E-Book 1201-1210 - Jenny Pergelt - E-Book

E-Book 1201-1210 E-Book

Jenny Pergelt

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Beschreibung

Jenny Behnisch, die Leiterin der gleichnamigen Klinik, kann einfach nicht mehr. Sie weiß, dass nur einer berufen ist, die Klinik in Zukunft mit seinem umfassenden, exzellenten Wissen zu lenken: Dr. Daniel Norden! So kommt eine neue große Herausforderung auf den sympathischen, begnadeten Mediziner zu. Das Gute an dieser neuen Entwicklung: Dr. Nordens eigene, bestens etablierte Praxis kann ab sofort Sohn Dr. Danny Norden in Eigenregie weiterführen. Die Familie Norden startet in eine neue Epoche! E-Book 1: Ein großer Chirurg E-Book 2: Tapfere kleine Isabell E-Book 3: Bitte vertrau auf meine Liebe! E-Book 4: Ich bin keine Diebin! E-Book 5: Warum liebe ich dich? E-Book 6: Ein Leben im Dunkeln? E-Book 7: Die Schuld des Vaters E-Book 8: Schwanger, verzweifelt und allein! E-Book 9: Die Fee und der Sturm E-Book 10: Ein Traum in Weiß

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Inhalt

Ein großer Chirurg

Tapfere kleine Isabell

Bitte vertrau auf meine Liebe!

Ich bin keine Diebin!

Warum liebe ich dich?

Ein Leben im Dunkeln?

Die Schuld des Vaters

Schwanger, verzweifelt und allein!

Die Fee und der Sturm

Ein Traum in Weiß

Chefarzt Dr. Norden – Staffel 10 –

E-Book 1201-1210

Jenny Pergelt Helen Perkins

Ein großer Chirurg

... mit kleinen Fehlern

Roman von Pergelt, Jenny

Christinas Blick wechselte zwischen ihrer Uhr und dem Telefon hin und her. Ein paar Minuten blieben ihr noch, bis ihre Freundin und Kollegin Dr. Sarah Buchner vorbeikam, um sie abzuholen. Es sprach also nichts dagegen, schnell bei Erik anzurufen, um zu fragen, wie es ihm ging. Und schon im nächsten Moment fielen ihr ein Dutzend guter Gründe ein, warum sie es lieber nicht tun sollte.

Dr. Erik Berger, der Leiter der Notaufnahme, war seit vier Tagen im Urlaub. Zwangsweise, wie er immer wieder betont hatte. Der Chefarzt der Behnisch-Klinik, Dr. Daniel Norden, hatte Eriks Urlaub angeordnet. Freiwillig hätte Erik seine heißgeliebte Notaufnahme nie verlassen. Erst nach viel Gezeter und endlosen Diskussionen hatte sich Erik schließlich in sein Schicksal gefügt und die zweiwöchige Zwangspause angetreten.

Christina, die nicht nur eine begnadete Chirurgin, sondern auch eine versierte Notfallmedizinerin war, vertrat Erik in dieser Zeit. In der Vergangenheit hatte sie oft erfahren müssen, wie schwierig das sein konnte. Das lag nicht an der ungewohnten Arbeit. Nein, die sah sie als berufliche Herausforderung, an der sie viel Freude hatte. Es war Erik, der ihr den Einsatz in der Notaufnahme oft genug verleidet hatte. Selbst im Urlaub meinte er, ständig nach dem Rechten sehen zu müssen und dabei geizte er nicht mit ungebetenen Ratschlägen und harscher Kritik. Er mischte sich überall ein und stellte Christinas Diagnosen und Behandlungsmethoden infrage. Mitunter wurde es so schlimm, dass sie als letzten Ausweg den Chefarzt aufsuchte, damit er Erik in seine Schranken verwies.

Und diesmal? Nichts! Erik Berger hatte seinen Urlaub angetreten und seitdem nichts mehr von sich hören lassen. Das war nicht normal und musste irgendetwas bedeuten.

Christina kaute auf ihrem Bleistift herum. Er wird doch wohl nicht krank geworden sein? Vielleicht litt er an einer Depression. Seit dem Tod seiner Frau war die Arbeit sein einziger Lebenssinn. Durch diesen Zwangsurlaub war ihm nun auch das genommen worden.

Christina machte sich ernsthafte Sorgen um ihn. Und das wiederum bereitete ihr neue Sorgen. Seit wann interessierte sie sich für das Wohlergehen des unbeliebtesten, unfreundlichsten und rüdesten Arztes der Behnisch-Klinik? Mit einem lauten Seufzer legte Christina den Bleistift mit den deutlichen Knabberspuren auf dem Schreibtisch ab. Sie kannte die Antwort auf ihre Frage.

Vor einigen Wochen hatte sich das Verhältnis zwischen ihnen verändert. Auch wenn Erik es noch immer nicht wahrhaben wollte, waren sie Freunde geworden. Sicher würde Christina ihn nicht als ihren besten Freund bezeichnen, aber sie fühlte sich für ihn verantwortlich und machte sich seinetwegen Gedanken, wenn er nichts von sich hören ließ. Deshalb griff sie nun auch zum Telefon und wählte seine Nummer. Schon nach dem ersten Klingelton nahm er ab, fast so, als hätte er neben dem Telefon gesessen und nur auf diesen Anruf gewartet.

»Was gibt’s?«, dröhnte seine Stimme so laut und herrisch durch die Leitung, dass Christina schnell das Telefon einige Zentimeter von ihrem Ohr entfernte.

»Hallo Erik! Ich bin’s, Christina.«

»Das weiß ich! Ich kann deine Nummer im Display sehen«, blaffte er zurück. »Sag jetzt endlich, was passiert ist!«

»Nichts ist passiert. Ich wollte nur mal nachfragen, wie es dir in deinem Urlaub geht. Du hast nichts von dir hören lassen, was wirklich sehr untypisch für dich ist. Ich habe mir schon Sorgen um dich gemacht.«

Am anderen Ende blieb es still.

»Hallo? Erik? Bist du noch dran?«, fragte Christina, als das Schweigen zu lange andauerte. »Erik! Hallo!«

»Habe ich dich eben richtig verstanden?«, fragte er und hörte sich dabei seltsam ruhig an. »In der Aufnahme herrscht kein Ausnahmezustand? Es gab keine Massenkarambolage auf der Autobahn? Es grassiert auch kein Virus, der sämtliche Ärzte lahmgelegt und einen Personalnotstand hervorgerufen hat?«

»Äh … nein. Hier läuft alles. Es ist alles in bester Ordnung.« Christina lachte unsicher auf. Was sollten diese merkwürdigen Fragen? Worauf wollte Erik hinaus?

»Und trotzdem rufst du mich in meinem Urlaub an?«, donnerte er so laut los, dass Christina einen leisen Schreckenslaut ausstieß.

»Na, hör mal!«, beschwerte sie sich nun ihrerseits. »Darf ich mich noch nicht mal nach deinem Befinden erkundigen? Du hast dich in den letzten vier Tagen nicht ein einziges Mal gemeldet! Ist doch wohl klar, dass ich mir deswegen Gedanken um dich …« Christina brach wutschnaubend ab, als aus dem Telefon nur noch das Freizeichen zu hören war. Erik Berger hatte einfach aufgelegt!

»So ein Idiot!«, schimpfte sie wie ein Rohrspatz. »Dieser unhöfliche Flegel! Wie kann er nur? Besitzt er denn überhaupt keinen Anstand? Ich mache mir Sorgen um ihn und wie dankt er es mir? Ich bin ja so eine dumme Nuss! Wie konnte ich nur annehmen, dass er sich über meinen Anruf freuen würde?«

So wetterte Christina weiter vor sich hin und starrte wütend das Telefon an, das sie noch immer in der Hand hielt. Dabei überhörte sie sogar das Klopfen an der Tür. Sie sah erst auf, als sie Sarahs Stimme hörte.

»Was ist denn mit dir los? Wer hat dich denn so auf die Palme gebracht?«

»Na, wer wohl?«, fragte sie aufgebracht zurück. »Berger!«

»Oje, du Ärmste!« Sarah konnte Christinas Verärgerung nur zu gut verstehen. Erik Berger konnte eine wahre Plage sein. Die meisten Mitarbeiter der Behnisch-Klinik machten deshalb einen großen Bogen um ihn. Sie selbst sprach nur mit ihm, wenn es sich gar nicht vermeiden ließ. Als Gynäkologin hatte sie zum Glück nicht allzu oft mit ihm zu tun. Ihre arme Freundin traf es dagegen ungleich schwerer. Als seine Vertretung konnte sie ihm kaum aus dem Weg gehen.

Sarah setzte sich und sah Christina mitfühlend an. »Kann er nicht einfach seinen Urlaub genießen und dich in Ruhe lassen? Lass dir sein Benehmen nicht gefallen! Geh zum Chef und bitte ihn um Hilfe. Er soll sich Berger vorknöpfen und ihm verbieten, dich anzurufen. Wenn du nichts unternimmst, wird er hier noch aufkreuzen, um dich zu schikanieren. Am besten lässt du …«

»Stopp!«, rief Christina, um den Redefluss ihrer Freundin zu unterbrechen. »Ich habe nie behauptet, dass Berger mich angerufen hat. Es gibt also keinen Grund, sich über ihn zu beschweren.«

»Aber … ich verstehe nicht.« Sarah war verwirrt. »Du sagtest doch vorhin, dass du dich über Berger geärgert hast. Ich habe gehört, wie du auf ihn geschimpft hast. Und du hattest ja auch noch das Telefon in der Hand und …« Plötzlich verstand Sarah. »Du warst es! Du hast ihn angerufen, nicht er dich!«, sagte sie kopfschüttelnd.

