Dunkle Wasser - Louise Doughty - E-Book
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Dunkle Wasser E-Book

Louise Doughty

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Beschreibung

John Harper liegt in einer abgelegenen Hütte auf einer indonesischen Insel nachts wach, horcht, wie der Regen auf das Dach trommelt, und fürchtet um sein Leben. Doch er hat weniger Angst vor dem, was kommt, als vor einer Tat, die er begangen hat. Bei einem Besuch in der nächstgelegenen Stadt begegnet er Rita, einer Frau mit eigener schwieriger Vergangenheit. Sie lassen sich auf eine Affäre ein, die Harper ungeahnte Möglichkeiten des Exils eröffnet – doch bringt er Rita damit gleichzeitig in Gefahr.
An wechselnden Schauplätzen – Europa während des Kalten Krieges, die amerikanische Bürgerrechtsbewegung in Kalifornien und Indonesien –, zeigt Louise Doughty meisterhaft, wie John Harpers Lebensstationen mit finsteren Kapiteln der jüngsten Weltgeschichte verknüpft sind.

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Seitenzahl: 546

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LOUISE DOUGHTY

DUNKLE WASSER

ROMAN

Aus dem Englischenvon Astrid Arz

C. Bertelsmann

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
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Die Originalausgabe erschien 2016 unter dem Titel »Black Water« im Verlag Faber & Faber, London.
Copyright © 2016 by Louise Doughty Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2017 bei C. Bertelsmann, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München Umschlag: buerosued.de Satz: Uhl + Massopust, Aalen ISBN 978-3-641-18942-6V002
www.cbertelsmann.de

Für Sylvia und Keithvon Herzen

Die größte Gefahr für den Weltfrieden? Junge Männer zwischen achtzehn und fünfundzwanzig, besonders, wenn sie arbeitslos, ledig und besitzlos sind.

DR. CLAYBORNE CARSON

Mag sein, dass er ein Hurensohn ist, aber er ist unser Hurensohn.

FRANKLIN D. ROOSEVELTüber den nicaraguanischen Präsidenten Somoza(Zuschreibung umstritten)

Auf den Feldern nutzten auch unsere Hüte rasch ab.

PRAMOEDYA ANANTA TOER,Stilles Lied eines Stummen

INHALT

I AFFE ESEL EULE (1998)

II JETZT ZEIGT SICH, WER FREUND UND WER FEIND IST (1942–1965)

IIIDUNKLE WASSER (1998)

DANK

I AFFE ESEL EULE (1998)

Er schreckte jede Nacht zur gleichen Zeit aus dem Schlaf auf, in den frühen Morgenstunden – wenn es am dunkelsten war. Durch seinen Oberkörper ging ein Ruck, er schlug die Augen auf. Mit einer Hand fuchtelte er nach der Nachttischlampe, stieß aber gegen das Moskitonetz. Es dauerte etwas, das Netz anzuheben und den Schalter am Lampenfuß zu finden, ehe er sich keuchend aufsetzte und über das Paradoxe daran nachgrübelte, so verschwitzt aufgewacht zu sein, dass er vom feuchten Film auf der Haut fröstelte.

Tagsüber war die Stromversorgung unzuverlässig, doch nachts ging das Licht problemlos an. Das Netz aus grober, dicht gewebter Baumwolle umhüllte das Bett. Es war wie in einem Zelt, draußen im Freien. In seinen Ohren rauschte das Blut immer so laut, dass er eine Zeit lang nichts anderes hörte. Dann atmete er tief ein und aus, versuchte seinen Herzschlag zu beruhigen und zu lauschen und sagte sich, dass er nicht draußen im Freien war, sondern in einer großen bequemen Hütte mit Holztüren, die mit Schnitzereien verziert waren, fest verschlossen von einem Riegel in Form eines klobigen Balkens auf dicken Bügeln.

Die Hütte lag zwar auf halber Höhe am Hang, doch das Tal war erfüllt vom Rauschen des Flusses Ayung, dem Tosen und Spritzen von Wildwasser über Felsen. In diesem Jahr hatte die Regenzeit lange angehalten, der Wasserstand war noch hoch. In der Nacht geschah etwas Seltsames mit den Geräuschen um die Hütte: Es war kaum auszumachen, wie nah oder weit entfernt sie waren – das Gewusel und Getrippel von Streifenhörnchen auf dem Dach, das schwerere Plumpsen, vielleicht eines Affen, auch auf dem Dach, oder kam es von der Veranda? Die knarrte manchmal – sie ruhte auf hohen Pfählen, nichts und niemand konnte sie lautlos überqueren.

Manchmal kam es ihm so vor, als hörte er ein leises Scharren unten an der Holztür. Vielleicht eine Flussratte? Kamen sie nachts so weit den Hang rauf? Bei seinen Spaziergängen im Tal hatte er welche gesichtet, schwarz und flink, wie sie im Gebüsch zwischen den üppigen grünen Blättern umherflitzten. Dann wieder dachte er: Doch, da ist eindeutig ein Tier auf dem Dach. Und lauschte, wie das Scharren von Klauen rhythmischer wurde und das Skritt-Skritt in ein Pitt-Pitt überging, Pause, Pitt-Pitt-Pitt, das sich zu Regenprasseln auswuchs. Und wie das Getöse rasch anschwoll, bis es so ohrenbetäubend wurde, dass selbst das Flussrauschen übertönt, Wasser von Wasser ertränkt wurde.

Bei Tageslicht stand er gern auf der Veranda und sah sich den Regen an, der aussah wie eine so massive Mauer, dass er gleichermaßen nach oben wie nach unten zu fallen schien. Bei Tageslicht war der Anblick schön – solange man nicht hinausmusste –, doch in den Stunden der Dunkelheit schlossen die Sturzfluten die Welt aus, übertönten alle anderen Geräusche: Regen, nichts als Regen.

Er war erst seit einer Woche in den Bergen, auch wenn ihm die Zeit viel länger vorkam. Seine letzten Fehleinschätzungen spukten ihm noch im Kopf herum. Wie dieser Schwachkopf Henrikson angekommen war und sich aufgespielt hatte. Na, zumindest Wahid und Amber hatten sich nicht blenden lassen; und dann diese Journalistin – unfassbar, dass er sich von der hatte einwickeln lassen! –, und schließlich Amsterdam, wie die zu allem Überfluss auch noch ständig seine Kompetenz anzweifelten. Immer und immer wieder gingen ihm seine Gespräche mit denen durch den Kopf, in den heißen dunklen Stunden, wenn er wach lag und das Gedankenkarussell Fahrt aufnahm.

In den letzten beiden Nächten hatte die Angst zugenommen. Die Geräusche auf dem Dach wandelten sich. Jetzt schreckte er von Nacht zu Nacht heftiger aus dem Schlaf hoch, fest davon überzeugt, dass er Schritte auf Holzdielen hörte, nicht draußen auf der Veranda, sondern drinnen, die immer näher an sein Bett schlichen. Dann wuchs seine Furcht so rasch an, dass er nur das Moskitonetz anheben, vom Bett klettern und eine Runde durch die Hütte drehen konnte, ruhelos, unter den Tisch schauen, den Eckschrank öffnen und in alle dunklen Ecken spähen musste, die das Lampenlicht nicht erreichte. Irgendwann drückte die Blase, und er überwand sich, den Riegel durch die Holzbügel zu schieben und einen Türflügel aufzustoßen. Er nahm es mit der Dunkelheit auf, blieb eine Zeit lang dort stehen und starrte in die Finsternis hinaus, während das schwache Licht hinter ihm einen Riesenschatten auf die Veranda warf, trat dann über die mit Schnitzereien verzierte Schwelle ans Geländer und pinkelte schwungvoll in die Dunkelheit hinaus; ging wieder hinein, legte den Holzriegel vor und machte sich erneut ans Ritual, in jeden Winkel der Hütte zu spähen, als hätte sich jemand oder etwas an ihm vorbeigeschlichen, nun jedoch gelassener, weil er mit dem Türöffnen einen Eindringling hereingebeten und so die Wahrscheinlichkeit verringert hatte, dass es passierte. Er hatte sich selbst seine Furchtlosigkeit bewiesen. Sie kamen nur, wenn man sich fürchtete.

Schließlich stieg er wieder ins Bett und knipste die Lampe aus, mit ruhigerem Herzschlag. Mit der rituellen Suche samt unerschrockenem Türöffnen hatte er sich selbst davon überzeugt, dass seine Ängste unbegründet waren, nichts als nächtlicher Spuk. So legte er sich abermals hin, schloss die Augen und zog sich das Betttuch über die Schulter. Gerade wenn er erneut in Schlaf sank … genau dann kam er, dann, wenn er kurz vor dem Einschlafen war. Immer dann: der Ruf des Geckos, wie eine Tröte, auf dem Dach genau über seinem Kopf, keinen Meter weit weg, plötzlich, laut und tückisch, mit seinem Hall lauter als alle anderen Geräusche: Toké! Eine höhnische, verächtliche Pause. Toké! Und schon saß er wieder senkrecht im Bett, wütend und aufgeschreckt vom Warnruf. Toké!

Dann rief er selbst, brüllte laut drauflos und hämmerte gegen die Hüttenwände, um das Viech zu verjagen. Wurde es nicht bald hell? Wo war Kadek?

