Dunkle Gier - David Gordon - E-Book
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Dunkle Gier E-Book

David Gordon

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Beschreibung

Selbst in den düstersten Momenten setzt Joe Brody alles aufs Spiel, um die Stadt zu retten
Ein fesselnder Thriller voller Hochspannung und actionreicher Verfolgungsjagden

Verbannt sowohl aus Harvard als auch dem Militär, lebt Joe Brody bei seiner Großmutter und versucht die eigenen Dämonen in den Griff zu bekommen. Nur wenige würden vermuten, dass die mächtigsten Kriminellen der Stadt ihn anrufen, wenn sie verzweifelt nach Hilfe suchen. So auch, als eine mysteriöse Gruppe von Söldnern die Kontrolle über den gesamten Drogenhandel New Yorks an sich reißt und einen brutalen Bandenkrieg anzettelt. Zusammen mit einigen alten Bekannten plant Joe die Infiltration gesicherter militärischer Anlagen. Dabei trifft er erneut auf die FBI-Agentin Donna Zamora, und gemeinsam merken sie, dass die Spur des Drogenhandels bis nach ganz oben führt. Während das Duo von Gesetz und Verbrechern gleichermaßen gejagt wird, müssen sie die Verschwörung aufdecken, bevor die Organisation ganz New York unter ihre Kontrolle bringt …

Dies ist eine überarbeitete Neuauflage des bereits erschienenen Titels Kalte Gesetze.

Weitere Titel dieser Reihe
Finsterer Pakt (ISBN: 9783987788857)
Ewiger Verrat (ISBN: 9783987788918)

Erste Leser:innenstimmen
„Wer nach purer Spannung und Unterhaltung sucht, ist mit David Gordon genau richtig!“
„Joe Brody und die FBI-Agentin Donna Zamora haben wieder für viel Action gesorgt.“
„fesselnd, packend und gut recherchiert“
David Gordon gelingt einfach immer die perfekte Mischung aus Krimi und Thriller.“

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Seitenzahl: 532

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Über dieses E-Book

Verbannt sowohl aus Harvard als auch dem Militär, lebt Joe Brody bei seiner Großmutter und versucht die eigenen Dämonen in den Griff zu bekommen. Nur wenige würden vermuten, dass die mächtigsten Kriminellen der Stadt ihn anrufen, wenn sie verzweifelt nach Hilfe suchen. So auch, als eine mysteriöse Gruppe von Söldnern die Kontrolle über den gesamten Drogenhandel New Yorks an sich reißt und einen brutalen Bandenkrieg anzettelt. Zusammen mit einigen alten Bekannten plant Joe die Infiltration gesicherter militärischer Anlagen. Dabei trifft er erneut auf die FBI-Agentin Donna Zamora, und gemeinsam merken sie, dass die Spur des Drogenhandels bis nach ganz oben führt. Während das Duo von Gesetz und Verbrechern gleichermaßen gejagt wird, müssen sie die Verschwörung aufdecken, bevor die Organisation ganz New York unter ihre Kontrolle bringt …

Dies ist eine überarbeitete Neuauflage des bereits erschienenen Titels Kalte Gesetze.

Impressum

Erstausgabe 2021 Überarbeitete Neuausgabe März 2024

Copyright © 2024 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-98778-906-9 Taschenbuch-ISBN: 978-3-98778-913-7

Copyright © 2021, David Gordon Titel des englischen Originals: Against the Law

Copyright © 2021, dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits 2021 bei dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH erschienenen Titels Kalte Gesetze (ISBN: 978-3-96817-190-6).

Übersetzt von: Martin Spieß Covergestaltung: Anne Gebhardt unter Verwendung von Motiven von shutterstock.com: © vichie81, © Bernulius, © ssguy neostock.com: © Tom Parsons Korrektorat: KoLibri Lektorat

E-Book-Version 27.02.2024, 12:49:20.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Dunkle Gier

Vorwort des Verlags

Liebe:r Leser:in,

Dies ist eine überarbeitete Neuauflage des bereits erschienenen Titels Kalte Gesetze von David Gordon. Da wir uns stets bemühen, unseren Leser:innen ansprechende Produkte zu liefern, werden Cover sowie Inhalt stets optimiert und zeitgemäß angepasst. Es freut uns, dass du dieses Buch gekauft hast. Es gibt nichts Schöneres für die Autor:innen und uns, zu sehen, dass ein beständiges Interesse an ästhetisch wertvollen Produkten besteht.

Wir hoffen du hast genau so viel Spaß an dieser Neuauflage wie wir.

Dein dp-Team

Für Matilde

TEIL I

1

Joe war in der Hölle. Oder nah genug dran. Die Vororte der Hölle. Und er saß dort fest mit einem Burschen, der ihm verdammt auf den Sack ging.

„Ich habe Hunger“, sagte Hamid, ausgestreckt mit dem Gesicht nach unten im Staub, mitten im nirgendwo, den Blick ins Nichts gerichtet.

„Iss einen Proteinriegel“, sagte Joe. Joe lag neben ihm und hielt das Gewehr.

„Die Scheiße schmeckt nach Sägemehl. Oder genau genommen schmecken sie nach Dreck. Der gleiche Dreck, in dem wir liegen, und den ich bereits in Mund, Nase, Augen und Arschritze habe. Ich brauche nicht noch mehr. Ich will ein Sandwich mit Hühnchen und Parmesan von Defonte’s. Und eine heiße Dusche. Und ein Bett mit sauberen Laken.“

„Klingt gut“, sagte Joe. „Du kannst mir auch eins kaufen, mit deinem Anteil des Geldes. In der Zwischenzeit sind Proteinriegel und Flaschenwasser umsonst. Tu so, als würdest du für Google arbeiten.“

Hamid schnaubte spöttisch, begann aber, auf einem Proteinriegel herumzukauen, was ihn wenigstens für eine Minute zum Schweigen brachte. Joe war auf dieser Art Mission kein Gequatsche gewohnt. Aber er konnte es Hamid nicht wirklich verübeln. Er selbst war auch nicht gerade begeistert. Dies war der letzte Ort, an dem er hätte sein wollen, obwohl er feststellte, dass er oft vorbeischaute, in seinen Albträumen. Es war ein Ort, den er aus seinem Gedächtnis streichen wollte, zuerst mit Alkohol und später mit Opium und Heroin. Es war ein Ort, der ihn beinahe getötet und der ihn verletzt hatte, körperlich und geistig. Wunden, die endlich begonnen hatten, zu heilen. Und jetzt war er zurück. Freiwillig. In der Hölle.

Joe lag in Tarnkleidung auf einem niedrigen Kamm, hielt ein Gewehr und starrte durch ein Scharfschützen-Zielfernrohr auf ein Stück Wüstenstraße. Um ihn herum erstreckten sich Mohnfelder, die hellen roten, pinken und violetten Blüten, geöffnet wie gierige Münder, lächelten in die orangefarbene Sonne, die, während sie unterging, auf die Hügel hinabbrannte und die Abenddämmerung sie umfing. Es war die Provinz Helmand in Afghanistan. Er wartete darauf, dass ein Heroin-Deal stattfand, und dass ein Dieb aus seinem Versteck kam und das Heroin stahl. Joe kannte niemanden, der diesen Dieb je getroffen oder auch nur gesehen hatte, aber sein Name war Zahir al Zilli, Zahir der Schatten, und Joe war hier, um ihn zu töten. Das war es, was ihn an diesen Ort zurückgebracht hatte, den er nie wieder sehen wollte. Das und eine halbe Million Dollar.

***

Es hatte eine Zeit gegeben, in der Joe so etwas zum Broterwerb machte, Vollzeit – als Special-Forces-Agent, der überall in der Welt bei streng geheimen Missionen eingesetzt wurde. Dann setzte er sich zur Ruhe, oder die Regierung setzte ihn zur Ruhe, löschte alle Aufzeichnungen über ihn und schickte ihn mit übler PTBS und ein paar Problemen mit Drogenmissbrauch nach Hause. Jetzt war es eher ein Hobby, Drogenbosse mit Verbindungen zum Terrorismus umzubringen, etwas, das er nebenberuflich machte, wenn er nicht mit seinem normalen Job beschäftigt war: Rausschmeißer in einem Stripclub in Queens, nicht allzu weit vom Flughafen entfernt. Allerdings gehörte dieser Stripclub (der technisch gesehen Eigentum einer Witwe in ihren Achtzigern war) Gio Caprisi, einem Mafiaboss und Kindheitsfreund von Joe. Als die Köpfe von New Yorks Unterwelt – unter anderem die russischen, dominikanischen, afro-amerikanischen und chinesischen Gangbosse – entschieden hatten, dass sie sich organisieren und jede terroristische Zelle in der Stadt bekämpfen mussten, um ihr Territorium zu beschützen und sich die Regierung vom Hals zu schaffen, hatte Gio Joe angehauen und die Bosse hatten ihn zum Sheriff gemacht, ermächtigt, seine Beute durch ihre Territorien zu verfolgen. Er war die 911 für Leute, die nicht die Cops riefen.

Bei seinem letzten Job für sie war es um eine Heroinlieferung gegangen, die dazu benutzt werden sollte, Terror in Übersee zu finanzieren. Joe hatte sie abgefangen und mithilfe seiner Crew ebenfalls die Schmuggler aufgehalten. Permanent.

Aber der Drahtzieher dahinter, eine geheimnisvolle Gestalt namens Zahir, war noch am Werk, kaperte Heroinlieferungen, die für etablierte US-amerikanische und europäische Dealer bestimmt waren, und versorgte Terrorzellen mit dem Erlös. Zahirs Pipeline nach New York war immer noch aktiv, aber niemand wusste, wie das Heroin in die Stadt kam. Und alle an diesem Flecken Erde, der Quelle des hoch begehrten „persischen“ Dope, hatten schreckliche Angst vor Zahir, obwohl niemand seinen Nachnamen kannte oder wusste, wie er aussah. Und die, die es wussten, waren tot.

