Durch die Nacht - Ernst Peter Fischer - E-Book

Durch die Nacht E-Book

Ernst Peter Fischer

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Beschreibung

Das faszinierende Panorama der dunklen Seite unseres Lebens

Jedes Licht braucht die Dunkelheit, um aus ihr zu entspringen, so wie ein Laut erst hörbar wird durch die Stille der Welt. Und das Gleiche gilt für das Leben, die menschliche Existenz überhaupt: Die Nacht ist es, die alles werden lässt. Ernst Peter Fischer erzählt nun die Geschichte dieser »Gegenzeit«, eine faszinierende Reise durch die dunklen Gefilde unseres Lebens.

Der Heidelberger Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer entfaltet in seinem neuen Buch ein facettenreiches Panorama der Nacht, das vom Anbeginn der Welt bis in unsere Gegenwart reicht. Wie schon in »Die Verzauberung der Welt« gelingt es ihm, Naturwissenschaft und Kulturgeschichte auf meisterhafte Weise zu verknüpfen und den Fragen nachzugehen, die die Dunkelheit an uns stellt: Wie entsteht Licht? Wie können wir die Farbe Schwarz wahrnehmen? Aber auch: Warum haben wir Angst im Dunkeln? Woraus bestehen unsere Träume? Und ist die Nacht auch für das Böse in uns verantwortlich?

Auf anregende, lustvolle Weise beleuchtet, ja illuminiert Ernst Peter Fischer die Nacht und führt uns durch ihre Geschichte – die so noch nie erzählt wurde.

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Seitenzahl: 331

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Zum Buch

Ernst Peter Fischer entfaltet in seinem neuen Buch ein Panorama der Nacht, das vom Anbeginn der Welt bis in unsere Gegenwart reicht. Auf meisterhafte Weise gelingt es ihm, Naturwissenschaft und Kulturgeschichte zu verknüpfen und den Fragen nachzugehen, die die Dunkelheit an uns stellt: Wie entsteht Licht? Wie können wir die Farbe Schwarz wahrnehmen? Aber auch: Warum haben wir Angst im Dunkeln? Woraus bestehen unsere Träume? Und ist die Nacht auch für das Böse in uns verantwortlich? Ernst Peter Fischer beleuchtet, ja illuminiert die Dunkelheit und führt den Leser durch ihre Geschichte – die so noch nie erzählt wurde.

Zum Autor

Ernst Peter Fischer, geboren 1947 in Wuppertal, studierte Mathematik, Physik und Biologie und promovierte 1977 am California Institute of Technology. 1987 habilitierte er sich im Fach Wissenschaftsgeschichte und lehrte in den Jahren darauf an den Universitäten Konstanz und Heidelberg. Als Wissenschaftspublizist schreibt er unter anderem für die Frankfurter Allgemeine Zeitung und Focus. Fischer ist Autor zahlreicher Bücher, darunter der Bestseller »Die andere Bildung« (2001) und zuletzt bei Siedler »Die Verzauberung der Welt. Eine andere Geschichte der Naturwissenschaften« (2014). Für seine Arbeit erhielt er mehrere Preise, u. a. den Sartorius-Preis der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.

ERNST PETER FISCHER

DURCH DIE NACHT

EINE NATURGESCHICHTE DER DUNKELHEIT

Siedler

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Erste Auflage

September 2015

Copyright © 2015 by Siedler Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlaggestaltung: Rothfos + Gabler, Hamburg