»Ja, aber ich wollte doch nur hören, wie es ihm geht.« Christina wand sich unter Sarahs fassungslosem Blick. »Es ist doch nicht normal, dass er sich hier gar nicht meldet.« Als Sarah sie weiterhin nur wortlos anschaute, rechtfertigte sich Christina erneut: »Ihm hätte schließlich auch etwas passiert sein können. Dann würde ich mir hinterher vorwerfen, mich nicht um einen Freund gekümmert zu haben.«

»Ihr seid nicht befreundet«, stellte Sarah nüchtern fest.

»Natürlich sind wir das!« Christina war empört. Als Sarah die Augenbrauen hochzog, lenkte sie ein. »Nun gut, es mag ja sein, dass unsere Freundschaft unter merkwürdigen Umständen zustande kam. Aber das ändert nichts daran, dass ich mich ihm freundschaftlich verbunden fühle.«

»Tina, bitte!« Sarahs Tonfall war weich geworden. »Bitte verrenn dich nicht in etwas, das es nicht gibt. Es ist unmöglich, mit Erik Berger befreundet zu sein. Er lässt niemanden an sich heran, und ich verstehe nicht, warum du es dir so sehr wünschst.«

Christina wusste, dass Sarah recht hatte. Die Freundschaft zu Erik war nicht echt. Vor einigen Wochen hatten ihn die Eltern seiner verstorbenen Frau besucht, die in großer Sorge um sein seelisches Befinden waren. Um sie zu beruhigen, hatte er ihnen versichert, dass es ihm gut ginge und dass er inzwischen sogar Freunde hätte. Was natürlich nicht stimmte. Dr. Erik Berger besaß keinen einzigen Freund. Trotzdem hatte er seinen Schwiegereltern voller Stolz Christina als befreundete Kollegin präsentiert – und sie hatte mitgespielt, weil sie ihm einen Gefallen schuldete.

Dieser Gefallen hatte sich im Nachhinein als gute Idee erwiesen. Schließlich hatte sie dadurch so wundervolle Menschen wie Karin und Uwe Hansen, Eriks Schwiegereltern, kennenlernen dürfen. Und sie hatte auch den wahren Erik Berger kennengelernt. Ihm war es nicht mehr gelungen, seine liebenswerte, charmante und warmherzige Seite vor ihr zu verbergen. Sie wusste jetzt, dass er sich seinen dicken, schützenden Eispanzer nur zugelegt hatte, um nicht am Tod seiner Frau zu zerbrechen. Wie konnte Christina nun noch so tun, als wäre er kein Freund für sie? Erik Berger, der jedem weismachte, kein Herz zu besitzen, hatte an Christinas Herz gerührt. Er hatte sich dort eingeschlichen und machte keine Anstalten, wieder zu verschwinden. Doch wie sollte sie das Sarah erklären, wenn sie es selbst nicht verstand?

»Lass uns nicht mehr über Erik sprechen«, sagte sie deshalb nur und stand auf. »Unsere Mittagspause wartet. Bis zum Beginn der Dienstberatung bleibt uns keine halbe Stunde mehr.«

Sarah nickte und folgte ihr hinaus. Auf dem Flur hielt sie sie am Ärmel ihres Kittels fest. »Ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte sie leise. »Du siehst ein wenig traurig aus.«

»Mir geht’s bestens. Wirklich!« Christina schaffte ein unbekümmertes Lächeln und öffnete schnell die Tür zu dem Behandlungszimmer, in dem sie Dr. Martin Ganschow vermutete. »Herr Ganschow, ich melde mich ab«, sagte sie fröhlich und salutierte dabei zum Scherz. Niemand merkte ihr an, wie traurig sie in Wahrheit war oder wie sehr ihr Eriks Ablehnung wehtat. »In den nächsten beiden Stunden sind Sie der Chef der Notaufnahme. Sollten Sie meine Hilfe brauchen, finden Sie mich in der Cafeteria und ab eins beim Chef auf der Leitungssitzung.«

*

Bei einer köstlichen Lasagne vergaß Christina schnell die Abfuhr, die sie von Erik Berger bekommen hatte. Das Leben war zu schön, um sich über einen Mann aufzuregen, der auf ihre Freundschaft keinen Wert legte – obwohl er sie sicher gut gebrauchen könnte.

So oft es ihnen möglich war, verbrachten Sarah und Christina die Mittagspause gemeinsam in der Cafeteria der Behnisch-Klinik. Das lag nicht nur an der hervorragenden Speisekarte, auf der es immer etwas Neues zu entdecken gab. Sie liebten es zudem, Zeit miteinander zu verbringen und sich über ihre Arbeit oder die privaten Freuden und kleinen Kümmernisse auszutauschen.

»Womöglich ist es ein Fehler, dass wir uns jetzt den Bauch vollschlagen«, überlegte Christina und schob sich den nächsten Bissen in den Mund. Kauend sprach sie weiter: »Wer weiß, vielleicht gibt es nachher auf der Sitzung noch jede Menge zu essen.«

»Wie kommst du denn darauf?«, fragte Sarah verwundert. »Bisher gab es auf einer Dienstberatung höchstens mal einen Kaffee und ein Glas Wasser. Warum sollte es heute anders sein?«

»Weil es heute keine normale Dienstberatung für die Ärzte ist, sondern die der Abteilungsleiter.«

»Du denkst also, dass der Chef die normalen Ärzte mit Kaffee und Wasser abspeist, während er für die Abteilungsleiter ein kaltes Buffet auffahren lässt?«, lachte Sarah.

»Na ja, wäre doch möglich.« Christina zuckte die Schultern. »Woher soll ich das denn wissen? Im Gegensatz zu dir bin ich heute zum ersten Mal dabei, und das auch nur, weil Erik im Urlaub ist und ich ihn vertrete.«

Für Christina, die sonst als Stationsärztin in der Chirurgie ihren Dienst verrichtete, war das Treffen der leitenden Oberärzte ein Novum. Sarah besaß auf diesem Gebiet mehr Erfahrung. Ihr Chef, der leitende Gynäkologe Dr. Josef Schwebke, war der dienstälteste Oberarzt der Klinik. Sein Ruhestand lag in greifbarer Nähe. Schon jetzt zog er sich nach und nach aus der Leitungsarbeit zurück und übergab immer mehr Aufgaben an seine künftige Nachfolgerin, Dr. Sarah Buchner. Die monatliche Leitungssitzung gehörte dazu.

»Auch für die Abteilungsleiter spendiert der Chef nur die Getränke«, erklärte Sarah jetzt. »Also genieße weiter deine Lasagne und sei froh, dass du nicht mit knurrendem Magen zur Sitzung musst.«

»Vor allem bin ich froh, dass du mir Gesellschaft leistest. Wenn es uns zu langweilig wird, können wir uns ja Zettelchen schreiben«, kicherte Christina.

Sarah schmunzelte. »Wie in der Grundschule? Dann sollten wir aber gut aufpassen, dass uns Dr. Norden nicht dabei erwischt …« Sarah reckte den Hals und sah an ihrer Freundin vorbei. »Apropos Dr. Norden …«

Christina drehte sich um. In der Lobby stand Dr. Daniel Norden, der Chefarzt der Behnisch-Klinik.

»Wow!«, entschlüpfte es ihr, als sie den Mann erblickte, den ihr Chef gerade mit einem herzlichen Lächeln und einem Handschlag begrüßte. »Weißt du, wer das ist?«, fragte sie so neugierig, dass Christina lachen musste.

»Kaum taucht hier ein heißer Typ auf, hast du den armen Erik vergessen«, spöttelte sie gutmütig.

»Was hat denn Erik damit zu tun? Er interessiert mich nicht als Mann, während dieser Fremde dort …« Grinsend sah Christina ihre Freundin an. »Findest du nicht auch, dass er einfach umwerfend aussieht?«

Sarah besah sich den Mann, der Christinas Interesse geweckt hatte, etwas genauer. Sie schätzte ihn auf Mitte dreißig. Die welligen, blonden Haare waren so lang, dass sie seinen Nacken bedeckten. Er war salopp gekleidet und trug zu seiner Jeans und dem Shirt eine Lederjacke und Sportschuhe. Das markante, gut geschnittene Gesicht war braun gebrannt, und um seine Augen erschienen zahlreiche kleine Fältchen, als er zu einer Bemerkung Daniel Nordens lachte.

»Nun, wenn man auf den Typ blonder Surfer-Boy steht, könnte man ihn durchaus als gut ausse­hend­ bezeichnen«, beantwortete sie Christinas Frage. »Für meinen Geschmack wirkt er ein wenig zu draufgängerisch und abenteuerlustig.«

»Was spricht denn gegen ein bisschen Abenteuerlust? Kleine Abenteuer sind die Würze in einem eintönigen Leben.«

»Bezeichnest du dein Leben etwa als eintönig?«

»Bei unserem Beruf? Nein, ganz bestimmt nicht. Obwohl …« Christina seufzte wehmütig auf. »Obwohl ich mir oft wünsche, mein Privatleben wäre wenigstens halb so aufregend wie mein Klinikjob. Manchmal fehlen mir romantische Verstrickungen und ein wenig Drama.« Ihr Seufzen verstärkte sich. »Oder ein paar Abenteuer.«

»Vielleicht brauchst du wirklich mal etwas Abwechslung«, überlegte Sarah grinsend. »Du denkst, dein Leben wäre eintönig und langweilig und fokussierst dich deshalb so auf Erik Berger. Wer weiß, wohin dich das noch führt. Im Moment hältst du nur an dieser verqueren Freundschaft fest. Aber nicht mehr lange und du glaubst, dein Herz an ihn verloren zu haben.« Obwohl klar war, dass Sarah das nur als Scherz meinte, ärgerte sich Christina darüber.