Also hatte Little Maria, obwohl sie kleiner als eins fünfzig war eine Hauptakteurin im New Yorker Heroingeschäft, ein Kopfgeld auf Zahir ausgesetzt und Joe beschworen, diesen Kopf zu finden und abzuschneiden. Allgemein betrachtet, würde nicht mal eine halbe Million Dollar Joe in Versuchung führen, für ein Wochenende einen Abstecher nach Kandahar zu machen, um sonnen zu baden und Souvenirs zu shoppen, aber trotz ernster Bedenken verspürte er eine gewisse nagende Verpflichtung, dieser Sache ein für alle Mal ein Ende zu machen. Ganz abgesehen davon, dass man Freunden wie Gio Caprisi und Little Maria schwerlich einen Korb gibt, wenn sie einen um einen Gefallen bitten. Und Feinde wie Zahir und seine New Yorker Verbindung, wer auch immer sie waren, waren zu gefährliche Feinde, um sie am Leben zu lassen.

Bei Joes letzter Kapriole war einiges liegen geblieben. Zum einen hätte Maria das persische Heroin sehr gern in die Finger bekommen, das sprichwörtlich vom Winde verweht war: Heroin im Wert von vier Millionen Dollar, von Joes Kollegin Yelena aus dem Wagenfenster geworfen, weil sie Dope nicht guthieß. Apropos Yelena: Sie war eine klasse Diebin und tödliche Kämpferin, und sie und Joe waren zu Hause und im Einsatz ein gutes Team, aber ihre eigene Vergangenheit hatte sie eingeholt. Sie war ein Kind des russischen Gefängnissystems und eine geborene Kriminelle gewesen, bis der russische Geheimdienst SVR sie unter der Bedingung freigelassen hatte, dass sie die russische Mafia in New York ausspionierte. Jetzt, hauptsächlich dank der Tatsache, dass sie Joe geholfen hatte, war ihr Leben wegen Moskau und Brighton Beach in Gefahr und sie war verschwunden, höchstwahrscheinlich für immer, dachte Joe. Dann war da noch Donna Zamora. Donna war eine FBI-Agentin, deren Wege sich wiederholt mit Joes gekreuzt hatten, und während ihre Beziehung streng beruflich war – sie war das Gesetz, er war das Verbrechen – hatte sie Heather Kaan, eine Terroristin, erschossen, um Joe zu retten, unter Umständen, die das FBI vielleicht nicht verstand. Joe hatte sich revanchiert, indem er die Leiche hatte verschwinden lassen. Und so weiter …

Sagen wir einfach, dass Joes Leben, das einfache Leben eines Stripclub-Rausschmeißers, der mit seiner Großmutter in Jackson Heights lebte, gern las und Jeopardy guckte, plötzlich sehr kompliziert geworden war, und die Vorstellung, das alles mit einem schnellen Trip nach Afghanistan und einer gut platzierten Kugel ins Gehirn zu beenden, hatte Sinn ergeben. Das Geld schadete auch nicht. Mit einer halben Million Dollar cash konnte er sein sehr einfaches Leben eine sehr lange Zeit finanzieren.

***

„Schau“, sagte Hamid und unterbrach Joes Gedanken. „Da kommen sie.“

Am Ende des letzten Jobs hatte Joe der Leiche eines Dope-Schmugglers, Felix Habibi, ein Handy abgenommen, und obwohl es nicht viele Daten enthalten hatte, hatte Juno vermocht, ein paar Anrufe und E-Mails zu einem unscheinbaren Bürogebäude in Kandahar zurückzuverfolgen. Allerdings war alles, das Joe entdeckte, ein nichtssagendes Import-Export-Büro, das der Wildwater Corporation gehörte, einer privaten, US-amerikanischen Militärfirma. Das bedeutete nicht viel. Vielleicht war jemand involviert, der dort arbeitete.

Vielleicht benutzte nur jemand ihr WLAN. Vielleicht war es gar nichts. Dann bekam Maria einen Tipp von ihren einheimischen Quellen. Es gäbe einen großen Austausch; eine riesige Ladung Heroin von diesen Opiumfeldern, würde an Drogenhändler verkauft werden, die es dann nach Albanien schmuggeln würden, dann nach Italien und in den Rest Europas. Es war genau die Art Angriffsziel, die Zahir wählte, also waren Joe und Hamid in ihrem Range Rover Defender rausgefahren und hatten sich hier positioniert, Hamid mit einem leistungsstarken Fernglas und Joe mit einem Gewehr. Joe war weiß und schlank, in seinen Dreißigern, trug abgenutzte Hose und Jacke in Wüstentarn, ein altes schwarzes T-Shirt und eine brandneue Sonnenbrille, da seine letzte bei einem Kampf im Club kaputtgegangen war. Sein Haar war etwas ungepflegt und er hatte ein paar Tage Bartwuchs am Kinn. Hamid, klein und kastenförmig mit einem mit Muskeln bepackten Oberkörper, trug Jeans, Nikes und einen schwarzen Hoodie, sein Haar und sein Kinnbart waren frisch getrimmt.

Hamid war sein Dolmetscher. Er sprach fließend Farsi, unter den Einheimischen bekannt als Dari, aber er war kein Einheimischer. Er war aus Brooklyn, und ein harter, etwas gestörter Bursche, allerdings nicht nach Kandahar-Maßstäben. Er hatte die Schule geschmissen, war ein wenig mit dem Gesetz in Konflikt geraten, hauptsächlich Schlägereien oder Dealen mit Gras oder MDMA, aber genug, dass er zum schwarzen Schaf seiner erfolgsorientierten Familie wurde. Dies war seine Chance, sie stolz zu machen, so stolz wie sie es auf seine ältere Schwester, die Ärztin, oder seinen Bruder, den Sozialarbeiter, waren. Die muslimische Gemeinde mochte Joe, da er dafür gesorgt hatte oder zumindest das Gerücht ging, dass er einen groß angelegten Terrorangriff vereitelt, New York Tausende Tote und New Yorks Muslimen die unvermeidlichen Repressalien erspart hatte, ungeachtet der Tatsache, dass viele von ihnen, wie Hamids persische Eltern, nach New York gekommen waren, um religiösem Extremismus und Gewalt zu entfliehen. Als Joe seine neue Mission annahm, hatte sein junger Freund Juno, ein Computergenie und Krimineller aus Bed-Stuy, der oft mit Joe zusammenarbeitete, Hamid rekrutiert, den er aus den Clubs kannte. Juno hatte ihm gesagt, er würde genug verdienen, um seinen eigenen Club aufzumachen, und hätte die Gelegenheit, mit einem Wahnsinnsgeheimdiensttypen abzuhängen. Stattdessen langweilte er sich zu Tode, lag im Dreck oder observierte Tag und Nacht Gebäude oder sah Joe dabei zu, wie er in dem Taschenbuch las, das jetzt in seiner Gesäßtasche steckte: Ausgewählte Gedichte stand auf dem Cover; ausgewählt, schätzte Hamid, von einem Kerl namens Rilke. Welcher Mensch las aus Spaß Gedichte?

Aber jetzt tatsächlich näherte sich über den Pfad, der durch die Hügel führte, eine kleine Karawane SUVs, einer offen, einer geschlossen. Im offenen waren Männer in khet – dem langen Tunika-artigen Oberteil – und partug, den locker sitzenden, faltigen Hosen, die an der Taille eingeschlagen waren. Einige trugen Westen und Militärjacken und alle trugen kufi oder Turbane auf den Köpfen. Im zweiten Fahrzeug war wohl das Dope, plastikeingepackte Kilos, die in Kisten verpackt oder in Säcke eingenäht waren.

Joe passte sein Zielfernrohr an, suchte die Landschaft ab und erspähte eine Staubspur, die sich aus der anderen Richtung erhob, aus dem nächsten kleinen Dorf. Da waren ein geschlossener Jeep und dahinter ein überschüssiger Militärtruck. Der Käufer. Das würde der Heroindealer sein, den Maria kannte, ein etablierter Lieferant, der die Ware wiederverpackte und durch Bestechung und List zu ihrem nächsten Ziel losschickte, wobei der Preis sich jedes Mal, dass sie den Besitzer wechselte, verdoppelte. Abhängig von der Qualität, könnten sich die Pakete in diesem Lastwagen für je drei- bis sechstausend Dollar verkaufen, weniger bei einem großen Einkauf, natürlich. Wenn sie New York erreichten, waren sie pro Stück fünfzig bis achtzigtausend wert. Die Opiumproduktion ließ alle anderen Bereiche der afghanischen Wirtschaft klein erscheinen und der Krieg war gut fürs Geschäft gewesen. Fehlende Kontrolle durch die Regierung hatte zu einer anschwellenden Ernte geführt, was zu einem überschwemmten Markt führte, was niedrigere Preise bedeutete, höhere Qualität und irgendwann tote Junkies.

Aber Joe war wegen nichts von dem hier. Man überlebte in dieser Welt, indem man sich um seine Angelegenheiten kümmerte und auf seinen eigenen Arsch aufpasste. Sein Job war, Zahir zu töten, falls er auftauchte. Was für einen Unterschied machte es, ob ein oder zwei Trucks voller Dope mehr durchkamen oder nicht?