Lektorat: Ursula Kiausch, Mannheim

Satz: Ditta Ahmadi, Berlin

Reproduktionen: Mega-Satz-Service, Berlin

ISBN 978-3-641-17327-2

www.siedler-verlag.de

Inhalt

VORWORTDie Teilung des Schöpfers

KAPITEL 1Im Schatten der Erde

KAPITEL 2Ein Doppelleben

KAPITEL 3Im Schutz der Nacht

KAPITEL 4Das Wunder des Schlafs

KAPITEL 5Der Stoff, aus dem die Träume sind

KAPITEL 6Die Nachtseite der Naturwissenschaft

KAPITEL 7Das Böse im Menschen

NACHWORTDas Verlangen und Verschwinden der Nacht

ANHANG

Dank

Literatur

Sach- und Personenregister

VORWORTDie Teilung des Schöpfers

»Du Dunkelheit, aus der ich stamme«: Mit dieser ansprechenden und anmutigen Zeile beginnt das gleichnamige Gedicht, das Rainer Maria Rilke 1899 in Berlin geschrieben hat. Es endet mit dem Bekenntnis: »Ich glaube an Nächte.« Eine gute Entscheidung, denn die Gegenzeit des Tages bringt dem Menschen in schöner Regelmäßigkeit die Erfahrung der Dunkelheit, aus der nicht nur alles stammt und die deshalb alles enthält, wie im Laufe dieses Buches zu erfahren ist, sondern die auch alles an sich hält, wie es zu Beginn der zweiten Strophe bei Rilke heißt. Diese Erfahrung lässt sich problemlos mit der eigenen Wahrnehmung nachvollziehen. Schließlich zeigt sich den Menschen jedes Licht, ob von Sternen oder Lampen, nur mit und vor dem Schwarz eines Hintergrunds, und jede Einsicht benötigt die Dunkelheit eines Anfangs, um aus ihr zu entspringen, so wie ein Laut erst durch die Stille der Welt hörbar wird. Wo anders als in meiner inneren Nacht stecken denn die Gedanken, bevor sie sich melden, und wo sonst lassen sich die Worte finden, mit denen man sie ausdrückt und weitergibt?

Und was für das innere und äußere Licht gilt, trifft für das Leben und die menschliche Existenz insgesamt zu. Dunkelheit umfasst jedes einzelne personale Dasein unabweisbar und unerbittlich; so hält es auch Vladimir Nabokov in seinem autobiografischen Werk Erinnerung, sprich fest, wenn er gleich zu Beginn an die wunderlich weitreichende Einsicht des gesunden Menschenverstands, des Common Sense, erinnert, der von sich aus und ohne besondere Belehrung von anderen weiß, dass das Leben eines Menschen »nur ein kurzer Lichtspalt zwischen zwei Ewigkeiten des Dunkels ist«. Menschen kommen aus der Nacht und kehren in sie zurück, und sie kommen mit diesem Wissen zurecht, seit sie es haben. Nabokov hat in seiner Zeit auf Erden »ein um das andere Mal … in Gedanken enorme Anstrengungen unternommen, um auch nur den schwächsten persönlichen Lichtschimmer in der unpersönlichen Dunkelheit auf beiden Seiten meines Lebens wahrzunehmen«, wie er seine Leser wissen lässt – ohne ihnen zu verschweigen, dass dieses verlangende Suchen letztlich zu keinem Ergebnis führte. Nabokovs Bemühen und Rilkes Zuneigung lassen erkennen, dass es sich trotzdem lohnt und sogar ratsam scheint, nicht nur das Licht, sondern auch die Dunkelheit zu lieben, und sei es nur aus dem Grund, dass sich den Menschen auf dem Planeten Erde beide Varianten bieten. Sowohl am Tage als auch in der Nacht müssen und können sie sich bewähren, auch wenn dabei manchmal ein Paar aus Dr. Jekyll und Mr. Hyde sichtbar wird.

Robert Louis Stevenson (1850–1894), der in jungen Jahren verstorbene schottische Schriftsteller aus dem viktorianischen Zeitalter, erzählt in seinem 1886 zum ersten Mal veröffentlichten Roman von einem Menschen, der ein Doppelleben führt. Die Geschichte beruht auf einem Vorbild aus der großstädtischen Wirklichkeit, in der ein Tischler tagsüber als vorbildlicher Bürger seiner Arbeit nachgeht und sich nachts in einen Kriminellen verwandelt. Zwei Seelen scheinen in der Brust des Menschen zu wohnen, wobei die eine seine böse und die andere seine gute Seite herausbringt. Im Roman kann eine Art Zaubertrank zwar das Böse der Seele vom Guten trennen, aber Tag- und Nachtseite einer Person gehören beide zum Leben. Darin spiegelt sich gleichsam das kosmische Geschehen, dem die Erde bei der Drehung um ihre eigene Achse ausgesetzt ist: Mit einer Hälfte ist sie dem Licht der Sonne ausgesetzt, während die andere auf den Morgen wartet.

