte sie sich über ihn lustig? Er musste sich geirrt haben. Über männliches Pflichtgefühl wurde nicht gespottet.

»Bitte, nehmen Sie wieder Platz, Mr. Ensor«, sagte Chastity. »Wir wollten nur rasch Elizabeth begrüßen und müssen gehen.«

Der Gentleman, dessen Blick unverändert scharf blieb, lächelte, blieb aber stehen.

»Ist dir dieses Blättchen schon einmal untergekommen, Elizabeth?« Constance legte die Ausgabe von The Mayfair Lady auf den Tisch.

»Ach, dieses schreckliche Ding!«, rief Lady Armitage aus. »Lord Armitage würde es nicht in seinem Haus dulden. Woher hast du es?« Sie streckte die Hand mit schlecht verhohlener Begierde danach aus.

»In Elises Salon an der Regent Street«, erwiderte Chastity prompt. »Drei Nummern lagen zum Verkauf auf.«

»Und ich sah einige bei Helene«, warf Prudence ein. »Im Schaufenster war ein reizendes Strohhütchen, das ich unbedingt anprobieren musste. Für diesen Regen natürlich höchst unpraktisch. Aber dort lag dieses Blatt auch auf.«

»Man konnte es kaufen?«, rief Lady Armitage aus. »Es wurde noch nie zum Verkauf angeboten.«

»Nein, aber jetzt wurde der Inhalt erweitert, glaube ich«, sagte Constance nachdenklich. »Einige Artikel könnten dich wirklich interessieren … die Maguire-Hochzeit etwa.«

»Nun ja …« Lady Armitages Hand verharrte über dem Blättchen. »Vielleicht könnte ich ja einen Blick riskieren.«

»Behalte es«, sagte Constance großzügig, »ich habe es schon gelesen.«

»Lieb von dir, aber ich dürfte damit nicht nach Hause kommen. Ambrose bekäme einen Anfall.« Trotz ihrer Einwände faltete sie die Seiten sorgfältig zusammen.

»Lass es in der Garderobe liegen, wenn du damit fertig bist«, schlug Prudence beiläufig vor. »Dann wird niemand wissen, dass du es gelesen hast.«

»Ich werde es zerreißen und wegwerfen«, erklärte Elizabeth und stopfte das Blatt energisch in ihre Handtasche. »Ein skandalöses Machwerk.«

»Ganz recht«, murmelte Chastity mit winzigem Lächeln. »Den Artikel über die Maguire-Hochzeit findest du auf Seite zwei. Wir sehen uns heute noch auf der Soiree bei den Beekmans. So viel ich weiß, wurde auch eine Opernsängerin geladen. Aus Mailand, glaube ich.«

»Ach ja, ich werde kommen. Für den armen Armitage ist es nicht das Richtige, ich aber liebe Gesang über alles. Schöne Stimmen sind einfach hinreißend.« Elizabeth führte die Hand an ihre Kehle, als stünde sie im Begriff, eine Arie anzustimmen.

Die Schwestern lächelten, bedachten den Abgeordneten von Southwold mit leisen Abschiedsworten und neigten gleichzeitig die Köpfe. Als sie hinausgingen, waren ihre Absätze auf dem Marmorboden überlaut zu hören.

»Wie sollen wir jemals damit Geld verdienen, wenn du das Blättchen verschenkst?«, sagte Prudence vorwurfsvoll, als sie auf Constances Hut und Schirm warteten.

»Es ist ein Weg, Nachfrage zu schaffen«, erklärte Constance, die ihren traurig aussehenden Hut mit einer Grimasse betrachtete. »Ich wusste ja, dass die Feder ruiniert sein würde.« Sie sah in den Spiegel, als sie die Hutnadeln feststeckte. »Vielleicht kann ich statt der Feder etwas anderes nehmen und den Hut behalten. Was meinst du, Prue?«

Prudence ließ sich von der Frage, die ihr unfehlbares Gespür für Mode ansprach, ablenken. »Nimm Seidenblumen«, sagte sie. »Bei Helene gibt es sehr hübsche. Wenn wir morgen hingehen, wird es sich auch zeigen, ob sie von unserem Blatt einige Exemplare verkauft hat.«

»Und was haltet ihr vom Ehrenwerten Gentleman?«, fragte Constance, als sie hinaus auf den Piccadilly Square traten. Sie betonte Max Ensors Titel als Mitglied des Parlaments. Der Regen hatte aufgehört, das Pflaster glänzte unter den schwachen Strahlen der späten Nachmittagssonne.

»Sehr distinguiert und sehr wahrscheinlich sehr aufgeblasen«, erklärte Chastity. »Da er Letitia Grahams Bruder ist, lässt es sich nicht vermeiden, dass wir ihm wieder über den Weg laufen.«

»Hm«, murmelte Constance in beiden Richtungen nach einer Droschke Ausschau haltend. Als sie ihren Schirm hob, kam klappernd ein Wagen an den Straßenrand gefahren. Die nassen Flanken des Pferdes dampften in der nunmehr feuchten Sommerluft. »Manchester Square zehn«, wies sie den Kutscher an, als sie, gefolgt von ihren Schwestern, einstieg.

Falls Prudence und Chastity bemerkten, dass sich ihre Schwester mit einer Meinungsäußerung über Max Ensor zurückhielt, verloren sie kein Wort darüber.

Max Ensors Blick folgte den drei Schwestern nachdenklich, als sie Fortnum and Mason verließen. Er war überzeugt, dass nicht allein er, sondern auch Elizabeth Armitage Gegenstand leisen Spottes gewesen war. Ob Elizabeth es bemerkt hatte? Irgendwie bezweifelte er es. Die Ironie war so subtil, dass sie auch ihm beinahe entgangen wäre. Nur eine Andeutung im Ton, ein Blitzen in den Augen.

Ein gut aussehendes Trio. Alle drei waren Rotschöpfe mit feinen Abstufungen des Farbtons, vom Rostrot des Herbstlaubes über Zimt, bis hin zu unverfälschtem Rot bei derjenigen, die er für die Jüngste hielt. Und alle waren sie grünäugig, wiederum in verschiedenen Farbschattierungen. Constance, die Älteste, war mit ihrem rostroten Haar und den dunkelgrünen Augen die Auffallendste, was sie vielleicht auch ihrer Größe verdankte. So oder so, alle drei hatten etwas, das sein Interesse weckte.

»Waren das Lord Duncans Töchter?«, fragte er.