Die Staubspuren liefen zusammen und die Abendröte kroch über die raue Landschaft, die Erde wechselte zwischen Schattierungen von Braun und Hellbraun, Rost und Rot. Unter ihm lag die Straße, dann ein weiterer, niedrigerer Hügel und dahinter die Mohnfelder, ein Meer aus Blumen, die Blüten wie weiche, verschlafene Köpfe, die oben von ihren Stängeln herunterhingen, wie eine Armee von Engeln, die auf die Erde gekommen war. Er hatte Männer in diesen Feldern sterben sehen. Er hatte gesehen, wie US-Soldaten zwischen den Blumen patrouillierten und Kinder sich um die Ernte kümmerten. Er hatte gesehen, wie Zivilisten versehentlich von amerikanischer Artillerie in die Luft gesprengt und wie seine Kameraden von Aufständischen gefoltert wurden. Er wusste, dass 42 Prozent des Opiums auf der Welt aus dieser einen Provinz kam, mehr als aus ganz Burma, nach Afghanistan Bezugsquelle Nummer zwei. Er wusste, dass Opium die weltweite Drogenepidemie fütterte und die Taliban finanzierte, die so vielen, die hier lebten, das Leben zur Hölle machten. Aber es war dennoch ein wunderschöner Anblick. Das war die Sache mit der Hölle; sie konnte dem Himmel ziemlich ähnlich sehen.

Dann, als die beiden Seiten sich trafen und anhielten, bemerkte Joe etwas anderes, einen kleinen dunklen Umriss, der sich am Horizont bewegte. Es war nur ein Flimmern, dahinter die Sonne, und dann war es weg, aber Joe wusste es; jemand anderes war hier.

„Keine Bewegung“, sagte er zu Hamid, der herumzappelte. „Es geht los.“

Der Austausch ging schnell. Zwei Männer stiegen aus den vorderen Fahrzeugen aus und Joe sah durch das Zielfernrohr zu, wie das Geld den Besitzer wechselte, eine Lederreisetasche, die der Verkäufer öffnete, checkte und wieder schloss. Er rief einen Befehl und seine Männer begannen schnell, die Pakete auszuladen und den Männern des Verkäufers auszuhändigen, die sie rasch auf den Truck luden. Andere Männer hielten Wache, standen in einem lockeren Umkreis, mit gezogenen Waffen. Nach ein paar Minuten war alles vorbei. Sie stiegen zurück in die Fahrzeuge, drehten in einer Staubwolke um und fuhren in die Richtungen weg, aus denen sie gekommen waren.

„Scheiße“, murmelte Hamid. „Das war’s, schätze ich.“

„Psst.“ Joe ließ ihn verstummen. „Warte einfach.“

Er blieb regungslos liegen, bewegte sich nur so viel, um das Zielfernrohr scharfzustellen, weil der schwarze Fleck, den er gesehen oder beinahe gesehen hatte, sich jetzt bewegte. Das war tatsächlich alles, was er sah, einen grauen Umriss, der sich am grauen Himmel bewegte, jetzt, da die Sonne hinterm Horizont verschwunden war. Aber etwas bewegte sich jetzt schnell, und er hörte außerdem ein schwaches Brummen wie ein Moskito. Das Moskito schoss am weit entferntesten Kamm entlang, dann einen sich windenden Pfad hinunter zu der Straße in die Richtung, in die der Verkäufer gefahren war. Joe stellte scharf: Es war eine Gestalt auf einem Motorrad, dunkle Kleidung und Schal bauschten sich, ein Gewehr auf dem Rücken.

„Gehen wir“, sagte Joe und rollte rückwärts und stand dann auf. Hamid folgte, rief ihm Fragen zu, aber Joe antwortete nicht, während er den steilen Hügel hinunterrannte, dorthin, wo der Defender außer Sicht geparkt war. Sie stiegen ein und Joe fuhr los, mühte sich mit dem Lenkrad ab, während sie den zerfurchten Pfad hinunterrasten, dann trat er aufs Gas, als sie die Straße erreichten. Er beschleunigte, bis er das Heulen des Motorrads hörte und ließ sich dann zurückfallen. Jetzt folgten sie dem Motorradfahrer, der wiederum, wie es schien, dem Geld folgte.

„Ist das Zahir?“, fragte Hamid, der zwischen Schlucken Wasser Luft holte.

„Vielleicht“, sagte Joe. Er öffnete ein Wasser und trank. Die Vorgehensweise war vollkommen falsch. Zahir stahl das Dope, nicht die Kohle. Da waren vielleicht hunderttausend oder hundertfünfzigtausend Dollar in der Tasche, in welcher Währung auch immer. Keine schlechte Beute, aber nichts im Vergleich zu dem, was das Produkt auf den Straßen New Yorks wert war. Und was nützte es, ein Netzwerk wie das von Zahir zu haben, wenn man es nicht benutzte? Außerdem war Zahirs Name gleichbedeutend mit Blut und Schrecken. Das Dope und das Geld nehmen und einen Haufen Leichen und brennende Trucks zurücklassen. So bekam man die Aufmerksamkeit der Leute in dieser Umgebung. Ein bewaffneter Mann auf einem Motorrad war nicht sonderlich beeindruckend. Obwohl das von dem Mann abhing, schätzte Joe.

Die Nacht brach herein, als sie das Dorf erreichten, nur ein paar Gebäude um einen Marktplatz herum, hier und da Wohnhäuser und kleine Geschäfte entlang der staubigen Straßen. Es war niemand in Sicht. Er fuhr langsam in Schrittgeschwindigkeit um den Platz herum. Dann kam ein Mann gerannt, sprintete ohne einen Blick am Fahrzeug vorbei. Joe bewegte die Schnauze des Wagens in die Straße, aus der er gekommen war. Zwei weitere junge Männer rannten vorüber.

„Zahir!“, rief einer. „Zahir darad meeyayad!“

Jetzt sah Joe ein Café, das von innen beleuchtet war. Das Motorrad parkte davor, daneben der staubbedeckte Jeep, den der Verkäufer gefahren war. Männer eilten durch die Tür und verteilten sich.

„Zahir!“, schrie einer, als warne er die Stadt vor einem Feuer.

„Al Zilli! Al Zilli!“, rief ein anderer, als er davonstürzte. Der Schatten. Joe parkte.

„Warte hier“, sagte er zu Hamid.

„Brauchst du mich nicht zum Dolmetschen?“

„Zahir!“, rief ein alter Mann, während er rasch auf einen Gehstock gestützt vorbeihinkte. Ein jüngerer, breiterer Mann rannte an ihm vorbei, stolperte und fiel hin, sprang auf und floh.

„Ich schätze, ich werde das Wesentliche erfassen“, sagte Joe. „Der Schlüssel steckt. Wenn ich in zehn Minuten nicht zurück bin, fahr zurück zum Hotel. Wenn ich morgen nicht dort bin, ab nach Hause.“

„Was, wenn du gar nicht zurückkommst?“, fragte Hamid, plötzlich leiser.

Joe lächelte und tätschelte beruhigend seinen Arm. „Dann hast du immerhin diese kostenlosen Proteinriegel.“ Er ließ sein Scharfschützengewehr zurück, nahm seine Beretta M9 und sprang vom Fahrzeug. „Bis bald, Kleiner.“

Dann überquerte er die Straße zum Café. Er entsicherte seine Pistole, hielt sie vor sich und ging vorsichtig vorwärts, obwohl die Männer, die an ihm vorbeirannten, alle in die andere Richtung liefen und ihn kaum eines Blickes würdigten. Er näherte sich der Tür, es hing nur ein Vorhang im Torbogen, und ging gebückt hinein, indem er den Vorhang zur Seite stieß. Das Café war menschenleer. Teegläser und Shishas standen verlassen da, Hocker waren umgefallen. Eine Katze lief unbekümmert herum. Ein plötzliches Pfeifen ließ ihn nach links schwingen, die Pistole erhoben. Es war nur ein kochender Teekessel. Noch mehr Tee. Joe sah rasch hinter dem Tresen nach, stellte die Flamme unter dem Teekessel aus und ging dann auf die Hintertür zu.

Er vermutete, dass da noch ein weiteres Zimmer war, in dem Opium geraucht wurde, ein Vorgang, mit dem er nur allzu vertraut war. Er öffnete die Tür vorsichtig mit seiner freien Hand, dann trat er ins Halbdunkel. Augenblicklich roch er ihn, diesen seltsamen, aber unverwechselbaren Duft, irgendwo zwischen klebrigen Brownies und verfaulendem Fisch. Das Parfum, das der Mohn nur durch den Rauch ausstieß. Der Duft der Träume und eines langsamen, glücklichen Todes. Ein paar Männer lagen auf ihren Rücken, ausgestreckt auf dünnen Matten, ihre Köpfe auf Kissen gestützt, die Augen geschlossen oder in der Dunkelheit nichts sehend. Sie waren nicht weggelaufen, als Zahir hier durchgekommen war. Sie kümmerte nichts. Dafür bezahlte man hier: für eine Stunde oder eine Nacht auf alles zu scheißen. Joe durchquerte den Raum, ließ die Tagträumer unbehelligt und kroch durch den Ausgang, der zu einer Gasse auf der Rückseite führte.

Dort war Zahir. Eine Gestalt ganz in Schwarz, schwarze Tunika, lockere schwarze Hose, ein schwarzer Turban und über seinem Gesicht eine Sturmhaube aus Baumwolle. Er trug Handschuhe und hielt das Gewehr auf den Verkäufer gerichtet, einen bärtigen Mann in seinen Vierzigern, der jetzt auf den Knien war, die Hände umklammert, als bete er ernsthaft und biete die Reißverschlusstasche, die auf der Erde vor ihm stand, als Geschenk an. Gerade, als Joe hinaustrat, reagierte Zahir, sprang wie eine Katze und machte einen Salto aus seiner Schusslinie heraus. Aber Joe schoss nicht. Hinter Zahir waren Fenster, und Joe befürchtete, dass seine Kugeln ins benachbarte Gebäude eindrangen. Stattdessen bewegte er sich ebenfalls, duckte sich nach rechts und versuchte, an der Wand Deckung zu finden, während er seine Pistole auf Zahir richtete, dessen Gewehr auf ihn zielte. Der kniende Mann zwischen ihnen zitterte, weil beide Waffen in Höhe seines Schädels waren. Sie befanden sich in einer Pattsituation. Falls einer sich bewegte, sogar um einen Schuss abzugeben, wäre er ungeschützt. Joe stand absolut still da.