In dieser einen Nacht, in der es ihm klar wurde, war der Ruf des Geckos so laut, so gnadenlos, dass er sich nicht mal mehr die Mühe machte, gegen die Hüttenwände zu hämmern, sondern sich nur schwer atmend aufsetzte, das Licht anknipste und schlapp dasaß, den Kopf in beiden Händen, wie um dem Gecko zu sagen: Ist ja gut, du hast gewonnen.

Da ging ihm auf, was geschehen würde. Sie würden ihn umbringen. Gönnen Sie sich eine Auszeit, hatte Amsterdam gesagt. Fahren Sie rauf in die Berge, wir haben ein Häuschen im Umland, das gelegentlich als Unterschlupf dient. Spannen Sie aus, Sie haben es sich verdient. Wenn wir mit der Westküste konferiert haben, melden wir uns bei Ihnen. Damals hatte er sich gefragt, warum sie überhaupt mit der Westküste reden mussten. Schließlich hatten sie Henrikson hergeschickt. Wenn Amsterdam beschlossen hatte, dass mit ihm kein Blumentopf mehr zu gewinnen war, hätten sie ihn stante pede zurückbeordert. Warum ihn in die Berge schicken – es sei denn, sie wollten ihn von der Bildfläche haben, falls die Story an die Presse durchsickerte. Tja, so hatte er sich das damals gedacht. Doch jetzt, in der finsteren Nacht, nahm der Beschluss, ihn herzuschicken, eine andere Bedeutung an.

Das war es also. Er war Ballast geworden. Sie hatten nichts mehr von ihm; obwohl ursprünglich ja gar nicht er hierher zurückgewollt hatte, sie hatten ihn schließlich überreden müssen. Absurd, oder?

Diese Einsicht war neu – endlich Gewissheit. Er legte sich aufs Bett zurück und gestattete sich zum ersten Mal seit seiner Rückkehr auf die Insel, ohne Angst die Augen zu schließen und auf den Ruf des Geckos zu lauschen.

Über ihm knarrte das Dach, und die Nachtinsekten zirpten und krakeelten – aber es regnete nicht. Eins stand für ihn fest: Sie würden auf Regen warten.

Am Morgen wurde er vom Frühlicht und dem eintönigen Zikadenkonzert geweckt. In der Nacht hatte er einen Traum gehabt, wahrscheinlich kurz vor dem Aufwachen – er wusste nicht mehr, was, nur, dass er geträumt hatte. Er hatte noch ein Bild von einem Mann mit offenem Hemdkragen vor sich, der ihm zur Begrüßung zulächelte, was ihm Furcht einflößte. Das Bild ergab keinen Sinn. Er schüttelte den Kopf, um es loszuwerden.

Bei seinen ersten Schritten durch die Hütte, schwerfällig und erschöpft wie jeden Morgen, machte sich Kadek auf der Veranda bemerkbar. Er wusste nie, wann genau Kadek eintraf, für gewöhnlich aber bei Tagesanbruch, um da zu sein, wenn Harper aufstand.

Er ging zu den Türen und schob den Holzriegel zurück, eine Aufgabe, die ihm bei Tageslicht so einfach und natürlich vorkam, dass er keinen Gedanken daran verschwendete. Er schlug die Türen weit auf und trat auf die Veranda hinaus. Draußen war es heiß und diesig. Vor ihm erstreckte sich das Tal: Der Berg gegenüber stieg nahezu senkrecht in die Höhe, eine himmelhohe, mit Palmen im Dunst bewachsene Steilwand in der Ferne, Gunung Agung, der heilige Berg, ein Vulkan, dessen untere Regionen so in Wolken steckten, dass es wie so oft aussah, als schwebte er über dem Wald. Er mochte an seiner Hütte, dass sie kaja war, zum Berg hin ausgerichtet. Vielleicht wurde er auf seine alten Tage religiös.

Kadek stand wie jeden Morgen am anderen Ende der Veranda, in respektvollem Abstand, abrufbereit, einen Eimer Wasser in der Hand.

»Guten Morgen, Mr. Harper«, sagte er mit der Andeutung einer Verbeugung, gefolgt von der ausdruckslos vorgebrachten Bemerkung: »Hoffentlich hatten Sie eine friedliche Nacht.«

Kadek verfügte zwar über keinen großen Wortschatz, aber eine korrekte englische Aussprache. Sein glattes ovales Gesicht wirkte offen und besorgt und vermittelte Harper das Gefühl, der Mann wisse um seine schlimmen Nächte. Er fragte sich, was Kadek wirklich von ihm hielt. Die Hütte gehörte dem Institut und musste schon von anderen Agenten genutzt worden sein, von denen jedoch keine Spur übrig geblieben war, nicht einmal ein paar zerfledderte Taschenbücher in dem hölzernen Eckschrank. So entstand bei Harper der Eindruck, die Hütte und Kadek gehörten ihm, auch wenn er nicht so naiv war, sich einzubilden, dass diese Gefühle erwidert würden.

Er wollte zu Kadek sagen: Schau genau hin, findest du etwa, dass ich aussehe wie ein Bule? Anfangs hatte er mit Kadek Indonesisch gesprochen, doch sie waren bald zu Englisch übergegangen. Auf diesen Inseln machte es oft keinen Unterschied. In Europa und Amerika, diesen strengen Ländern, wurde ihm abverlangt, zu erklären, woher er das dichte schwarze Haar und die großen schwarzen Augen hatte. Auf dem Flug hierher spürte er förmlich, wie sich seine Hautfarbe auf halber Strecke änderte: Er wurde immer weißer, je weiter er nach Osten flog.

Darüber hätte er gern mit Kadek gesprochen, doch er wollte ihn nicht in Verlegenheit bringen; bestimmt fand der Mann, dass Harper weiß genug aussah, und wie auch immer, er arbeitete für eine große, mächtige Organisation, die nicht mit harten Dollar geizen musste. War der Versuch, sich mit Kadek anzufreunden, auf seine Art nicht ebenso kränkend, wie ihn herumzukommandieren? Also benahm Harper sich tatsächlich wie all die anderen weißen Männer, die auf diese und alle anderen Inseln des ausgedehnten Archipels kamen. Vielleicht wurde er deshalb nachts wach. Nicht aus Angst, sondern vor Hass, Selbsthass. Zu wissen, falls – wenn – die Männer mit Macheten kamen, hätte er es genau wie all die anderen Bule vermutlich nicht anders verdient.

Er nickte Kadek zu. Der trat mit dem Eimer vor und goss Wasser in die Schüssel auf dem Tischchen rechts von der Tür, stellte den Eimer daneben ab, nahm sich dann das Handtuch vom Arm und legte es sorgfältig gefaltet neben die Schüssel. Er wusste, dass Harper sich morgens gerne hier wusch, mit Blick auf das Tal. Später würde er das Wasser im Bak mandi neben der Hütte nachfüllen.

»Terima Kasih.«

»Soll ich Ihr Frühstück bringen, Mr. Harper?«, erkundigte sich Kadek.

Harper trat an die Schüssel, klatschte sich Wasser ins Gesicht und richtete sich triefend wieder auf. »Danke, Kadek, bitte stellen Sie es auf dem Schreibtisch ab. Ich mache einen Spaziergang zum Fluss hinunter.«

Mit der nächsten angedeuteten Verbeugung trat Kadek ab. Harper streifte sich das T-Shirt über den Kopf, ließ es links von der Schüssel in einem zerknüllten Häuflein liegen und bückte sich, um sich fertig zu waschen. Er tauchte beide Arme nacheinander ein, klatschte sich Wasser unter die Achseln, spürte dabei mal wieder, wie schlaff seine Bizepse waren, früher straff wie Stahlseile, jedenfalls in seiner Erinnerung. Als junger Mann hatte er Dutzende von Klimmzügen hintereinander geschafft – damit war es vorbei. Er griff zu der halben Kokosnussschale neben der Schüssel, füllte sie mit etwas Wasser, das er über die Balkonbrüstung kippte, falls von den dunklen Holzfasern getarnte Ameisen drin steckten, tunkte sie erneut ein, beugte den Kopf und schüttete sich das Wasser über Haare und Nacken, nach Luft schnappend vor Schock.

Er trocknete sich kurzerhand mit dem T-Shirt ab, ehe er es in die Schüssel steckte, es eintauchte und die Luftblasen runterdrückte, die der Stoff bildete. Ihm trat ein Bild vor Augen: dunkles Wasser, lange Haarsträhnen, die sich wie Seegras um seine Handgelenke wanden – weg damit. Lieber ließ er sich auf das Spiel ein, auf die Luftblasen unter dem T-Shirt zu drücken, bis sich kleinere Bläschen bildeten, die unter dem dünnen Stoff hin- und herschwappten. Bis es ihm reichte und er das ganze T-Shirt untertauchte, es mit beiden Fäusten zusammenquetschte. Als ertränkte er ein Kätzchen.

Der Abstieg zum Fluss war ein schmaler, steiler Pfad. Schwarz-gelbe Schmetterlinge schossen pfeilschnell im Gebüsch umher. Man brauchte zehn Minuten hinunter, aber doppelt so lange für den Rückweg bergauf, dreimal, wenn man es in der prallen Mittagshitze versuchte. Nach seiner durchwachten Nacht beruhigte ihn der Spaziergang am dunstigen heißen Morgen. Seine alten Stiefel – seit wie vielen Jahre besaß er die mittlerweile? – aus teurem hellbraunem Leder, in einem Laden an der Oud Zuid gekauft, waren jetzt so verschlissen und ausgebleicht, dass Pantoffeln kaum bequemer sein konnten. Der Fluss begrüßte ihn mit lauterem Rauschen, unverfälscht, ohrenbetäubend.