»Ja. Ihre Mutter verstarb vor drei Jahren.« Elizabeth seufzte mitleidig. »Arme Mädchen, es war sehr schwer für sie. Man möchte meinen, dass alle mittlerweile unter der Haube sein müssten. Constance muss jetzt achtundzwanzig sein, und ich weiß, dass sie mehr als nur eine Chance hatte.«

Winzige Fältchen erschienen zwischen ihren sorgfältig gezupften Brauen. »Tatsächlich glaube ich, mich an einen jungen Mann zu erinnern … ach ja, da gab es vor einigen Jahren eine schreckliche Tragödie. Er fiel im Krieg … in Mafeking oder an einem anderen dieser unaussprechlichen Orte.« Sie tat den ganzen afrikanischen Kontinent samt seinen unzähligen verwirrenden Ortsnamen mit einem ungeduldigen Kopfschütteln ab.

»Tja, und was Chastity betrifft«, fuhr sie fort, erleichtert, wieder festeren Boden zu betreten, »nun, mit ihren sechsundzwanzig Jahren hatte sie unzählige Bewerber.«

Sich vorbeugend, schlug Elizabeth einen vertraulichen Ton an. »Die Ärmsten nahmen sich den Tod ihrer Mutter sehr zu Herzen.« Sie seufzte mitleidig. »Alles kam so plötzlich und war nach wenigen Wochen vorüber. Krebs«, fügte sie hinzu. »Sie schwand einfach dahin.« Wieder schüttelte sie den Kopf und führte sich einen Bissen vom Haselnusskuchen mit reichlich Sahne zu Gemüte.

Max Ensor schlürfte an seinem Tee. »Ich bin mit dem Baron entfernt bekannt. Er nimmt meist an den Sitzungen des Oberhauses teil.«

»Ach, Lord Duncan ist sicher sehr gewissenhaft. Ein bezaubernder Mann, ganz reizend. Und doch werde ich das Gefühl nicht los, dass er seine väterlichen Pflichten nicht ganz ernst nimmt.« Elizabeth tupfte ihren geschminkten Mund vorsichtig mit der Serviette ab. »Er sollte darauf drängen, dass sie heiraten … zumindest Constance und Chastity. Drei alte Jungfern in der Familie ‒ völlig unmöglich. Prudence ist anders. Sie würde sich sicher damit begnügen, im Haus zu bleiben und sich um ihren Vater zu kümmern. Ein so vernünftiges Mädchen ... schade, dass sie diese Brille trägt. Damit sieht eine Frau so langweilig aus.«

Langweilig war nicht das Wort, das Max Ensor nach der ersten Begegnung mit einer der drei Duncan-Schwestern gebraucht hätte. Ihm war deutlich in Erinnerung geblieben, dass hinter Miss Prudence’ dicken Brillengläsern ein überaus waches und lebhaftes grünes Augenpaar hervorsah.

»Könnte ich einen Blick in das Blättchen werfen, Madam?«, fragte er mit beifälligem Nicken.

»Es ist skandalös.« Elizabeth öffnete ihre Tasche wieder und fuhr in gedämpftem Ton fort: »Natürlich lesen es alle, auch wenn es niemand zugibt. Sicher wirft auch Letitia ab und zu einen Blick hinein.« Sie schob ihm die zusammengefalteten Seiten verstohlen zu.

Max Ensor hatte seine Zweifel, ob seine Schwester Letitia etwas anderes las, als das handgeschriebene Menü, das ihr allmorgendlich von ihrem Koch präsentiert wurde, doch er behielt diese Überlegung für sich und entfaltete das Blatt.

Die Zeitung verriet fachmännische Herstellung, wenn er auch bezweifelte, dass sie in einer größeren Druckerei hergestellt wurde. Das Papier war billig und dünn, das Layout schmucklos. Er warf einen Blick auf die Inhaltsangabe links auf dem Titelblatt und zog die Brauen hoch. Zwei politische Artikel waren angeführt, einer galt den neuen Öffnungszeiten für Lokale, der andere der neuen Zwanzig-Meilen-Geschwindigkeitsbegrenzung für Motorwagen. Kaum Themen, die Mayfair-Damen vom Schlage Elizabeth Armitage’ oder Letitia Grahams ansprachen, doch deutete der kühne Titel darauf hin, dass man sich an eben diese Leserschaft wandte.

Sein Blick fiel auf eine eingerahmte Schlagzeile, auffallender als alle anderen. Es war eine Überschrift, als Feststellung und Frage formuliert, die dem Leser förmlich in die Augen sprang. WEIBLICHE STEUERZAHLER FORDERN STIMMRECHT. WIRD DIE LIBERALE REGIERUNG DER FORDERUNG NACHGEBEN?

»Mir scheint, das Blatt hat mehr im Sinn als Klatsch und Mode«, bemerkte er und tippte auf die Überschrift.

»Ach, das. Nun ja … man liest immer wieder über diese Stimmrechtsfrage«, sagte Elizabeth. »Furchtbar langweilig. In jeder Nummer steht auf der Titelseite etwas zu dem Thema. Wie die meisten von uns schenke ich diesen Schlagzeilen keine Beachtung.«

Max runzelte die Stirn. Wer steht hinter diesem Blatt? War es als Forum für die weiblichen Störenfriede gedacht, die mit jedem Tag radikaler wurden und der Regierung mit ihrer Forderung nach dem Stimmrecht für Frauen arg zusetzten? Alle übrigen Themen, die das Blatt behandelte, entsprachen eher der Erwartung, die der Titel weckte: ein Artikel über den amerikanischen Illustrator Charles Dane Gibson und das Geschöpf seiner Phantasie, das in unzähligen Abwandlungen präsentierte Gibson-Girl; ein Bericht über die Gäste einer Nobelhochzeit; eine Aufzählung bevorstehender gesellschaftlicher Ereignisse. Er warf einen Blick auf den Gibson-Artikel, zwinkerte überrascht und fing zu lesen an. Statt der erwarteten, ernst gemeinten Ratschläge, die eine Annäherung an das der vorherrschenden Mode entsprechende Ideal des Gibson-Girl erleichtern sollten, ertappte er sich bei der Lektüre eines Artikels, in dem kritisch und mit spitzer Feder die sklavische Unterwerfung der Frauen unter das fast ausschließlich von Männern lancierte Modediktat gegeißelt wurde.

Er blickte auf. »Wer schreibt das?«

»Ach, das weiß kein Mensch«, sagte Elizabeth, die Hand begierig nach ihrem Beutestück ausstreckend. »Natürlich wird dadurch alles besonders interessant. Das Blatt erscheint schon seit mindestens zehn Jahren, dann gab es eine kurze Pause, und jetzt erscheint es erneut, wenn auch mit erweitertem Inhalt.«

Sie faltete es wieder zusammen. »Schade, dass man jetzt dafür bezahlen muss. Früher lag es in Garderoben oder auf Foyer-Tischen aus. Damals enthielt es allerdings nicht so viele interessante Artikel. Es brachte meist langweiliges politisches Zeug … Themen wie Frauenstimmrecht und Vermögensrecht. Davon verstehe ich nun gar nichts. Um diese Dinge kümmert sich der liebe Ambrose.« Sie lachte perlend, als sie die Blätter wieder in ihre Handtasche steckte. »Keine passenden Themen für Damen.«

»Nein, wirklich nicht«, pflichtete Max Ensor ihr mit einem bekräftigenden Nicken bei. »Es gibt schon genug Ärger auf der Welt, ohne dass Frauen ihre Nase in Dinge stecken, die sie nichts angehen.«

»Das sagt auch der liebe Ambrose.« Mit selbstgefälligem Lächeln überprüfte sie den Sitz ihres Hutes aus schwarzem Taft, den eine wahre Kaskade aus weißen Federn schmückte.

