Finsterer Pakt - David Gordon - E-Book
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Finsterer Pakt E-Book

David Gordon

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Beschreibung

Ein Bandenkrieg in der New Yorker Unterwelt. Und nur ein Türsteher kann noch helfen.
Der atemraubende Thriller voller Action und unerwarteter Wendungen

Joe Brody ist ein durchschnittlicher, Dostojewski lesender, aus Harvard geflohener Stripclub-Türsteher, der eine streng geheime militärische Vergangenheit hat und dessen bester Freund zufällig der Mafiaboss Gio Caprisi ist. Die FBI-Agentin Donna Zamora ist alleinerziehende Mutter und wurde an den Schreibtisch verdonnert, um die Hotline zu bedienen. Und das, obwohl sie die beste Schützin ihrer Klasse war. Die beiden begegnen sich ausgerechnet bei einer Razzia in Gios Striplokal in Queens, wo Donna Joe festnimmt. Trotz aller Unterschiedlichkeit entsteht sofort eine Anziehung zwischen dem Ex-Militär und der FBI-Agentin. Nach seiner Freilassung überschlagen sich die Ereignisse, denn in der Unterwelt gab es einen folgenschweren Raub, für den sich nicht nur die CIA interessiert. Auch Donna wird kopfüber in den Strudel der gefährlichen Verschwörungen gestürzt, hinter denen sich ein finsteres Superhirn versteckt, dessen Manipulationen ein gewaltiges Chaos auslösen könnten …

Dies ist eine überarbeitete Neuauflage des bereits erschienenen Titels Blutige Rache.

Erste Leser:innenstimmen
„Ich konnte diesen Thriller für keine Sekunde aus der Hand legen!“
„Trotz der harten Themen hatte ich sehr viel Spaß beim Lesen.“
„Genau die richtige Portion Spannung!“
„Selten hat mich ein Kriminalhriller so sehr gepackt.“

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Seitenzahl: 317

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Über dieses E-Book

Joe Brody ist ein durchschnittlicher, Dostojewski lesender, aus Harvard geflohener Stripclub-Türsteher, der eine streng geheime militärische Vergangenheit hat und dessen bester Freund zufällig der Mafiaboss Gio Caprisi ist. Die FBI-Agentin Donna Zamora ist alleinerziehende Mutter und wurde an den Schreibtisch verdonnert, um die Hotline zu bedienen. Und das, obwohl sie die beste Schützin ihrer Klasse war. Die beiden begegnen sich ausgerechnet bei einer Razzia in Gios Striplokal in Queens, wo Donna Joe festnimmt. Trotz aller Unterschiedlichkeit entsteht sofort eine Anziehung zwischen dem Ex-Militär und der FBI-Agentin. Nach seiner Freilassung überschlagen sich die Ereignisse, denn in der Unterwelt gab es einen folgenschweren Raub, für den sich nicht nur die CIA interessiert. Auch Donna wird kopfüber in den Strudel der gefährlichen Verschwörungen gestürzt, hinter denen sich ein finsteres Superhirn versteckt, dessen Manipulationen ein gewaltiges Chaos auslösen könnten …

Dies ist eine überarbeitete Neuauflage des bereits erschienenen Titels Blutige Rache.

Impressum

Erstausgabe 2018 Überarbeitete Neuausgabe Januar 2024

Copyright © 2024 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-98778-885-7 Taschenbuch-ISBN: 978-3-98778-877-2 Hörbuch-ISBN: 978-3-98778-880-2

Copyright © 2018, Mysterious Press Titel des englischen Originals: The Bouncer

Copyright © 2019, dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits 2019 bei dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH erschienenen Titels Blutige Rache (ISBN: 978-3-96087-252-8).

Übersetzt von: Tobias Eckerlein Covergestaltung: Anne Gebhardt unter Verwendung von Motiven von stock.adobe.com: © zhu difeng depositphotos.com: © jankovoy neo-stock.com: © Tom Parsons Korrektorat: KoLibri Lektorat

E-Book-Version 26.03.2024, 11:15:03.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Finsterer Pakt

Jetzt auch als Hörbuch verfügbar!

Finsterer Pakt
David Gordon
ISBN: 978-3-98778-880-2

Ein Bandenkrieg in der New Yorker Unterwelt. Und nur ein Türsteher kann noch helfen. Der atemraubende Thriller voller Action und unerwarteter Wendungen

Das Hörbuch wird gesprochen von Dietmar Wunder.
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Vorwort des Verlags

Liebe:r Leser:in,

dies ist eine überarbeitete Neuauflage des bereits erschienenen Titels Blutige Rache von David Gordon. Da wir uns stets bemühen, unseren Leser:innen ansprechende Produkte zu liefern, werden Cover sowie Inhalt stets optimiert und zeitgemäß angepasst. Es freut uns, dass du dieses Buch gekauft hast. Es gibt nichts Schöneres für die Autor:innen und uns, zu sehen, dass ein beständiges Interesse an ästhetisch wertvollen Produkten besteht.

Wir hoffen du hast genau so viel Spaß an dieser Neuauflage wie wir.

Dein dp-Team

Part I

1

Als der betrunkene Footballspieler ausrastete und versuchte, eine Stripperin mitzunehmen, schrien alle nach dem Türsteher. Dieser Besoffene war riesig. Ein rothaariger Gigant. Er stürmte auf die Bühne zu, grapschte und quetschte wie ein verhungernder Höhlenmensch am All-you-can-eat-Buffet und ging dann auf Kimberly zu. Eine große Blondine. Kurvig wie eine futuristische, italienische Skulptur. Er schnappte sie direkt von der Bühne und warf sie über seine Schulter wie King Kong. Als eine Kellnerin protestierte, klatschte er sie weg wie eine Fliege. Der Barkeeper, ein muskulöser Typ, der CrossFit wie ein verrückter praktizierte, schlug ihm direkt in den Magen. Der Riese blinzelte lediglich, als ob er eine Sekunde lang von einem vorübergehenden Gedanken abgelenkt wurde. Dann klatschte er den Barkeeper mit einem Schlag um. Selbst als seine eigenen Freunde versuchten ihn zu Boden zu bringen, schleuderte er sie durch die Luft, den Verstand versoffen schreiend: „Ich will nicht heiraten!“ Es war ein Junggesellenabschied, der komplett aus dem Ruder gelaufen war.