Die anfängliche Finsternis

Die existierende Welt und sämtliche auf und in ihr lebenden Menschen stammen aus einer urtümlichen Dunkelheit (und kehren wahrscheinlich geschlossen in einem eleganten Kreislauf in sie ­zurück), denn als Gott, dem Schöpfungsbericht der Bibel zufolge, sein großes Werk begann, da lag zunächst »die Finsternis auf der Urflut«. Die Erde war nicht nur wüst und leer, wie es im ersten Buch Mose, der Genesis, heißt. Sie lag vor allem im tiefen Dunkel – wobei die jüngsten Einsichten derAstronomen und Physiker besagen, dass sie darin im Wesentlichen noch immer eingebettet liegt. Bevor aber die dräuende Dunkelmaterie und die drohende Dunkelenergie an geeigneter Stelle vorgestellt werden (und mehr für Unterhaltung als für Abschreckung sorgen), geht es zunächst nicht um den derzeitigen Zustand, sondern um die einstige Erschaffung der Welt, wie sie in europäischen Kreisen vornehmlich der Heiligen Schrift zu entnehmen ist. Ihr zufolge sprach der Herr dazu die berühmten drei Worte: »Es werde Licht.« Und tatsächlich: »Es ward Licht«, wie geschrieben steht, aber die Helligkeit zeigte sich trotzdem nicht überall und durchgehend. Die Finsternis ist durch den göttlichen Eingriff keineswegs gewichen. Sie ist vielmehr geblieben und sogar eher gefestigt und zuverlässig in das Leben eingegliedert, sozusagen maßgeschneidert. Gott hat der finsteren Dunkelheit vom Anfang bei ihrem zwar wiederkehrenden, zeitlich aber stets begrenzten Auftreten einen neuen Namen gegeben, und zwar den der Nacht. Und in dieser nächtlichen Form hat er das Dunkel fest mit der kosmischen Heimat von Menschen und deren Existenz verknüpft.

Man muss sich immer wieder klarmachen, dass es kein Leben ohne diese periodisch wiederkehrende und damit verlässliche Variante der Dunkelheit und ihr Wechselspiel mit der Helligkeit von Licht gibt. Das organische Wachsen und Treiben auf dem Planeten Erde spielt sich seit ewigen Zeiten im steten Wechsel von Tag und Nacht ab, und Menschen und andere Hervorbringungen der biologischen Evolution haben es offenbar gut verstanden, mit beiden Bedingungen zurechtzukommen und sich darin angemessen einzurichten. Sie alle müssen immer wieder durch die Nacht, um danach den neuen Tag zu erleben, der sie jedoch abermals nur in die nächste Nacht führt.

Was Gott in seinem großen primären schöpferischen Akt wirklich für das menschliche Dasein geschaffen hat, besteht nicht nur aus dem Licht, sondern vor allem aus dem Wechselspiel von Helligkeit und Dunkelheit, und damit aus einer grundlegenden Zweiteilung der Welt. Und spätestens hier fällt auf, dass diese Dopplung oder Dualität unvermeidlich und unbedingt bereits in der Existenz Gottes selbst enthalten ist. Er erhebt sich über die Menschen, grenzt sich von ihnen ab und wird von ihnen mit dem Licht gleichgesetzt, das er entzündet hat, um ihnen die Finsternis zu nehmen und die Nacht zu schenken. Ohne seine Hilfe mussten sie lange in der Dunkelheit verharren, die anfangs die Welt beherrschte und die Wasser bedeckte. Im Laufe der Zeit haben die Gotteskinder jedoch gelernt, etwas zum Leuchten zu bringen, das sie selbst hervorgebracht haben. Gemeint ist das, was oftmals das Licht der Vernunft genannt wird und als Kultur der Aufklärung seine eigene Geschichte hat. Auf sie werden wir später noch eingehen, da infolge dieses einsichtsvollen Lichts eine Gegenbewegung auftaucht, die dem Erleben der Nacht eine neue und eigenständige Bedeutung ermöglicht, und zwar in der Form, die Menschen als romantisch kennen und schätzen (auch wenn es ihnen manchmal dabei gruselt).

Das doppelte Dasein

Der Hinweis auf das aufscheinende Licht der Vernunft zeigt vor allem, dass neben der physikalischen Helligkeit und dem biologischen Leben auch das philosophische Denken einer urtümlichen Dunkelheit entstammt – was ein weiteres Argument dafür liefert, sich so liebevoll auf diesen Lebenszustand mit Namen Nacht einzulassen, wie es in diesem Buch geschehen soll. Die Aufmerksamkeit gehört aber zunächst der durchgängigen Zweiteilung, die durch den gött­lichen Satz »Es werde Licht!« zustande gekommen ist – wobei man behaupten könnte, dass die biblische Schöpfung eine Teilung ist. Die Finsternis gab es ohne ein göttliches Eingreifen, die ursprüngliche Handlung des Herrn erfasst aber erneut eine Teilung: »Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde«, also ein Paar, und er benutzte den hohen Himmel, um mit seiner Hilfe erneut eine Zweiteilung zu installieren, denn »Gott machte die zwei großen Lichter: das größere Licht, dass es den Tag beherrsche, und das kleinere Licht, dass es die Nacht beherrsche, dazu auch die Sterne.«