Seine Lieblingsstelle war ein paar Minuten vom unteren Ende des Weges entfernt, wo ein Felsplateau über ein natürliches Wasserbecken hinausragte. Auch wenn das Wasser noch so verlockend zum Baden einlud, wusste er doch, dass die Zecken und Parasiten darin so tödlich sein konnten wie die marodierenden Männerhorden, die seiner Überzeugung nach bald genau wie früher das Land überziehen würden. Wenn es hart auf hart kam, waren ihm die Männer noch lieber: Und abermals ergriff ihn jäh, genau wie im Dunkeln, beruhigende Gewissheit im Angesicht der Gefahr.

Er setzte sich auf den Stein, zog Notizbuch und Bleistift aus der Tasche und machte sich an sein fein säuberliches, winziges Gekritzel. Er hatte noch nie Geheimschrift benutzt, so klitzeklein und eng stehend war seine Handschrift, und die Seite würde er ohnehin später herausreißen. Es war nur ein erster Entwurf, der erste Entwurf eines Briefes, den er auf dünnes blaues Luftpostpapier übertragen wollte, wenn er wieder in der Hütte war.

Er schrieb ein paar Zeilen, hielt inne. Francisca, wie wird sie es verstehen? Doch er musste schreiben oder es wenigstens versuchen. Für seine Frau – beziehungsweise mittlerweile Exfrau – würde es eine weitere Tragödie sein. Sie war wie geschaffen für Tragödien, sie standen ihr, aber es tat ihm doch leid für sie, weil er wusste, dass sie sich irgendwie selbst die Schuld geben würde. So war Francisca nun mal. Und dann war da noch seine Mutter, Moeder. Ma. Anika. Bei dem Gedanken stöhnte er laut auf. Sie war jetzt allein mit ihren bitteren Erinnerungen, und er das einzige noch lebende Kind. Sie soff sich immer noch in dem alten Haus zu Tode, doch je mehr sie soff, desto länger schien sie zu leben. Wenn sie ihr sagten, dass er vermisst wurde, drang die Nachricht vielleicht noch nicht einmal bis zu ihr durch, so abständig war sie. Er schaute auf das kühle Wasser unter dem Felsen, auf dem er saß, und die Insekten, die im Zickzack darüber hin flitzten, und dachte, wenn sie kamen, die Männer mit den Macheten, würden sie sehr jung sein; im Grunde noch Jungen, hagere Jungs mit langen Fingern und weit aufgerissenen Augen, roten Stirnbändern, farbverschmierten Gesichtern. Die schwarzen Hemden würden erst später kommen, wenn die Milizen Zeit gehabt hatten, sich zu formieren. Glaubte irgendwer wirklich, Habibie könnte das abwenden, solange die Generäle die Strippen zogen? Die Jungen gingen planloser vor, waren aber genauso tödlich. Junge Männer glaubten schließlich an Gewalt – auf der ganzen Welt war das ihre Religion, ganz gleich, welchen Gott sie außerdem anbeteten; und diesmal, drei Jahrzehnte nach dem letzten Mal, würde es bestimmt nicht anders ablaufen. Er sah den Fackelzug vor sich, der nachts seitlich den Hang hinaufsteigen würde. Genau hier kämen sie durch. Er war sich einigermaßen sicher, dass sie aus dieser Richtung kämen, weil der Flussweg direkt an den Stadtrand führte.

Natürlich wird es Nacht sein, dachte er, eine mondlose Nacht. Sie werden auf Regen warten, der ihre Spuren verwischt. Sie werden den Pfad entlangkommen, schweigend durchs Gebüsch, Fluss- und Regenrauschen laut in den Ohren. Bevor sie sich von der steilen Hügelseite her an den Anstieg machen, werden sie eine Kretek-Pause einlegen, sich vielleicht im Schutz großer Blätter hockend eine teilen, weil sie kein Geld haben und ihren Vätern und Onkeln Zigaretten klauen müssen, was sie bedenkenlos tun. Weil ihre Väter und Onkel nie mit ihnen über die damaligen Ereignisse geredet haben, bilden sie sich wie alle Jugendlichen ein, sie wären Pioniere des Draufgängertums. Ihre Väter und Onkel kommen ihnen wie lächerliche alte Männer vor. Während sie so dahocken und rauchen und das Wasser ihnen in den Nacken tropft, wird vielleicht etwas gekichert werden, so ein kaltes Gekicher, wie es Jungen überkommt, bevor sie gewalttätig werden: Wie er es von sich selbst kannte, bevor er in der Schule die kleineren Jungen drangsaliert hatte.

Und plötzlich, während er so auf dem Felsen über dem Wasserbecken saß, dachte er, ja, in der Schule war ich ein Tyrann. Damals hatte er gedacht, er würde sich verteidigen, während er in Wirklichkeit andere schikaniert hatte. Schwarzer Bastard aus Batavia hatte dieser zwei Jahre ältere Rothaarige zu ihm gesagt – der letzte dumpfe Schlag war zur besonderen Betonung auf Batavia gelandet. Aber den Rothaarigen hatte Harper nicht verprügelt, der hatte zu viele Freunde gehabt. Sondern einen Sommersprossigen aus seiner Klasse, der bloß gefragt hatte: Bist du irgend so’n Mischling? Seltsam, dass ihm ausgerechnet das jetzt einfiel.

Nach ihrer Zigarette, dachte er, werden sich die Bürschchen an den Aufstieg durchs Unterholz machen, den steilen Hang hoch. Mit ihren Macheten werden sie die Farne und Schlingpflanzen aus dem Weg räumen. Der Regen wird das nicht verwischen, da wird eine deutlich sichtbare Spur ihres Anmarschs zurückbleiben, ein gefundenes Fressen für jeden Spurensucher – nur dass es keine Spurensuche geben wird. Schließlich wurden auch im Fall Joosten keine Ermittlungen aufgenommen.

Etwas näher an der Hütte legen sie noch eine Pause ein, kauern sich hin, beäugen den dunklen Umriss der über ihnen aufragenden Behausung, horchen, wie das Wasser aufs Dach prasselt. Dann strömt das Adrenalin in ihre Adern, und der Kleinste und Jüngste wird dringend pinkeln müssen, und der Anführer, sein älterer Bruder, wird den anderen wichtige Anweisungen zuzischen, weil er am meisten Angst hat, die er hinter den Befehlen verbirgt. Vielleicht wird der Bule es ihnen leicht machen, hofft der Anführer: Wenn er brüllt oder nach einem Gegenstand greift, um sich zu verteidigen, wird er leicht niederzumetzeln sein, weil sie dann in Notwehr handeln. Der große Junge hofft, dass es so kommen wird.

Und er, Harper, allein in seiner Hütte, wird vielleicht wach liegen, wegen des Geckos – oder auch, dieses eine Mal, tief und fest schlafen.

Sie werden durchs Fenster einsteigen. Die Fensterläden werden einfacher zu zertrümmern sein als die Türen – es wird freilich Krach machen, den Regen übertönen, doch hier oben spielt das keine Rolle. Dann wird es zu spät sein. Es gibt nur ein Fenster und eine Tür, und beide gehen auf dieselbe Veranda hinaus. Er wird kein Versteck haben.

Werden sie Jungen schicken?, überlegte Harper. Wenn sie seinen Tod wollten, nahmen sie besser einen erfahrenen Mann, einen der Schwarzhemden-Milizionäre, der wusste, was er tat; letztes Mal gab es genügend davon, auch wenn sie, wie die Jungen, eher in Gruppen auftraten. Aber Jungen passten besser zu einer List, wenn sie seinen Tod dem allgemeinen Chaos zuschreiben wollten, das ausgebrochen war: Das wäre das Einfachste für sie. So würde er es an ihrer Stelle machen. Hier im Wald gab es keine Ladenpassagen auszuplündern und niederzubrennen, aber die Leute zu Hause stellten sich vor, überall im ganzen Land regiere Gewalt, wenn sie ein paar Fernsehbilder gesehen hatten. Ach ja, der arme Harper, zur falschen Zeit am falschen Ort. Hätte jedem von uns passieren können. So würde es sich in der Firma herumsprechen, genau wie immer. Und ich hab gehört, er hat sich gehen lassen, Alkohol, ihr wisst schon … Mit einer zum Becher geformten Hand, halb zum Mund geführt, schlenkernd. Ihn dorthin zurückzuschicken, nach den Problemen, die er hatte, war bestimmt ein Fehler. Im Lauf der Jahre hatte er viele solche Gespräche mitbekommen. Habt ihr gehört, was mit Joosten passiert ist? Sie haben ihn ans Lenkrad gefesselt und den Wagen mit Benzin übergossen. Mit diesen Drogenbaronen ist nicht zu spaßen, versteht ihr. Gruselgeschichten aus dem Außendienst dienten der eigenen Profilierung vor den Daheimgebliebenen – da seht ihr mal, wie gefährlich unser Job sein kann. Es kommt nicht oft vor, aber es kommt vor. Joosten war dafür bekannt gewesen, dass er etwas kiffte. Harper hatte ihn dabei beobachtet. An Gerüchten war fast immer etwas Wahres dran. So machten sie es in seiner Branche: ein Fädchen Wahrheit nehmen und daraus einen Teppich weben.