Sie warf einen Blick auf die kleine emaillierte Uhr an ihrem Jackenaufschlag. »Ach, du meine Güte, schon so spät? Jetzt muss ich aber gehen. Ein wundervoller Tee. Vielen Dank, Mr. Ensor.«

»Das Vergnügen war ganz meinerseits, Lady Armitage. Sicher sehen wir uns heute auf der Soiree der Beekmans. Letitia bat sich meine Begleitung aus.« Er stand auf, verbeugte sich und reichte der Dame ihre Handschuhe.

»Es wird ein zauberhafter Abend«, sagte Elizabeth und strich die Handschuhe über den Fingern glatt. »Zurzeit ist in London alles zauberhaft. Finden Sie nicht auch?«

»Hm, ja … zauberhaft«, gab er ihr Recht. Er blieb stehen, bis sie hinausgerauscht war, dann rief er nach der Rechnung. Zauberhaft war im Sprachgebrauch einer Mayfair-Lady ein geradezu überstrapaziertes Wort. Letitia benutzte es, um alles zu beschreiben … von den Haarschleifen ihrer kleinen Tochter angefangen bis zur Kohle im Kamin, und auch Elizabeth Armitage war es in der vergangenen Stunde unzählige Male über die Lippen gekommen.

Hingegen hätte er geschworen, dass es keine der Ehrenwerten Misses Duncan benutzt hatte.

Weibliche Steuerzahler fordern Stimmrecht.

Es wäre interessant und sehr erhellend, in Erfahrung zu bringen, wer hinter dem Blatt steht, überlegte er und griff nach seinem Hut. Die Regierung war nach Kräften bemüht, den Einfluss der eigenwilligen Fanatikerinnen und einiger vernagelter Männer, die für das Frauenstimmrecht eintraten, möglichst einzudämmen, doch es war schwierig, eine Bewegung zu verfolgen, die im Untergrund operierte. Die wahren Drahtzieher waren nur schwer ausfindig zu machen. Und wenn er sich nicht sehr irrte, enthielt diese vorgeblich an die Damen der Gesellschaft gerichtete Zeitung mehr Sprengstoff als alles, was ihm bislang in dieser Richtung untergekommen war. Es lag also im Interesse der Regierung, das Blättchen aus dem Verkehr zu ziehen. Waren Herausgeber und Autoren ausgeforscht, gab es eine Vielzahl von Möglichkeiten, dies zu erreichen. Aber wie sollte man sie ausfindig machen?

Max Ensor trat hinaus in den schwülen Nachmittag und ging, nachdenklich vor sich hinpfeifend, in Richtung Westminster.

Kapitel 2

»Wie sieht also dein Plan aus, Con?« Prudence schenkte aus der geschliffenen Glaskaraffe auf ihrem Frisiertisch Sherry in drei Gläser und reichte zwei davon ihren Schwestern, ehe sie sich vor dem Spiegel niederließ. Die Fenster ihres Schlafzimmers standen offen und ließen frische Luft ein, die die Schwüle des langen Sommerabends erträglicher machte. Von der Grünfläche des Platzes her hörte man Kindergeschrei und den dumpfen Aufprall eines Kricketballs.

Constance nähte die abgerissene Spitze an ihren Abendhandschuhen mit winzigen Stichen an der hellen Seide fest. Sie gab keine Antwort, bis sie das Ende des Fadens festgeknotet und abgebissen hatte. »Das muss genügen«, erklärte sie und hielt den Handschuh gegen das Licht. »Leider haben sie ihre besten Zeiten längst hinter sich.«

»Du könntest mein zweites Paar haben«, bot Chastity ihr von ihrem Sitz auf dem abgewetzten Samtkissen der Fensterbank an. »Sie gehörten Mutter und stehen daher uns allen zu.«

Constance schüttelte den Kopf. »Nein, diese da halten noch für ein paar Abende.« Sie legte die Handschuhe neben sich auf die Bettdecke. »Also, ich sprach von den Angeboten, die man in den Fenstern der Zeitungsverkäufer sieht. Die Leute preisen Dinge an, die sie verkaufen wollen, junge Hunde oder Schränke … alles Mögliche.«

Prudence drehte sich auf dem Frisierhocker um, eine Puderquaste in der Hand. »Und?«, drängte sie.

»Nun, ich ging heute zu zwei Zeitungsverkäufern an der Baker Street, und bei beiden steckten Kärtchen an der Tür. Aber nicht mit den üblichen Angeboten oder Nachfragen, sondern Kontaktanzeigen … von Leuten, die Leute suchen.«

Chastity runzelte die Stirn. »Das verstehe ich nicht.«

»Der Erste hängte die Anzeige eines Mannes aus, der eine Frau sucht. Vorzugsweise eine Witwe, um die Vierzig, mit oder ohne Kinder, die, der Einsamkeit überdrüssig, Geborgenheit sucht und gewillt wäre, ihm das Haus zu führen und für seine leiblichen Bedürfnisse zu sorgen ... wobei ich nicht sicher bin, was Letzteres beinhaltet«, fügte sie schmunzelnd hinzu.

»Einerlei«, fuhr sie fort, als sie die anhaltende Ratlosigkeit ihrer Schwestern bemerkte, »im nächsten Laden hing eine Anzeige, die ...«

»Ach, ich verstehe!«, unterbrach Chastity sie. »Eine Frau, die dieser Beschreibung entspricht, sucht ihrerseits einen Lebensgefährten.«

»Genau.« Constance trank einen Schluck Sherry. »Natürlich konnte ich nicht widerstehen. Da waren die zwei Karten in verschiedenen Schaufenstern, die nie zueinander gelangen würden, wenn nicht jemand eingriff.«

»Und was hast du getan?« Prudence betupfte mit der Puderquaste ihren Nasenrücken, wo ihre Brille einen Abdruck hinterlassen hatte.