Crystal, ein neues Mädchen, das gerade erst von Philly nach New York gezogen war, rannte los zum Türsteher, Joe, der gerade Pause machte und in einer Hinterkabine saß, Kaffee trank und eine fette, mit Eselsohren übersäte Fassung von Dostojewskis Der Idiot las. Auf den ersten Blick war sie nicht sonderlich beeindruckt. Er war süß, wenn man auf große, schlanke, verlotterte weiße Jungs stand, was sie gelegentlich tat. Aber was Muskeln anging, war er nichts im Gegensatz zu dem, was sie von den menschlichen Bergen in schwarzen Anzügen gewohnt war, die man sonst vor den Clubtüren sah. Der Typ trug Jeans, alte Converse High-Tops und ein T-Shirt, auf dem „Security“ stand. Doch der Riese war viermal so groß wie er. Wenn der Riese ein Baum wäre und man würde ihn halbieren und mit heißem, blubberndem Wasser füllen, könnten Joe und Crystal beide in seinem hohlen Stumpf sitzen, als wäre er ein Whirlpool.

„Hey, du!“, rief sie. „Der Idiot! Wir brauchen Hilfe!“

Joe hob den Kopf, beinahe grinsend, und faltete die Ecke seines Buches. Dann sah er, wo Crystal hinzeigte. Der Riese watete durch die Menge. Allem Anschein nach verschleppte er Kim zu seiner Höhle, um sie später zu fressen. In ruhigen Bewegungen trat Joe ihm direkt in den Weg.

„Hey! Du! Fleischberg!“, rief er. „Hier drüben!“

Der Riese machte ein verärgertes Gesicht, während er Joe fokussierte wie ein Stier, der ein rotes Tuch sieht. „Nenn mich nicht so.“

Joe grinste. „Wie wär’s, wenn ich dir einen Lapdance gebe?“ Grummelnd schmiss er Kim beiseite und sie krachte auf den Tisch einer Gruppe asiatischer Touristen. Dann ging er auf Joe los. Crystal fühlte sich ein wenig schuldig, als sie sich darauf vorbereitete zu sehen, wie das hübsche Gesicht verunstaltet wird. Der Riese wütete los und schlug zu. Seine Faust schwang wie ein Vorschlaghammer. Aber Joe wich elegant aus und, auf den Fußballen tänzelnd, schritt sicher in den Schlag hinein. Er trat zu und traf das Kinn des Riesen von unten herauf. Als er zu taumeln begann, griff Joe nach einem Punkt an seinem Hals.

„Au!“ Wie ein verwundetes Monster jaulte der Riese vor Schmerz und versuchte, sich loszuschütteln. Doch Joe kniff ganz einfach noch fester.

„Ruhig, ruhig. Lass uns gehen“, sagte er, während er den gebeugten, stöhnenden Riesen vor sich herführte. Die Menge spaltete sich und sie gingen geradewegs durch die Tür.

Kimberly stand langsam mit der Hilfe der Touristen auf. „Wow“, sagte sie. „Das ist mal ein guter Türsteher.“ Crystal nickte. „Ich denke, es zahlt sich aus, Bücher über Idioten zu lesen.“

2

Draußen auf den Stufen des „Club Rendezvous – QUEENS BESTER GENTLEMAN’S CLUB, BEQUEM IN FLUGHAFENNÄHE“ saßen Joe und der Riese nun nebeneinander. Es war eine warme Sommernacht. Die Luft fühlte sich weich und frisch an, als ob sie mit einem Lkw vom Land geliefert wurde und die Flugzeuge über ihnen hätten fast Kometen sein können. Der Riese weinte. Sein Name war übrigens Jerry. Jetzt, wo er begonnen hatte zu bröckeln, zusammengesackt und schluchzend, während Joe seinen Rücken tätschelte, sah er eher aus wie ein riesiges, pinkes Baby als alles andere. Und wie ein Baby auch, war er niedlich und nicht der Hellste und in der Lage, großen Schaden anzurichten, ohne es zu wollen. „Ich weiß nicht, was passiert, wenn ich trinke“, sagte Jerry das Riesenbaby, während er sich die Nase abwischte. „Ich verliere jegliche Kontrolle. Ich bin kein schlechter Typ. Ich liebe meine Verlobte.“

Joe nickte. „Ich weiß, Mann. Ich kenne das, glaub mir. Hab keine Angst, um Hilfe zu bitten, wenn du sie brauchst.“

Jerry blickte zu ihm herüber, Tränen schienen im Neonlicht. „Hast du jemals Angst, Joe?“

Joe gab ein kurzes, hartes Lachen von sich. „Jerry, ich wache jeden Tag in Schrecken auf.“

„Wirklich? Wovor könntest du denn Angst haben?“

Joe überlegte einen Moment. Er kratzte sich am Kinn, während er nach oben auf ein Flugzeug starrte, welches, ihm nicht bewusst, auf dem Weg nach Venedig war. Er lächelte und drehte sich wieder zu Jerry. Dann traf das Gesetz ein.

Besser gesagt, es hagelte nieder. Alle auf einmal kamen sie an. Von allen Seiten, mit gezogenen Waffen. Es war ein richtiger Zugriff. SWAT in Panzerung kamen ums Gebäude. Knurrend und Befehle bellend. NYPD-Uniformen schrien in den Straßenverkehr und sicherten den Parkplatz ab wie die überteuerten Securitys, die sie oftmals waren.

„Hey, hey, ganz ruhig“, sagte Joe gelassen, aber laut, mit erhobenen Händen, ansonsten jedoch entspannt. „Alles ist cool. Wir sind unbewaffnet.“

Mittlerweile extrem verängstigt, guckte Jerry Joe an und hob dann ebenfalls seine Hände.

SWAT setzte sich in Bewegung und tastete sie noch immer knurrend ab.

„Sicher!“

Die Sirenen, wenn auch verstummt, pulsierten noch immer rötlich und die Frontscheinwerfer vertrieben die Schatten und enthüllten Joe und Jerry in einem strahlenden Weiß. Sie blinzelten in blinder Verwirrung.

„Wir sind okay!“, rief Joe. „Falscher Alarm. Wir brauchen keine Hilfe.“ Joe wusste nicht, wer die Cops gerufen hatte, aber es musste irgendein Anwohner gewesen sein, der wegen der Schlägerei besorgt gewesen war. Das hier war Gios Laden. Gios Leute riefen nicht die Bullen. Sie riefen Joe.