Damals in Amsterdam hatte Joosten ihm einmal beim Bier verraten, dass er einen sicheren Unterschlupf besaß: eine Wohnung irgendwo in einer fremden Stadt, wo, wollte er nicht sagen, kein Land, in dem ihre Firma tätig war. Dort hatte er Lebensmittelvorräte gehortet, für den Fall, dass er sich eine Zeit lang versteckt halten musste, und Geld und einen gefälschten Pass. An dem Abend konnte Harper, als er die Kneipe verließ, nur den Kopf schütteln über Joostens Paranoia.

Harper hatte bereits angefangen mit dem Brief an Francisca, und er war sich sicher, dass seine Gelassenheit in der Nacht nicht nur an reiner Erschöpfung gelegen hatte – sondern daran, dass ihm endlich klar geworden war, was geschehen würde. Was war schon dabei, den eigenen Tod vorauszuahnen? Dieses Wissen tragen wir alle mit uns herum, dachte er: Es ist unsere einzige Gewissheit.

Das dunkelgrüne Wasser im Felsbecken – wie kühl es aussah. Wie gut es sich anfühlen würde, in der zunehmenden Luftfeuchtigkeit aus den alten Stiefeln zu schlüpfen und die Zehen ins Wasser zu tauchen. Oben in der Hütte hatte Kadek jetzt sein Frühstück – Reis und ein wenig Sambal, vielleicht etwas Hähnchen und Obst – auf den Schreibtisch am Fenster gestellt. Zum Schutz mit einem Bananenblatt abgedeckt. Kadek würde die Fensterläden zum Lüften geöffnet und die zerknitterten Laken wieder festgesteckt und ordentlich glatt gestrichen haben. Harper sollte zurückgehen. Er hatte wirklich diesen Brief zu schreiben, auch wenn lauter Unwahrheiten darin stehen würden und er vielleicht keine Gelegenheit mehr bekam, ihn abzuschicken.

Er stand vom Felsen auf, reckte die Arme, schwenkte den Oberkörper ein paarmal mit locker in die Hüfte gestemmten Händen nach beiden Seiten und wandte sich zum Aufstieg.

Es hatte schon angefangen, bevor Harper dazustieß, was es einfacher machte; es war sogar schon ziemlich weit gediehen. Er traf sich mit Benni, diesem fetten Gangster. Der war ein Schleckermaul, dieser Benni, weshalb er nur noch drei Zähne im Mund hatte: einen Schneidezahn und zwei Eckzähne. Harper hatte sich bei seinem ersten Aufenthalt monatelang um ihn bemüht, als er damals, 1965, nach Jakarta gekommen war. Es hieß, Benni habe gute Beziehungen zum Militär und sei wie alle Gangster-Milizionäre ein glühender Antikommunist. Die Buden- und Ladenbetreiber in seinem Viertel zitterten vor ihm, aber ob er mit Generälen an einem Tisch saß oder nicht, stand auf einem anderen Blatt.

Sie waren im kleinen vorderen Bereich einer leer stehenden Kneipe in einer schmalen Gasse in Pasar Senen. Es war mitten am Nachmittag, draußen knallte die Sonne vom Himmel. Im Hinterzimmer, in irgendeiner Garage oder einem Lagerraum, wurde seit dem frühen Morgen ein Mann festgehalten, ein chinesischer Kaufmann, der Stoffballen in einem Laden neben dem Kino am Rande eines nahegelegenen Kampong verkaufte, eines der Kinos, die die PKI in letzter Zeit geschlossen hatte, weil sie dekadente westliche Filme zeigten. Bennis Freunde hatten aufgrund der Kinoschließungen Geld verloren. Der chinesische Kaufmann stand in keiner erwiesenen Verbindung zu dem, was seinen Nachbarn passiert war, hatte aber seit einem Monat sein Schutzgeld nicht mehr bezahlt.

Das und andere Einzelheiten erfasste Harper, während eine Gruppe von ihnen im Vorderraum der Kneipe stand – er und Benni hatten in der Nähe zu Mittag gegessen, als Bennis Fahrer angekommen war und gesagt hatte, sie brauchten den Boss. Sechs von Bennis Männern plus der Fahrer waren versammelt, und Harper verstand, worum es ging, obwohl alle schnell und gleichzeitig redeten. Die Männer waren aufgeregt, buhlten bei ihrem Boss um Aufmerksamkeit. »BB! BB!«, wiederholten sie ständig, ehe sie ihre Version der Geschichte auftischten. Der Mann sei ein kommunistischer Agitator, der nach Ladenschluss im Hinterzimmer seines Geschäfts Versammlungen abgehalten habe, schien einer zu sagen. Ein anderer erwähnte einen Stapel Stühle. Der Mann sei ein Lügner, warf ein anderer ein. Er sei schlimmer als ein Nekolim … Beim Wort Nekolim klopfte Benni ihm mit zahnlosem Grinsen auf die Schulter, und die anderen Männer schauten zu Harper hinüber, bis der in kurzes schallendes Gelächter ausbrach; da stimmten sie rasch ein, ehe sie erneut durcheinanderredeten. Die meisten tranken schon den ganzen Vormittag Arak, stellte Harper fest. Sie waren in seinem Alter, Mitte zwanzig, oder jünger, bis auf Benni, der vielleicht zehn Jahre älter war.

Bennis Gesichtszüge glätteten sich, während er weiter zuhörte. Bislang war er im Umgang mit Harper jovial und spendabel gewesen, hatte ihm Mittagessen und importierten Whisky ausgegeben, aber vor seinen Männern gab er sich gern streng. Dann ging er, ohne ein Wort zu sagen, nach hinten in die Kneipe, die anderen eifrig beflissen hinter ihm drein. Harper beschloss zu bleiben, wo er war, und wünschte, die Kneipe wäre noch in Betrieb. Es war das erste Mal, dass Benni ihm Einblick in seine alltäglichen Geschäfte gewährte; ein gutes Zeichen, denn es hieß, dass er Vertrauen zu ihm fasste – doch Harper wollte sich zurückhalten, bis er gerufen wurde, und Benni die Entscheidung überlassen, wie weit er ihn einbezog. Er rieb sich rasch die Hände und versuchte das leise Hämmern in seiner Brust zu überhören.

Die anderen verschwanden hinter einer Tür, die scheppernd zufiel und einen Nachhall metallischer Stille hinterließ. Harper ging zur Vorderseite, die sich zur Gasse hin öffnete, und inspizierte die Betonschwelle, ob sie sauber genug war zum Sitzen – nein, war sie nicht. Die Gasse war flankiert von Abflussgräben, die nach Fäkalien und Urin stanken.

Während er wartete, rückte ein ganz kleiner Junge mit nichts als einem schmutzigen T-Shirt am Leib an, baute sich vor ihm auf und starrte ihn unerschrocken an, drei Finger der einen Hand im Mund, den Ellenbogen in die andere Hand gestützt, das runde Bäuchlein vorgereckt. Harper erwiderte den Blick. Nach gründlicher Inspektion drehte der Junge ab und rannte unter laut triumphierenden schrillen Rufen davon, dass es nur so stob, als hätte er eine Mutprobe bestanden.

Hinter ihm schepperte wieder die Tür. Einer von Bennis Männern stand gestikulierend am anderen Ende: »Mr. BB sagt, kommen.«

Als Harper das Hinterzimmer betrat, einen schmutzigen Lagerraum mit niedriger Decke und hohem vergittertem Fenster, sah er im schwachen Licht, dass ein chinesischer Indonesier auf einem niedrigen Stuhl saß, vor sich einen Tisch, die Hände hinter dem Rücken gefesselt. Harpers Augen brauchten eine Weile, um sich anzupassen. Das Alter des Mannes ließ sich schlecht erkennen. Sein Gesicht war blutverschmiert, die Kopfhaut teilweise entfernt: Darunter glänzte es feucht und bloß. Der Kopf war ein wenig zur Seite gesackt, als wüsste er, dass er ohnehin getötet wurde, egal, was er sagte – genau so war es –, und hätte einfach aufgegeben, beschlossen auszuhalten, was vor seinem Ende ausgehalten werden musste.

Benni stand in einer Ecke. »Komm, du kommst und stellst dich neben mich«, sagte er auf Englisch zu Harper. »Stell dich neben mich, sieh ein wenig zu. Er sieht weißen Mann, denkt, das ist wer. Er glaubt vielleicht, vielleicht kommt alles in Ordnung. Vielleicht er redet.« Harper verstand, dass seine Anwesenheit nur dazu diente, die Folter des Mannes zu verlängern. Womöglich hofften sie, dass sie per Zufall doch einen Kommunisten erwischt hatten. Der ihnen Namen verraten konnte. Nichts war so wertvoll wie Namen, damals, 1965, als es in Jakarta immer heftiger brodelte, jeder sammelte Namen – die waren sehr viel mehr wert als die abstürzende indonesische Rupiah, die inzwischen so viel an Wert verloren hatte, dass man sich davon schon eine Umhängetasche vollstopfen musste, wenn man ein Bier bezahlen wollte. Selbst er, Harper, der Mann mit Zugang zur härtesten aller Währungen, dank seiner Firma dazu autorisiert, selbst er handelte mit Namen.