Dann hob Zahir, der sein Gewehr weiterhin auf Joe richtete, langsam seine Hand, mit der Handfläche nach außen, so als regle er den Verkehr. „Erschieß mich nicht, Joe“, sagte die Gestalt mit einer vertrauten Stimme und zog Haube und Turban vom Kopf. Blondes Haar fiel heraus.

Lächelnd senkte Joe seine Pistole. „Hi, Yelena.“

2

Donna war in der Hölle. Aber immerhin war ihr Kumpel Andy bei ihr. Er war derjenige, der, als sie an diesem Morgen das Trainingscenter betreten hatten, Dorothy Parker zitiert und ihr ins Ohr geflüstert hatte: „Was hat die Hölle heute im Angebot?“

Die Hölle, zumindest für heute, war das Anti-Terror-Training des FBI. Wichtig natürlich und eine äußerst ernste Angelegenheit, aber sie wurden jedes Mal zu neuen Unterrichtseinheiten geschickt, wenn der Alarmlevel Orange erreichte, was in letzter Zeit ziemlich oft war. Und obwohl es verpflichtend für alle Agenten war, konnten die im aktiven Einsatz es auf unbestimmte Zeit verschieben, was nur wieder bestätigte, wie inaktiv ihre Karriere war, wenn sie wieder hier war, zurück auf der Schulbank, während ihre Teamkameraden draußen im Einsatz waren, spielten, fingen und Punkte machten.

Special Agent Donna Zamora arbeitete am Hinweistelefon im Keller des New Yorker FBI-Büros und sah die Flut an Informationen durch, die jeden Tag hereinkam, und suchte nach Gold. Special Agent Andrew Norton war ihr bester Freund im Büro, und als schwuler, schwarzer Agent und Latina hatten sie das Gefühl, einander unterstützen zu müssen in dem, was sich oft anfühlte wie die Bruderschaft der Ermittelnden Jungs. Schlimmer noch, Donnas Ex-Mann, ein verschlagener CIA-Agent, hatte sie bewusst hintergangen, Zweifel über ihre Integrität gestreut und den Verdacht, dass sie mit dem Mobster Gio Caprisi verbündet war und mit Gios bekanntem Partner, Joe Brody, schlief. Nichts davon stimmte. Aber was nicht mal Andy wusste, war, dass Gio ihr im Rahmen seines lächerlichen Plans, New York vor Terror zu beschützen und dafür zu sorgen, dass es sicher für Verbrechen blieb, in zwei Ermittlungen entscheidende Informationen zugespielt hatte, und dass sie wider besseres Wissen mit Joe verstrickt war – emotional, wenn auch nicht körperlich oder gesetzlich. Selbst ihre Mutter hatte sich mit Joes Großmutter angefreundet. Ihre letzte Interaktion hatte zu etlichen toten Terroristen und einer zerstörten Heroinlieferung geführt, und Joe hatte alle Beweise praktischerweise verschwinden lassen. Also war sie sauber – was ihre Akte und ihr Gewissen betraf. Aber dennoch, zu beweisen, dass man nicht für die Mafia arbeitete, war schwerlich die Fahrkarte für eine Beförderung. Was der Grund dafür war, dass sie wieder beim Anti-Terror-Training war. Thema heute? Sprengsätze entschärfen.

Donna trug eine Schutzbrille und Handschuhe, neben sich ein kleines Werkzeugset, und saß mit ihren Trainee-Kollegen, die sich alle darauf vorbereiteten, eine unechte Bombe zu entschärfen, an einem langen Tisch. Ihre war ein Haufen Drähte, Rohre und Elektronik, verpackt in einem Hello-Kitty-Rollkoffer. Donna spähte argwöhnisch zu den adretten Männern hinüber, die um den Tisch saßen und sich ernst über ihre Koffer beugten, und fragte sich, ob sie ihr absichtlich den pinken gegeben hatten.

„Eine Minute …“, sagte der Ausbilder und drückte mit einem Klicken auf seine Stoppuhr. „Los!“

Selbst wenn sie ihr die Mädchenbombe zugeschoben hatten, hatten sie ihr einen Gefallen getan, wie sich herausstellte: Sie erkannte ihren Sprengsatz als beinahe identisch zu dem, an dem sie in ihrem letzten Kurs gearbeitet hatte. Sie löste rasch die Schrauben von der Verdeckung vom Timer, einer billigen Digitaluhr, die auf 30 Sekunden eingestellt war, und verkabelte sie neu, sodass sie nicht wusste, wie viel Zeit wirklich vergangen war, dann lokalisierte sie den Hauptdraht, der die Zündung auslösen sollte. Ihr Magen knurrte. Sie war an diesem Morgen zu beschäftigt gewesen, ihre Tochter zu füttern, um selbst zu essen.

„Habe ich da eine Bombe gehört?“, fragte Andy flüsternd.

„Psst …“, antwortete Donna.

„Zehn Sekunden …“, sagte der Ausbilder. „Ich zähle runter bis …“

„Zum Mittagessen“, flüsterte Andy neben ihr, und dieses Mal konnte sie nicht anders, als zu kichern.

„Gibt’s was zu lachen, Zamora?“, bellte der Ausbilder.

„Nein, Sir!“

„Also gut, zwei Sekunden …“

Plötzlich aufgeregt, schnitt Donna den Draht durch. Ihre Bombe surrte laut.

„Falscher Draht, Zamora“, sagte der Ausbilder. „Sie haben uns alle getötet. Immerhin sind Sie mit einem Lachen gestorben.“

„Tut mir leid, Sir.“

„Und Newton …“ „Ja, Sir?“

„Sie hatten zumindest mit einem recht. Es ist Zeit fürs Mittagessen.“

***

„Tut mir leid, Donna, das Mittagessen geht auf mich“, sagte Andy, als sie zu dem Laden gingen, in dem man sich seinen Salat selbst zusammenstellen konnte.

„Ich werde Lachs bestellen. Geschieht dir recht. Jetzt muss ich diesen Kurs nächsten Monat noch mal machen.“

„Ich weiß, ich weiß. Ari hasst es ebenfalls, fragt mich immer, wie es kommt, dass ich immer so ein Besserwisser-Arsch sein muss.“

„Genau, hör auf deinen Ehemann. Das Geheimnis einer glücklichen Ehe ist weniger Wissen und mehr Arsch.“

Andy kicherte, als sie das heftig klimatisierte Deli betraten. Es war trotz des Hauchs von Herbst in der frühen Septemberluft immer noch heiß genug draußen, dass ihn der Weg hierher zum Schwitzen brachte, zumindest in seinem Anzug.

„Wo wir gerade davon sprechen“, sagte er, während sie sich anstellten. „Ari hat jemanden, mit dem er dich verkuppeln will. Ein Journalist.“

„Bist du verrückt? Ich wäre besser dran, für die Mafia zu arbeiten, als mit einem Reporter zu schlafen.“

„Kein wirklicher Reporter. Er ist so was wie ein Kulturkritiker. Du weißt schon, analysiert TV-Shows oder so. Immerhin, Ari hat mir ein Foto gezeigt. Gut aussehend. Und …“ Andy berührte ihre Schulter, als trüge er sein wichtigstes Argument vor. „… er hat Ari erzählt, dass er starke Frauen mag.“

„Und? Was bin ich, eine Wrestlerin?“

„Er meint charakterlich stark, Dummerchen.“ Jetzt waren sie am Tresen und der Koch wartete. „Mach schon, bestell deinen Lachs.“

***

Nach dem Mittagessen, zurück im Büro, nippte Donna an einem doppelten Espresso – normalerweise ließ sie sich von Sameer, dem Kerl am Kaffeewagen, einen Latte mit zwei Stück Zucker machen, aber all das Gerede über Ärsche und potenzielle Dates war ihr an die Nieren gegangen – und ging wieder an die Arbeit, durchsuchte die von ihr angelegten Protokolle der empfangenen Anrufe und E-Mails und setzte etwas um, über das sie die vergangenen paar Wochen nachgedacht hatte. Endlich stand sie auf, kippte den Rest ihres Kaffees hinunter und marschierte ins Büro ihres Chefs.

„Entschuldigen Sie, Sir, darf ich Sie was fragen?“

„Schießen Sie los“, sagte der Leitende Agent Tom Foster, ohne seinen Blick von der Akte auf seinem Schreibtisch abzuwenden.