»Ich kopierte beide und hängte sie nebeneinander auf, so dass nun bei beiden Ladenbesitzern beide Karten hängen, und wenn die betreffenden Personen nachschauen ...« Sie kicherte. »Von da an können sie die Sache selbst in die Hand nehmen.«

»Ich muss zugeben, dass dies heute deine gute Tat des Tages war«, sagte Prudence. »Aber ich sehe noch immer keinen Zusammenhang mit unseren ein wenig traurigen Angelegenheiten.«

»Meinst du nicht, dass die Menschen zu zahlen bereit wären, wenn man ihnen Kontakt mit dem richtigen Partner vermittelt?« Aus Constances dunkelgrünen Augen schossen Blicke zwischen ihren Schwestern hin und her und schätzten deren Reaktion ab.

»Du meinst, so etwas wie ein Eheanbahnungsinstitut?« Chastity kreuzte ihre schlanken Fesseln und löste sie wieder, eine Gewohnheit, die anzeigte, dass sie nachdachte.

Constance zuckte mit den Schultern. »Vermutlich. Aber ich dachte mehr an bloße Vermittlung. Vereinbarung von Treffen, Überbringen von Botschaften und dergleichen. Das, was ich heute Morgen machte.«

»Und für diese Dienste sollen wir Geld verlangen?« Prudence fasste ihr langes brünettes Haar zusammen und drehte es zu einem Knoten, den sie auf dem Kopf feststeckte.

»Ja. Ich dachte, wir könnten in The Mayfair Lady eine Anzeige mit einer postlagernden Adresse angeben, um uns nicht deklarieren zu müssen …«

»… und unsere Anonymität preiszugeben«, warf Chastity ein, die nun daranging, Prudence mit ihrem Haar zu helfen.

»Ja, natürlich.«

»Eine originelle Idee«, sagte Prudence nachdenklich und hielt ihrer Schwester Schildpatthaarnadeln hin. »Ich bin dafür, dass wir einen Versuch wagen.«

»Ich auch«, sagte daraufhin Chastity. »Morgen bringe ich die nächste Nummer zum Drucker. Die Anzeige hat noch auf der letzten Seite Platz. Meint ihr, dass es die günstigste Stelle ist?« Sie zupfte aus dem sorgfältig aufgetürmten Haar ihrer Schwester eine einzelne Strähne heraus und betrachtete aufmerksam ihr Werk im Spiegel.

»Ich glaube, es sollte auf der Titelseite erscheinen«, meinte Constance. »Zumindest anfangs. Nur um möglichst viel Aufmerksamkeit zu erregen. Wie sollen wir diesen Service nennen? Es muss ein Blickfang sein.« Nachdenklich runzelte sie die Stirn und tippte mit der Fingerspitze an die Lippen.

»Wie wäre es mit ›Kontakte‹?«, fragte Chastity. »Schließlich ist es genau das, was wir anbieten.«

»Sehr gut. Was hältst du davon, Prue?«

»Es gefällt mir.« Prudence drehte den Kopf hin und her, um von den Bemühungen ihrer Schwester an ihrer Frisur einen richtigen Eindruck zu bekommen. »Chas, du hast eine gute Hand für Frisuren.«

»Vielleicht sollte ich einen Salon eröffnen«, sagte Chastity lächelnd. »Wo ist die Brennschere? Deine Schläfenlocken müssten ein wenig aufgefrischt werden.«

»Ich habe sie« ‒ Constance stand auf ‒ »in meinem Zimmer. Ich hole sie.« Unterwegs hielt sie inne, um ihr Spiegelbild in dem hohen Standspiegel neben der Tür zu begutachten. Ihr Abendkleid aus cremefarbigem Seidenchiffon fiel in üppigen Falten bis zum Saum, der ihre rostbraunen Ziegenlederschuhe streifte. Ihre bloßen Schultern wuchsen aus dem tiefen, von kaffeebrauner Seide eingefassten Ausschnitt, eine gleichfarbige Satinschleife schlang sich um eine beneidenswert schmale Taille, die ohne die Zwänge einer Fischbeinkorsage auskam.

»Ich glaube, die dunkle Schleife und der Spitzenbesatz verwandeln das Kleid völlig«, sagte sie. »Ich erkenne es selbst kaum wieder und trage es doch schon die dritte Saison.«

»Was du trägst, spielt keine Rolle, da du immer elegant wirkst«, bemerkte Chastity. »Du könntest in Lumpen erscheinen, und alle würden sich nach dir umdrehen.«

»Mit Schmeichelei erreicht man alles.« Constance eilte auf der Suche nach der Brennschere aus dem Zimmer.

»Das stimmt«, sagte Chastity.

»Ja, aber Constances Charme macht es auch aus, dass sie sich dessen nicht bewusst zu sein scheint. Hat sie sich einmal angezogen und ihre Erscheinung überprüft, schaut sie den ganzen Abend nicht mehr in den Spiegel.« Prudence, die ihre Brille aufsetzte und ihr Spiegelbild begutachtete, befeuchtete die Finger und strich ihre Brauen glatt. »Möchte wissen, ob Max Ensor heute bei den Beekmans ist.«

»Warum?« Chastity war neugierig, da ihre Schwester sich kaum jemals zu sinnlosen Bemerkungen hinreißen ließ.

»Aus keinem Grund«, sagte Prudence schulterzuckend. »Aber Con sieht heute besonders hübsch aus.«

»Du glaubst doch nicht etwa, dass er ihr gefiel?«

»Mit seinem silbern durchzogenen, dunklen Haar und den blauen Augen ist er ein sehr attraktiver Mann. Du musst zugeben, dass er auffällt.«

»Das schon, aber Con hat sich seit Douglas’ Tod nicht mehr ernsthaft für einen Mann interessiert. Sie amüsiert sich da und dort, ohne dass ihr Herz beteiligt wäre.« Ein Stirnrunzeln huschte über Chastitys Miene, ein Schatten der Sorgen, der sich im Blick ihrer Schwester widerspiegelte.

»Aber sie kann doch nicht ewig trauern«, wandte Prudence nach einer Weile ein. »Sie zeigt ihren Kummer gar nicht … jetzt nicht mehr, doch sitzt er noch tief in ihr, so als glaube sie, kein Mann könne mit Douglas mithalten.«

»Wenn ich mich so umsehe, wer zu haben ist, dann neige ich dazu, ihr beizupflichten«, bemerkte Chastity ungewohnt spitz.

Prudence lachte leicht auf. »Stimmt. Aber heute spürte ich doch, wie um Mr. Ensor die Luft leise vibrierte.«

»Aber nur, weil Con Elizabeth Armitage zu gern aufzieht.«

»Ja, wahrscheinlich«, gab Prudence ihr Recht, obwohl der leise Zweifel nicht aus ihrem Blick schwand. »Die liebe Elizabeth ‒ eine so zauberhafte Person.«

Chastity lachte, da Prudence die übertriebene Redeweise der Dame treffend nachahmte, und ließ das Thema Max Ensor fallen. »Speist Vater heute Abend zu Hause?«, erkundigte sie sich. »Bei den Beekmans werden wir ihn nicht sehen, da Opernsängerinnen nicht sein Fall sind.«

»Solche, die man auf Soireen in Mayfair antrifft, meinst du wohl«, erwiderte Prudence mit vielsagendem Nicken. »Ich bin sicher, dass andere so genannte Opernsängerinnen sehr wohl sein Fall sind.«

Chastity zog bei dieser spöttischen Bemerkung eine Braue hoch. »Er ist, wer er ist«, sagte sie beschwichtigend.