Der Mann hatte den Kopf gehoben, als Harper eintrat. Er starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen im blutüberströmten Gesicht an. Harper erwiderte den Blick. Er versuchte, ihm zu vermitteln, dass es keine Hoffnung gab, dass der Mann einfach weiter seinen Tod herbeiwünschen und erwarten sollte, seinen Frieden mit Gott machen, an welchen auch immer er glaubte, sich in Gedanken von seiner Familie verabschieden. Der Mann senkte den Kopf.

Das schien einen von Bennis Männern wütend zu machen, einen kleinen Schnurrbärtigen, der dem chinesischen Kaufmann am nächsten stand und der nach Harpers Eindruck in diesen Dingen Bennis rechte Hand war. Er schnappte sich eine blutige Schere vom Tisch vor dem Mann und fuchtelte schreiend damit vor dessen Gesicht herum. Harper kam auf die Idee, es könnte ein Test sein, Benni habe ihn hergebeten, um zu sehen, wie er reagierte – schließlich ging Benni davon aus, dass er Harper anwarb, und nicht umgekehrt. Er sah sich die Männer an. Alle hatten unterschiedliche Haltungen eingenommen: Zwei machten es dem Schnurrbärtigen nach und starrten mit gefletschten Zähnen und schweißglänzenden Gesichtern den Kaufmann an. Zwei andere lehnten mit verschränkten Armen an der Wand und glotzten stur vor sich hin, um möglichst hartgesottenes Aussehen bemüht; wieder ein anderer trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Der Letzte, der Fahrer, den Harper auf etwa achtzehn schätzte, ein großer Junge mit Hängeschultern, stand dicht bei Harper und Benni, reglos, aber mit angewinkelten Armen, geballten Fäusten und hin- und herschießenden Blicken, als nehme er an einem Autorennen auf einer gefährlichen Straße teil und müsste aufpassen wie ein Schießhund. Ein paar von ihnen hatten getrunken, aber alle, alle außer Benni und ihm, waren von einer Art pseudosexueller Erregung erfasst. Sie ging wie ein Dunst von ihnen aus. Harper nahm an, dass diese Jungs selten rangelassen wurden, wenn überhaupt. Solche Aktionen mussten als Ersatzbefriedigung herhalten.

Der Schnurrbärtige schrie weiter herum, mit verzerrtem Gesicht und schriller Stimme, und Harper fand das Geschrei unerträglicher als alles andere. Stirb einfach, dachte Harper und sah den Kaufmann an, mach einfach Schluss, gib den Geist auf. Er fragte sich, ob man seinen Tod, in extremis, durch schiere Willenskraft erzwingen konnte, aber natürlich ging das nicht. Sterben hieß seinen Willen einbüßen. Man konnte es ebenso wenig herbeizwingen, wie man durch die Luft schweben konnte.

Weil er an etwas anderes als an den blutigen Mann vor sich denken wollte, dachte er über sein eigenes Ende nach. Er würde gern den Himmel sehen können, dachte er. Perfekt wäre es, wenn ihn der Tod in etwas wie einem Pavillon ereilen würde, inmitten von Bäumen und Blumen, mit einer Frau an seiner Seite, die ihn liebte und ihm eine kühlende Hand auf die Stirn legte. Dann wäre der letzte Gedanke, ehe man das Bewusstsein verlor, dass man geliebt wurde; Sonnenschein in der Luft und dazu die unendliche Weite eines blauen Himmels.

Nicht so wie hier, allein unter Leuten, die einem an den Kragen wollten. Nicht dieses verdunkelte Zimmer mit feuchten Wänden, stinkendem Lehmboden und einer mickrigen Funzel, kaum ausreichend, um die Gesichter seiner Mörder zu beleuchten. Nicht so. Und auch nicht nichts ahnend im Wasser kreiselnd – na, was sagst du jetzt zu der frischen Luft hier, Bud?

Der Gedanke, den er am weitesten von sich wegschob, während er zusah, wie sich dieser Mann vor Schmerzen krümmte, und nichts dagegen unternahm, weil sein Führungsoffizier in der Botschaft ihn angewiesen hatte, sich in das Vertrauen eines miesen Gangsters einzuschleichen, der möglicherweise gute Kontakte zum Militär haben könnte; dieser Gedanke sah so aus: Nie würde er seinen eigenen Gesichtsausdruck in den Minuten vor seinem Tod kennen, ihn nie im Gesicht eines nahestehenden Menschen gespiegelt sehen. Damals war ihm die Vorahnung sehr bedeutungsvoll erschienen, dass niemand sein Ableben bezeugen würde, oder niemand Liebevolles; doch erst jetzt, drei Jahrzehnte später auf einer malerischen Insel, wo er auf einem Felsplateau über einem grünen Flussbecken saß, Notizbuch auf dem Schoß, fiel es ihm wieder ein.

In dieser Nacht schlief er besser denn je seit seiner Ankunft auf der Insel, so absurd ihm das auch schien. Er stand früh auf, begrüßte Kadek und sagte ihm, dass er später gerne in die Stadt fahren, Besorgungen machen wollte. Die Straßen in die Stadt waren in einem so gotterbärmlichen Zustand, gespickt mit Schlaglöchern, dass er den Weg in der gleichen Zeit, die sie auf Kadeks Moped brauchten, holpernd und mit plattgedrückten Reifen von Harpers Gewicht auf dem Rücksitz, am Fluss entlang zu Fuß geschafft hätte.

Er bat Kadek, erst seine Arbeiten im Haushalt zu erledigen, dann das Moped zu holen und ihn später am Vormittag abzuholen. Es sah nicht nach Regen aus. Wenn er einen Mann genau musterte, der ihm am Schreibtisch gegenübersaß oder in einer Gefängniszelle steckte, konnte er mit kühler Präzision nicht nur abschätzen, ob der andere log, sondern auch, ob er später die Wahrheit preisgeben würde. Ebenso verriet ihm ein Blick in den Himmel, was sich dort verbarg, was der Tag noch bringen würde.

Als sie in der Stadt ankamen, stand die Sonne hoch am Himmel. Er ließ sich von Kadek an der Hauptstraße absetzen und bat ihn, um fünf Uhr wiederzukommen. Er wollte ein wenig durch die Gegend streifen, die Fühler ausstrecken, sich dann ein Lokal suchen, wo er einen Kaffee trinken und die Straße im Blick behalten konnte, ein paar Stunden die Leute beobachten und schauen, welchen Gewinn ihm das brachte. Wahrscheinlich würde es nicht bei einem Kaffee bleiben. Kadek brachte morgens eine Thermoskanne mit heißem Wasser für Pulverkaffee, aber das war nicht das Wahre.

In der Stadt reihten sich an der Hauptstraße, die kaum breit genug war für zwei Fahrspuren, Cafés und überteuerte Juwelier- und Kunsthandwerksgeschäfte für Touristen zwischen Obst-und-Gemüse-Ständen und Mini-Supermärkten; außerdem das Museum und das Palace, ein chinesisches Restaurant, aus dem amerikanische Rockmusik dudelte. Harper hielt sich zwei Stunden in einem neuen Lokal mit europäischem Ambiente auf, wo Jazz aus Lautsprechern rieselte, bei dem Straßenlärm freilich kaum zu hören. Er bestellte sich Kaffee und eine Zimtschnecke und in einer spontanen Eingebung, die er umgehend bereute, ein Päckchen Kretek-Zigaretten. Als Erstes kamen die Zigaretten, auf einem Teller, die Schachtel fürsorglich geöffnet und auf den Deckel gestellt, eine Zigarette für ihn halb herausgezogen und eine Frangipani-Blüte danebengesteckt. Während er auf den Kaffee und das Gebäckstück wartete, rauchte er langsam und klappte dann die Schachtel zu, damit er sich nicht gleich noch eine anzündete. Er nippte am Kaffee und riss Häppchen vom Wecken ab. Es war sonnig, auf der Straße wimmelte es von Transportern, Minibussen mit Touristen, Einheimischen auf Mopeds. Heutzutage waren selbst die Großmütter motorisiert. Gerade als er seinen zweiten Kaffee bestellt hatte, scherte direkt vor ihm ein weißer städtischer Laster aus, um einem parkenden Auto auszuweichen, und versperrte die Durchfahrt, worauf sich eine kurze Chaoskomödie entspann: Etliche Mopedfahrer versuchten den Laster zu umfahren, nur um auf Kontrahenten aus der Gegenrichtung zu stoßen. Zu derlei Ereignissen gehörte unweigerlich eine Sinfonie aus Hupen und Rufen, ähnlich wie in Italien, nur ohne den aggressiven Beiklang. Beim Zusehen bekam Harper kurz Sehnsucht nach Jakarta; dann löste sich der Stau auf, und der Verkehr kam erneut in Fluss, Autos, Laster und Mopeds dicht an dicht in ihrem nonchalant-halsbrecherischen Fahrstil.

Es dauerte etwas, bis die Fahrbahn wieder frei war. Schließlich sah er ganz am Ende einen offenen Jeep, der langsam vorbeizockelte, aufgehalten vom letzten Moped aus dem Stau, einer Maschine, die sehr alt aussah, mit einer Frau und drei Kindern – einem Mädchen auf dem Rücksitz, einem kleinen Jungen, der vorne auf dem Trittbrett stand, und einem Baby, das sich die Frau vor die Brust gebunden hatte –, sodass Harper genügend Zeit blieb, die vier jungen Männer im Jeep näher zu betrachten. Sie waren einen Tick besser gekleidet als die meisten Einheimischen, in weißen Hemden und legeren Hosen. Ihre Gesichter kamen ihm nicht so rund vor wie diejenigen typischer Balinesen, sondern kantiger. Einer der beiden auf dem Rücksitz suchte Blickkontakt und sah ihm kurz in die Augen. Der Laster fuhr weiter.