Agent Donna Zamora trat hervor. Sie trug einen Windbreaker mit der Aufschrift „FBI“, ihr Haar unter einem Cap, ebenfalls mit „FBI“ beschriftet, und ihre Marke am Gürtel. Im Grunde ein Outfit, das schreit: „Bitte nicht aus Versehen erschießen!“ Trotzdem ließ sie es irgendwie gut aussehen.

„Danke fürs Kommen,“ sagte Joe, „aber es geht schon wieder viel besser.“

„Das ist schön zu hören“, sagte sie amüsiert. Sie steckte ihre Waffe zurück ins Holster.

Joe lächelte und sie sah, dass er schöne Augen hatte. Er war ebenfalls amüsiert, jedoch war es schwer zu sagen, worüber.

„Ja“, fuhr er fort, „es war nur ein Missverständnis. Wir brauchen eure Hilfe letztendlich doch nicht.“

Jetzt musste sie lachen. „Sie haben recht. Es gibt ein Missverständnis.“ Sie hielt ihre Handschellen hoch. „Wir sind nicht hier, um Ihnen zu helfen. Wir sind hier, um Sie festzunehmen.“

Und als er aufstand, Jerry aufhalf und sich umdrehte, um sich verhaften zu lassen, hörte sie ihn ebenfalls lachen.

3

Das Telefon weckte Gio auf. Es war sein Handy. Sein Arbeitstelefon. Ein Wegwerfhandy, welches er regelmäßig austauschte. Nicht, dass er irgendetwas von Bedeutung am Telefon sagte. Aber es war dennoch schlau, es von dem Telefon zu trennen, das er benutzte, um seine Frau anzurufen, seinen Kindern zu schreiben, Fotos von Fischen zu machen, die sie auf seinem Boot fingen. Es war nicht das Festnetz, das im Grunde nur seine Verwandten und Angeheirateten benutzten. Und das um diese Uhrzeit. Herrgott, es war, verdammt noch mal, zwei Uhr morgens. Das musste bedeuten, dass irgendjemand tot war oder im Krankenhaus lag. Carol stöhnte neben ihm.

„Was’n los?“

„Nichts, Baby. Schlaf weiter. Bloß Arbeit“, sagte Gio, tätschelte ihre Schulter und eilte mit dem Handy ins Hauptbadezimmer. In vier Stunden würde sie aufwachen, um zu meditieren und Pilates zu machen, bevor sie die Kinder aufweckte. Er schloss die Tür vorsichtig hinter sich und setzte sich auf den Klodeckel. Die Marmorkacheln ließen seine Füße frieren.

„Was?“

Es war Fuscos Stimme. „Ich bin’s. Wir müssen reden.“

„Jetzt?“

„Je früher, desto besser.“

„Ich bin auf dem Weg. Wir sehen uns da.“

Er drückte den roten Knopf und machte sich eine mentale Notiz, das Handy wegzuwerfen, sobald er das Haus verlassen hatte.

Gio war ein Gangster. Ein Mafioso. Ein hochrangiger Professioneller im organisierten Verbrechen der dritten Generation. Aber wenn man ihn sah oder traf oder etwas Zeit bei ihm Zuhause in einem belaubten, ruhigen Teil von Long Island, auf einem großen Stück Land mit einem riesigen, aber stilvollen, weißen Schindelhaus und einem ungeheuer großen Rasen, einem biologischen Gemüsegarten und einem Pool verbrachte, würde man es niemals erahnen. Carol, seine Frau, war Kinderpsychologin mit eigener Praxis, jetzt, wo die Kinder älter wurden. Seine Kinder waren typische amerikanische Kids in sowohl allen guten als auch allen schlechten Hinsichten. Niedlich, klug, dumm, fröhlich, faul, verwöhnt, liebenswert. Ihre Vorstellungen eines Gangsters kamen aus Rapvideos und die einzige Person, die sein Sohn umnieten wollte, war sein Mathelehrer. Sie dachten, Gio würde das Familienunternehmen leiten, was er auch tat. Doch sie wussten lediglich von der legalen Hälfte: ein boomendes Immobilienimperium. Größtenteils kommerzielle Immobilien, aber auch ein paar Gebäude in Brooklyn und Queens, die in letzter Zeit deutlich im Wert gestiegen sind. Ein schwergewichtiges Investmentportfolio erstrangiger Aktien, Tech Funds, Auslandsinvestitionen, Anleihen, sogar ein paar Hedgefonds und Risikokapital. Eine Straßenbaufirma, ein Fuhrunternehmen und ein Vertragsunternehmen. Alle geführt von Cousins, Cousinen und Neffen unter seiner Aufsicht. Außerdem ein paar alte Hinterlassenschaften der Familie, wie zum Beispiel das Fischrestaurant, in dem alle Kinder im Sommer arbeiten mussten und das sie alle hassten – das er selber auch gehasst hatte, als er dort arbeitete, Shrimps kochte und rote Soße aufwischte – und das mehr wert war wegen des am Wasser liegenden Lands, auf dem es stand, als alles andere, aber wegen dem seine verwitwete Mutter ihn töten würde, wenn er es jemals verkauft oder auch nur ein Foto von Sinatra an der Wand verändert hätte. Ihr Großvater hatte es eröffnet, als er nach Amerika kam. Giovanni wurde nach ihm benannt. Ein weiterer Grund, warum man nicht erwartet hätte, dass Gio ein Gangster war, ist, dass er hart gearbeitet hatte, um sich das Erscheinungsbild eines anständigen Bürgers aufzubauen. Er ging aufs College und eine Wirtschaftsschule und war sogar Praktikant an der Wall Street. Seit er übernommen hatte, hat er den Fokus der Familie von der alten, noch immer lebendigen Welt des Glücksspiels, Sex, Erpressung und Kredithaien auf eher zeitgemäße und weniger farbenfrohe Verbrechen wie zum Beispiel Kreditkartenbetrug im Internet, Aktienmanipulation und Geldwäsche gelenkt. Er trug Anzüge von „Brooks Brothers“, keine Seide aus Little Italy. Er fuhr einen Audi. Er spielte Golf mit Doktoren und Richtern. Für ein paar Wochen wurde er sogar Vegetarier, als seine Cholesterinwerte in die Höhe schossen und seine Frau durchdrehte. Aber Gio war trotzdem ein Gangster und als er raus zum Parkview Diner fuhr, um NYPD Detective Jimmy Fusco zu treffen, der Spielsüchtige, der ihm Informationen beschaffte in der Hoffnung seine wachsenden Schulden bezahlen zu können, und er hörte, dass sein Club hochgenommen wurde, weil jemand gemeldet hatte, dass in der VIP-Lounge ab und an mal jemandem gegen Geld einer runtergeholt wurde, war sein erster Gedanke: Ich werde diese Scheißratte finden, die mich verraten hat und seine verdammte Zunge durch das klaffende Loch ziehen, das ich ihm in seine Kehle schneide. Nicht zu vergessen, das Geld, dass er monatlich als Bestechung zahlte. „Was zur Hölle, Jimmy?“, fragte er Fusco, als sie im leerlaufenden Audi hinterm Diner saßen, während Fuscos in der Stadt registrierter Chevy in der Nähe parkte. „Ich sollte immun gegen diese Scheiße sein bei dem Geld, das ich ausgebe.“