»Wer denn?«, fragte Constance, die eben mit der Brennschere eingetreten war. »Ach, du meinst Vater.«

»Prue behauptet, er würde für Opernsängerinnen schwärmen.«

»Das tut er sicher. Mutter würde es ihm nicht übelnehmen, immerhin ist er seit drei Jahren verwitwet.« Sie legte die Brennschere auf den Untersatz über dem kleinen Feuer im Kamin, das nur zu diesem Zweck entfacht worden war, wiewohl es auch mithalf, die Feuchtigkeit zu mildern, die vom nachmittäglichen Wolkenbruch noch in der Luft hing.

»Und ich nehme ihm nur die Unkosten übel«, sagte Prudence ein wenig scharf. »Wir müssen in alten Kleidern ausgehen, während irgendeine Operndiva oder sonst ein Frauenzimmer die neueste Mode trägt und über und über mit Schmuck behängt ist.«

»Aber Pru … das weißt du doch nicht«, schalt Chastity sie aus.

»Ach nein?«, gab ihre Schwester zurück. »Gestern kam eine Rechnung von Penhalligan für eine Flasche Parfüm aus dem Haus Worts, und ich rieche es an keiner von uns.«

»Frage ihn bei Tisch danach, falls er zu Hause bleibt«, schlug Constance vor. »Warte ab, was er sagt.«

»Nein, ich nicht.« Prudence schüttelte energisch den Kopf. »Ich werde doch nicht einen Tobsuchtsanfall riskieren. Du weißt ja, wie er es hasst, wenn er merkt, dass ich seine Rechnungen kontrolliere.«

»Das Gebrüll stört mich nicht.« Chastity griff nach der heißen Brennschere und wickelte die Löckchen ihrer Schwester darum. Sofort roch es nach verbranntem Haar. »Ich ertrage es aber nicht, wenn er traurig und vorwurfsvoll dreinschaut und anfängt, von eurer teuren Mutter zu reden, und dass sie nicht im Traum daran gedacht hätte, seine Vorgehensweise in Frage zu stellen, geschweige denn seine Ausgaben.« Sie legte die Brennschere aus der Hand.

»Richtig«, pflichtete Prudence ihr bei. »Du kannst ihn ja fragen, Con, aber erwarte nicht, dass ich dir den Rücken stärke. Es soll mir recht sein, wenn ich mich um die Haushaltsrechnungen kümmere ‒ aber eine Einmischung in seine persönlichen Angelegenheiten? Niemals!«

»Ich schweige wie ein Grab«, gelobte Constance. »Sind wir fertig?« Sie ging zur Tür.

Als sie die breite geschwungene Treppe in die Halle mit dem Marmorboden hinunterschritten, löste sich die stattliche Gestalt des Butlers Jenkins aus dem Schatten, als hätte er auf sie gewartet. »Miss Prue, auf ein Wort, wenn ich bitten darf.« Er zog sich in den dunklen Bereich unter der Treppenkurve zurück.

»Ja, natürlich.« Sie trat zu ihm in den Schatten. »Gibt es Ärger, Jenkins?«, fragte Constance.

»Seine Lordschaft, Miss. Es geht um den Wein für heute Abend.«

Jenkins zupfte an seinem spitzen Kinn. Er war ein großer und hagerer Mann, dessen geisterhafte Erscheinung von seinem bleichen Gesicht, der schwarzen Kleidung und der Dunkelheit noch betont wurde. »Lord Duncan ordnete an, dass zwei Flaschen des 94er St. Estephe zum Dinner serviert werden sollen.«

»Und natürlich haben wir keinen mehr im Keller«, sagte Constance seufzend.

»So ist es, Miss Con. Er ging schon vor einigen Monaten zur Neige, und Lord Duncan wies mich an, ihn nachzubestellen …« Er hob die Hände in einer Geste der Hilflosigkeit. »Der Preis für ein Gebinde hat astronomische Höhen erreicht. Als Lord Duncan seine Bestände kaufte und einlagerte, war der Wein noch günstig, jetzt aber, reif und trinkbar, ist er fast unbezahlbar.« Er schüttelte betrübt den Kopf.

»Ich wage es nicht mehr, eine Bestellung bei Harper zu tätigen. Ich hoffte, Seine Lordschaft würden es vergessen.«

»Eine vergebliche Hoffnung«, sagte Constance. »Vater verfügt über das Gedächtnis eines Elefanten.«

»Könnten Sie nicht eine andere Sorte als Ersatz nehmen und ihn so dekantieren, dass er das Etikett nicht sieht«, schlug Chastity vor und beantwortete sogleich ihre eigene Frage: »Nein, natürlich nicht. Er würde es sofort merken.«

»Warum sagen wir ihm nicht, dass Harper diesen Jahrgang nicht mehr führt und Sie nur vergessen hätten, es ihm eher zu sagen?«, schlug Prudence vor. »Was können Sie heute servieren, das ihn darüber hinwegtröstet?«

»Ich holte zwei Flaschen eines 98er Rotweins herauf, der besonders gut zu Mrs. Hudsons Hühnerfrikassee passt«, sagte Jenkins. »Ich wollte es vor Seiner Lordschaft nicht erwähnen, ehe ich es nicht mit Ihnen abgesprochen habe.«

»Besser Vorsicht als Nachsicht«, sagte Constance mit einer Grimasse. »Wir bringen es ihm selbst bei und sagen einfach, Sie hätten es uns gegenüber erwähnt.«

»Danke, Miss Con.« Jenkins wirkte sichtlich erleichtert. »Ich glaube, Seine Lordschaft befindet sich bereits im Salon. Ich bringe gleich den Sherry.«

Die Schwestern traten aus dem Dunkel und gingen durch die Halle zu den großen Doppeltüren, die in den Salon im rückwärtigen Teil des Hauses führten. Es war ein wunderschöner Raum, dessen Eleganz von den abgetretenen Teppichen auf dem Eichenboden, dem schäbig gewordenen Chintz der Polstermöbel und den glänzenden Stellen an den schweren Samtvorhängen nur unwesentlich beeinträchtigt wurde.