Eine verhutzelte ältere Frau mit Baumrindengesicht näherte sich der Stufe unter seinem Sitzplatz mit einem geflochtenen Tablett, auf dem sie etwa zwanzig Opfergaben trug. Mit einem Lächeln, das ihren einzigen Zahn freigab, kniete sie sich hin, um auf dem Boden eine Opfergabe zur Besänftigung der Dämonen anzurichten: Reis und Blütenblätter in einem Körbchen aus einem zusammengetackerten Bananenblatt. Er erwiderte ihr Lächeln und versuchte, nicht zu denken, woran er immer dachte, wenn er Einheimische in diesem Alter sah: Was hast du damals gemacht? Wo warst du? Bist du nachts draußen umhergestreift, mit den marodierenden Banden in den Reisfeldern? Oder hast du einfach nur mit erhobener Hand auf das Haus eines Nachbarn gezeigt und den Männern in schwarzen Hemden das eine Wort zugeraunt, das die ganze darin schlafende Familie auslöschte: Gestapu? Eine junge Touristin in weißen Shorts und hautengem gelbem Top blieb stehen und sah der alten Frau zu, die drei Räucherstäbchen in bestimmten Abständen in die Opfergabe steckte und mit einem Feuerzeug anzündete. Respektvoll wich die junge Frau einen Schritt zurück, ehe sie ihre Kamera zückte.

Ein Zeitungsverkäufer kam vorbei, Stapel von Dünndruckblättern über dem Arm. Als er Harper sah, blieb er stehen und hielt eins hoch, aber es war die International Herald Tribune. Harper schüttelte den Kopf. Daraus würde er wohl kaum erfahren, was in Jakarta los war. Hier gab es in keinem Lokal Fernsehen – wie sollte er an Neuigkeiten herankommen? Normalerweise hätte er im Büro in Jakarta oder Amsterdam angerufen, doch er nahm sich ja offiziell eine Auszeit. Bislang hieß das für ihn, sehr weit weg vom Fenster zu sein.

Vom vielen Rauchen und Kaffeetrinken fühlte er sich benebelt und hellwach zugleich: ein angenehmer Kontrast. Es war auch eine Leistung, sich so etwas selten zu gönnen. Er wollte einen Whisky, hatte aber seit dem Fiasko jener Nacht vor einer Woche in Jakarta keinen Tropfen mehr angerührt, obwohl er eine ungeöffnete Flasche in der Hütte hatte. Die hatte er sich quasi zum Test gekauft, den er – so weit – bestanden hatte. Obwohl, jetzt hätte er ihn doch gern. Es ist in Ordnung, dachte er. Gesteh dir ein, dass du es willst, und denk an was anderes.

Als er zum Treffpunkt mit Kadek aufbrach, wollte er immer noch zur Hütte zurückkehren. Doch als er ihn dann beim Näherkommen neben dem Moped sah, wie er mit den anderen Fahrern plauderte, überkam ihn der heftige Wunsch, in der Stadt zu bleiben, selbst wenn er damit gegen das Protokoll verstieß und in einem Gästehaus übernachtete. (Spielte es noch eine Rolle, gegen wie viele Protokolle er verstieß? Kein bisschen, wenn er sich nicht irrte.) In der Hütte hatte er sich meist früh hingelegt, um etwas Schlaf zu bekommen, doch selbst wenn er noch so früh ins Bett ging, wurden ihm die Abende doch lang.

Er reichte Kadek eine dünne Plastiktüte mit zwei Hemden, die er an einem Straßenstand gekauft hatte, dazu eine mit ein paar Keksen und Coladosen, und bat ihn, die Sachen zur Hütte zu bringen; er wollte irgendwann mit einem Taksi-Moped nachkommen. Kadek bot an, ihn später abzuholen, wann immer er wolle, aber Harper blieb standhaft. Er wollte die Freiheit, den Abend nach Lust und Laune zu verbringen. Dann wandte er sich ab und ging die Hauptstraße entlang zurück. Es wurde Zeit für eine Bar.

Es war sein erster Abstecher nach Ubud seit seiner Ankunft in den Bergen, daher ließ er sich Zeit, ging in der Hitze zur Brücke hinunter, wo er auf eine kleine Ansammlung von Imbissbuden stieß, und dachte sich: Vielleicht bin ich hungrig. An der zweiten blieb er stehen und aß einen Teller Nasi Goreng, ehe er sich überlegte, die Straße bis ans Ende weiterzugehen, wo sie aus der Stadt hinaus und bergauf führte. Etwa jede Minute rief ein Mann mit Auto oder Moped ihm Taksi! zu. Er konnte eins anhalten und sich auf die Suche nach einer Bar machen, hatte aber mit dem Kaffee und dem Nasi Goreng alles Kleingeld aufgebraucht, und den Fahrpreis von ein paar Rupiah mit einem Hunderttausender zu bezahlen, könnte zu viel Aufsehen machen. Vielleicht war es am einfachsten, in die Stadt zurückzugehen.

Wenn es nicht so heiß gewesen wäre, wenn er noch ein paar kleine Scheine in der Tasche gehabt hätte, wäre er ihr nie begegnet. Rita.

Die Bar lag an der Jalan Bisma, ungefähr fünf Minuten von der Hauptstraße entfernt. Es war so eine Kneipe, die zugleich als Restaurant und Frühstückszimmer eines Gästehauses fungierte. Aufgefallen war sie ihm wegen der gelben Lichterkette, die am Eingang, einem steinernen Rundbogentor, um den Stamm einer Kokospalme gewunden war. Es gab sieben oder acht runde Tische und breite Holzstühle mit gemusterten Kissen. Ein einsamer Barkeeper in einem Hawaiihemd nickte ihm lächelnd zu, als er von der Straße eintrat.

Er sah sie gleich beim Hereinkommen; sie saß in einer hinteren, schummrigen Ecke, allein an einem Tischchen mit einem Longdrink, zu dem Minzeblätter gehörten. Sie hielt den Kopf gesenkt, und eine Lesebrille balancierte auf ihrem Nasenrücken, kurz vor der Spitze. Mit einem Bleistiftstummel ging sie ein paar Papiere durch. Die einzigen anderen Gäste in der Bar waren ein paar studentische Hippietypen, die sich an Bintang-Flaschen festhielten, und ein Grüppchen einheimischer Geschäftsleute, vermutlich der Inhaber und seine Freunde. Niemand schaute auf, als Harper zum Tresen ging. Er stellte kurz fest, dass die Frau weiß war, sehr weiß, ein paar Jahre jünger als er, vielleicht Ende vierzig, mit langen hellbraunen Haaren, kräftig gebaut, in Baumwollbluse, weiter Hose und flachen Sandalen, ganz in ihre Beschäftigung vertieft. Es gab keine Barhocker, aber als seine Bestellung kam, blieb er an die Theke gelehnt stehen, vor sich das Glas Whisky, um von ihr beachtet zu werden. Währenddessen plauderte er mit dem Barkeeper auf Indonesisch. Der ging lächelnd auf ihn ein, als sähe er die kommende Begegnung voraus, und spielte gern seine kleine Rolle in der Aufführung. Nach einer halben Stunde wandte Harper sich um und näherte sich mit seinem fast leeren Glas in der Hand ihrem Ecktisch.

Er blickte zu ihr hinunter und sagte auf Englisch: »Sorry, verzeihen Sie bitte, ich sehe, Sie sind beschäftigt, aber ich bin neu hier, ob ich mich wohl kurz zu Ihnen setzen dürfte?« Dabei wich er einen kleinen Schritt zurück, wie um anzudeuten, dass er keinen Ärger machen würde, wenn sie ablehnte, was eine Zusage von ihr umso wahrscheinlicher machte.

Sie blickte mit skeptischem Lächeln und leichtem Stirnrunzeln zu ihm auf. Die runden Wangen gaben ihr ein mädchenhaftes Aussehen. Ihre Wimpern waren lang; kein Make-up, gute Haut. »Klar«, sagte sie, nahm die Lesebrille von der Nase und klappte sie zusammen, »retten Sie mich vor meinen Hausaufgaben.« Er wusste ihren Akzent nicht recht einzuordnen, ein Anflug von etwas Nordeuropäischem.

Er drehte sich um und winkte den Barkeeper herbei, ehe er sich setzte. Dann beäugte er die Papiere, die sie zu einem Stapel zusammenraffte, anhob und begradigte, indem sie sie mit den Kanten auf die Tischplatte klopfte, wie eine, fiel ihm auf, die ihr abendliches Arbeitspensum erledigt hat.

»Um was geht’s da?«, fragte er.

»Ich bin Pädagogin, bilde Lehrerinnen aus«, sagte sie mit einem kleinen Seufzer. »Und Sie?«

»Ich bin Volkswirt, bei einer Firma in Jakarta, beurlaubt.«

»Als Volkswirt«, sagte sie, lehnte sich zurück und sah ihn unverwandt aus ihren weit auseinanderstehenden Augen an, »können Sie mir vielleicht erklären, warum der Internationale Währungsfonds vierzig Milliarden Dollar in diese Gegend gesteckt hat, aber die Familien meiner Studentinnen immer noch jeden Morgen alte harte Maiskörner unter ihren Reis mischen müssen, damit sie nicht mit knurrendem Magen im Seminar sitzen?«

»Allerdings«, sagte er, »aber Sie würden es mir nicht glauben.«

Ihr Lächeln besagte: doch.