»So ein Blödsinn!«, schnaubte sie entrüstet auf. »Was hast du nur immer mit Erik? Ständig machst du diese Bemerkungen. Wie oft soll ich dir denn noch sagen, dass ich in ihm bestenfalls einen Freund sehe, aber ganz sicher keinen Mann, in den ich mich verlieben könnte.«

»Schon gut, Tina«, ruderte Sarah zurück. »So war es doch nicht gemeint. Ich habe dich nur ein bisschen aufgezogen, weil dein Blick immer etwas Verträumtes bekommt, wenn du von ihm sprichst.«

»Quatsch!«, widersprach Christina sofort energisch. »Ich bin nicht so dumm, mich in einen Mann zu verlieben, dessen Herz nicht mehr frei ist. Das besitzt seine verstorbene Frau auf immer und ewig. Neben ihr ist kein Platz für mich. Oder für irgendeine andere Frau«, fügte sie hastig hinzu, als sie sah, wie Sarah sie nachdenklich musterte. Ihr Lächeln fiel etwas unbeholfen aus, als sie zu dem Fremden neben Daniel Norden blickte. »Im Moment ist er der Einzige, der mich zum Träumen bringen könnte, auch wenn es nur rein platonisch und aus sicherer Entfernung ist.« Theatralisch verzog sie das Gesicht, als das Objekt ihres Interesses zusammen mit Daniel Norden die Lobby verließ und kurz darauf im Aufzug verschwand. »Und schon ist er weg. Na ja, wenigstens bleibt mir meine Lasagne.«

*

Als Daniel Norden mit einigen Minuten Verspätung zur Leitungssitzung erschien, sahen sich Sarah und Christina erstaunt an. Der Chefarzt der Behnisch-Klinik war nicht allein gekommen. Neben ihm stand der attraktive Fremde, den die beiden Ärztinnen bereits in der Lobby bewundert hatten.

»Ich freue mich, Ihnen heute Dr. Adam Jäschke vorstellen zu dürfen«, begann Daniel nach einer kurzen Begrüßung.

»Ein neuer Kollege?«, rief Dr. Schulz, der leitende Intensivmediziner dazwischen.

»Nein, leider nicht«, erwiderte Daniel. »Herr Jäschke ist zwar Arzt, aber mit seiner Arbeit in Sierra Leone so gut ausgelastet, dass wir wohl nicht mit ihm rechnen dürfen.«

»Sierra Leone? Westafrika?« Wieder war es Dr. Schulz, der seine Neugier nicht bremsen konnte.

Daniel nickte leicht amüsiert. »Ihre Geographiekenntnisse können sich noch immer sehen lassen, Herr Schulz. Sierra Leone befindet sich tatsächlich im Westen Afrikas. Dr. Jäschke hat dort ein Krankenhaus mitten im Busch aufgebaut, das den Ärmsten der Armen hilft und sich fast ausschließlich über Spendengelder finanziert. Aus diesem Grund ist Dr. Jäschke nach München gekommen. Er sammelt Hilfsmittel und Spenden, um das Fortbestehen der Buschklinik zu sichern. Natürlich wird auch die Behnisch-Klinik ihren Anteil leisten und seiner Bitte auf finanzielle Hilfe nachkommen. Aber vielleicht können wir noch mehr für ihn tun. Ich möchte Sie bitten, in Ihren Abteilungen zu prüfen, ob es medizinisches Material, Hilfsmittel oder Pflegemittel gibt, die wir hier nicht mehr nutzen können. Ich denke da zum Beispiel an Rollstühle, die nicht mehr der strengen deutschen Norm entsprechen, aber durchaus noch brauchbar sind. Auch ausrangierte Tropfständer, die in irgendeinem Lager herumstehen, können noch gute Dienste leisten.« Zufrieden registrierte Daniel, dass er mit seinen Worten das Interesse seiner Abteilungsleiter geweckt hatte. Es war eine gute Idee gewesen, Adam Jäschke zur Leitungssitzung einzuladen. »Ich bin davon überzeugt, dass es Ihnen wie mir geht und Sie gern mehr über die Buschklinik in Sierra Leone erfahren möchten«, fuhr Daniel fort. »Deshalb freue ich mich, dass sich Herr Jäschke bereiterklärt hat, uns von seiner Arbeit zu berichten.«

Er übergab an Adam Jäschke, der ein einnehmendes Lächeln in die Runde warf und dabei – so schien es Christina jedenfalls – etwas länger auf ihrem Gesicht verweilte. Wahrscheinlich bildete sie sich das nur ein, trotzdem schlug ihr Herz ein wenig schneller als sonst.

»Zuerst möchte ich mich bei Dr. Norden für die Zusammenarbeit bedanken und dass er mir die Möglichkeit gibt, Ihnen mein kleines Krankenhaus vorzustellen.« Adam schaltete den Laptop ein, der vor ihm auf dem Tisch stand. »Und weil ein Bild mehr als tausend Worte sagt, habe ich Ihnen ein paar Fotos mitgebracht.«

In den nächsten Minuten wurden die Ärzte der Behnisch-Klinik in eine andere Welt entführt. Sie sahen eine Klinik, die mitten im Dschungel stand und eigentlich eine größere Bretterbude mit lehmverschmierten Wänden und einem Dach aus Stroh war. »Unter diesen primitiven Bedingungen begannen wir unsere Arbeit vor sieben Jahren«, erzählte der charismatische Arzt. »Inzwischen haben wir ein massives Steinhaus mit mehreren Behandlungsräumen, einer Krankenstation, einem kleinen Labor und zwei OP-Räumen.«

Die Fotos wechselten. Die neue Klinik wirkte hell und freundlich. Natürlich war noch immer der Mangel an vielen Stellen ersichtlich. Aber jedem war klar, dass das, was Adam Jäschke dort geschaffen hatte, ein Segen für alle war.

Schnell nahm Christina diese faszinierende, fremde Welt gefangen. Adam sprach von den Menschen, die tagtäglich in seine Klinik kamen, weil sie sich Hilfe erhofften. Er erzählte von dem, was er und seine Mitarbeiter unter einfachsten Bedingungen leisteten. Neben dem, was dieser Mann machte, kam Christina ihre eigene Arbeit beinahe klein und unbedeutend vor. Im Gegensatz zu den Stolpersteinen, mit denen Adam in Afrika zu kämpfen hatte, verlief ihr beruflicher Werdegang unkompliziert, vorhersehbar und äußerst bequem. Sie wusste, dass es unvernünftig war, aber sie beneidete Adam ein bisschen um die Aufregungen in seinem Leben und um die Abenteuer, die ihn begleiteten.

Christina schreckte auf, als sich ihr Pager meldete. Nach einem kurzen Blick aufs Display sprang sie auf. »Tut mir leid«, murmelte sie. »Ich muss los. Die Notaufnahme ruft.«

Den Weg in die Aufnahme legte sie in einem leichten Laufschritt zurück. Gedanklich war sie schon mit dem beschäftigt, was sie dort erwartete. An Adam Jäschke oder dem bedauernden Blick, den er ihr zugeworfen hatte, als sie so plötzlich gehen musste, dachte sie nicht mehr.

»Es tut mir leid, dass ich gestört habe …«, begann Martin Ganschow, als sie bei ihm eintraf.

»Haben Sie nicht«, unterbrach ihn Christina und dachte dabei nur ganz kurz an den gutaussehenden Arzt aus Sierra Leone zurück. »Also, Herr Ganschow, was liegt an?«

»Ein Verkehrsunfall mit zwei Schwerverletzten. Die Leitstelle hat sie angekündigt. In wenigen Minuten müssten die Rettungswagen eintreffen.«

Christina zog sich einen Schutzkittel und Handschuhe über. Dann eilte sie mit Martin Ganschow und einer Schwester nach draußen zur Rampe, an der der erste Rettungswagen gerade anhielt. In den nächsten Stunden war sie mit der Versorgung der Patienten, dem Gespräch mit den Angehörigen und dem Schreiben der Berichte beschäftigt. Als sie sich anschließend eine kleine Verschnaufpause gönnen wollte, kam Schwester Anna zu ihr.

»Frau Dr. Rohde, im Warteraum ist ein Herr, der Sie sprechen möchte.«

»Ein Herr? Haben Sie einen Namen für mich?«

»Leider nicht, ich habe glatt vergessen, danach zu fragen«, grinste Anna. »Wahrscheinlich hat mich sein tolles Aussehen etwas abgelenkt.«

»Aha«, amüsierte sich Christina. »Dann werde ich ihn mir am besten gleich mal anschauen.«

»Machen Sie das. Es lohnt sich. Sie werden bestimmt begeistert sein.« Anna zwinkerte ihr zu. »Und falls nicht, können Sie ihm gern meine Telefonnummer geben.«

Lachend ging Christina hinaus. Das musste ein ganz besonderer Mann sein, der die sonst so ruhige und ausgeglichene Anna zum Schwärmen brachte. Als sie die Tür zum Wartezimmer öffnete, blieb sie überrascht stehen. »Herr Jäschke?«, fragte sie ungläubig.