Die hohen Fenster standen offen und boten einen Ausblick auf eine großzügige, mit einer niedrigen Steinbrüstung versehene Terrasse, die sich über die ganze Breite des Hauses hinzog, und auf einen kleinen, gepflegten Blumengarten, in dem die Regentropfen des Nachmittags funkelten. Die Backsteinmauer, die den Garten umschloss, leuchtete rötlich unter den letzten Strahlen der Abendsonne. Von jenseits der Mauer war gedämpft der Großstadtlärm zu hören.

Lord Duncan stand vor dem von Marmorsäulen flankierten Kamin, die Hände im Rücken gefaltet. Sein Abendanzug war wie immer makellos, die weiße Weste schimmerte, der hohe gestärkte Kragen mit der weißen Halsschleife über der steifen, untadelig gebügelten Hemdbrust bot seinem schweren Kinn Halt. Er begrüßte seine Töchter mit einem Lächeln und einer höflichen Neigung des Kopfes.

»Guten Abend, meine Lieben. Ich möchte heute zu Hause speisen. Nehmen wir den Sherry auf der Terrasse? Nach dem Regen ist es ein schöner Abend geworden.«

»Ja, mich hat der Regen noch erwischt«, sagte Constance und küsste ihren Vater auf die Wange, bevor sie beiseite trat, damit ihre Schwestern ihn begrüßen konnten. »Als ich bei Fortnum ankam, war ich total durchnässt.«

»Ihr wart zum Tee dort?«, fragte Arthur Duncan mit unverändert wohlwollendem Lächeln. »Sicher habt ihr Sahnetörtchen genossen.«

»Ja, Chas konnte nicht widerstehen«, sagte Constance.

»Und Prue auch nicht«, rief Chastity. »Ich war nicht die einzige Sünderin.«

»Nun, ihr alle seht heute sehr hübsch aus«, bemerkte ihr Vater und ging an die offenen Fenster, als der Butler eintrat. Jenkins warf Constance einen fragenden Blick zu.

»Ach, wir trafen in der Halle auf Jenkins«, sagte sie hastig. »Er war in Sorge, weil er zu erwähnen vergaß, dass Harper den Wein nicht mehr auf Lager hat, der heute serviert werden sollte.«

Prudence trat neben ihrem Vater hinaus auf die Terrasse. »Jenkins empfiehlt einen roten 98er«, sagte sie. »Er passt hervorragend zu Mrs. Hudsons Hühnerfrikassee.«

Ein Ausdruck des Bedauerns huschte über Lord Duncans kultivierte Züge. »Wie schade. Es war ein besonders guter St. Estephe.« Er wandte sich an Jenkins, der ihm mit Karaffe und Gläsern auf einem silbernen Tablett gefolgt war. »Hoffentlich haben Sie Harper wissen lassen, dass man uns eine größere Menge der Sorte reservieren soll, wenn der Wein wieder lieferbar ist.«

»Selbstverständlich, Mylord, doch ist es zweifelhaft, ob es wieder Nachschub gibt. Es handelt sich um ein ganz kleines Anbaugebiet.«

Lord Duncan nahm ein Glas vom Tablett und blickte mit gerunzelter Stirn auf eine Steinurne auf der Brüstung, in der bunte Petunien gepflanzt waren. Nun trat kurze Stille ein, in der alle bis auf Seine Lordschaft die Luft anhielten. Dann hob er sein Glas an die Lippen und murmelte: »Tja, diese Dinge werden uns zweifellos als Prüfung in den Weg gelegt. Also, was habt ihr Mädchen heute noch vor?«

Die Krise war abgewendet. Jenkins ging zurück ins Haus, und Lord Duncans Töchter atmeten auf. »Wir gehen zur musikalischen Soiree der Beekmans«, informierte Chastity ihn. »Eine Opernsängerin wird auftreten.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass du mitkommen möchtest, Vater?«, fragte Constance ein wenig boshaft.

»Guter Gott, nein. Das wäre nicht mein Fall!« Lord Duncan leerte sein Glas. »Nein, nein, ich gehe wie immer in meinen Klub. Zu einer Partie Bridge …« Er betrachtete seine Töchter mit einem plötzlich verärgerten Stirnrunzeln, das andeutete, dass der Verlust seines St. Estephe ihm keine Ruhe ließ. »Möchte wissen, warum keine von euch schon verheiratet ist«, bemerkte er. »Wie ich sehe, stimmt bei euch alles.«

»Vielleicht sind die möglichen Kandidaten das Problem«, entgegnete Constance mit einem Lächeln. »Es könnte ja sein, dass mit ihnen etwas nicht stimmt.«

Ihr Lächeln und ihr Ton hatten etwas an sich, das die Stirnfalten ihres Vaters noch vertiefte und ihn an den allzu frühen Tod Lord Douglas Spenders denken ließ. Er liebte es nicht, an unangenehme Dinge erinnert zu werden. Obwohl Constance nach dem Verlust ihres Verlobten nur selten übermäßigen Kummer gezeigt hatte ... vor ihm jedenfalls, war ihm doch klar, dass sie ihm mit ihrem versteckten Seitenhieb seine gedankenlose Bemerkung heimzahlen wollte.

Er räusperte sich. »Nun, das ist allein eure Sache«, sagte er barsch. »Gehen wir zu Tisch.«

Das Dinner verlief ohne weitere Zwischenfälle. Lord Duncan trank seinen Rotwein, ohne zu klagen, und ließ nur eine flüchtige Bemerkung über die begrenzte Auswahl an Käse fallen, die vor dem Dessert präsentiert wurde.

»Jenkins, würden Sie Cobham ausrichten, er solle in einer halben Stunde mit dem Wagen vorfahren?«, bat Constance, als sie sich mit ihren Schwestern erhob, um sich zurückzuziehen und ihren Vater seinem Port und seiner Zigarre zu überlassen.

»Gewiss, Miss Constance.« Jenkins schenkte Port für Seine Lordschaft ein.

»Ach, ehe ich es vergesse ‒, ich habe die Absicht, ein Automobil zu kaufen«, kündigte Lord Duncan an. »Mit Pferd und Wagen ist es aus und vorbei. Stellt euch mal vor, mit einem Motorwagen erreicht man Romsey Manor in weniger als vier Stunden.«

»Ein Automobil!«, rief Prue aus. »Vater, das kann nicht dein Ernst sein!«

»Und warum nicht?«, fragte er zurück. »Man muss mit der Zeit gehen, meine liebe Prudence. Lass einige Jahre vergehen, dann werden alle einen haben.«

»Aber die Kosten …« Sie verstummte, als sie sah, dass das Gesicht ihres Vaters sich mit stumpfem Rot überzog.

»Was geht dich das an, Miss?«

»Nun, gar nichts«, sagte Prudence mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Wie sollte es anders sein?« Als sie an ihren Schwestern vorüber aus dem Esszimmer eilte, lag ein harter Zug um ihren Mund.