„Was wissen wir über White Angel?“

Er blickte auf, legte die Stirn in Falten und setzte seine Lesebrille ab. „Ist das eine Fangfrage? Die stellen meine Kinder mir genug. Was kommt als Nächstes, Knock-knock-Jokes? Die lieben sie.“

„Ich würde es eher eine rhetorische Frage nennen“, sagte Donna und setzte sich ihm gegenüber hin. „Die Antwort ist: nichts. Aber wir sollten etwas wissen. Es ist eine Sorte Heroin. Offenbar sehr heftig, sehr rein und wer auch immer dahintersteckt, übernimmt eine Menge Territorien und verdrängt die üblichen Crews.“

„Und?“

„Ich würde sagen, wir haben einen neuen Akteur in der Stadt. Und es geht das Gerücht auf den Straßen, dass die Junkies dieses Dope Perser nennen.“

„Was wissen Junkies schon?“

„Über Stoff? Eine Menge. Und den Fall, den wir gerade abgeschlossen haben? Der Heroinschmuggel? Ebenfalls persisch.“

„Wenn ich mich recht erinnere, haben wir nur ein paar Gramm von dem Zeug sichergestellt, richtig?“

„Ja, Sir.“

„Und die Mitglieder des Rings sind entweder tot oder vermisst?“

„Richtig.“

„Klingt für mich nach einem abgeschlossenen Fall. Glückwunsch.“

„Ich sage nur, dass es sich anfühlt, als könnte es da eine Verbindung geben. Vielleicht sollte ich einen Undercover-Kauf arrangieren, eine Probe besorgen und sie vergleichen.“

Tom stand auf und seufzte dramatisch. „Donna. Welches Datum haben wir heute?“

„Sir?“

„Das Datum. Das heutige Datum.“

„Der 2. September.“

„Gut.“ Er wischte mit seiner Hand über das Fenster mit Blick auf den überfüllten, geschäftigen Platz. „Und welches große Ereignis wird diesen gesamten Bereich in genau neun Tagen in ein verdammtes Ärgernis verwandeln?“

„Der 11. September, Sir.“

„Wieder richtig. Und wie jedes Jahr wird mir jede Behörde auf Bundes-, Landes und Kommunalebene von der NSA, CIA und Homeland Security bis zur MTA, Sanitation und dem Parks Department wegen einer Sache auf die Eier gehen – Terrordrohungen. Ist das eine Terrordrohung?“

„Noch nicht“, gestand Donna.

„Ganz und gar nicht“, korrigierte er. „Es ist ein Drogenfall. Und nicht mal einer auf Bundesebene, soweit ich sehen kann.“ Er blickte aus dem Fenster und spähte verbittert auf die Menschen, die spazieren gingen, sich unterhielten, Snacks aßen, auf Bänken saßen und einander fotografierten, als wäre er wütend auf sie, weil sie so hübsche, weiche Ziele abgaben. „Wenn sie anfangen, dieses Blue Angel oder was auch immer an Touristen am Ground Zero zu verkaufen, lassen Sie es mich wissen. Andererseits geben Sie es ans örtliche Police Department weiter.“ Er blickte zu ihr zurück. „Noch was?“

Donna zuckte mit den Schultern. „Klopf, klopf.“

Er legte die Stirn in Falten. „Was?“

„Klopf, klopf.“

Er setzte sich mit einem erneuten Seufzen. „Wer zum Teufel ist da?“

„Wayne.“

„Wayne wer?

Donna zeigte mit einem strengen Finger auf ihn. „Wayne interessiert’s!“

Er blinzelte ein paarmal, dann grinste er breit. „Hey, der ist ziemlich gut.“

Donna salutierte und ging.

3

Detective Gerald Parks war in der Hölle. Oder nah genug dran. Er saß in einem dreckigen Zivilfahrzeug fest, briet in der Sonne, mit einem Partner, der nicht nur Körpergeruch hatte, sondern darauf bestand zu rauchen, was eindeutig gegen die Vorschriften war, er aber erklärte, dass eine Observierung ein besonderer Umstand war und er keine Zigarettenpause machen konnte. Nicht nur das, aber nachdem er zum Mittagessen einen Burrito mit doppelt Hack bestellt hatte, der das Auto noch mehr vollstank (Parks war Veganer und nahm für das Department an Langstreckenrennen teil), hatte er definitiv gefurzt, trotz leidenschaftlicher Leugnung. Dann behauptete er, dass der Rauch seiner Zigarette helfen würde, den Geruch zu überdecken.

„Sagt man nicht so?“, fragte Detective Fusco, sein ranghöherer Partner. „Dass man sich eine anstecken soll, nachdem man gefurzt hat?“

„Sie meinen ein Streichholz. Außerdem haben Sie gerade geleugnet, gefurzt zu haben. Wenn das hier ein Verhör wäre, hätte man Sie bei einem Widerspruch erwischt.“

„Streichholz, Zigarette, es ist die gleiche Idee – man braucht Rauch. Und wenn das hier ein Verhör wäre, würde mein Anwalt mit dem ersten Gesetz des Beweisrechts dagegenhalten: Wer’s als Erster hat gerochen, dem ist es aus dem Arsch gekrochen.“

„Meinetwegen“, sagte Parks und rollte mit den Augen. Er saß in der Hölle fest, zusammen mit einem ordinären, fetten Kleinkind. „Erzählen Sie mir lieber, warum wir hier sind.“ Er nickte in Richtung der Szene, die sich die Straße hinunter abspielte, die Fusco und er diskret aus der Ferne beobachtet hatten. Es war eine Straßenecke in Sunset Park. Ein paar Teenager in hängenden Jeans und Hoodies standen an der Ecke. Die meisten Leute liefen einfach vorbei. Aber ein steter Strom aus eher rauen Personen näherte sich den Jugendlichen, die sie in eine nahe Gasse dirigierten. Eine Minute später kam dieselbe Person wieder heraus und eilte davon.

„Weil“, sagte Fusco und öffnete seine Gürtelschnalle. „Mein Bauch mir sagt, dass hier etwas nicht stimmt.“

„Ja, meiner sagt dasselbe. Ich würde sagen, es sind für den Anfang der Burrito und der Kaffee.“

„Da draußen, Sie Genie.“ Fusco nickte in Richtung des üblichen Treibens. Parks zuckte mit den Schultern.

„Sieht mir nach einer ziemlich normalen Ecke aus, an der Cops observieren, und nach einigen freundlichen Junkies aus der Nachbarschaft.“

„Ja, aber wer steckt dahinter?“

„Keine Ahnung. Niemand. Kids.“

„Chinesische Kids.“

„Und?“ Parks machte sich auf irgendeinen rassistischen Scheiß gefasst. Nicht, dass er Chinese war. Er war Afro-Amerikaner, aus Fort Greene. Sein Vater war ein Highschool-Rektor im Ruhestand, seine Mutter Krankenschwester und Aktivistin in ihrer Gemeinde. Viele seiner Freunde wunderten sich, wie er Cop sein konnte, angesichts all der Konflikte, die es für einen politisch bewussten Schwarzen mit sich brachte, aber Gerald hatte immer Detective werden wollen. Es klang einfach, aber seinen Vater zu sehen, wie er jeden Morgen stilvoll gekleidet zur Arbeit ging, mit Krawatte, Einstecktuch und geputzten Schuhen, und erschöpft nach Hause kam, gab ihm ein einfaches Ziel: Er wollte schicke Anzüge zur Arbeit anziehen, aber nicht in einem Büro arbeiten. Er mochte es, an der frischen Luft zu sein, auf der Straße. Allerdings nicht in einem Auto und die Fürze eines Fettarschs einatmen. Er hatte außerdem eine Gabe dafür, Rätsel zu lösen, eine Gabe für analytisches Denken. Und er war mutig. Also zeichnete er sich in der Truppe aus, stieg rasch auf und zog als Belohnung diesen Fall an Land, als Junior Partner mit Fusco in der Abteilung Kapitalverbrechen. Denn trotz allem – den schlechten Witzen, dem Mundgeruch, den Fürzen und Zigaretten, und selbst den verdächtigen Anrufen, die klangen, als kämen sie von wütenden Buchmachern – war Fusco ein Top-Ermittler und legendärer Detective. Er war das Maß aller Dinge und Parks war entschlossen, von ihm zu lernen, falls er noch etwas anderes in sich hatte als Blähungen.

„Chinesisches Viertel, chinesische Drogendealer. Standard“, sagte er zu Fusco.

„Und die letzte Gegend, in die ich Sie mitgenommen habe? In East New York? Wer hat da verkauft?“

Parks biss die Zähne zusammen. „Schwarze Kids.“

„Richtig“, sagte Fusco. „Schwarzes Viertel, schwarze Kids. Ebenfalls Standard. Aber was haben sie verkauft?“

„Dope, Mann. Heroin. Worum geht’s hier?“

„Welche Sorte?“ „Die Drogenvermittler riefen White Angel. Es ist anscheinend der heiße Scheiß.“

„Richtig.“ Fusco überprüfte seine Pistole und zog den Zündschlüssel ab.

„Kommen Sie, gehen wir ein Stück. Etwas frische Luft schnappen. Ihr Aftershave macht mich verrückt.“

Fusco kicherte, stieg schwerfällig aus dem Auto und begann, die Straße runterzugehen, während Parks folgte, versuchte, sich zusammenzureißen und, ja, einige tiefe reinigende Atemzüge nahm. Vielleicht war das Fuscos Art, ihn zu verarschen. Und, okay, er war neu im Team. Aber er war kein Anfänger und er hatte nicht vor, stillzusitzen und Schikanen über sich ergehen zu lassen. Er würde es ihm zeigen.

Aber Parks wandte seine Aufmerksamkeit schnell etwas anderem zu und versetzte sich in höchste Alarmbereitschaft, als ihm bewusst wurde, dass sein neuer Partner ihn direkt in die geschäftige kleine Operation hineinführte, die sie observiert hatten.

„Bullen, Bullen.“

„Cops, yo!“

„Die Polizei kommt!“

Die Späher und Drogenvermittler – die augenblicklich erkannten, dass ein wuchtiger weißer Mann in einem zerknitterten blauen Anzug, weißem Hemd mit Essensflecken und einer knittrigen, roten Krawatte, der mit einem gut gebauten, eins neunundachtzig großen Schwarzen unterwegs war, der einen Glen-Plaid-Anzug mit einem subtilen Dunkelgrün, das ins Grau gewoben war, eine scharlachroten Krawatte und dazu passendes Einstecktuch trug, nur Cops sein konnten – verschwanden, so wie die Kunden, huschten davon wie Kakerlaken im Licht.