Fusco zuckte nervös mit den Schultern. Er würde sterben für eine Zigarette, aber er wusste, dass er in Gios Auto nicht rauchen durfte. „Das ist nicht meine Schuld, Gio. Ich schwör’s. Ich kann da nichts machen. Das sind die Behörden. Du weißt schon, wegen Eises.“

Gio verzog sein Gesicht und schüttelte den Kopf. „Eis? Meine Trucks? Es geht um verdammte italienische Eiscreme und Softeis? Okay, die verkaufen ein bisschen Gras und vielleicht auch ein bisschen Koks von den Trucks aus“ – er hob einen Finger – „aber niemals an Kinder und niemals in der Nähe von Schulen. Da bin ich knallhart.“

„Nein, Gio”, Fusco buchstabierte es, „I-S-I-S. Du weißt schon. Terrorismus. Die ganze Stadt ist in Alarmbereitschaft.“ Er sah Wut in Gios Augen und schrumpfte zurück in seinen Sitz, doch es gab keinen Ausweg.

Gios Stimme war monoton. „Du glaubst, ich sei ein Terrorist? Du glaubst, ich habe irgendetwas mit diesen Hurensöhnen zu tun?“

„Nein! Niemals. Natürlich nicht.“ Fusco wedelte mit der Hand, um Gio zu beruhigen. „Und genauso wenig denken es die Behörden. Wirklich. Es geht nicht um dich persönlich. Die nehmen jeden hoch.“ Er atmete durch. „Ich meine, du bist weit davon entfernt, ein Terrorist zu sein, das wissen wir beide. Aber bei allem Respekt … Was ist mit illegalen Waffenverkäufen? Drogenprofite, die über die ganze Welt reichen? Undokumentierte Sexarbeiterinnen?“ Er zuckte erneut aus Angst vor einem weiteren Ausbruch. „Schau, es ist eine neue Welt. Die haben Informationen über bekannte Terrorverdächtige, die etwas in New York planen. Und bis das Angstniveau sinkt oder die Bullen und die Behörden Ergebnisse erzielen, sind alle – du, ich, jeder – unter Druck.“ Fusco seufzte und steckte sich reflexartig eine Zigarette in den Mund. „Und ob es dir gefällt oder nicht, die Leute reden unter Druck.“

„Zünde dir die nicht hier drin an.“

„Nein“, er nahm sie aus dem Mund, „würde ich nie.“

Gio atmete durch. Er war ruhig. Nachdenklich. „Also“, sagte er, nun mit einem kleinen Lächeln. „Wer redet über meinen Club?“

4

In Gewahrsam machte Joe, auf der Bank sitzend und mit seinem neuen Kumpel Jerry und den anderen, etwas vertrauteren Gesichtern in der überfüllten Zelle quatschend, das Beste aus der Situation. Sie waren eingequetscht wie Pendler im Zug bei Feierabendverkehr, nur mit einem Edelstahlklo in der Mitte. Es schien, als wenn jeder heute erwischt wurde: eine chinesische Wettbude, ein russisches Bordell, ein Crackhaus in der Bronx, eine Werkstatt, in der Dominikaner geklaute Autos zerlegten, ein Lager mit geklauten Gütern – Juwelen, Kameras und andere Elektrogeräte – geführt von Typen in Kippas in Crown Heights. Jeder wurde von Cops und Behörden überrannt, in Handschellen abgeführt, auf Busse geladen, mühsam abgearbeitet und zum Warten hinter Gitter geworfen. Die ganze Stadt war hier. Es war wie ein Klassentreffen für organisierte Kriminelle.

Und jeder sagte dasselbe: Jetzt wurde es ernst. Sämtliche Behörden, egal ob Bund, lokal oder staatlich, durchkämmten jeden Bereich der New Yorker Unterwelt und versuchten, versteckte Bösewichte aus dem Verkehr zu ziehen. Was sie nicht schaffen würden. Es war eine einzige gewaltige Zeitverschwendung. Jeder in der Zelle wusste das, genauso wie jeder außerhalb der Zelle. Zumindest jeder bis zum Rang des Captain. Doch bis sie die Medien und die Politiker davon überzeugten, dass sie es ernst meinten und sich die panische Bevölkerung beruhigt hatte; bis der Steuerzahler und Wähler – beide Gruppen hier eher weniger vertreten – aufhörten, Selbstmordattentäter unter ihren Betten zu sehen und der Fokus der Welt sich auf etwas Neues legte, würde keiner mehr seinem Geschäft nachgehen. In anderen Worten: Joe war arbeitslos.

Jerry war nervös. „Joe, ich bin noch nie verhaftet worden. Ich meine, ein paarmal mit dem Auto angehalten worden, aber nie so was.“ Er musterte die Menge. „Sind das alles Kriminelle?“

„Soweit ich weiß“, sagte Joe. „Aber keine Sorge. Bleib einfach bei mir. Ich habe einen Anruf gemacht. Wir werden rauskommen …“ Er zögerte aus Angst, zu viel zu versprechen. „… irgendwann.“

Dann quetschte sich Derek dazu. „Hey, Joe!“

„Hi, Derek.“ Sie schüttelten Hände. Joe mochte Derek. Ein chinesischer Junge aus Flushing. Er war jung, einundzwanzig oder höchstens zweiundzwanzig. Doch anders als die meisten jungen Kerle, war er nicht darauf fixiert, Joe zu beeindrucken oder beleidigt, wenn er es nicht war. Eine Routine, die Joe anstrengend fand. Derek hatte eine positive Einstellung. Er war mehr so etwas wie ein fröhlicher Draufgänger. Ein eifriger, aufstrebender Profi. Seine Profession: Dieb.