»Schön, dass Sie sich noch an meinen Namen erinnern.« Adam Jäschke kam ihr mit einem charmanten Lächeln entgegen. »Ich wollte nicht verschwinden, ohne mich von Ihnen zu verabschieden. Ich fand es sehr schade, dass Sie vorhin gehen mussten.«

»Äh … ja, also …«, stotterte Christina unbeholfen. Er kam extra in die Notaufnahme, um ihr das zu sagen? »Ein Verkehrsunfall … ich wurde gebraucht … leider. Äh … ich hätte Ihnen wirklich gern noch länger zugehört.« Christina ärgerte sich. Sie hielt sich eigentlich für schlagfertig und wortgewandt. Doch dieser Mann brachte sie irgendwie aus dem Konzept. Ob es an seinem unwiderstehlichen Lächeln lag? Oder an seinen blauen Augen, die vor Schalk und Witz sprühten und sie so intensiv ansahen, dass ihre Knie drohten nachzugeben? Vielleicht lag es auch nur daran, dass sie Anfang dreißig war, ihr Single-Dasein gründlich satthatte und sich nach einer festen Beziehung sehnte.

»Für Sie wäre ich gern bereit, meinen Vortrag noch einmal zu wiederholen. Vielleicht heute Abend? Wir könnten irgendwo nett essen gehen, und ich erzähle Ihnen dann noch mehr von meiner Klinik – und von mir.« Als Christina ihn erstaunt ansah, sagte er: »Natürlich nur, wenn Ihr Mann – oder Freund – nichts dagegen hat.«

»Ich habe keinen … ich meine, ich bin nicht verheiratet … oder so …«

Sein Lächeln wurde breiter, und Christina ahnte, dass er jede Sekunde genoss, in der sie sich wie ein schüchternes kleines Schulmädchen benahm.

»Sehen wir uns dann heute Abend?«, fragte er. »Bitte geben Sie mir keinen Korb. Ich würde Sie sehr gern wiedersehen.«

»Warum?«, wollte Christina wissen. »Ich verstehe das nicht. Wir sind uns vorhin zum ersten Mal begegnet und haben kein einziges Wort miteinander gewechselt. Und nun tauchen Sie hier auf und wollen sich mit mir verabreden. Warum?«

Jetzt war es an ihm, nervös zu werden. Er verzog das Gesicht und fuhr sich mit einer Hand durch die dichten, blonden Haare. »Ich weiß es nicht; ich kann Ihnen keinen vernünftigen Grund dafür nennen.« Er hob die Schultern. »Wie sollte ich auch? Ich kenne Sie nicht; wir sind uns völlig fremd. Trotzdem habe ich es nicht übers Herz gebracht, die Klinik zu verlassen, ohne bei Ihnen vorbeizuschauen. Ich musste Sie noch einmal sehen und endlich mit Ihnen sprechen. Und jetzt ist es mein allergrößter Wunsch, Sie richtig kennenzulernen und Zeit mit Ihnen zu verbringen. Ich möchte Sie unbedingt wiedersehen.«

Christina hatte ihm atemlos zugehört. Seine Worte klangen weich und einladend, und der Teil in ihr, der sich nach Liebe und Zweisamkeit sehnte, jubelte begeistert auf. Doch es gab noch eine andere, vernünftige Stimme in ihrem Kopf, die sie davor warnte, sich auf ein Abenteuer mit diesem Mann einzulassen. Dr. Adam Jäschke, dessen Leben irgendwo im afrikanischen Busch stattfand und unter dessen Blick sie hilflos dahinschmolz, konnte nicht gut für sie sein. Er war ein Abenteurer und Charmeur, dem wahrscheinlich alle Frauenherzen zuflogen. Es war vermessen zu glauben, dass ausgerechnet er der Mann fürs Leben sein könnte. Nein, es war besser, das Ganze zu beenden, ehe es beginnen konnte.

»Ich würde Sie auch gern wiedersehen«, sagte sie aller Vorsicht und Vernunft zum Trotz. »Und heute Abend würde es mir sehr gut passen.«

*

Sie trafen sich auf ein Glas Wein in einem kleinen Lokal unweit vom Stachus. Seine Einladung zum Abendessen hatte Christina abgelehnt. Noch wusste sie zu wenig über ihn, um sicher zu sein, dass sie einen ganzen Abend mit ihm verbringen wollte. Die Vorstellung, dass ihnen der Gesprächsstoff schon bei der Vorspeise ausgehen könnte, machte ihr Angst. Da war es einfacher und unverfänglicher, sich nur auf ein Glas Wein zu verabreden. Dann könnte sie das Treffen jederzeit beenden, wenn es nichts mehr zu sagen gab.

Doch Christinas Bedenken erwiesen sich als haltlos.

Schnell waren sie in ein anregendes Gespräch vertieft und fühlten eine tiefe Verbundenheit, als würden sie sich schon ewig kennen. Sie waren fast sofort zum Du übergegangen. Zwischen ihnen gab es nichts Fremdes, kein vorsichtiges Abwägen oder Herantasten. Es war, als hätten sich zwei Freunde nach einer langen Zeit der Trennung wiedergefunden.

»Es ist schön hier«, sagte Adam und sah sich um. »Ich bin froh, dass ich dir die Wahl des Lokals überlassen habe.«

»Warum auch nicht? Schließlich bin ich diejenige, die sich in München auskennt.«

»Oh, ich kenne mich hier auch gut aus. Sehr gut sogar, wenn man bedenkt, dass ich die ersten dreißig Jahre meines Lebens in dieser Stadt verbracht habe.«

»Du kommst aus München?«, fragte Christina erstaunt. »Das hätte ich jetzt nicht erwartet.«

»Warum nicht? Klinge ich nicht mehr wie ein waschechter Münchner?«

»Nein, überhaupt nicht. Dein Dialekt ist dir wohl in der Fremde verlorengegangen. Aber das meinte ich gar nicht. Ich wundere mich, dass wir heute Abend zusammen sind. Du hast doch sicher deine Familie oder Freunde in München. So selten wie du in der Heimat bist, solltest du deine Zeit mit ihnen verbringen und nicht mit mir.«

»Ich bin aber sehr gern mit dir zusammen.« Adam langte über den Tisch und drückte kurz ihre Hand. Das warme Gefühl, das von ihrer Hand bis zu ihrem Herzen strömte, überraschte sie so sehr, dass sie sich fast an ihrem Wein verschluckte. Sie war froh, dass Adam nicht bemerkte, was seine Berührung in ihr ausgelöst hatte. Seelenruhig sprach er weiter: »Das Verhältnis zu meinen Eltern ist denkbar schlecht. Sie haben mir bis heute nicht verziehen, dass ich nach Afrika gegangen bin. Mein Vater hätte es lieber gesehen, wenn ich in seine Praxis eingestiegen wäre.«

»Dein Vater ist auch Arzt?«

»Ja, Chirurg. Seine Pläne für mich sahen nicht vor, dass ich in Westafrika strande und meine eigene Klinik aufbaue. Ich sollte in München bleiben und irgendwann seine Arbeit fortführen. Er hat mir damals ein Ultimatum gestellt. Entweder Afrika oder die Familie. Das war ein Fehler. Er hätte wissen müssen, dass meine Klinik und die Menschen, die mich dort brauchen, für mich immer an erster Stelle stehen werden. Es gibt nichts, das wichtiger ist. Deshalb habe ich mich für die Klinik entschieden, und seitdem herrscht zwischen mir und meinen Eltern totale Funkstille.«

»Das tut mir sehr leid«, sagte Christina voller Mitgefühl.

»Das braucht dir nicht leidzutun. Mich stört es nicht. Ich lebe mein Leben, so wie es mir gefällt, und ich muss vor niemanden mehr Rechenschaft ablegen. Ich bin frei und ungebunden.« Er sagte das so unbekümmert und leichthin, dass Christina ihm jedes seiner Worte glaubte. Ihm machte es tatsächlich nichts aus, seine Familie verloren zu haben. Noch während Christina überlegte, ob sie ihn für diese lockere Einstellung beglückwünschen oder bedauern sollte, hatte Adam bereits das Thema gewechselt.

»Ich war heute Nachmittag in zwei weiteren Kliniken, um meine Arbeit vorzustellen und Spenden einzuwerben. Mit sehr großem Erfolg. Ich habe sehr viele Sachspenden erhalten, und finanziell ist auch einiges zusammengekommen. Morgen werde ich mich um einen Seecontainer kümmern, damit alles verschifft werden kann. Ich hätte nicht gedacht, dass sich das lohnen würde, aber inzwischen bin ich mir sicher, dass der Container randvoll wird. Ich werde in den kommenden Wochen zwar noch ordentlich Klinken putzen müssen, aber ich bin mir für nichts zu schade, wenn es um meine Klinik geht.«

Adam sprach weiter über seine Pläne für die nächsten Wochen, doch Christina hörte nicht mehr richtig zu. Sie dachte über Adams Worte nach. Seine Klinik stehe für ihn immer an erster Stelle, hatte er gesagt. Sie war ihm sogar wichtiger als seine Familie, die er ohne großes Bedauern für seine Mission aufgegeben hatte. Sie fragte sich, ob es in seinem Universum überhaupt einen Platz für sie gab. An welcher Stelle könnte sie in seinem Leben stehen? Würde er sie fallenlassen wie seine Eltern, wenn sie nicht die gleichen Ziele und Träume hatte wie er?

Sie hörte ihm zu, als er mit leuchtenden Augen von seiner Buschklinik sprach. Sie lachte über die kleinen Anekdoten, die er zum Besten gab. Sie freute sich über das, was er dort Gutes bewirkte und trauerte mit ihm, als er von denjenigen sprach, denen er nicht helfen konnte.