„Was zum Teufel?“, fragte Parks, als Fusco die Gasse betrat. Sie war leer. „Haben Sie wirklich geglaubt, die bleiben hier und beantworten Ihre Fragen?“

„Müssen Sie nicht“, sagte Fusco. Die Augen auf den Boden gerichtet, ging er zum Ende der Gasse und ein Treppenhaus nach unten. Er zog ein Universalmesser aus seiner Tasche, beugte sich vor, grunzte ein wenig, dann kam er lächelnd wieder hoch. „Hier“, sagte er und hielt mit der winzigen Pinzette des Messers einen kleinen, zerrissenen Umschlag aus Pergamin-Papier an dessen Ecke. „Haben Sie einen Beweisbeutel?“

Parks holte einen heraus und hielt ihn auf. Fusco ließ den Umschlag hineinfallen, dann hob er den Beutel hoch. Er war mit einem kleinen, schlecht reproduzierten Bild bedruckt: einem Engel mit ausgebreiteten Flügeln.

Fusco grinste. „Eine chinesische Crew in Sunset Park und eine schwarze Crew in East New York, die beide dieselbe Sorte Dope verkaufen? Das, mein Tofu essender, nichtrauchender, parfümierter junger Freund ist nicht Standard. Oder?“

„Nein“, sagte Parks und begutachtete den Beutel näher. „Das ist es eindeutig nicht.“

„Jetzt interessiert?“, fragte Fusco und zündete sich eine Zigarette an, als sie zum Auto zurückgingen. Ein Chor von Pfiffen ließ den Block wissen, dass sie sich entfernten.

„Sehr interessiert“, sagte er und grinste.

***

Unglücklicherweise teilte ihr Boss, Captain Maureen O’Toole, ihr Interesse nicht.

„Wen interessiert’s?“, fragte sie und betrachtete die kleine Sammlung benutzter Plastikbeutel, die sie auf ihren Schreibtisch gelegt hatten.

„Captain“, sagte Fusco, „diese White-Angel-Crew ist überall. Nicht nur in Brooklyn. Sie sind in Harlem. Auf der West Side. Vielleicht auch in der Bronx. Sie sind organisiert. Und ihre Ware ist heftig. Junkies sterben wie die Fliegen.“

„Er hat recht“, fügte Parks hinzu. „Ich habe mich umgehört und alle auf der Straße sagen, White Angel sei der heiße Scheiß.“ Es war eine trostlose Wahrheit des Heroingeschäfts – einige seiner Kunden umzubringen, war die beste Werbung, die es gab. Junkies hörten von Überdosen und wussten, dass das bedeutete, dass die Sorte rein war.

„Ich wiederhole: Wen interessiert’s?“, wiederholte O’Toole. „Das frage ich Sie. Buchstäblich. Ich weiß, mich interessiert es nicht. Junkies nehmen Überdosen? Die weiteren Nachrichten des Tages: Betrunkene haben sich übergeben und Tauben auf eine Statue geschissen.“

„Aber Sie müssen zugeben“, fügte Parks hinzu, „dass eine Gang so über ethnische Grenzen geht, es in verschiedenen Vierteln mit verschiedenen Gruppen aufnimmt: Das ist überaus ungewöhnlich.“

„Aber das hier ist nicht die Abteilung für überaus ungewöhnliche Fälle, oder? Es ist die Abteilung für Kapitalverbrechen. Und mit Kapitalverbrechen, einem Major Case, ist ein Fall gemeint, bei dem jeder mit einem Rang von Major oder höher von der Presse oder der Politik Scheiße abkriegt.“

Fusco starrte sie wütend an. „Also wollen Sie sagen, wir sollen wiederkommen, wenn irgendein reiches weißes Bürschchen oder ein Promi stirbt.“

Der Captain zeigt auf ihn. „Also, das ist unangebracht und diskriminierend, nicht wahr, Detective?“ Sie blinzelte Parks zu. „Bringen Sie Ihrem Partner ein paar Manieren bei.“ Sie schob die Plastikbeutel auf sie zu. „Und heften Sie diesen Müll unter KMB ab.“

Als sie mürrisch schweigend zu ihren nebeneinanderliegenden Schreibtischen zurückgingen, murmelte Parks Fusco zu. „Was ist noch mal KMB? Ich erinnere mich nicht daran, das in den Dienstvorschriften gesehen zu haben.“

Fusco schnaubte. „Es steht nicht in den verfickten Dienstvorschriften. Dealer, die Junkies umbringen? KMB bedeutet ‚Keine Menschen beteiligt‘.“

4

Gio war in der Hölle. Als Boss einer Mafia-Familie, einer der jüngsten in der Geschichte, war er daran gewöhnt, dass Leute Angst vor ihm hatten. Und da er derjenige gewesen war, der die anderen Gangsterbosse der Stadt zusammengerufen hatte, um in gemeinsamem Einsatz Terroristen aufzuhalten, war ein Großteil der Anerkennung dafür, einen Anschlag verhindert und eine Heroin-Lieferung aufgehalten zu haben, die zur Unterstützung eines Terrornetzwerks bestimmt gewesen war, ihm zuteilgeworden, zumindest in seiner Welt. Ganz abgesehen davon, dass währenddessen zwei Spitzel eliminiert worden waren, die hinter seinem Rücken geplaudert hatten, einer davon ein mächtiger irischer Boss namens Pat White, der durch die Madigan-Brüder ersetzt wurde, seine Verbündeten. Gios Macht und Ruhm hatten nie zuvor so hell gestrahlt.

Wieso also war er heute mit einem Stöhnen erwacht und hatte seine Augen voller Furcht geöffnet? Wieso waren seine Eingeweide verknotet? Die Wahrheit war, dass er ein gebrochenes Herz hatte. Und er hatte Angst.

Er hatte ein gebrochenes Herz, weil der andere Spitzel, der zweite Informant der Regierung, der hinter seinem Rücken über sein Geschäft geredet hatte, sein Buchhalter und heimlicher Geliebter Paul gewesen war. Seit frühen Teenagerjahren hatte Gio ein verstecktes Begehren gepflegt und unterdrückt, ein Verlangen, eine Pause zu machen davon, ein Mann zu sein, und als Frau von einem gut aussehenden Mann dominiert, ja, gepeinigt zu werden, idealerweise blond und blauäugig wie Paul. Mit ihm erfüllte er dieses Verlangen und mehr, er fand Intimität und Liebe. Bis seine Liebe ihn betrog und sterben musste. Aber Gio hatte ihn nicht getötet. Seine Ehefrau hatte das getan.

Carol, Gios Freundin aus dem College, seine Partnerin und die Mutter seiner Kinder, war seine andere wahre Liebe und die zweite Hälfte seines gebrochenen Herzens.

Nachdem sie die Wahrheit über ihre Affäre und die Tatsache aufgedeckt hatte, dass Paul gezwungen worden war, die Regierung mit Informationen über Gios Verbrechen und verstecktes Vermögen zu versorgen, hatte seine Ehefrau, eine harmlose Zivilistin, die Angst vor Waffen hatte, eine Kindertherapeutin, um Himmels willen, Paul erschossen und Gio hatte die Leiche verschwinden lassen. Seitdem waren die Dinge im Haus etwas seltsam gewesen. Schließlich, nach ein paar gescheiterten Versuchen, alles zu besprechen, hatte Carol sich diesen Plan einfallen lassen – die schlechteste Idee, die Gio je gehört hatte – aber Carol hatte ihn daran erinnert, dass er gesagt hatte, er würde alles tun, weshalb er jetzt hier saß, die Hose gestrichen voll. Gio Caprisi, gefürchteter Mafiaboss und tödlicher Krimineller, begab sich in Paartherapie.

Das Wartezimmer war ganz hübsch – gemusterter Teppich, Stoffcouch, viele Kissen, Blumen in einer Vase, mehr Blumen auf den Gemälden an den Wänden und eine Stickerei auf der Rückenlehne des hölzernen Lehnstuhls – wie das großmütterliche Cottage in einem Cartoon für Kinder. Aber die gemütliche, lockere Atmosphäre verflog, als sich die Tür zum Behandlungszimmer öffnete und ein Paar herauskam, ein großer Kerl in einem Trainingsanzug und eine dünne Frau in weißer Hose und weitem Seidentop. Der Kerl sah niedergeschmettert aus. Die Frau sah schrecklich wütend aus.

Gus wand sich. Carol drückte seine Hand und flüsterte ihm ins Ohr. „Sei einfach ehrlich und es wird alles gut.“

Gio nickte, drückte ihre Hand ebenfalls, als eine winzige Frau in ihren Siebzigern in der Tür erschien. Sie trug einen Jeans-Overall über einem T-Shirt, Sandalen, eine große Brille und einen Kopf voller dichter, grauer Locken. Ohrringe und Halsketten baumelten. Sie lächelte herzlich und streckte eine Hand aus, an deren Arm ein Reif war.

„Mr. und Mrs. Caprisi?“

Gio nickte, stand förmlich auf knöpfte sein Jackett über seine Krawatte zu, als wäre er vor Gericht. Carol sprang auf und schüttelte Hände.

„Ich bin Carol und das ist Gio.“

Die alte Dame strahlte und nahm Carols Hand in ihre beiden Hände. „Es ist so schön, Sie kennenzulernen. Ich bin Dr. Meg Stein. Bitte, kommen Sie herein.“

Sie führte sie hinein, Carol ging voraus, und schloss die Tür hinter ihnen. Fünf Minuten später eilten sie wieder hinaus, Carol ging erneut voraus und Gio murmelte Entschuldigungen. Niemand von ihnen sprach, bis sie im Auto waren, ihrem Auto, dem Volvo-Kombi. Sie steckte den Schlüssel ins Zündschloss, drehte ihn aber nicht um. Stattdessen saßen sie da, beide angeschnallt, und starrten ins Nichts. Schließlich begann Gio mit leiser Stimme zu sprechen.