Joe deutete auf die überfüllte Bank. Zehn Typen, Hintern an Hintern. „Ich würde dir einen Platz anbieten, aber der wäre auf meinem Schoß.“

Derek grinste. „Schon okay. Ich lass euch Alten sitzen. Wie im Bus.“ Er guckte sich um. „Das ist ’ne ziemliche Scheiße hier, oder?”

„So würde ich es auch formulieren“

„Drei Läden meines Onkels wurden geschlossen. Mann, ist der angepisst.“

„Zu Recht.“

Dereks Onkel leitete drei illegale Casinos in den chinesischen Teilen der Stadt. Außerdem verschiffte er gestohlene Autos, Schmuck und Antiquitäten über den Schwarzmarkt nach China. Eine wesentliche Menge davon klaute Derek.

Derek hockte sich hin und sagte in leiserer Stimme: „Wer ist das?“ Während er mit seinem Kinn direkt auf Jerry deutete.

„Nur ein Typ aus dem Club. Der ist okay.“

Derek lehnte sich herüber. „Schau mal, jetzt, wo du, genau wie ich, keinen Job hast, dachte ich, ich erzähl dir von dieser kleinen Sache, in die ich dich einweihen könnte.“

Joe nickte einen Bruchteil eines Zentimeters, aber genug für Derek, um fortzufahren: „Ein Raubüberfall. Ist ein Auftragsjob. Der Plan, der Kunde, alles schon geregelt. Wir brauchen nur noch einen weiteren Mann.“

„Wofür?“

Derek grinste. „Ich weiß, du stehst nicht so auf die harten Sachen. Darum darfst du fahren.“ Er haute Joe leicht auf den Oberarm. „Du bist einer der wenigen, denen ich hinterm Lenkrad vertraue.“

Joe lachte. „Danke, aber ich weiß nicht so recht. Wie du schon sagtest, ich bin alt und faul. Das klingt …“ Er zuckte mit den Schultern. „… aufregend.“

„Ich weiß, ich weiß. Cowboy und Indianer. Oder Ureinwohner, oder was auch immer. Aber ich muss Kohle machen. Ich heirate in einem Monat.“

„Wirklich? Glückwunsch. Genau wie Jerry hier.“

„Ohne Scheiß?“ Derek seufzte. „Mann, ich liebe dieses Mädchen, aber um ehrlich zu sein, drehe ich irgendwie durch.“

Joe stand auf und gab Derek seinen Platz. „Genau wie Jerry. Ihr beiden solltet reden.“

Es war schon lange Tag, als Joe rauskam. Gios Anwalt holte ihn und die anderen Angestellten des Clubs raus. Jerry und Derek wurde von Verwandten und Freunden geholfen, die sie angerufen hatten. Als sie die Untersuchungshaft verließen und als freie Männer auf die Baxter Street traten, nachdem sie noch einmal erneut vernommen wurden, war es bereits Mittag.

Genug Zeit für Jerry und Derek, um eine Verbindung herzustellen und für Jerry, um darauf zu bestehen, dass beide zu seiner Hochzeit kamen. Er umarmte beide fest und lief los. Sein Vater parkte in zweiter Reihe und hupte wütend. Derek machte einen leiseren Abgang, indem er in einen weißen BMW verschwand, der am Ende des Blocks schnurrte. Joe überlegte, ob er sich einen Eiskaffee von einem der vietnamesischen Läden hinter den Tombs holen sollte, wohin er immer ging, um Pho und frittierten Tintenfisch zu essen, seit er das erste Mal verhaftet wurde: Starker, schwarzer Kaffee, auf dicke, klebrige Kondensmilch getrieft und dann auf Eis gegossen. Dann sah er die süße Agentin von letzter Nacht. Sie stand an der Seite und trug eine Sonnenbrille, während sie die Parade der Verhafteten beobachtete. Dieses Mal trug sie einen Anzug. Eine Art seidig schwarzer Stoff über einer seidig weißen Bluse. Es war, nun ja, ziemlich FBI. Er war so geschnitten, dass er ziemlich elegant hing und sich um ihre schmalen Schultern und die Kurven ihrer Brust und Hüfte schmiegte. Der hat einiges gekostet, keine Frage. Genau wie ihre Frisur. Heute hatte sie die Haare offen und Joe konnte sehen, dass sie sehr lang, sehr glänzend und sehr schwarz waren. Er realisierte nicht wie schwarz, bis er es im Tageslicht sah.

Er lächelte und winkte leicht und als sie nickte, ging er herüber.

„Guten Morgen“, sagte er. „Oder Abend.“

„Ihnen auch“, sagte sie, ohne ihn wirklich anzuschauen oder zumindest, ohne ihren Kopf zu drehen. „Angenehme Nacht?“

„Ich hatte schon schlimmere. Sie?“

„Viel los”, sagte sie. „Ich habe nicht viel geschlafen.“

„Das ist zu schade. Sie werden nicht genug bezahlt dafür, dass Sie so hart arbeiten.“

Sie guckte ihn an. „Wer sagt, dass ich gearbeitet habe?“

Joe lachte. Ermutigt sagte er: „Hey, wie wär’s – nur um zu zeigen, dass keiner von uns Groll hegt –, würden Sie mit mir auf eine Hochzeit gehen?“

Jetzt musste sie lachen. Das hatte sie nicht erwartet. „Wann?“

„Heute Nacht! Die Hochzeit, deren Junggesellenabschied Sie gestürmt haben.“

„Wenn das so ist, bin ich mir nicht sicher, ob ich willkommen sein werde.“

„Natürlich werden Sie das. Jerry hat ein großes Herz. Es wird eine schottisch-koreanische Hochzeit. Sollte ziemlich wild werden.“

„Das klingt in der Tat nach Spaß. Aber ich habe zu tun. Vielleicht ein anderes Mal.“ Und jetzt lächelte sie. Ein richtiges Lächeln. Direkt an ihn, während sie sich umdrehte und reinging. Joe beobachtete sie. Dann sah er Crystal und Kimberly in einer Gruppe Frauen, die aus einer anderen Tür entlassen wurden und in ein wartendes schwarzes Auto stiegen.