»Und Gott sah, dass es gut war«, wie die Genesis zu berichten weiß, was heißt, dass es den Menschen gefällt, für ihren meist emsigen Tag die Sonne und für ihre eher besonnene Nacht den Mond und die Sterne zu haben. Die Kinder drücken heute noch ihren Dank für dieses funkelnde und strahlende Trio aus, wenn sie zur Nacht mit ihren Laternen umherziehen und singen »Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne« und dabei hoffen, dass ihre flackernden Lämpchen nicht ausgehen und ihnen den Weg durch die dunklen Straßen weisen.

Und es gibt noch eine Zweiteilung, die allen vertraut ist. Gott und die Menschen können nämlich Licht machen, so viel sie wollen, mit ihm kommt immer auch ein Schatten in die Welt. Schatten haben etwas Verwirrendes an sich, da sie nichts zu sein scheinen, jedenfalls nichts Greifbares. Sie gehören nicht zur realen Welt, wenn man daran denkt, dass »Realität« sich vom lateinischen Wort res ableitet, das für eine greifbare Sache steht. Schatten gehören nicht dazu. Sie sind dafür einem bestimmten Gegenstand zugeordnet und deuten mit ihrer Anwesenheit die Abwesenheit von Licht an. Dieser einen Seite der Schatten tritt eine andere bei, die in dem berühmten Höhlengleichnis von Platon zur Sprache kommt: Nur Schatten machen den angeketteten Menschen etwas von der Welt zugänglich. Als Gefangene sehen Menschen – in Platons Erzählung – nur Schatten an einer Wand; sie können jedoch nicht erkennen, woher das Licht kommt, das die dunklen Umrisse in ihrem Blickfeld hervortreten lässt und damit das schafft, was sich ihnen als Welt darstellt.

Mit dem gerade eingeführten Konzept der Dunkelheit kann man die Nacht als den Schatten deuten, den die Erde durch ihre Kugelgestalt auf sich selbst wirft, wobei das Dunkel durch die Drehung um ihre Achse ebenfalls seinen täglichen Umlauf macht. Die kleine Dunkelheit, die der Herr gelassen oder eingeführt hat, kehrt deshalb als Nacht dauernd auf den Heimatplaneten der Menschen zurück, während die große Finsternis am Anfang aller Dinge trotz aller Helligkeit und Leuchtkraft der Sonne ewig bleibt. Dualität, wohin man schaut, und so wird es niemanden überraschen, wenn sich der doppelte Charakter der späten Stunden unter einem schwarzen Himmel auch dann zeigt, wenn sie von dem kleinen Licht erhellt wird, das Gott an den Himmel gehängt hat. Auf der einen Seite ist die Nacht nämlich die Zeit, zu der man Angst haben muss und finstere Gestalten einem das Leben schwermachen können. Auf der anderen Seite bringt vielfach erst die Nacht den Menschen die Freude der Freiheiten, die sie in der täglichen Pflichterfüllung vermissen oder nicht wahrnehmen können.

Der duale Charakter der Nacht zeigt sich auch an der Art der Feste, die europäische Kulturen hervorgebracht haben. Auf der einen Seite feiern Christen eine Heilige Nacht, also das Weihnachtsfest. Auf der anderen Seite zelebrierte man viele Jahrhunderte lang eine Walpurgisnacht, eine Art Hexensabbat, was in der Gegenwart zwar an Intensität abgenommen hat, als bäuerlicher Volksbrauch oder Tanz in den Mai aber noch fortlebt. Tatsächlich: Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da, wie spätestens ein Schlager der Dreißigerjahre verkündet und unter anderem Hildegard Knef gesungen hat. Die meisten Menschen müssen allerdings schon ein paar Stunden schlafen, um heil durch die Nacht und den folgenden Tag zu kommen. Dabei passt es bestens in den an dieser Stelle entworfenen Kontext, wenn historische Forschungen inzwischen belegen, dass auch im Bett die Zahl Zwei eine Rolle spielt, nicht nur, weil man sich dabei paaren kann. In der Frühzeit der Geschichte haben die Menschen nämlich nicht durchgeschlafen, wie man es heute als natürlich ansieht (ohne dass dies so einfach gelingen will). In den Zeiten vor der Industriellen Revolution und der Beleuchtung der Städte sind die Menschen nach einem ersten Schlaf von einigen Stunden wach geworden, um die folgende Zeit der Dunkelheit auf ihre Weise zu nutzen, wobei an dieser Stelle das Beten und der Beischlaf erwähnt werden sollen, also die Hinwendung zu Gott und die Hinwendung zu einem anderen Menschen, den man liebt.