„Nicht so leicht, ehrlich zu sein, oder?“

Carol versteifte sich und warf ihm einen stechenden Seitenblick zu, sagte aber nichts. Tatsächlich war Gio ehrlich gewesen, mehr oder weniger: Als Stein oder Dr. Meg, wie sie bevorzugte, gefragt hatte, was das Hauptproblem war, das sie in die Therapie geführt hatte, hatte Carol „Untreue“ gesagt, und als Dr. Meg gefragt hatte, wessen, hatte er seine Hand gehoben. Er hatte Einzelheiten wie Geschlecht und Auspeitschen ausgelassen, aber nichtsdestoweniger erklärt, dass er sich regelmäßig mit jemandem getroffen hatte, dass es ein rein sexuelles Arrangement gewesen war (was nicht ganz der Wahrheit entsprach) und dass es für ihn vollkommen von seiner Ehe getrennt war, ein Verlangen, das er ganz einfach erfüllen musste. Und als die Seelenklempnerin gefragt hatte, wieso er annahm, dass seine Frau es nicht erfüllen konnte, hatte er sich geräuspert und gesagt: „Nun, es ist eine ungewöhnliche sexuelle Vorliebe, schätze ich.“

„Oh …“, sagte sie und lächelte immer noch höflich. „Und das ist nicht Ihr Paar Schuhe, Carol? Manchmal können wir diese Verlangen ins eheliche Sexleben integrieren, Wege finden, die Fantasien des anderen zu erfüllen.“

Carol wand sich und Gio sprach weiter. „Genauer gesagt … es ist eine ungewöhnliche sexuelle Vorliebe mit einem Mann.“

„Oh …“ Die Seelenklempnerin sank etwas in sich zusammen. „Ich verstehe. Und wo ist dieser Mann jetzt?“ Stille. Gio zuckte mit den Schultern. „Es ist vorbei. Er ist fort. Für alle Zeiten.“

„Und Carol“, fragte Dr. Stein und wandte sich an sie, „was fühlen Sie dabei, wenn Sie Gio sagen hören, dass er für alle Zeiten fort ist? Geht es Ihnen damit besser? Glauben Sie es? Glauben Sie, dass er wirklich für immer fort ist?“

Das war der Moment, in dem Carol aufgestanden war. „Es tut mir leid“, hatte sie gesagt. „Ich kann nicht darüber reden.“ Und sie rannte raus.

Und jetzt, im Auto, sprach sie schließlich, wandte sich an Gio und sagte: „Ich schätze, jetzt bin ich wie du, voller Geheimnisse, Lügen und Verbrechen, von denen ich nie sprechen kann. Aber ich bin neu darin, also entschuldige, wenn es mir schwerfällt, meine Schuldgefühle herunterzuschlucken. Nicht, dass du je welche verspürst.“

„Woher willst du das wissen?“, fragte Gio und einen Moment lang wallte Wut auf, dann sah er sie an. „Ist es das, was du fühlst? Du empfindest Schuldgefühle? Du wünschst, du hättest Paul nicht getötet?“

Carol schüttelte den Kopf. „Nein … tatsächlich nicht.“

„Dachte ich auch nicht“, sagte Gio. „Und ich habe auch keine verspürt. Bis jetzt. Ich fühle mich schuldig, weil ich dich in diese Lage gebracht habe.“ Er berührte ihre Schulter. Sie versteifte sich, starrte weiter geradeaus, wich aber nicht zurück. „Aber ich gebe dir auch keine Schuld.“

„Die Wahrheit? Ich würde es wieder tun. Deshalb empfinde ich Schuldgefühle.“

Er drückte sie fester. „Du hast nur getan, was du tun musstest.“

Jetzt blickte sie ihn an. „So wie du.“

Gios Phone piepte. Er bewegte sich, griff aber nicht danach. Carol nickte.

„Mach schon. Guck nach.“

„Es ist die Arbeit“, sagte Gio und schaute nach. Eine Kurznachricht:

Wann Abendessen? F.

„Es kann warten“, sagte er.

Carol schüttelte den Kopf. „Du kannst genauso gut gehen. Ich muss sowieso ins Büro zurück.“

„Okay“, sagte Gio. „Lass mich auf deinem Weg vor dem Parkview Diner raus. Ich kann Nero oder jemand anderes anrufen, damit ich später gefahren werde.“

Als sie den Motor startete und aus der Parklücke fuhr, lächelte Carol reuevoll. „Weißt du, wie eifersüchtig ich davor gewesen wäre, welche Sorgen ich mir gemacht hätte darüber, wen du triffst?“

„Du wärest nicht eifersüchtig, wenn du es wüsstest, glaub mir“, sagte Gio und stellte sich das verschwitzte Gesicht vor, das ihm kalten Raucheratem ins Gesicht blasen würde. „Andererseits willst du es nicht wirklich wissen.“

***

Carol ließ Gio vor dem Diner heraus und er ging hinein, um sich Wasser ins Gesicht zu spritzen, dann holte er sich einen Kaffee zum Mitnehmen am Tresen, ehe er wieder ging, diesmal durch die Hintertür. Fusco befand sich am Ende des Parkplatzes, in der Nähe der Müllcontainer, und rauchte, sein von der Stadt gestellter Chevy Impala in der Nähe. Da er wusste, was Gio vom Rauchen hielt, trat er seine Kippe aus, als er sich näherte. Er hatte bei den Spielen vergangene Woche heftige Verluste eingefahren und brauchte Gios Wohlwollen und seinen Schutz, wenn die Buchmacher begannen, ihn anzurufen.

„Also?“, fragte Gio, trat außer Sichtweite, in die Lücke zwischen den Müllcontainern. Er nippte an seinem Kaffee. „Hast du diese Dope-Sache für mich untersucht? Dieses White Angel?“

Fusco zuckte mit den Schultern. „Ich habe es versucht, Gio. Ich habe die Gegenden observiert. Ich habe sogar Tütchen besorgt. Aber mein Captain scheißt drauf. Sie wird eine Untersuchung nicht genehmigen.“

„Sie scheißt drauf, dass eine neue Heroin-Operation New York übernimmt? Das ist ein Armutszeugnis für den heutigen Zustand der Strafverfolgung.“ Tatsächlich würde auch Gio normalerweise darauf scheißen. Seine eigene Beteiligung an der Drogenwelt war minimal – etwas Gras und Koks entlang der Routen der Eis- und Softeiswagen der Familie, die während der Saison die Strände von Long Island abfuhren, und allgemeine Kontrolle über den Handel von Speed, MDMA und so weiter in seinen Gebieten. Ein Disput zwischen Heroin-Dealern Uptown und in Brooklyn war nicht sein Problem. Aber ein großer neuer Akteur mit einem überragenden Produkt, der organisiert genug war, Gebiete zu übernehmen, konnte das gesamte Ökosystem durcheinanderbringen. Das besorgte ihn.

„Es tut mir leid, Gio“, sagte Fusco. „Was ist mit dem anderen Freund von dir? Du weißt schon, der Kerl, den Sie den Sheriff nennen. Setz ihn drauf an.“

„Er ist kein wirklicher Sheriff, Fusco. Er kann keine Leute verhaften. Dafür habe ich dich.“

„Ich meinte nicht …“

„So oder so, er ist geschäftlich unterwegs. Was würde dafür sorgen, dass dieser Captain interessiert ist?“

Fusco zuckte mit den Schultern. „Sie ist an dem interessiert, was die Chefs ihr sagen. Wenn das Büro des Bürgermeisters anfängt sich zu beschweren. Oder die Feds.“

Gio schnippte mit den Fingern. „Gute Idee. Mach den Anruf.“

Fusco war sich nicht bewusst, dass er eine Idee gehabt hatte. „Der Bürgermeister wird meinen Anruf nicht entgegennehmen, Gio. Er weiß nicht mal, wer ich bin, Gott sei Dank.“

„Nicht der verfickte Bürgermeister, du riesiger Wicht. Das FBI.“

„Ich brauche mehr Beweise dafür, dass es ein Fall ist, der über Staatsgrenzen geht. Kannst du mir mehr sagen?“

„Ich kann dir sagen, dass es in Brooklyn keine Opiumfelder gibt. Oder in Queens. Nicht mal auf Staten Island, zumindest nicht, als ich das letzte Mal nachgesehen habe. Also bedeutet das, dass die Scheiße von irgendwo außerhalb des Staates kommt. Vermutlich von irgendwo weit weg, wo sie Turbane tragen. Und das ist über Staatsgrenzen, richtig?“

„Sicher, Gio …“

„Also, du bist ein Detective, hol dein Vergrößerungsglas raus und find Hinweise und so, Sherlock.“ Gio trank seinen Kaffee aus und warf den Becher in den Container. „Oder du bezahlst, was du schuldest.“

„Richtig“, sagte Fusco. „Ich verstehe. Ich bin dran.“

„Gut. Ich habe volles Vertrauen in deine Fähigkeiten.“ Als er sich zum Gehen wandte, zurück zum Diner lief und sein Telefon herausholte, um Nero anzurufen, rief er zurück: „Du hast eine Woche.“

5

Agent Mike Powell war im Himmel. Oder vielleicht war das zu weit hergeholt, gab er zu: Niemand, nicht mal die, die hier geboren waren, konnten die Provinz Helmand von Afghanistan dieser Tage als Himmel bezeichnen. Die Umwelt war rau, hatte ihre eigene schroffe Schönheit und eine anmutige, uralte Kultur, war aber seit 2001 von ununterbrochenem Krieg gebeutelt worden, befand sich seit Jahren unter der Kontrolle der Taliban und war wer weiß wie lange zerrissen ob der Konflikte um die Opiumernte. Man betrachtete es als die gefährlichste Provinz Afghanistans – und das will etwas heißen. Aber für Powell war es eine Gelegenheit zur Erlösung und vielleicht eine Chance auf viel mehr.