Und plötzlich verschwanden ihre Bedenken. Auf einmal fand sie weder die zerbrochene Beziehung zu seinen Eltern noch den hohen persönlichen Stellenwert seiner Klinik befremdlich oder sonderbar. Je länger sie ihm zuhörte und sich dabei von dem Zauber des fernen Landes einfangen ließ, umso mehr bewunderte sie ihn für das, was er dort tat. Völlig selbstlos leistete er Großartiges und nahm schlimmste Entbehrungen auf sich, um anderen zu helfen und ihnen in ihrer Not beizustehen. Er verfolgte wunderbare, hehre Ziele – und Christina war bereit, ihn dabei zu unterstützen.

Es war fast Mitternacht, als Adam sie nach Hause brachte. Sie hatten den Bus genommen und waren die letzten hundert Meter gelaufen. Wie selbstverständlich hatte Adam ihre Hand gehalten, und Christina hatte es nur zu gern zugelassen. Vor der kleinen Gartenpforte, die zu ihrem Haus führte, blieben sie stehen.

»Hier wohnst du also.« Adam sah zum Haus hinüber, das im Dunkeln lag, aber trotzdem einladend wirkte.

»Ja, oben unterm Dach. Ich habe dort eine kleine Wohnung gemietet. Meine Vermieterin, Frau Kleinfeldt bewohnt die untere Etage.«

»Warum flüsterst du?« Adam grinste, passte sich aber ihrer Lautstärke an.

»Ich flüstere nicht, ich spreche nur etwas leiser, damit Hugo uns nicht hört und ein Riesentheater macht. Es dauert dann immer ewig, bis er sich wieder beruhigt hat.«

»Hugo?« Adam zog eine Braue hoch und tat leicht empört. »Sagtest du nicht, du hast keinen Freund?«

Christina kicherte. »Hugo ist der Hund meiner Vermieterin. Er hält sich für einen Wachhund und meint, bei jedem kleinen Geräusch lautstark Bescheid geben zu müssen. Dass er damit oft die ganze Nachbarschaft weckt, ist ihm völlig egal.«

»Dann sollten wir vielleicht doch beim Flüstern bleiben«, sagte Adam. »Mir gefällt das irgendwie. Es ist fast so, als würden wir Geheimnisse austauschen oder uns Dinge sagen, die nur für uns bestimmt sind.« Er strich ihr eine Locke aus der Stirn, die der leichte Wind dort hingetrieben hatte. Dabei streichelte sein Daumen sanft ihre Haut. »Danke für diesen wunderschönen Abend. Ich wünschte, er wäre noch nicht zu Ende und wir müssten uns noch nicht verabschieden.«

Bei seinen Worten dachte Christina nach. Hoffte er etwa, dass sie ihn jetzt in ihre Wohnung bat? Erwartete er wirklich, dass sie die heutige Nacht zusammen verbrachten, obwohl sie sich kaum kannten? Christina hielt sich für lebenslustig, offen und alles andere als prüde, aber sie hatte ihre Prinzipien, von denen sie nicht abwich. Die Nacht mit jemanden zu verbringen, den sie erst Stunden vorher kennengelernt hatte, kam für sie nicht infrage.

»Ich muss morgen früh raus«, sagte sie ausweichend. »Und überhaupt halte ich das für keine gute Idee. Zumindest nicht jetzt schon. Es ist zu früh für diesen Schritt … also, ich meine, wir wissen doch so wenig voneinander und überhaupt …« Hilflos brach sie ab. Sie hatte das Gefühl, dass sie es nur noch schlimmer machte – egal, was sie sagte.

Um seinen Mund zuckte es belustigt auf. »Frau Doktor, Frau Doktor! Wohin gehen Ihre Gedanken bloß? Ich hatte überhaupt nicht vor, mich in deine Wohnung oder in dein Bett zu schleichen.« Er lachte leise. Ganz offensichtlich machte es ihm einen Riesenspaß, Christina in Verlegenheit zu bringen.

»Ich … also … du solltest dich vielleicht nicht so zweideutig ausdrücken. Dann komme ich auch nicht auf dumme Gedanken«, schnaubte sie beleidigt auf.

»Ach, so dumm finde ich diese Gedanken gar nicht. Ganz im Gegenteil. Sie gefallen mir ausgesprochen gut.« Liebevoll sah er sie an. »Aber du hast recht. Es ist noch zu früh. Doch irgendwann wird der richtige Zeitpunkt gekommen sein, und bis dahin kann ich warten. Ich wollte dir vorhin nur sagen, wie sehr ich unser Zusammensein genossen habe. Und dass ich dich unbedingt wiedersehen möchte. Am liebsten würde ich jede Minute mit dir verbringen. Ich weiß, das wird nicht möglich sein. Du musst arbeiten und ich habe mit meiner Spendensammlung zu tun. Aber bitte, sag mir, dass du genauso fühlst. Sag mir, dass wir uns sehen werden, wann immer wir die Zeit dafür finden.«

Unter seinem liebevollen Blick schlug ihr Herz rasend schnell. »Ja, das werden wir. Es ist nämlich genau das, was ich auch möchte.«

Mit einem glücklichen Lächeln umfasste Adam ihr Gesicht. Dann senkten sich seine Lippen auf ihren Mund. Es war ein zarter, fast flüchtiger Kuss. Weder zu forsch, noch zu unverbindlich, sondern genau so, wie er nach dieser ersten Verabredung sein sollte. Er forderte nichts, zu dem Christina noch nicht bereit war. Er war süß, fast unschuldig. Doch er war auch ein Versprechen auf das, was unweigerlich kommen würde.

*

»Du warst mit ihm aus?«, fragte Sarah fassungslos, als Christina ihr am nächsten Morgen von Adam berichtete.

Sarah Buchner, die in wenigen Minuten an den OP-Tisch musste, stand im Waschraum, desinfizierte sich die Hände und konnte kaum glauben, was ihr ihre Freundin erzählte. »Warum erfahre ich das erst jetzt?«, beschwerte sie sich. »Du hättest mich sofort anrufen sollen, als er bei dir in der Notaufnahme aufgetaucht ist! Dafür sind Freundinnen doch da!«

Christina lachte. »Ich wollte es dir ja erzählen, kaum dass er gegangen war. Leider warst du gerade in deiner Sprechstunde, und so musste ich diese aufregende Neuigkeit für mich behalten.«

»Und später? Die Sprechstunde ging nur bis siebzehn Uhr. Du hättest also genug Zeit gehabt, bevor ihr euch abends getroffen habt.«

»Ja, aber …« Christina wand sich ein bisschen. »Ich wollte erst mal sehen, wo mich das hinführt. Außerdem hatte ich ein wenig Angst, dass du mir die Sache ausredest.«

»Warum sollte ich das tun?«, wunderte sich Sarah.

»Ich weiß nicht. Vielleicht halte ich es ja selbst für keine gute Idee, sich auf jemanden einzulassen, der in ein paar Wochen das Land verlassen wird.«

Die Tür des Waschraums öffnete sich, und eine OP-Schwester schaute herein. »Sind Sie soweit, Frau Doktor Buchner? Die Patientin schläft bereits.«

»Ja, sagen Sie bitte Bescheid, dass ich in einer Minute da bin.« Sarah wartete, bis die Schwester wieder fort war, dann sagte sie zu Christina: »Ich hätte es dir ganz bestimmt nicht ausgeredet. Ich freu mich doch, wenn du mal ausgehst und ein bisschen Abwechslung hast. Was sich daraus entwickelt, kann niemand vorhersagen.« Sarah warf ihr einen aufmerksamen Blick zu. »Manchmal reicht übrigens schon eine einzige Verabredung aus, um festzustellen, dass der Mann ein Reinfall ist und du ihn nie wiedersehen willst.« Sie sah Christina fragend an, die das als Aufforderung verstand, mehr vom letzten Abend preiszugeben.

»Ich werde dir alles erzählen, aber erst später, wenn du mit der OP fertig bist und wir Zeit für einen Kaffee haben. Du erfährst alles! Versprochen! Mit wem soll ich denn sonst darüber reden, wenn nicht mit meiner allerbesten Freundin? Sobald wir eine freie Minute finden, setzen wir uns zusammen, um den gestrigen Abend auszuwerten.« Mit glänzenden Augen fügte sie hinzu: »Aber so viel darf ich dir schon mal verraten: Dieser Mann war kein Reinfall. Ganz im Gegenteil.«

Zu gern hätte Sarah noch mehr Details gehört, doch die Pflicht rief, und sie musste ihre Patientin operieren. Auch danach kam sie nicht sofort dazu, bei Christina vorbeizuschauen, um sie zu einem Kaffee zu entführen und ihr weitere Einzelheiten zu entlocken. Sie musste sich um einen Notfall im Kreißsaal kümmern, eine blutende Operationswunde versorgen, Befunde besprechen und einer Patientin eine niederschmetternde Diagnose beibringen. Dafür nahm sie sich besonders viel Zeit. Sie blieb am Bett der Frau sitzen, sprach ihr Mut zu und spendete ihr Trost. Erst als der Ehemann in der Klinik eintraf, um seiner Frau beizustehen, zog sich Sarah zurück. Sie wusste ihre Patientin nun in guten Händen.

Als sie schließlich in der Notaufnahme ankam, war Christina schon fort.

»Sie hat gerade Feierabend gemacht«, berichtete Schwester Inga. »Wenn Sie sich beeilen, erwischen Sie sie vielleicht noch. Sie ist eben erst zur Tür raus.«

Sarah folgte dem Rat der Schwester und lief durch die Lobby zum Haupteingang der Behnisch-Klinik. An der Tür blieb sie stehen und überblickte hastig den Parkplatz. Sie brauchte nicht lange, um festzustellen, dass Christinas Auto fort war. Sie hatte ihre Freundin verpasst.