Es ist offenbar und einsichtig, dass sich auch im alltäglichen ­Leben alles Wichtige zwischen zwei Dunkelheiten abspielt. Die Dunkelheit umfängt die Menschen als Ganzes und jede Nacht. Sie gehen aus ihr hervor. Menschen werden erst durch die Nacht, und dann müssen sie durch die Nacht. Es gilt einerseits, sich daran zu gewöhnen und sie nicht verschwinden zu lassen, und es gilt anderseits, dabei Freude zu empfinden.

Was die Zweiteilung oder Dualität angeht, so steckt sowohl im Titel dieses Buches als auch in der Überschrift dieses Vorworts eine doppelte Bedeutung. »Durch die Nacht« spielt zum einen auf die Schwierigkeit vieler Menschen an, in den dazugehörigen Stunden durchzuschlafen und es zum Beginn des Tages zu schaffen. Darauf gehen wir ebenso ausführlich ein wie auf die zweite Bedeutung, die davon handelt, was das Leben durch die Nacht an Eigenschaften gewonnen hat – also etwa durch Zeiten, in denen Liebende sich leicht verstecken und ihre eigenen Schöpfungen auf den Weg ins Leben bringen konnten. Denn nach wie vor beginnt dieser Weg in der tiefen Dunkelheit eines warmen Leibes.

Und was die »Teilung des Schöpfers« angeht, so wird damit nicht nur die von ihm vorgenommene Trennung des Lichtes von der Finsternis angesprochen. Gemeint ist ebenso die im menschlichen Denken unvermeidliche Existenz einer Gegenposition zu Gott, die vielfach als Teufel bezeichnet wird, aber auch als Luzifer bekannt ist. Und mit diesem Namen zeigt der Fürst der Finsternis, was er eigentlich ist, nämlich eine Lichtgestalt – die allerdings nichts von dem entzündet, was Gott im Sinn hatte. Während das urtümliche Licht der Schöpfung auf die Einsichtsfähigkeit von Menschen hinweist, spricht das Licht von Luzifer die Zweifel an, die zum Denken gehören und sich in ihm bemerkbar machen. Es ist nun kaum zu über­hören und auch nicht zu überlesen, dass in dem Zweifel sowohl die Zwei als auch der Teufel anklingt, und damit bekommt alles seine duale – also ursprüngliche – Ordnung. Mit der Schöpfung der Welt als Teilung von Tag und Nacht beginnt das Abenteuer der Vernunft aus der Dunkelheit heraus, die anfangs über der Flut lag und aus der alle Bewegung der Erde hervorgegangen ist. Wenigstens daran sollte auch der Teufel nicht zweifeln.

KAPITEL 1Im Schatten der Erde

Ringsum erblicke ich Unendlichkeiten, die mich wie ein Atom, wie einen Schatten umschließen.

BLAISE PASCAL

Früher stieg die Nacht gelassen an Land, heute senkt sie sich eher rücksichtsvoll herab und schiebt das Licht vor sich her, wobei der Leser aufgefordert ist, selbst zu entscheiden, welche Wortwahl ihm zutreffender für das abendliche Geschehen zu sein scheint und mehr zusagt. Abgesehen von poetischen Beschreibungen, mit denen der Beginn der Dämmerung und das Eintreffen der Dunkelheit fest­gestellt und mitgeteilt wurde, haben sich Menschen schon früh Gedanken über den Kosmos und seine Bewegungen gemacht und dabei auch Fragen der Art gestellt, was die Nacht ist, wo sie herkommt, wie sie entsteht und was sie also bedingt.

Während Zeitgenossen des 21. Jahrhunderts sich (hoffentlich) gut auskennen und locker den Satz goutieren: »Die Nacht ist der Schatten der Erde« (den beispielsweise die Bildhauerin Vera Röhm in sechzig Sprachen auf sechzig schwarze Blöcke hat schreiben lassen), mussten sich die antiken Denker und ihre Vorfahren andere Erklärungen einfallen lassen. Die Nacht kann ja erst als Schatten der Erde gedeutet werden, seit verstanden worden ist, wie sich der von Menschen bewohnte Planet im Kosmos erstens um die Sonne und zweitens um seine eigene Achse dreht, und auf diese Einsicht musste man bis in das 16. Jahrhundert warten.

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