„Hey, Ladies!“, rief er, als er rüberging. „Könnt ihr mich mitnehmen?“

5

Agent Donna Zamora war von sich selbst überrascht. Sie hatte nachgegeben. Sie hatte sich weichmachen lassen. Hat sich sogar dabei ertappt, wie sie flirtete, bevor sie es realisierte. Und dann war es auch noch ein Krimineller. Ein Türsteher in einer Tittenbar, der sich einfach nur Joe nannte. Sogar für ihr desaströses Liebesleben war das ein Abstieg. Wer sagt, dass ich gearbeitet habe? Wie konnte sie das nur gesagt haben? Es war schamlos, dachte sie, und wenn ihre Kollegen das gehört hätten. Hirnlos. Warum lächelte sie dann auch noch, als sie sich daran erinnerte, wie er lächelte? Dieser Ausdruck von fröhlicher Überraschung in seinem Gesicht. Diese Ausstrahlung, die er hatte, wie in einem versteckten Streich. Aber war sie Teil des Streichs? Oder war sie das Opfer? Oder er selbst?

Egal. Ein Lächeln war ein Lächeln und sie musste nehmen, was sie kriegen konnte. Gefangen in einem aussichtslosen Job in einem beschissenen, kleinen Büro, so weit von jeglicher Action entfernt, wie man es nur sein konnte und trotzdem mit einer Pistole zur Arbeit zu kommen: Sie war das Tippmädchen. Sie war die Hotline. Und nein, das war nicht so sexy, wie es klingt. Alles, was sie tat, war, den ganzen Tag Anrufe von gesetzestreuen Bürgern zu beantworten, die fanden, dass der Müll ihrer Nachbarn verdächtig roch und E-Mails von aufmerksamen Zivilisten zu durchkämmen, denen der muslimische Name ihres Taxifahrers aufgefallen war oder dass jemand einen Pizzakarton in der Bahn liegen gelassen hatte oder dass auf der lauten Party auf dem Dach mexikanisch klingende Musik lief. Völlig egal, dass sie selber halb Mexikanerin und halb Puerto Ricanerin war. Völlig egal, dass sie einen guten Abschluss hatte und die Beste während ihrer Ausbildung in Quantico war. In der spießigen Umkleidekabinenkultur des FBI war Donna festgefahren mit einem trostlosen Job am Hinweistelefon. Sie musste sich mit jedem Vollidioten auseinandersetzen, der etwas sah und etwas sagte. Es sei denn, einer dieser Hinweise würde ihr nur einmal irgendetwas bringen. Das war der Grund, warum sie ihren Gürtel umschnallte und mitfuhr, nachdem dieser Kokser aus Canarsie anrief und von Geschäftsmännern aus dem mittleren Osten erzählte, denen Blondinen in der VIP-Lounge im Club Rendezvous einen runterholten. Wenigstens brachte sie das für eine Nacht raus aufs Spielfeld, wo sie ein wenig durchatmen konnte. Vielleicht sogar rennen.

Sie seufzte, als sie auf die Fotos und Skizzen der Top-10-Gesichter auf der Terrorliste blickte. Gesichter, die sie jeden Tag anstarrten, sie herausforderten, sie unter dem endlosen Scheißhaufen zu finden, den sie jeden Tag schaufelte. Sie zeigte ihnen allen den Mittelfinger. Sie trank ihren kalten Kaffee aus und bereitete sich auf einen weiteren sinnlosen Rückruf vor, als das Telefon klingelte. Es war ihre direkte Durchwahl. Höchstwahrscheinlich noch so ein armseliger Widerling oder paranoider Schizophrener, der auf eine Belohnung aus war. Sie nahm ab.

„Guten Abend. Hier spricht Agent Zamora. Haben Sie ein Verbrechen zu melden?“

„Hi“, sagte eine freundliche, ganz und gar nicht widerliche, unschizomäßige Stimme. „Mein Name ist Giovanni Caprisi. Ich möchte vorbeikommen und reden.“

Giovanni fucking Caprisi. Gio der Gentleman. Kam vorbei. In Fleisch und Blut. Heilige Scheiße. Donna lachte laut. Sie hatte im Lotto gewonnen. Ein Hauptverdächtiger in O.C. Der Kopf einer verdammten kriminellen Mafia-Familie, kam freiwillig her. Wer weiß, was er wollte oder wen er bereit war, ihnen zu geben? Vielleicht wollte er ihr einen Tipp über einen Konkurrenten oder einen Rivalen in der Familie geben. Vielleicht war er bereit aufzugeben, Beweise zu liefern und ins Zeugenschutzprogramm zu gehen. Wenn alles gut lief, könnte sie mit diesem Fall Karriere machen. Auf jeden Fall würde er sie vom Hinweistelefon retten.

Also sagte sie zu: „Selbstverständlich. Kommen Sie gleich her.“ Sie rief bei der Rezeption an und meldete ihn an. Dann lief sie zum Badezimmer, richtete sich her und ging zurück, um in aller Ruhe zu warten, bis es an der Tür klopfte.

„Agent Zamora, Ihr Besuch ist da“, sagte der junge Agent, mit Bürstenschnitt und Blazer.

„Danke. Schicken Sie ihn rein.“

Der junge Mann hielt die Tür auf und da, in einem äußerst reizenden beigen Sommeranzug, mit einem weißen Hemd und einer blauen Krawatte, polierten Schuhen und einer Rolex, aber kein Gold oder Ringe außer seines Eherings, war Gio. Er lächelte.

„Agent Zamora? Freut mich, Sie kennenzulernen.“

„Gleichfalls, Mr. Caprisi.“

Sie schüttelten Hände.

„Bitte nennen Sie mich Gio.“ Er guckte sich in dem kleinen, fensterlosen Raum um. „Bin ich hier richtig? Hier werde ich kooperieren?“

„Absolut“, sagte sie und entfernte einen Stapel nutzloser Akten von einem Stuhl. „Bitte setzen Sie sich. Und seien Sie versichert, alles, was Sie im Gegenzug für Ihre Kooperation mit uns brauchen, kann ich Ihnen besorgen.“

„Großartig. Ich hatte gehofft, dass Sie das sagen würden.“ Er fegte den Stuhl ab und zog beim Hinsetzen seine Hose hoch.