Er war ein aufsteigender CIA-Agent gewesen, ein kluger Analyst und ein harter, effektiver Spion, aber seine Heirat mit einer FBI-Agentin namens Donna Zamora hatte ihn zu Fall gebracht – vielleicht sogar aus dem geistigen Gleichgewicht. Er war schrecklich eifersüchtig und kontrollierend, ein Impuls, der sich ironischerweise selbst nicht kontrollieren ließ. Er konnte nicht anders. Er ertappte sich dabei, ihr hinterher zu spionieren und schließlich sogar Mittel der Agency zu verwenden, was ihn alles gehörig am Arsch kriegte, als sie sich scheiden ließen. Er verlor das Sorgerecht für seine Tochter Larissa und beinahe seinen Job. Aber die Agency entschied, dass es weniger beschämend war – für sie selbst – ihn einfach zu begraben, also wurde er in einem sicheren New Yorker Büro geparkt, hielt den Einheimischen den Rücken frei und versorgte seine glücklicheren Kollegen in Übersee mit Informationen. Dann trat Joe Brody auf den Plan. Powell war überzeugt, dass zwischen ihm und Donna etwas lief, sowohl romantisch als auch kriminell, vergaß zuweilen, dass selbst wenn sie sich mit Joe traf (wofür er keine Beweise hatte), das genau genommen kein Fremdgehen war, jetzt da sie geschieden waren, und versuchte, die beiden in einem noch nicht lange zurückliegenden Fall zu belasten, bei dem es um einen Diamantenraub und Heroin ging, das von Terroristen nach New York gebracht wurde. Stattdessen war er derjenige, der am Ende verlor, als der Fall zu Ende ging: zwei seiner Informanten waren tot oder verschwunden, das FBI und das NYPD brachten die Steine zurück und Joe Brady, so vermutete er, eliminierte die Terroristen. Powell war am Arsch und erwartete, dieses Mal wirklich gefeuert zu werden, als das Telefon klingelte und sich sein Leben veränderte.

Die Stimme am Telefon hatte sich selbst als Zahir identifiziert, eine einigermaßen mystische Gestalt in Spionagekreisen, bekannt als der Schatten. Zahir bot an, Powell zu helfen, mehr oder weniger als Agent zu handeln, im Tausch für nicht spezifizierte Gefallen. Wieso glaubte Powell ihm? Er tat es nicht. Nach zehn Jahren bei der CIA glaubte er gar nichts mehr. Nicht nur log jeder, und er meinte jeder; selbst, wenn jemand die Wahrheit sagte, gab es einen Grund, und dieser Grund war oft geheim, im Herzen eine Lüge, die sich zwischen den Fakten verbarg. Aber Zahir machte ihn neugierig. Zum Beispiel hatte er auf Powells sicherem Büroanschluss angerufen, was nicht möglich sein sollte. Dann, sobald er ihm gesagt hatte, dass er zumindest interessiert war, mit ihm zu reden, wurde Powell versetzt. Er musste nicht, wie er gefürchtet hatte, das nächste Jahr über in der Beringstraße in einem Eisturm sitzen und Russen dabei beobachten, wie sie sich die erfrorenen Eier kratzten, sondern kam nach Athen, auf einen aktiven Posten in Übersee. Hatten sich seine Vorgesetzten gewundert, warum der Versager des Monats plötzlich als Spion eingesetzt statt bestraft wurde? Vermutlich, aber sie hinterfragten es nicht. Schließlich glaubten auch sie nichts, abgesehen davon, dass jeder log – das war ein Berufsrisiko. Also, wer weiß? Vielleicht hatten die hohen Tiere eine Verwendung für Powell. Vielleicht war dies auf irgendeine undurchschaubare Weise eine Bestrafung. Oder die ganze Katastrophe war Teil einer größeren, besseren Lüge gewesen, also am Ende gar kein Versagen.

In jedem Fall wurden Powell, als er in Athen eintraf, ein gefälschter Pass und ein Flugticket nach Kabul übergeben und ihm wurde mitgeteilt, er solle sich in Kandahar mit einem Rick Toomey treffen, einem früheren Angehörigen eines Army-Kommandos für verdeckte Operationen und gegenwärtig bei einer privaten Militärfirma. Powells neuer Auftrag? Den Leuten, für die Toomey arbeitete, Hilfe und Expertise anzubieten – der Wildwater Corporation, einem Unternehmen, das Geschäfte mit dem US-Militär und Spionagetruppen im mittleren Osten machte. In anderen Worten: Nach einer Saison auf der Bank war er wieder im Spiel.

Aber die Freude machte sich erst später breit. Er war ins Hotel gekommen, hatte geduscht und sich umgezogen, als es an der Tür geklopft hatte. Toomey. Er war, das musste er augenblicklich anerkennen, ein gut aussehender Mann: blaue Augen, kurz geschnittene blonde Haare, ungezwungenes Lächeln. Er war ebenfalls, wie er schnell feststellte, exzellente Gesellschaft. Er fragte, ob Powell gegessen hatte, verwarf augenblicklich die Idee, im Hotel zu essen, und führte ihn in einen kleinen, gemütlichen und heimeligen Laden, wo sie in einem hübschen Innenhof saßen und er, sobald sie eintraten und er das gebratene Lamm roch, wusste, dass das Essen hervorragend sein würde. Das war es. Und während des Essens, dem Kaffee und den Drinks, mit denen er sie heimlich unter dem Tisch aus einer Flasche Scotch versorgte, plauderte Toomey leichtfertig und komisch, erfreute Powell mit Geschichten über die Situation, in der er auf der Latrine unter Beschuss geriet und im Fäkalientank Deckung suchen musste, über die Situation, in der er zwischen den Beinen von Kamelen entlangkriechen und Ruhe bewahren musste, während ihm eines auf den Kopf pisste, und über die Situation, in der er zur Aufklärung in einer südasiatischen Stadt in die falsche Villa einbrach und fliehen musste, nachdem er zufällig einen US-Diplomaten mit einem chinesischen Diplomaten im Bett erwischte.

„Was für eine Befreiung, mit jemandem zu sprechen, der die höchste Sicherheitsfreigabe hat“, sagte er, als Powell lachte. „Normalerweise muss ich mein bestes Material zensieren.“ Er schenkte ihnen beiden unter dem Tisch mehr Scotch ein und reichte Powell sein Glas. „Aber was ich Ihnen jetzt erzählen werde, fällt vollkommen aus dem Rahmen. Es hat keine Geheimhaltungsstufe, weil es nicht mal existiert.“

„Sie werden mir erzählen, wer Zahir ist“, sagte Powell. Er nippte an seinem Drink; berührte ihn tatsächlich nur mit seinen Lippen. Er war in höchster Alarmbereitschaft und wollte das auch bleiben.

„Wenn Sie es wirklich wissen wollen. Nur ein halbes Dutzend Leute auf der Welt wissen es, und wenn Sie einer werden, gibt es kein Zurück. Jetzt ist Ihre Gelegenheit, umzukehren.“

Powell schüttelte den Kopf. „Ich bin zu weit gekommen, um ohne Antworten wegzugehen.“

„Gut“, sagte Toomey und lächelte sein markantes Filmstarlächeln. „Ich bin froh, Sie das sagen zu hören. Aber zuerst ein paar Fragen. Dann ein paar Antworten.“ Er zog einen Order aus seiner Umhängetasche. „Seit Sie ausgewählt wurden, sich uns anzuschließen, sind ein paar neue Gesichter hier aufgetaucht. Ich frage mich, ob Sie welche davon identifizieren können.“

Er schob den Ordner herüber und Powell sah hinein: Überwachungsfotos von unterschiedlicher Qualität, aus seltsamen Winkeln aufgenommen, mit einer Linse für weite Entfernungen. Die ersten paar waren von jemandem, den er nicht erkannte, ein junger Kerl, nahöstliches Aussehen, aber in einem Supreme-Hoodie und Jeans, also vermutlich Amerikaner oder Westeuropäer. „Ihn kenne ich nicht.“ Die nächsten waren von einer blonden Frau Mitte bis Ende Zwanzig. Er konnte nicht sagen, wie sie hieß, aber es war einfach, sie sich mit einer Pistole in einer dunklen Straße in Brooklyn vorzustellen. „Sie habe ich schon mal gesehen. Aber ich weiß nicht viel.“

„Das ist okay“, sagte Toomey. „Wir schon. Ein anderer Geschäftspartner von uns kennt sie, seit sie eine kleine Russengöre war, die Süßigkeiten klaute.“ Er tippte auf den dritten Satz Fotos. „Was ist mit Kandidat Nummer drei?“

Jetzt lächelte Powell, während er die Fotos des schlanken, hart aussehenden Mannes mit der Sonnenbrille und dem schwarzen T-Shirt durchblätterte. „Oh, ihn kenne ich sehr gut. Das ist Joe Brody, alias der Rausschmeißer, alias der Sheriff, alias der Typ, der allen zu Hause mächtig auf die Eier geht.“

„Ein Freund von Ihnen?“

„Schwerlich.“

„Gut“, sagte Toomey und schloss die Akte. „Denn er hat auch hier drüben Eierschmerzen verursacht. Und die werden in Afghanistan mit einer Kugel versorgt.“

„Passt mir“, sagte Powell und das war der Moment, in dem ihm bewusst wurde, dass dieser neue Auftrag mehr wie ein Urlaub sein würde.

Toomey leerte seinen Drink, stand auf und streckte ihm seine Hand entgegen. „Dann lassen Sie mich der Erste sein, der Sie an Bord begrüßt, Mike.“

Mike stand auf und schüttelte sie. „Danke, Rick.“

Toomey schulterte seine Tasche und warf etwas Bargeld auf den Tisch. „Dann gehen wir rauf und treffen uns mit Zahir.“

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