Sarah ging zurück und spürte, wie sich Enttäuschung in ihr breitmachte. Was war aus Christinas Versprechen, mit ihr über den gestrigen Abend zu reden, geworden? Sarah hielt sich nicht für übermäßig neugierig. Für Klatsch und Tratsch konnte sie sich nicht erwärmen. Doch in diesem Fall war es anders. Hier ging es um das, was sie mit Christina verband – um ihre Freundschaft. Doch während sie sich den ganzen Tag darauf gefreut hatte, mit Christina zu plaudern, zu lachen und alles über den attraktiven Dr. Jäschke zu erfahren, hatte ihre beste Freundin sicher keinen Gedanken mehr daran verschwendet. Sie war einfach gegangen und hatte ihre Verabredung zum Kaffee vergessen.

Als sie auf den Fahrstuhl wartete, kam Schwester Inga vorbei. »Sie war wohl schon weg?«, fragte Inga, die den Gesichtsausdruck der Ärztin richtig deutete.

»Ja … wir waren eigentlich verabredet. Aber … ach, egal …« Sarah brach ab. Es war falsch, mit Inga über ihre Freundin zu sprechen. Das, was sie bedrückte und worüber sie verstimmt war, ging nur sie und Christina etwas an.

Inga wusste von alldem nichts. Ahnungslos berichtete sie: »Kein Wunder, dass es Frau Doktor so eilig hatte. Auf sie wartete nämlich ein toller Mann. Ein wirklich heißer Typ.«

»Dr. Jäschke?«

»Ich weiß nicht. Er hat sich leider nicht bei mir vorgestellt. Er hatte nur Augen für Frau Rohde.« Inga schmunzelte. »Und ihr erging es nicht anders. Ich glaube, die beide hat es heftig erwischt.«

»Wie meinen Sie das?«, fragte Sarah stirnrunzelnd, obwohl sie die Antwort schon kannte.

»Na, Frau Rohde ist verliebt. Was denn sonst?«

Sarah wollte protestieren. Sie wollte der Schwester sagen, dass das unmöglich war. Christina kannte den Mann doch kaum. Niemand verliebte sich so schnell! Doch schon im nächsten Augenblick wusste sie, dass sie sich irrte. Manchmal reichte der Bruchteil einer Sekunde, um sein Herz zu verlieren. Dann spielte es keine Rolle, wie lange oder wie gut man sich kannte. Wenn die Liebe zuschlug, blieb die Welt einfach stehen – und man vergaß sogar die Verabredung mit der besten Freundin.

Als Sarah in ihrem Dienstzimmer ankam, konnte sie schon wieder lächeln. Sie hielt sich für eine gute und verständnisvolle Freundin, und als solche gönnte sie Christina ihr Glück von ganzem Herzen. Trotzdem nahm sie ihr Handy heraus und schrieb ihr eine Nachricht: »VERRÄTERIN!« Doch bevor sie sie abschickte, fügte sie noch ein Zwinker-Smiley hinzu. Morgen, das nahm sie sich vor, würde sie nicht lockerlassen, bis Christina ihr alles erzählt hatte. Das war sie ihr nun wirklich schuldig. Schließlich waren sie Freundinnen …

*

Von alldem ahnte Christina nichts. Für sie gab es nur noch Adam, seit er sie heute von der Klinik abgeholt hatte. Sie waren an die Isar gefahren, um den herrlichen Nachmittag am Wasser zu verbringen und sich von den Sonnenstrahlen des Spätsommers verwöhnen zu lassen. Nach einem langen Spaziergang waren sie in einem Biergarten eingekehrt, hatten zu Abend gegessen und sich fast pausenlos unterhalten. Es gab so viel, was sie erfahren oder dem anderen mitteilen wollten. Dabei gingen sie nicht langsam und bedächtig vor. Sie hatten nicht die Muße, einander in Ruhe, Schritt für Schritt kennenzulernen. Sie wussten, ihre gemeinsame Zeit war begrenzt. Schon bald würden sie voneinander Abschied nehmen müssen, und niemand konnte wissen, ob sie sich je wiedersahen.

Je weiter dieser Abend voranschritt, umso schwerer fiel es Christina, ihn einfach nur zu genießen und alle Gedanken an später, aus ihrem Kopf zu verdrängen. Eine seltsame Schwermut hatte sich in ihr breitgemacht, die sie sich nicht erklären konnte. Bis eben war sie nur froh gewesen, Zeit mit Adam verbringen zu dürfen. Doch nun war ihre Unbekümmertheit verschwunden. Es gelang ihr nicht mehr, sich an ihr Zusammensein zu erfreuen, ohne an die ungewisse Zukunft zu denken.

»Weißt du schon, wann du wieder abreist?«, wollte sie von ihm wissen, und sofort verschwand das Lächeln aus seinem Gesicht.

»Wahrscheinlich in sechs Wochen. Einen festen Termin gibt es noch nicht. Ich bin gerade in den Verhandlungen mit einem Logistiker, der die Überführung meines Containers managt.« Adam griff nach ihrer Hand. »Bitte lass uns nicht schon heute über unseren Abschied sprechen. Im Moment bin ich nur froh, mit dir zusammen zu sein.«

Christina nickte. »Ich bin auch gern mit dir zusammen, Adam. Es gibt keinen Ort, an dem ich jetzt lieber wäre, als hier mit dir. Aber ich weiß inzwischen nicht mehr, ob es wirklich klug ist, was wir hier machen. Je besser ich dich kennenlerne, je näher wir uns kommen, umso komplizierter wird es. Nicht mehr lange und du gehst wieder fort. Ich kann es selbst kaum glauben, aber das macht mir schon jetzt eine Riesenangst.« Christina sah ihn traurig an. »Vielleicht sollten wir das mit uns beenden, bevor wir uns gefühlsmäßig zu sehr darauf einlassen.«

»Das ist doch schon längst passiert«, sagte Adam weich. »Du spürst es doch auch. Das ist auch der Grund, warum du jetzt am liebsten einen Gang zurückschalten würdest oder warum du dir diese Sorgen machst.« Er beugte sich vor und gab ihr einen zärtlichen Kuss. »Es hat uns beide erwischt, ob es uns nun gefällt oder nicht. Die Liebe fragt nicht, ob wir sie in unser Leben lassen wollen. Sie klopft nicht an und wartet höflich auf ein ›Herein‹ von uns. Sie öffnet einfach die Tür und erobert unsere Herzen.« Adam fiel nicht auf, wie Christina der Atem stockte, als er plötzlich von Liebe sprach. »Lass uns jetzt bitte nicht daran denken, was morgen oder in sechs Wochen sein wird«, bat er sie. »Wir sollten jeden Augenblick, den wir für uns haben, nutzen und uns nicht um die Konsequenzen scheren. Sonst laufen wir nämlich Gefahr, etwas ganz Wundervolles zu verpassen.«

Christina wollte protestieren. Sie wollte ihm sagen, dass dies keine Lösung für sie war. Das Risiko, am Ende mit einem gebrochenen Herzen zurückzubleiben und eine verlorene Liebe zu beweinen, war viel zu groß. Doch als sie nun in seine Augen sah, wusste sie, dass er Recht hatte. Um sie war es längst geschehen. Sie hatte sich in ihn verliebt, ganz egal, was ihr die Vernunft diktierte.

»Also bleiben uns nur sechs Wochen«, sagte sie und hatte Mühe, die Traurigkeit aus ihrer Stimme rauszuhalten.

»Uns bleiben sechs lange, wundervolle Wochen, um herauszufinden, wie es mit uns weitergehen soll«, stellte Adam richtig. »Wenn wir es wirklich wollen, werden wir eine Lösung finden. Nur weil ich nach Afrika zurückkehre, muss das nicht das Ende für uns bedeuten. Es gibt Fernbeziehungen, die wunderbar funktionieren. Oder du …« Er lächelte und führte ihre Hand, die er noch immer festhielt, an seinen Mund. Andächtig küsste er sie. Dabei sah er Christina tief in die Augen. »Oder du kommst dann mit mir. Wenn wir nach sechs Wochen feststellen, dass wir nicht mehr ohne den anderen leben können, packst du deine Sachen und begleitest mich.« Adam lachte, als Christina vor Schreck die Augen aufriss. »Das war nur eine Idee! Wir müssen hier und jetzt nichts entscheiden. Lass uns erst mal sehen, was das Schicksal mit uns vorhat.«

»Du bist also jemand, der an das Schicksal glaubt?«, zog ihn Christina auf, in dem Versuch, die Stimmung zu lockern.