Ein paar Whiskys später hatte er seine Nächte in der Hütte fast vergessen, und dass er nach einer katastrophalen Fehleinschätzung auf Zwangsurlaub war. Wer oder was er war, hatte er nicht vergessen – der Fehler unterlief ihm nie.

»John Harper …«, sagte sie. »John Harper …« Sie wiederholte das langsam, als drehte und wendete sie die Worte in Gedanken und untersuchte sie auf Glaubwürdigkeit. »Ihr Satzbau ist interessant, John Harper. Normalerweise bin ich ziemlich gut darin, aber Sie kann ich nirgends einordnen. Sie klingen wie ein Europäer, aber ab und an kommt was Amerikanisches durch.«

»Ach wirklich?« Seine Überraschung war nicht gespielt.

»Vorhin haben Sie ›gekriegt‹ gesagt.«

Sie war bei ihrem dritten Cocktail angekommen, hob das Glas, schloss die Lippen um den Strohhalm und saugte daran, während sie ihm durch ihre langen Wimpern einen Blick zuwarf. Das Benehmen fand er albern bei einer Frau in ihrem Alter, doch dann unterbrach sie sich und lachte laut, was ihn vermuten ließ, dass sie weniger mit ihm flirtete als ihn auf die Schippe nahm. Auf die Schippe nehmen. Wo kam der Ausdruck her?

»Sie bringen mich in Verlegenheit«, sagte er.

»Das wage ich zu bezweifeln.« Sie setzte ihren Drink ab und rührte mit dem Strohhalm darin herum. Die Minzeblätter wirbelten zwischen den Eiswürfeln umher. »Also, die Amerikanismen?«

»Ich arbeite bei einer Firma, die Amerikanern gehört, hab also viel mit denen zu tun … und hab als Kind ein paar Jahre in Kalifornien gelebt, als ich klein war, meine ich.«

Ihr Blick war eine Einladung, mehr zu erzählen.

»Dann kam ich in die Niederlande zurück, wurde zurückgeschickt, nachdem mein Bruder gestorben war, hab meine Jugend also in Europa verbracht.« Er hielt inne. Ein paar Whiskys, eine sympathische Zuhörerin, und schon ist es passiert, dachte er, die Wahrheit. Ich baue ab.

Sie blickte ihn länger aus sanften Augen an und sagte: »Ich finde, wir können uns gegenseitig gestatten, die traurigen Stellen wegzulassen.«

Er erwiderte ihren Blick und empfand eine solche Dankbarkeit, dass er sich kurz fragte, ob es wohl so war, wenn man sich verliebte. Da ihm das noch nie passiert war, konnte er es unmöglich wissen.

»Wohnen Sie hier?«, fragte er und sah ihr in die Augen; seine Stimme überschlug sich ein wenig, und er wollte, dass sie es bemerkte.

Sie schüttelte den Kopf und erwiderte beiläufig, als hätte sie den veränderten Klang seiner Stimme nicht bemerkt: »In einem Großfamilienhaus an der Monkey Forest Road«, dann, übergangslos: »und dorthin kann ich Sie ganz bestimmt nicht mitnehmen. Wo wohnen Sie?«

»Außerhalb«, sagte er. »Ich frage hier nach einem Zimmer.«

Als er aufstand, sagte sie: »Die Zimmer hier sind nett, aber im Vergleich nicht ganz billig. Hier wohnen vor allem ältere Touristen.«

»Geld spielt keine Rolle.«

Sie bekamen ein Zimmer im Erdgeschoss des Hintergebäudes, zu dem man über einen kurzen gepflasterten Weg ging, den die dichte Vegetation in einen schmalen Durchgang verwandelt hatte. Versteckte Frösche quakten; die Luft war duftgeschwängert. Er spürte, dass ihm das Hemd am Rücken klebte. Die Holztüren mit Schnitzereien ähnelten denen an seiner Hütte, mit einer klobigen Schwelle, über die man eintrat. Drinnen tastete er sich an der Wand nach dem Schalter des Deckenventilators vor. Langsam sprang der Ventilator an, drehte sich dann immer schneller, bis er mit tickendem Geräusch herumschnurrte und die Luft über ihnen durchwirbelte. Auf einer Kommode neben dem Bett stand eine Tischleuchte. Er knipste sie an und bemerkte dabei, dass das Bett hoch und breit war, ordentlich gemacht, mit einer Frangipaniblüte auf jedem Kissen. Das Moskitonetz drum herum war dünn, durchsichtig, viel zarter als das in der Hütte.

Harper ließ den Zimmerschlüssel neben die Lampe fallen und wandte sich zu Rita um, die trotz ihrer Größe auf einmal klein und schüchtern wirkte. Sie sagte: »Ich geh rasch ins Bad.«

Er trat ans Fenster und öffnete die Läden, um in die Nacht hinauszuschauen und den Fröschen und Insekten im Gebüsch unter dem Fenster zu lauschen. Er hörte einen Gecko keckern, einen, der kleiner und niedlicher war als das Ungeheuer, das ihn draußen im Wald weckte. Dann, wie sie die Spülung betätigte und den Wasserhahn auf- und zudrehte, ehe sie ins Zimmer zurückkam. Er blieb, wo er war, die Hände auf dem Fensterbrett, den Kopf etwas gesenkt, während ihn der Whisky wohlig durchströmte. So lange sein letztes Mal auch her war, empfand er in dem Augenblick doch nicht die geringste Begierde. Er wollte die Begegnung anhalten, einfach nur genießen, dass er hier war und Vorfreude empfand. Wenn das nicht überhaupt das Beste daran ist, dachte er, so kurz vorher?

Am nächsten Morgen würde sie ihn im Arm halten, nachdem sie das zweite Mal miteinander geschlafen hatten, und sagen: »Das ist für mich das Beste dran, danach.« Und er würde vor sich hin schmunzeln bei dem Gedanken, dass es genau das war, was Männer und Frauen unterschied, das Vorher und Nachher – und sie natürlich miteinander verband, als sei der Geschlechtsakt eine Grenze, die sie zugleich vereinte und trennte.

Doch just in diesem Moment, während er am Fenster stand und in den Garten hinaussah – oder besser lauschte –, verspürte er überhaupt kein körperliches Verlangen und fragte sich, ob es ihr wohl etwas ausmachte, wenn sie nichts taten, einfach nur schliefen. Sein jüngeres Selbst hätte sich nie vorstellen können, dass es einmal so weit mit ihm käme, aber hier war er, ein Mann Mitte fünfzig, der erfolgreich eine fremde Frau in einer Bar aufgegabelt hatte (oder sie ihn, das war unerheblich), und wollte nichts weiter als die Zeit anhalten und einfach nur in einem Zimmer sein. Niemand wusste, wo er war. Niemand würde sie stören – aber er war nicht allein. Es war perfekt.

Sie trat hinter ihn, langsam. Beide hatten sie beim Betreten des Zimmers die Schuhe ausgezogen, und ihre bloßen Füße machten fast kein Geräusch auf dem gefliesten Boden, aber Harper spürte, dass sie dicht hinter ihm war, ganz nah, ohne ihn zu berühren. Eine Weile standen sie so da, und er horchte auf ihren Atem. Beide begannen etwas tiefer zu atmen. Er drehte sich immer noch nicht um. Ritas Atem ging noch tiefer. Sie atmeten im Takt, warteten beide ab, wer den ersten Schritt tun würde. Sein fehlendes Verlangen ging plötzlich, schon fast schmerzhaft in eine Erektion über, beim bloßen Geräusch ihres Atems hinter ihm, vom langen Warten zwischen ihrem Näherkommen und dem ersten Körperkontakt. Francisca und er hatten in den letzten beiden Jahren ihrer Beziehung nicht mehr miteinander geschlafen. Sein Körper hatte vergessen, wie es war, mit einem anderen in Berührung zu kommen. Sie hob beide Hände und legte sie sehr sanft auf seine Oberarme, weit oben, fast auf die Schultern. Durch den baumwollenen Hemdstoff spürte er die Hitze ihrer Handflächen. Er drehte sich um.

Sie hatte Überraschungen auf Lager. In der Bar waren ihm ihr grober Knochenbau aufgefallen, der massige Rumpf, und während ihres Gesprächs hatte sie über sich selbst gewitzelt, über ihre Größe, und wie plump sie als Mädchen gewesen sei. »Ein großes Trampel hat mich einmal jemand genannt, ein Engländer«, hatte sie gesagt. »Kennen Sie dieses Wort? Ein Trampel! Eine, die niedertrampelt, was ihr in den Weg kommt, was? Ein Nashorn vielleicht.« Unbekleidet auf dem Bett liegend, fühlte sie sich nicht wie ein großes Trampel an, sondern weich wie ein Kissen und anschmiegsam, wie er es bei ihrer lakonischen Redeweise nie erwartet hätte. Rein körperlich war sie eigentlich nicht sein Typ. Sonst waren seine Geliebten – von wenigen unbedeutenden Ausnahmen abgesehen – schlank und zierlich, wenn nicht gar zerbrechlich gewesen. Und der Sex war anders, als er ihn von früher kannte. Sie kämpften nicht miteinander. Es ging weder stürmisch noch aufreizend zur Sache. Sie liebkosten einander, kamen abwechselnd und lächelten währenddessen, fast ein wenig spöttisch. Er hatte nicht das Gefühl, dass er es ihr besorgte oder sie ihm, sondern dass sie es zusammen machten, nicht anders, als würden sie sich in der Badewanne gegenseitig den Rücken waschen. Ihre Brüste waren klein für ihre Körpergröße, tief hängend, weit auseinanderstehend. Auf dem Bauch hatte sie eine Kaiserschnittnarbe. Ihr schütteres Schamhaar ergraute bereits. Hinterher kamen sie überein, das Licht auszuknipsen, und gaben sich sogar einen Gutenachtkuss. Er schlief tief und fest.