»Er ist unmöglich«, stieß sie mit heftigem Unterton hervor, als sie in der Halle waren. »Er weiß doch, dass kein Geld da ist.«

»Ich weiß nicht, ob es ihm wirklich klar ist«, sagte Chastity. »Seit Mutters Tod verweigert er sich allen Tatsachen des Lebens.«

»Im Moment kann man nichts machen«, sagte Constance. »Es dauert immer sehr lange, bis er wirklich etwas unternimmt, also warten wir ab.« Sie lief zur Treppe. »Kommt, wir wollen doch die Opernsängerin nicht verpassen.«

Prudence folgte ihr mit finsterer Miene die Treppe hinauf, und ihre Stimmung besserte sich auch nicht, als sie ihre Abendmäntel holten und wieder hinuntergingen, wo Jenkins ihnen die Haustür aufhielt. Ein Landauer stand am Fuß der flachen Eingangstreppe. Ein älterer Kutscher wartete neben dem Wagen und pfiff müßig vor sich hin.

»Guten Abend, Cobham.« Chastity lächelte ihm zu, als er ihr beim Einsteigen half. »Wir fahren zu dem Beekmans am Grosvenor Square.«

»Sehr wohl, Miss Chas. Guten Abend, die Damen.« Er tippte sich an die Mütze, als Constance und Prudence einstiegen und sich neben Chastity setzten.

»Haben Sie schon gehört, dass Lord Duncan erwägt, ein Automobil anzuschaffen?«, fragte Constance ihn, als er ein wenig mühsam den Kutschbock erklommen hatte.

»Ja, Miss, gestern, als ich ihn zu seinem Klub fuhr, sagte er etwas in dieser Richtung. Aber was mich betrifft, so würde ich einen kläglichen Chauffeur abgeben. Bin schon zu alt für neue Mätzchen … hab keine Zeit für diese neumodischen Maschinen. Was soll aus den vielen Pferden werden, die man dann nicht mehr braucht? Sollen alle das Gnadenbrot auf der Weide bekommen? Ich jedenfalls gehöre dann aufs Altenteil, das steht fest«, fügte er leise grollend hinzu.

»Also ... wenn er wieder davon anfängt, versuchen Sie ihm beizubringen, dass es keine gute Idee ist«, sagte Prudence.

Cobham nickte und ließ die Peitsche über die Flanken der Pferde tanzen. »Eine teure Sache, so ein Automobil.«

Das Haus der Beekmans am Grosvenor Square war innen und außen hell erleuchtet. Ein Diener stand auf dem Bürgersteig und dirigierte die an- und abfahrenden Fahrzeuge, während ein Trio von Aushilfsdienern für die Gäste die Eingangstreppe mit Laternen beleuchtete.

»Ach, wenn das nicht die Ehrenwerten Misses Duncan sind«, erklang eine bekannte Stimme hinter ihnen auf der Treppe. »Wie schön, Sie wiederzusehen.«

Constance war die Erste, die sich umdrehte, die Erste auch, der klar wurde, dass sie auf die Begrüßung mit ungebührlicher Promptheit reagiert hatte. Sie verbarg dies mit einem kühlen Lächeln und einer ganz kleinen Neigung des Kopfes. »Mr. Ensor. Was für ein Vergnügen.« Dann wandte sie sich mit ungewöhnlicher Herzlichkeit seiner Schwester zu. »Letitia, Sie sehen wundervoll aus. Was für ein elegantes Kleid! Von Paquin? Der Goldbesatz trägt ihre Handschrift. Wir haben Sie schon wochenlang nicht mehr gesehen. Waren Sie auf dem Land?«

»Ja, Bertie bestand darauf, dass wir Pamela selbst aus Kent abholen. Sie verbrachte dort ein paar Wochen, aber leider meldet sich bei ihr allzu rasch Langeweile, wie immer bei Kindern.« Lady Graham lächelte liebevoll. »Ihre Gouvernante verzweifelt fast in ihrem Bemühen, die Kleine ständig zu beschäftigen.«

Constance nickte verständnisvoll, konnte aber nicht verhindern, dass ihre Augenbrauen sich ironisch hoben und wie sooft ihre wahre Meinung preisgaben. Es war eine unwillkürliche, von ihrer Mutter übernommene Reaktion. Sie lächelte, um die Wirkung der Brauen zu entschärfen, und schritt weiter.

»Darf ich Ihnen den Mantel abnehmen, Miss Duncan?« Max Ensor trat hinter sie, als sie die großzügige säulenbestandene Halle erreicht hatten, und griff mit ruhigem und unverkennbar angeborenem Selbstvertrauen nach vorne, um ihren Seidenumhang aufzuhaken.

»Danke.« Sie war verdutzt. Männer maßten es sich im Allgemeinen nicht an, ihr ungefragt Aufmerksamkeiten aufzudrängen. Sie sah, dass Letitia sich angeregt mit Prudence und Chastity unterhielt und ohne die Begleitung ihres Bruders auskam.

Max faltete lächelnd den Mantel zusammen und legte ihn über den Arm, ehe er sich suchend nach einem Diener umdrehte. »Ich habe das Gefühl, dass Sie nicht billigen, wie meine Nichte sich über die Bemühungen ihrer Gouvernante hinwegsetzt«, bemerkte er, nachdem er seinen eigenen Abendmantel aus schwarzer Seide abgelegt hatte, dessen rotes Seidenfutter einen kühnen Farbkontrast zum Schwarz und Weiß seiner Abendkleidung bildete.

»Ach, meine unartigen Augenbrauen haben mich verraten«, sagte sie mit einem spöttischen Seufzen, und er lachte.

»Sie sind wirklich sehr beredt.«

Constance reagierte mit einem Schulterzucken. »Die Bildung der Mädchen ist mir ein großes Anliegen. Ich sehe nicht ein, warum Mädchen nicht gleich erzogen werden sollen wie Jungen.« Sie sah ein Aufblitzen in Max Ensors blauen Augen, das sie aus dem Konzept brachte. Lachte er sie aus? Verspottete er ihre Ansichten?