„Sollten Sie Schutz für Ihre Familie brauchen oder eine neue Identität oder sogar ein neues Gesicht – alles kein Problem.“

„Ein neues Gesicht!“ Er lachte und rieb sich am Kinn. „Was ist mit diesem verkehrt? Ich habe es gerade erst rasieren lassen. Gefällt es Ihnen nicht?“

„Nein, es … es ist ein sehr schönes Gesicht und eine schöne, glatte Rasur. Ich meinte als Gegenleistung für Ihre Aussage, sollten Sie sich dazu entscheiden, als Kronzeuge gegen Ihre Partner im organisierten Verbrechen aufzutreten.“

Gio lachte noch lauter. „Tut mir leid.“ Er holte Luft. „Ich befürchte, Sie haben mich mit jemandem verwechselt. Ich bin hier lediglich als besorgter Bürger. Ich habe keine Ahnung von organisiertem Verbrechen. Klingt nach einem Oxymoron für mich.“

Sie setzte sich hin und versank in ihrem Stuhl, während ihre Hoffnungen schwanden. „Worüber wollen Sie denn dann mit mir reden?“

„Terrorismus.“

„Was ist mit Terrorismus?“

„Ich finde ihn schrecklich. Er muss aufgehalten werden.“

„Ja, wir hier beim FBI sehen das genauso.“

„Gut. Ich freue mich, das zu hören. Ich bin hier, um zu helfen.“

„Entschuldigen Sie, Mr. … Gio. Ich kann Ihnen nicht ganz folgen. Wie können Sie helfen?“

„Na ja, wie bereits erwähnt, bin ich ein besorgter Bürger und im Zuge meiner gewöhnlichen Tätigkeiten treffe ich viele Menschen und lerne viele Sachen. Einige von Ihnen könnten Menschen sein, die Sie interessieren. Und gleichzeitig kenne ich auch noch andere Menschen, Freunde von mir, ebenfalls treue Bürger, deren Geschäfte … behindert werden durch Freunde von Ihnen.“

„Sie meinen so wie Ihr Club?“

„Club Rendezvous? Das ist nicht meiner. Der Club gehört zufällig dem Nachbarn der Frau meines Cousins.“

„Ist richtig“, sagte Donna. „Ich vergaß. Yettie Greenblatt. Die zweiundachtzigjährige Stripclub-Inhaberin.“

 „Ganz genau. Arme Frau. Ihr Ehemann ist nicht mehr da. Der Club ist alles, was sie hat. Also, sagen wir, ich kann Ihnen einen von den Jungs da oben besorgen.“ Er nickte in Richtung der grimmigen Männer an der Wand, keiner von ihnen so gut rasiert wie er. „Vielleicht könnten Sie im Gegenzug Mrs. Greenblatt mit ihrem Club helfen.“

„Haben Sie Informationen über einen gesuchten Terroristen?“

„Jetzt gerade? Nein. Aber ich könnte Ihnen helfen zu suchen. Ich könnte einen freiwilligen Suchtrupp für Sie zusammenstellen. Sie wissen schon, Hilfssheriffs. Sie haben doch Hilfssheriffs.“

„Nein. Soweit ich weiß, haben wir keine. Und selbst wenn, würde ich keinen Gangster einstellen und ihn laufen lassen, um nach Terroristen zu suchen, im Tausch gegen Mittäterschaft bei seinen illegalen Aktivitäten.“

„Woah, ganz ruhig!“ Gio lachte und hob seine Hände. „Sie lassen es viel größer klingen, als es ist. Ich habe nur laut gedacht. Wie wäre es damit? Rein hypothetisch. Ein Gedankenexperiment.“

„Ein Gedankenexperiment?“

„Sagen wir, jemand hat Sie anonym angerufen und Ihnen hypothetisch geholfen, einige dieser Typen zu bekommen. Würde das Mrs. Greenblatts Leben erleichtern?“

„Hypothetisch?

„Ganz und gar.“

Sie seufzte. „Ja, ich nehme an, das würde es.“

„Großartig“, sagte Gio, sprang auf und schüttelte ihre Hand.

„Vielen Dank für Ihre Zeit. Und wenn ich irgendeinen dieser Kerle sehe, sind Sie die erste, die ich anrufe.“

Er ging und machte die Tür rasch hinter sich zu. Eine Sekunde später brach sie in Gelächter aus. Was für ein Witz. Wenigstens hatte sie niemandem von ihrem großen Fall erzählt. Wie auch immer. Es hat etwas Abwechslung in den Tag gebracht.

Sie würde ihrer Mutter später davon erzählen, wenn sie vorbeifährt, um ihr Kind abzuholen und ihre Mutter würde wieder mit ihr lachen. Sie musste immer noch kichern, als das Telefon klingelte und sie abhob.

„Agent Zamora?“

Es war ihr NYPD-Kontakt.

„Ja. Hi. Entschuldigung, ich habe mich nur geräuspert. Was ist los?“

„Ich habe Neuigkeiten zu der vermissten Person, nach der Sie gefragt hatten. Ein Billy Rio?“

„Ja?“

Billy Rio war ein Kokser aus Canarsie. Der, der über Gios – oder Mrs. Greenblatts – Club ausgepackt hatte. Er ist nie aufgetaucht, um seine Belohnung abzuholen – ziemlich untypisches Verhalten für einen Kokser. Außerdem war sein Handy aus und seine Mutter, in dessen Keller er wohnte, hat ihn länger nicht mehr gesehen. Also hatte Donna die lokalen Behörden gebeten, die Augen offen zu halten.

„Ja, mein Spitzel. Was ist mit ihm?“

„Gute Nachrichten. Wir haben ihn gefunden“, sagte der Kontakt. „Na ja, das meiste von ihm. Jedenfalls genug, um ihn zu identifizieren.“

6

Gio wusste, dass Timing extrem wichtig war. Er wollte einen Auftritt hinlegen. Auftauchen, nachdem alle anderen schon da waren. Aber er wollte sie auch nicht zu lange warten lassen, um keine der aufgeblasenen Egos zu langweilen oder zu verletzen, die in die Lagerhalle gestopft waren wie Ballons vor der Thanksgivingparade. Und obwohl die Sicherheitsvorkehrungen extrem umfangreich waren – die Räumlichkeiten und die Gäste wurden auf Wanzen untersucht, die Telefone an der Tür eingesammelt –, war die Wahrscheinlichkeit, dass zumindest einige der Besucher unter Beobachtung standen, hoch und das Zeitfenster klein. Als also sein neues Wegwerf-Handy mit einem Klingeln signalisierte, dass sich die Gäste eingefunden hatten, ließ er Nero, seinen Fahrer, rechts ranfahren und nickte nur kurz der Wache zu, bevor er hineineilte.