Am Morgen gab es die nächste Überraschung: Er stellte fest, dass es ihn nicht zum Aufbruch drängte.

Er wurde als Erster wach, vor Sonnenaufgang, ein langsames, leichtes Erwachen, wie es nur auf tiefen Schlaf folgt. Gerade rechtzeitig für das Morgenkonzert – dieser Vogel, was war das nur für einer? Einen gab es, der als eine Art Vorsänger für die anderen fungierte: ein vereinzeltes zögerliches Piepsen, wie der erste Geiger, der sein Instrument stimmt, bevor das gesamte Orchester loslegt. Es folgte die ganze köstliche Kakophonie, die mit einem Mal ausbrach, wie Häftlinge, die der Dunkelheit entfliehen. Hier in der Stadt konnte er einzelne Vogelstimmen etwas leichter unterscheiden als drüben im Tal. Mitten im Chor, laut und bestimmt, tirilierte der Vogel, der ihm der liebste von allen war und sich anhörte wie ein von Gelächter geschüttelter Greis, der vergeblich versuchte, es zu unterdrücken. Tschiep! Tschiep! Erst zwei laute Ausrufe, dann eine Kaskade kürzerer Töne, die absteigend umeinanderpurzelten.

Morgendämmerung: zu hören, wie der Tag anbricht, beim Einatmen zu spüren, wie es einen aufrichtet, und zu wissen, dass man eine weitere Nacht überlebt hat.

Er lag still, lauschte den Vögeln und Ritas Atem neben sich und sah zu, wie in den Lamellen der Fensterläden Lichtstreifen auftauchten.

Irgendwann musste er aufs Klo und schlüpfte möglichst leise aus dem Bett. Als er ins Zimmer zurückkam, blieb er kurz stehen und betrachtete Rita unter dem Moskitonetz, das wie ein subtiler Weichzeichner ihre Züge auflöste und ihr Alter kaschierte; ihre Gesichtszüge geglättet vom Schlaf, verdeckt von einer Haarsträhne. Sie drehte sich um, als er zu seiner Bettseite ging, und das rutschende Laken gab die Rundung einer Brust frei; ihre Lider flatterten hoch, und sie lächelte ein wenig, ehe sie sich wieder wegdrehte, als er ins Bett zurückkam, und sich rückwärts an ihn heranschob, sodass er sich wie ein Löffelchen an sie schmiegen konnte.

Eine Zeit lang lagen sie so im Halbschlaf. Sie stand auf und ging zur Toilette, und dann schliefen sie wieder miteinander.

Danach blieben sie noch etwas zusammen liegen, diesmal einander zugewandt, sie in seinem Arm, einen Arm gegen seine Taille gedrückt. Er stellte sich vor, wie er mit ihr frühstücken ging, in dasselbe Lokal, in dem sie am Vorabend getrunken hatten, ihr am Tisch gegenübersaß und mit ihr besprach, was sie bestellen wollten. Er fragte sich, ob sie hier wohl dicken schwarzen Reispudding hatten, mit Palmzucker. Den hatte er schon länger nicht mehr gegessen. Bevor sie ihren Mandarinensaft und Kaffee getrunken hatten, würden sie wenig reden; dann würde das Gespräch zwischen ihnen langsam in Gang kommen. Sie würden besprechen, was sie mit dem angebrochenen Tag anfangen wollten.

Vielleicht funktionierten gute Ehen genauso. Er konnte sich nicht erinnern, mit Francisca je so empfunden zu haben; Verlangen, ja, hin und wieder der eine oder andere Streit, und ein Summen niedrigschwelliger Spannung zwischen ihnen, wenn sie nicht stritten – aber nicht diese Geruhsamkeit, nicht einmal an Wochenenden, nicht so.

Sie wälzte sich auf die andere Seite, weg von ihm. Er stützte sich auf einen Ellenbogen und betrachtete eine Zeit lang ihren Rücken, das dralle blasse Fleisch, die Biegung, wo es eine Falte warf, die teigigen Polster an ihrer Taille. Die Schulterblätter ragten hervor, feste Spitzen im weichen Fleisch ihres Rückens, wie die Knospen von Flügeln. Immer noch von ihm abgewandt, schob sie sich das lange Haar über die Schulter zurück, und eine hellbraune Locke, mit weißen Strähnen versetzt, baumelte kurz zwischen den Schulterblättern, ehe sie in der Form eines umgekehrten Fragezeichens auspendelte.

Leise sagte sie: »Ich muss los. Mir wär’s lieber, wenn du zuerst gehst.«

Er antwortete nicht.

»Wir können nicht zusammen gehen«, sagte sie. »Es ist eine kleine Stadt.«

Am Vorabend waren sie den Weg zusammen gegangen – doch das war in der Hitze der Nacht gewesen. Jetzt war Tag.

Sie stand vom Bett auf, schob das Moskitonetz beiseite und blieb kurz mit dem Rücken zu ihm stehen, ehe sie zu dem Tischchen an der einen Wand ging, auf das sie nachts achtlos ihre Unterwäsche geworfen hatte.

Er setzte sich im Bett auf, um ihr beim Anziehen zuzusehen. Er wollte eine Zigarette. Ihm fiel einfach nicht ein, was er mit der Schachtel gemacht hatte – etwa auf dem Tisch in der Bar vergessen? Er sah ihr zu, bis klar war, dass sie nichts mehr sagen würde, und schlug dann das Laken mit einer hastigen Nichts-wie-weg-hier-Geste zurück. Vom Auffliegen des Lakens blähte sich das Moskitonetz nach außen. Sie wandte sich nicht um. Er schwenkte die Beine aus dem Bett und griff nach seinen Kleidern, die in einem zerknüllten Haufen auf dem Boden lagen.

Er ging den Weg entlang, der, wie sich bei Tageslicht herausstellte, ein Nebenweg zu diversen anderen, hinter den Sträuchern zurückgesetzt liegenden Zimmern war. Irgendwo außer Sicht hinter dem dichten Laub hörte er es in einem Swimmingpool plantschen und eine Kinderstimme, die etwas auf Deutsch rief. In der Lobby mit Rezeption und Bar angekommen, blieb er kurz stehen, bis ihm einfiel, dass er das Zimmer am Vorabend bar bezahlt hatte – es war unwahrscheinlich billig gewesen, hatte er gedacht. Er musste es so gemacht haben, weil er damit gerechnet hatte, sich am Morgen zu verabschieden und sich elegant, aber zügig aus dem Staub zu machen. Unter dem steinernen Torbogen hindurch trat er auf die Straße.

Der Vormittag nahm seinen Lauf – nach indonesischen Begriffen war es spät. Gegenüber vom Gästehaus zeigte ein Mann im Unterhemd zwei jungen Westlern, wie sie ihre Mietmopeds starteten. Kleine Lokale lagen an der Gasse, die zur Hauptstraße hin abfiel. Es wäre das Natürlichste der Welt, irgendwo einzukehren und sich ein Frühstück zu bestellen; er hätte im Gästehaus bleiben und es dort einnehmen können, wenn er gewollt hätte. Wahrscheinlich war es im Preis inbegriffen. Sie läge völlig falsch mit der Annahme, dass er ihr auflauerte. So fest entschlossen war er, sie von ihrem Irrtum zu überzeugen, dass er in das winzige Lokal gegenüber ging und einen Kaffee bestellte, in der Absicht, sich gut sichtbar für jede Person hinzusetzen, die durch den Torbogen trat. Er dachte sich, dass es sie stutzig machen würde, ihn da sitzen zu sehen, wenn sie herauskam. Die Frau am Tresen versuchte ihm mit breitem Grinsen eine eingeschweißte Speisekarte zuzuschieben, aber er schüttelte den Kopf. Sie zeigte auf den Tisch ganz vorn an der Straße, doch er setzte sich an einen dahinter und fand nach etwas Taschenabklopfen die Zigaretten, doch nicht in der Bar vergessen, und seine Sonnenbrille.

Noch während er sich setzte, bereute er es. Wenn sie herauskam, während er da saß, wollte er sie ignorieren. Oder vielleicht einfach nach kurzem Nicken wegschauen und sich eine Zigarette anzünden. Sie würde denken, dass er auf sie wartete, und er konnte den Kopf wegdrehen, um sie eines Besseren zu belehren, oder, falls er den Kaffee ausgetrunken hatte, aufstehen und in die andere Richtung davongehen, die Steigung hinauf stadtauswärts. Er zog ein paar kleine Scheine aus der Tasche und legte sie auf den Tisch.