Sie spürte, wie sich in ihr Zorn regte, und fuhr ein wenig schärfer fort: »Ich kann nur annehmen, dass die Gouvernante Ihrer Nichte nichts taugt. Entweder schafft sie es nicht, Interesse zu wecken, oder sie ist nicht imstande, die Aufmerksamkeit ihres Schützlings länger zu fesseln.«

»Ich fürchte, dass es eher der Fehler von Pamelas Mutter ist«, erwiderte Max, und während in seinem Blick noch ein Anflug von Humor lag, war sein Ton ernst. Er bot Constance seinen Arm, als sie die breite geschwungene Treppe zur Galerie hinaufschritten, von der die Klänge eines Chopin-Walzers erklangen. »Sie erlaubt nicht, dass das Kind einem Reglement oder Disziplin unterworfen wird. Was Pammy nicht mag, braucht Pammy nicht zu tun.«

Constance schaute zu ihm auf. Um seinen Mund lag ein strenger Zug, und die Belustigung in seinem Blick war einem entschieden kritischen Ausdruck gewichen. »Sie mögen Ihre Nichte nicht?«

»Oh doch, ich mag sie sehr gern. Es ist ja nicht ihre Schuld, dass sie so verwöhnt wird. Da sie erst sechs ist, besteht Hoffnung, dass sie aus allem herauswächst.«

Er sprach mit der ruhigen Gewissheit der Erfahrung. Ihr Widerspruchsgeist erstarb unter einer Woge der Neugierde. »Haben Sie selbst Kinder, Mr. Ensor?«

Er schüttelte den Kopf so energisch, als wäre es eine absurde Frage. »Nein, ich habe ja nicht einmal eine Frau, Miss Duncan.«

»Ich verstehe.« Wie alt mochte er sein? Constance blickte mit einem raschen Blick zu ihm auf, als sie im Eingang zu dem großen und hell erleuchteten Salon warteten, dass der Butler sie ankündigte.

Er sah aus wie Ende dreißig, Anfang vierzig. So oder so, ein wenig alt, um eine Parlamentskarriere zu beginnen, und ganz sicher in einem Alter, in dem man von einem Mann eine Frau am häuslichen Herd und eine Kinderstube voller Nachwuchs erwartete. Nun, vielleicht hatte er einmal eine Ehefrau gehabt. Oder eine große verbotene Leidenschaft, die mit einer Katastrophe geendet und Enttäuschung hinterlassen hatte. Sofort tat sie den Gedanken als romantischen Unsinn ab. Mit solchen Albernheiten gab sie sich sonst nicht ab.

»Die Ehrenwerte Miss Duncan … der Sehr Ehrenwerte Mr. Max Ensor«, rief der Butler.

Sie traten vor, um ihre Gastgeberin zu begrüßen, die Max Ensor scharf und abschätzend musterte, da sie zwei Töchter im heiratsfähigen Alter hatte und jeden ledigen männlichen Neuankömmling sofort als möglichen Ehemann unter die Lupe nahm. Für die unverheiratete Constance, in der sie eine mögliche Rivalin witterte, hatte sie nur ein Nicken übrig, ehe sie daranging, Max Ensor mit raffinierter Beiläufigkeit auszufragen.

Constance, die Arabella Beekmans Taktik nur zu gut kannte, lächelte höflich und ging weiter, um Freunde und Bekannte zu begrüßen. Sie nahm ein Glas Champagner von einem Tablett und ertappte sich dabei, dass sie Max Ensor beobachtete. Als es ihm binnen fünf Minuten glückte, sich den bohrenden Fragen und der unverhohlenen Neugier seiner Gastgeberin zu entziehen, staunte sie sehr. Unter diesen Umständen stellte dies einen Rekord dar.

Er blickte um sich und steuerte geradewegs auf Constance zu. Da sie befürchtete, er hätte ihren interessierten Blick gespürt, drehte sie sich verlegen um und richtete das Wort an einen schlaksigen jungen Mann, der wegen seines fleckigen Teints und seiner Schüchternheit bei gesellschaftlichen Anlässen meist nur den Zaungast spielte.

»Ich fühle mich wie nach einem hochnotpeinlichen Verhör«, erklärte Max Ensor, als er sie erreichte. »Ach, Ihr Glas ist ja leer.« Er nahm das Glas aus ihren plötzlich wie erstarrten Fingern entgegen und reichte es mit entschlossenem Lächeln dem jungen Mann. »Man sollte die Bedürfnisse einer Dame immer im Auge behalten. Seien Sie so gut und holen Sie für Miss Duncan noch ein Glas Champagner.«

Constance wollte protestieren, doch der Jüngling eilte bereits mit einer gestotterten Entschuldigung davon. »Ich möchte kein zweites Glas«, sagte sie, ohne ihre Verärgerung zu verbergen.

»Ach, Unsinn«, tat er ihren Einwand ab. »Natürlich möchten Sie. Und außerdem ‒ wie hätte ich Sie von Ihrem Kavalier befreien sollen?«

»Auf die Idee, dass ich vielleicht nicht befreit werden wollte, kommen Sie wohl nicht?«, entgegnete sie spitz.

Er zog ungläubig seine geschwungenen schwarzen Brauen hoch. »Ach, kommen Sie, Miss Duncan.«

Trotz ihres ungeheuchelten Ärgers konnte Constance sich ein Lachen nicht verkneifen. »Der arme Junge ist so schüchtern, dass man ein gutes Werk tut, wenn man ihn ins Gespräch zieht. War Ihnen klar, dass Sie für eine der Töchter des Hauses in Augenschein genommen wurden?«

»Nun, ich dachte mir, dass es sich um dergleichen handeln müsste.«

»Na, sind Sie zu haben?«, entschlüpfte es ihr.

Er nahm zwei Gläser von einem Tablett, das ein Diener anbot, und reichte eines davon Constance. Aus dem Augenwinkel erspähte er den schlaksigen Jungen, der ein Stück weiter mit einem frisch gefüllten Glas und verblüffter Miene innehielt.

»Darüber denke ich nicht viel nach«, sagte Max schließlich. »Und Sie … sind Sie zu haben, Miss Duncan?«

»Eine unverschämte Frage zieht die nächste nach sich«, erwiderte sie nach kurzem Zögern.

»Und eine aufrichtige Antwort verdient eine ebensolche.« Er sah sie über den Rand seines Glases hinweg an.

Constance konnte die Wahrheit seiner Behauptung nicht bestreiten. Sie hatte das Gespräch dummerweise begonnen und musste es nun beenden, da ihr ein so schmerzliches Thema unerträglich war. Beiläufig sagte sie: »Sagen wir so, Mr. Ensor, ich bin nicht auf der Suche nach einem Ehemann, bin aber auch nicht aktiv gegen diese Idee.«

»Ach so.« Er nickte bedächtig. »Teilen Ihre Schwestern diese Haltung?«

»Ich würde mir nie anmaßen, für sie zu sprechen«, gab sie zurück.

»Ach, wie lobenswert. Dennoch erscheint es mir ungewöhnlich, dass drei attraktive Schwestern …« Er ließ den Satz unvollendet, als stünde er im Begriff, etwas Verletzendes zu sagen. Ihm war nämlich der Gedanke gekommen, dass sie als mögliche Leserin von The Mayfair Lady womöglich die politischen Ansichten des Blattes teilte.

Constance trank einen Schluck Champagner. »Dass drei Schwestern glücklich einer ehelosen Zukunft ins Auge sehen, wollten Sie sagen.« Ihr Ton war ruhig und gelassen, ihr Verstand aber freute sich auf das bevorstehende Scharmützel. Das war viel sicherer Boden.