Wenigstens mussten sie sich keine Sorgen um Kameras machen, dachte er, als das schwere Stahltor hinter ihm zuschwang. Hier war es riesig. Eine Art Indoor-Landschaft, umschlossen von Wellblech. Berge aus Salzstein und Sand, mehrere Stockwerke hoch, saßen hier und warteten auf den Winter, geschützt vor Regen und Wind durch eine gewölbte Decke und Wände. Das Ganze war auf einem Steg gebaut. Auf drei Seiten war Wasser, auf dem die Schiffe Ware entluden, Tonne über Tonne. Auf der Uferseite ein eingezäunter Asphalthof, auf dem die Trucks sie wieder aufluden. Gio ging zwischen Dünen entlang. Die Sonne ging draußen langsam irgendwo hinter der Wand unter, doch ihre Strahlen traten durch jeden Riss und jede Fuge in dem rostigen Schuppen – an einigen Stellen war der Rost wie Spitze oder das Muster eines Beichtstuhls – und fielen auf die künstliche Bergkette, erleuchteten ihre brüchige Oberfläche, ihre Körner und Kristalle, tauchten sie in Rot und Gold, warfen lange und verkürzte Schatten über schmalen Tälern. Er kam in einem Bereich raus, in dem Schneepflüge lagerten. Gestapelt wie gigantische Löffel hoch über ihm. Hinter dieser Barrikade, in einem offenen Bereich, waren Klappstühle um Brückentische herum angeordnet. Auf jedem Tisch war eine Schale mit Obst, eine Flasche Selters, ein Eimer mit Eis und eine Auswahl an Schnapsflaschen. Auf der einen Seite stand ein Kind in Anzug und Krawatte hinter einer Espressomaschine, aber mit nur einem Blick wusste Gio, dass nichts angefasst worden war außer den Aschenbechern, anachronistisch aufgestellt in diesem rohen, verdreckten Raum.

Größtenteils, abgesehen von ein wenig Gold auf Zähnen, Ketten und Fingern, und ein paar harten Knasttattoos und farbigem Leder, sahen die schätzungsweise zwanzig Gäste wie das aus, was sie waren – erfolgreiche Unternehmer, die sich versammelt haben, um Geschäfte zu machen. Alle bis auf eine Person waren Männer – die Ausnahme war Little Maria. Eine zierliche, aufgeweckte Frau, die, seit ihr Ehemann gestorben war, den dominikanisch kontrollierten Heroinhandel skrupellos geführt hatte. Wenn man eine Bodega bei sich um die Ecke hatte, die augenscheinlich nichts außer ein paar staubige Dosen Suppe und alte Süßigkeiten verkaufte, gehörte die wahrscheinlich Maria. Vom Alter her reichten sie von Mittdreißigern, wie Gio oder Alonzo, der die schwarzen

Gangs in Brooklyn repräsentierte, bis wer weiß wie alt, wie der runde und alterslose Onkel Chen, der Flushing leitete (nicht die koreanischen Teile) und der uralte, schwarz gekleidete, weiß-bärtige Hasid Menachem „Rabbi“ Stone, der trotz seines großväterlichen Auftretens, die orthodoxe Unterwelt mit eiserner Faust regierte.

Gio ging hinein und atmete tief ein, als sich alle Gäste zu ihm umdrehten. „Guten Abend und danke fürs Kommen. Ich kann nicht in Worte fassen, was für eine große Ehre es ist, dass Sie die Reise auf sich genommen haben. Ich möchte mich auch bei meinem Cousin Ricky für die Bereitstellung der Örtlichkeit bedanken.“ Er nickte zu Ricky herüber, der strahlte. Eigentlich war er nicht sein Cousin; Er war das Kind des Ehemannes von Gios Cousine. Er war eine Dumpfbacke. Gio hatte ihm aus Familienschuld einen einfachen Job gegeben und ihn damit beauftragt, sich um ein paar Gewerkschafter zu kümmern. Die Unklarheit dieser unbedeutenden Arbeit machte sie gleichzeitig sicher. „Ricky?“, sagte er noch einmal, „Danke.“

Ricky verstand die Andeutung, sprang auf, eilte los und nahm den Barista – seinen Sohn – mit sich. Der Junge war ein echter Barista, der ein hippes, kleines Café in einem Carroll Gardens Gebäude führte, das die Familie besaß. Gio nahm sich einen Stuhl und setzte sich hin. Die anderen lehnten sich vor und starrten in eisigem Schweigen.

„Wir wissen alle, warum wir hier sind. Wir befinden uns alle in derselben Fessel und es schmerzt. Keiner von uns kann seinem Geschäft nachgehen, bis diese Terroristen gefasst sind. Das Problem ist, die Bullen könnten nicht einmal Filzläuse in einem Hurenhaus finden. Nicht, dass ich hier irgendjemandem vorwerfen möchte, dass seine Huren Filzläuse haben.“

Es brach etwas Gelächter aus und das Eis war gebrochen.

„Okay, wir wissen alle, dass wir am Arsch sind. Ich bin nicht eine Stunde hierhergefahren, um mich daran zu erinnern.“ Das war Alexei. Ein russischer Mafiaboss aus Brighton Beach. Er zündete sich eine Zigarette an. „Die Frage ist, was können wir dagegen tun? Hast du darauf eine Antwort, Gio?“

„Ja, habe ich. Wir fangen sie.“

„Wen, die Läuse?“ Wieder brach Gelächter aus und Alexei grinste, obwohl Gio fand, dass er sich an seinem Witz bediente. Gio lächelte trotzdem aus Höflichkeit.

„Wir fangen die Terroristen, mein Freund.“

Alexei verstummte kurz, starrte für einen Moment. Dann warf er seinen Kopf zurück und lachte noch lauter als zuvor. Andere machten mit. „Gio, du bist wirklich verrückt“, sagte er. „Aber ich gebe zu, du hast Eier. Die Terroristen fangen.“

„Wie sollen wir diese Hurensöhne fangen, wenn nicht einmal das FBI und die CIA das schaffen?“, fragte Alonzo.