»Natürlich! Oder glaubst du wirklich, dass es Zufall war, dass wir uns begegnet sind? Überleg doch mal! Du hast mir erzählt, dass du nur auf dieser Leitungssitzung warst, weil du die Vertretung für diesen Dr. Berger machst. Und ausgerechnet dann komme ich in die Behnisch-Klinik, um meine Arbeit vorzustellen. Das ist kein Zufall, das ist ein Wink des Schicksals!«

Christina lachte, und Adam stimmte mit ein. »Na gut«, sagte Christina immer noch lachend. »Dann legen wir also alles in die Hand des Schicksals. Wenn es uns schon zusammengeführt hat, dann soll es sich nach den sechs Wochen auch gefälligst eine gute Lösung für uns einfallen lassen.«

»Das wird es. Da bin ich mir ganz sicher.« Adam goss Wein nach und sagte dabei fast beiläufig: »Übrigens könnte meine Klinik eine Chirurgin und Notfallärztin gut gebrauchen. Hast du dir schon mal überlegt, Entwicklungshilfe zu machen?«

»Ja, früher habe ich tatsächlich mal daran gedacht. Als Studentin habe ich mich sehr für ›Ärzte ohne Grenzen‹ interessiert. Es gab sogar den Plan, dort für mindestens drei Monate mitzumachen.«

»Und warum hast du diesen Plan nie umgesetzt?«

»Ich weiß nicht so recht. Nach dem Studium musste ich mir erst ein wenig Praxis aneignen. Parallel hatte ich mit meiner Promotion zu tun, dann folgten die Facharztausbildung und anschließend die Zusatzqualifikation in der Notfallmedizin. Und irgendwann habe ich meinen Plan ad acta gelegt und nicht mehr daran gedacht.«

»Bis heute.« Adam lächelte. »Glaubst du nun, dass unsere Begegnung eine schicksalhafte Fügung war? Nicht nur, dass wir uns gefunden haben. Du könntest jetzt auch deinen alten Traum, nach Afrika zu gehen, wahrmachen. Komm mit mir! Lass dein Leben hier zurück und bau dir mit mir ein neues auf!«

»Puh, das ist ganz schön viel im Moment.« Christina schüttelte den Kopf, um ihn freizubekommen. Von dem Tempo, das Adam auf einmal vorlegte, schwirrten ihr die Sinne. »Wir wollten doch noch keine Pläne schmieden, sondern nur für den Augenblick leben und abwarten, was in sechs Wochen sein wird.« Sie lächelte ihn zaghaft an. »Zu mehr bin ich noch nicht bereit, Adam. Ich habe doch gerade erst beschlossen, dich in mein Leben hineinzulassen. Alles andere muss warten.«

Adam sah aus, als ließe er nur ungern von dem Thema ab. Dass es Christina früher mal nach Afrika gezogen hatte, schien ihm keine Ruhe zu lassen. Doch er sagte nichts mehr dazu, und Christina war deswegen erleichtert. Zu viele Sachen stürmten im Augenblick auf sie ein, über die sie in Ruhe nachdenken musste. Deshalb war sie froh, als Adam vorschlug, für heute Schluss zu machen.

Er brachte sie wieder nach Hause. Und wieder verabschiedete er sich an der Gartenpforte von ihr, ohne sie zu bedrängen. Doch sein Kuss fiel heute nicht so brav und zurückhaltend wie am Vortag aus. Heute konnte sie die Leidenschaft, die in seinem Inneren tobte, erahnen – so, wie sie auch ihre eigene spürte. Kurz war sie versucht, alle Prinzipien über Bord zu werfen und ihn hereinzubitten. Sie wusste, er würde nicht nein sagen. Doch sie tat es nicht. Sie brauchte jetzt Zeit für sich.

In ihrer Wohnung ließ sie das Licht aus. Sie ging zum Fenster und sah hinaus auf die Straße, die von einer einzelnen Laterne spärlich beleuchtet wurde. Adam war nicht mehr zu sehen. Er musste gegangen sein, kaum dass sie das Haus betreten hatte.

Morgen würden sie sich wiedersehen. Diesmal hatte sie ihn in ihre Wohnung eingeladen. Sie wollte für ihn kochen und vielleicht … vielleicht würden sie in ihrer neuen, frischen Beziehung den nächsten Schritt wagen.

Lange stand sie an ihrem Fenster. Sie sah hinaus in die Nacht und dachte dabei über Adam nach. Für sie stand außer Frage, dass ein großes Problem auf sie zukam. Sollte sie ihr Herz endgültig an Adam verlieren, gab es hier in Deutschland keinen Platz mehr für sie. Sie würde ihm nach Sierra Leone folgen. Sie würde ihm überallhin folgen, ganz egal, wohin ihn sein Weg führen würde.

Sie presste eine Hand auf ihre Brust und ließ sich schwer atmend auf das Sofa sinken. Plötzlich sah sie den Weg, den sie beschreiten musste, ganz deutlich vor sich. Es war ein Weg, der nicht leicht war und der mit Abschied und Schmerz verbunden sein würde.

Aus dem großen Bedürfnis heraus, mit jemanden über ihre Gefühle zu sprechen, nahm sie ihr Handy aus der Tasche, nur um enttäuscht festzustellen, dass es jetzt für einen Anruf viel zu spät war. Es war nach Mitternacht, und ihre Freundin schlief längst. Doch dann sah sie Sarahs Nachricht. Sie musste lächeln, als sie sie las, und gleichzeitig quälten sie bittere Schuldgefühle. Was war sie bloß für eine schlechte Freundin? Sie hatte Sarah im Stich gelassen und nur noch an die Erfüllung der eigenen Herzenswünsche gedacht. So wollte sie nicht sein. Sie nahm sich fest vor, es gleich morgen wiedergutzumachen.

Christina wusste, dass vor Sarah ein langes Dienstwochenende lag. Sie selbst wollte ihren freien Samstag nutzen, um für zwei oder drei Stunden in die Behnisch-Klinik zu fahren. Seit sie die Vertretung in der Aufnahme machte, war einiges auf ihrer chirurgischen Station liegengeblieben, das sie morgen abarbeiten wollte. Nun kam noch eine weitere Aufgabe auf sie zu: Sie musste sich um ihre Freundschaft zu Sarah kümmern. Eine Freundschaft, die sie in den letzten beiden Tagen sträflich vernachlässigt hatte.

*

Das Wochenende begann aus­gesprochen ruhig. Im Kreißsaal herrschte Stille, und Sarah zog sich nach ihrem Rundgang über die Station in ihr Dienstzimmer zurück, um zwei Entlassungsbriefe zu schreiben. Der erste war gerade fertig, als es an ihrer Tür klopfte. Kurz darauf schaute Christina ins Zimmer hinein.

»Darf ich noch reinkommen, oder willst du mich jetzt gar nicht mehr sehen?«, fragte sie reumütig.

»Komm schon rein, du treulose Tomate«, lachte Sarah. »Allerdings wirst du damit leben müssen, dass ich noch eine ganze Weile schmollen werde. Immerhin hast du mich gestern versetzt!«

»Ich weiß, und es tut mir auch schrecklich leid. Ich bin hier, um Abbitte zu leisten und meinen Tribut zu zollen.« Christina holte das Kuchenpaket, das sie hinter ihrem Rücken versteckt hatte, hervor. »Zimtschnecken von unserem Lieblingsbäcker.«

»Aha«, sagte Sarah mit strengem Tonfall. »Du denkst also wirklich, dass du so schnell aus der Sache rauskommst und ich dir vergebe, nur weil du hier mit Zimtschnecken auftauchst. Da musst du dir schon etwas Besseres einfallen lassen. Wenn du wenigstens an den Kaffee gedacht hättest …«

»Ich bin gleich zurück!«, rief Christina, drückte ihrer Freundin den Kuchen in die Hand und flitzte wieder hinaus. Nur eine Minute später kehrte sie mit zwei dampfenden Kaffeetassen zurück. »Ich hatte die Kaffeemaschine in eurem Pausenraum schon eingeschaltet, bevor ich zu dir reinkam.« Sie stellte eine Tasse vor Sarah ab und fragte dann bittend: »Und nun? Ist jetzt wieder alles gut zwischen uns?«

Sarah griff nach ihrer Tasse und genehmigte sich einen langen, genussvollen Schluck. Es machte ihr sichtlich Spaß, Christina ein wenig schmoren zu lassen. »Na gut, diesmal verzeihe ich dir noch. Aber nur, wenn du mir alles haarklein erzählst. Und wehe, du lässt etwas aus.«

In Sarahs Dienstzimmer gab es eine kleine Sitzecke mit einem runden Clubtisch, in dessen Mitte eine Duftkerze und ein hübsches Blumenarrangement standen. Dazu gehörten drei gemütliche Sessel. Hierhin zog sich Sarah oft mit Patientinnen oder Angehörigen zurück, die Fürsprache und Trost nötig hatten. Heute war es der passende Platz für die beiden Freundinnen. Während sie sich den Kaffee und die Zimtschnecken schmecken ließen, berichtete Christina von den Verabredungen mit Adam. Sarah blieb nicht verborgen, dass Christinas Augen leuchteten und ihr ganzes Gesicht vor Glückseligkeit strahlte, wenn sie von Adam sprach.

»Vielleicht klingt es in deinen Ohren ein wenig albern, aber ich glaube, ich habe in ihm meinen Seelenverwandten gefunden«, schloss Christina mit einem hingebungsvollen Seufzer ihren Bericht.

»Ich finde das überhaupt nicht albern. Wahrscheinlich gibt es für jeden von uns den einen Menschen, der perfekt zu uns passt und dessen Herz mit dem eigenen im Einklang schlägt. Du kannst dich glücklich schätzen, dass du diesem Menschen begegnet bist. Andere warten ihr ganzes Leben darauf, ohne dieses Glück zu erfahren.«

»Irgendwann wirst du dieses Glück auch haben und deiner großen Liebe begegnen«, sagte Christina schnell, weil sie meinte, einen traurigen Unterton aus Sarahs letzten Satz herausgehört zu haben. »Du siehst ihn und weißt sofort, dass er der Richtige ist.«

»War es denn bei dir und Adam so?«

Christina nickte eifrig. »Ja. Wir fühlten uns sofort zueinander hingezogen. Adam meint, wir sind vom Schicksal füreinander bestimmt, und ich kann ihm da nur zustimmen.« Sie grinste. »Lange genug habe ich ja auf meinen Traummann warten müssen. Es wurde Zeit, dass er sich endlich blicken ließ.«

»Woher weiß man eigentlich, dass er der Richtige ist? Was macht dich bei Adam so sicher?«, wagte Sarah zu fragen. »Du hattest doch auch schon früher Beziehungen gehabt. Hast du da nicht auch gedacht, es wäre für immer und ewig?«

»Ja … vielleicht …«, wand sich Christina. »Denkt man das nicht immer, wenn man verliebt ist? Zumindest für eine gewisse Zeit, bis die Ernüchterung kommt und sich der vermeintliche Märchenprinz mal wieder als Frosch entpuppt. Doch das wird mit Adam nicht passieren.«

»Warum nicht?« Sarah ließ nicht locker. »Was ist denn diesmal anders?«

»Nichts – und alles. Ich kann es selbst nicht erklären. Natürlich hatte ich auch meine Zweifel. Und wenn ich ehrlich bin, habe ich die immer noch, zumindest hin und wieder. Schließlich ging alles so schnell mit uns. Wir kennen uns ja noch nicht mal richtig und wissen nicht viel voneinander. Aber unsere Gefühle sind trotzdem da. Sie sind echt und lassen sich nicht leugnen.«

»Du bist tatsächlich verliebt …«

Christina lächelte versonnen. »Ja, das bin ich. Und Adam geht es nicht anders. Wir lieben uns, Sarah.«

Sarah sah ihre Freundin lange und nachdenklich an, während Christina plötzlich nervös wurde. Sarahs Meinung war ihr wichtig. Sie wollte, dass Sarah ihre Beziehung zu Adam guthieß. Und falls sie das nicht konnte, sollte sie sie wenigstens akzeptieren.

»Ich bin Adam nur das eine Mal begegnet, als er uns von seiner Klinik in Sierra Leone erzählt hat«, begann Sarah behutsam. »Ich weiß kaum etwas über ihn, aber bei einer Sache bin ich mir ziemlich sicher: Das, was er in Afrika tut, macht er aus voller Überzeugung und mit seinem ganzen Herzen. Deshalb fällt es mir im Moment schwer zu glauben, dass er sein Lebenswerk aufgeben wird, um hier mit dir zu leben.«

»Das erwarte ich doch gar nicht von ihm«, antwortete Christina genauso vorsichtig. Über dieses Thema zu sprechen, war nicht leicht für sie. Sarah wollte Antworten auf Fragen, die sie ihr nicht geben konnte – oder nicht geben wollte. »Im Augenblick erwarten wir gar nichts. Wir wollen einfach nur sehen, was passiert und wie sich die Sache mit uns entwickelt. Wir wollen nichts kaputtreden oder verplanen, was gerade im Entstehen ist. Irgendwann werde ich vielleicht eine Entscheidung treffen müssen, aber jetzt ist es noch viel zu früh dafür.« Wie diese Entscheidung aussehen würde, behielt Christina für sich. Sie konnte ihrer Freundin nicht erzählen, dass sie darüber nachdachte, mit ihm zu gehen. Sie kannte Sarah gut genug, um zu wissen, dass sie alles tun würde, um ihr das auszureden.

*

Mit der Erlaubnis von Frau Kleinfeldt, ihrer Vermieterin, hatte Christina die Blumenbeete hinterm Haus geplündert und die bunte Blütenpracht des zu Ende gehenden Sommers in ihre Wohnung geholt. Überall standen kleine und große Vasen aus Glas oder Porzellan mit Rosen, Astern und lieblichen Anemonen. Für den Esstisch hatte Christina ein wunderschönes Bouquet aus tiefroten Duftrosen und weißen Margeriten arrangiert, zu dem ihre Augen immer wieder glitten, während sie in ihrer offenen Wohnküche das Abendessen vorbereitete.

Fünf Minuten vor der Zeit eilte sie ins Bad, um einen letzten kritischen Blick in den Spiegel zu werfen. Für Adam wollte sie heute besonders hübsch aussehen. Sie zupfte ihre Haare zurecht, die sie locker hochgesteckt hatte, zog den Lippenstift nach und gönnte sich ein paar Tropfen des teuren Parfüms. Dann hörte sie Hugo aufgeregt bellen. Ein sicheres Zeichen dafür, dass jemand das Grundstück betreten hatte.

Christina lief zum offenen Fenster und sah hinaus. Adam stand vorm Haus und sprach auf Hugo ein, der sich erstaunlich schnell beruhigte und sich sogar von Adam streicheln ließ. Adam hatte sich vor ihm hingehockt und kraulte ausgiebig Hugos Fell, bis dieser sich vor Wonne auf den Rücken warf und leise vor sich hin grunzte.

»Ach herrje, das macht er sonst nur bei mir!«, rief Frau Kleinfeldt erstaunt aus. »Hugo ist Fremden gegenüber eigentlich sehr misstrauisch«, erklärte sie. »Aber Sie hat er gleich in sein Herz geschlossen.«

Christina konnte Adams Antwort nicht verstehen, aber Sigrid Kleinfeldt kicherte plötzlich wie ein junges Mädchen und wurde tatsächlich rot. Es gab keinen Zweifel – Adam flirtete mit der betagten Dame und ihr schien das ausgesprochen gut zu gefallen.

Amüsiert wandte sich Christina vom Fenster ab. Es wurde Zeit, das Nudelwasser aufzusetzen. Vorher sah sie sich noch einmal in ihrer Wohnung um. Alles war aufgeräumt und blitzte vor Sauberkeit. Adam konnte also kommen. Aufgeregt und mit einer freudigen Anspannung wartete sie darauf, dass er unten an der Tür klingelte.

Zu ihrer Wohnung im Dachgeschoss führte ein separater Eingang an der Giebelseite des Hauses. Christina öffnete ihre Wohnungstür und sah die steile Treppe, die zur Haustür führte, hinunter. Wo blieb Adam? Konnte er sich nicht von ihrer Vermieterin loseisen? Brauchte er etwa ihre Hilfe, um Frau Kleinfeldts Neugierde zu entkommen? Sie lief ins Wohnzimmer zurück und sah nach draußen. Es war niemand mehr zu sehen oder zu hören. Weder Frau Kleinfeldt, noch Adam oder Hugo. Unschlüssig blieb sie am Fenster stehen und wartete. Nach einigen Minuten gab sie auf. Sie schaltete den Herd aus und ging nach draußen, um nach ihrer verschollenen Verabredung Ausschau zu halten.

Sie fand Adam und ihre Vermieterin in der leerstehenden Garage. Adams Augen leuchteten auf, als er Christina entdeckte. Er zog sie in seine Arme und küsste sie, ohne auf Sigrid Kleinfeldt zu achten. Etwas verlegen beendete Christina den Kuss, der für ihren Geschmack zu lange andauerte – in Anbetracht ihres Publikums.

»Ich wollte nur nachsehen, wo du bleibst und dich daran erinnern, dass wir verabredet sind«, witzelte Christina. Sie sah zu Hugo hinunter, der zu Adams Füßen lag und ihn anbetete. »Aber gegen Hugo komme ich wohl nicht an.«

Adam lachte, breitete die Arme aus und drehte sich einmal um die eigene Achse. »Was sagst du dazu?«, fragte er dann.

»Wozu?« Christina runzelte die Stirn. Sie sah sich in der leeren Garage um. Hier gab es absolut nichts Interessantes zu sehen. »Wovon sprichst du?«

»Von der Garage natürlich! Frau Kleinfeldt ist ein Engel und überlässt sie mir, damit ich die Spendengüter hier zwischenlagern kann, bevor sie verschifft werden.«

»Du willst die Garage mieten?«

»Nicht mieten!«, mischte sich nun Frau Kleinfeldt mit einem stolzen Lächeln ein. »Ich überlasse sie Dr. Jäschke kostenlos. Es ist ja nur für ein paar Wochen, und außerdem dient es einem guten Zweck.«

»Toll. Das ist sehr großzügig von Ihnen«, sagte Christina ohne große Begeisterung.

Als sie mit Adam in ihre Wohnung ging, sagte sie: »Auf die Garage bin ich seit Jahren scharf, doch Frau Kleinfeldt will sie mir partout nicht vermieten. Bei ihr steht sie die ganze Zeit leer, und ich könnte da gut meinen Wagen und mein Fahrrad reinstellen. Doch wenn ich sie wegen der Garage anspreche, höre ich immer nur ein Nein. Vielleicht solltest du sie für mich fragen. Dir scheint sie ja aus der Hand zu fressen.«

Adam grinste sie frech an. »Meinem Charme kann eben niemand widerstehen. Du bist mir doch auch schon verfallen.«

»Ha, ha.« Christina schloss die Wohnungstür auf und ließ Adam eintreten. Anerkennend sah er sich um.

»Es ist sehr schön hier und kein Vergleich zu meiner spartanisch eingerichteten Hütte im Busch.«

»Gibt es etwas, das du dort vermisst?«

»Nein. Zumindest habe ich bisher nichts vermisst. Diesmal wird es anders sein, wenn ich heimkomme.« Er drehte sich zu ihr um und zog sie in seine Arme. »Ich werde dich vermissen. Sehr sogar.« Seine Lippen streiften ihre Wange, berührten ihre Lippen und wanderten dann weiter zu ihrem Hals.

Mit einem leisen Lachen wand sich Christina aus seinen Armen. »Tut mir leid, aber ich muss mich jetzt ums Essen kümmern.«

Adam folgte ihr in die Küche und betrachtete belustigt die vielen Blumen, die auch hier überall herumstanden. »Ich bin froh, dass ich dir keine Blumen mitgebracht habe. In deiner Wohnung sieht es eh schon aus wie in einem Blumenladen.«