E-Book 72-77 - Carola Vorberg - E-Book

E-Book 72-77 E-Book

Carola Vorberg

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. E-Book 1: Der Prinz und die schöne Gärtnerin E-Book 2: Morgen wirst du um mich weinen E-Book 3: Du gibst mir den Himmel zurück E-Book 4: Träumen im Paradiesgarten E-Book 5: Der Stolz der schönen Diana

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Inhalt

Der Prinz und die schöne Gärtnerin

Morgen wirst du um mich weinen

Du gibst mir den Himmel zurück

Träumen im Paradiesgarten

Der Stolz der schönen Diana

Fürstenkrone – Box 13 –

E-Book 72-77

Carola Vorberg Barbara Mellin Maria Bianca Nina Nicolai Yvonne Bolten

Der Prinz und die schöne Gärtnerin

Kann ihre Liebe eine Zukunft haben?

Roman von Carola Vorberg

Fürstin Johanna von Adelsbach stand an einem Fenster ihres Salons und sah hinaus in die wunderschöne Bergwelt des Tegernseer Tals. Als es an die Tür klopfte, trat Karl, der langjährige Diener der Fürsten von Adelsbach, ein.

»Durchlaucht haben einen Wunsch?« Der schon etwas gebückt gehende Karl sah die immer noch am Fenster stehende Fürstin fragend an.

Diese nickte. »Sagen Sie, Karl, arbeitet in unserer Schloßgärtnerei nicht dieses neue Mädchen?«

»Meinen Durchlaucht Marianne Burgner?« fragte der Diener.

»Ja, die meine ich«, antwortete die Fürstin. »Wie stellt sie sich an?«

»Die Nanni ist ein sehr liebes und im Umgang mit Pflanzen sehr geschicktes Mädel, Durchlaucht«, antwortete Karl.

»Soso, sie nennt sich also Nanni.« Die Fürstin zog die Augenbrauen hoch.

»Die Leut’ nennen sie so«, antwortete der Diener. »Ich glaub’ nicht, daß die Nanni ihren Namen selbst bestimmt hat.«

»Wie ist sie eigentlich zu der Stelle in der Schloßgärtnerei gekommen?« wollte daraufhin die Fürstin wissen.

»Sie hat sich beworben.«

»War denn eine Stelle freigeworden?«

Karl nickte. »Ja, die Gretl hat aufgehört. Sie hat doch vor einem Jahr geheiratet, und jetzt bekommt sie ein Kind.«

Fürstin Adelsbach zog wieder die Augenbrauen hoch, dann nickte sie, und wie sie es tat, bedeutete es für Karl, daß die Befragung beendet war. Er verbeugte sich kurz und verließ dann den Salon der alten Fürstin, wie man sie landläufig nannte.

Die drehte sich um, ging zu einem kleinen Schränkchen, nahm eine Flasche heraus und goß sich ein halbes Gläschen Sherry ein. Dann ging sie zurück zu jenem Fenster, an dem sie schon die ganze Zeit gestanden hatte, und sah wieder hinaus. Ab und zu nippte sie dabei an dem Sherry.

Johanna Fürstin von Adelsbach hatte im vergangenen Sommer ihren fünfundsiebzigsten Geburtstag gefeiert, war jedoch noch außerordentlich gut in Form. Ihre Jahre sah und merkte man ihr nicht an. Sie war groß und gertenschlank, hatte noch volles, wenn auch weißes Haar, und sie bestimmte seit dem Tod ihres Sohnes die Geschicke auf Schloß Adelsbach.

Die Adelsbachs waren eine sehr alte Familie, deren Ursprung ins vierzehnte Jahrhundert zurückging. Schloß Adelsbach war im sechzehnten Jahrhundert erbaut worden, und wenn die Schloßherren in früheren Jahrhunderten kämpferisch gewesen waren, so hatten sie sich in den späteren Jahrhunderten den schönen Künsten zugewandt, die sie gefördert hatten, wo es ihnen möglich gewesen war.

Deshalb war Adelsbach eines jener Schlösser, die voller Bilder aus allen Jahrhunderten hingen und die eine Bibliothek beherbergten, die unter Kennern auf der ganzen Welt bekannt war.

Gerade als Fürstin Johanna ihren Sherry ausgenippt hatte, klopfte es, und ihr jüngerer Enkel, Prinz Lothar, betrat den Salon. Er begrüßte seine Großmutter, indem er sich kurz verbeugte und ihr einen Guten Tag wünschte.

»Wieso gewöhnst du dir das steife Gehabe eigentlich nicht ab, mein Junge?« fragte sie, bevor sie ihm die Wange zum Kuß bot.

»Gute Umgangsformen gehören zu meinem Selbstverständnis als Vertreter des höheren Adels«, antwortete Lothar wie aus der Pistole geschossen.

Die Antwort amüsierte seine Großmutter, was unschwer festzustellen war, denn sie lächelte.

»Du bist unverbesserlich«, sagte sie, dann fragte sie ihn, ob sie ihm einen Sherry anbieten dürfe.

»Anbieten darfst du mir alles«, antwortete Prinz Lothar, »doch ich muß ablehnen.« Gleich darauf war er verschwunden.

Die alte Fürstin sah auf die Uhr, es war Zeit für ihren Nachmittagstee, und kurz darauf brachte Karl das anregende Getränk.

»Karl«, sagte Fürstin Johanna, »würden Sie Marianne Burgner zu mir heraufbitten?«

Karl nahm gewöhnlich alle Aufträge seiner Dienstherrin kommentarlos hin, es stand ihm schließlich nicht zu, Aufforderungen der Fürstin zu kommentieren, doch diesmal zeigte er insofern Reaktion, als daß er sie einen Augenblick erstaunt ansah.

Der Fürstin blieb Karls Reaktion nicht verborgen, deshalb fragte sie, ob er was dagegen habe, daß sie Marianne zu sich herauf bitte.

»Entschuldigung, Durchlaucht«, murmelte Karl, »natürlich habe ich nichts dagegen. Ich werde die Nanni heraufbitten.«

»Bringen S’ danach noch ein Teegedeck«, sagte die Fürstin, dann ging sie zu ihrem Sekretär, zog eine kleine Schublade auf, nahm einen kleinen Parfum-Flakon heraus und roch daran, worauf sich ihre Gesichtszüge entspannten.

Dann ordnete sie einige Unterlagen, allerdings hastig, als ob sie ungeduldig auf etwas wartete. Als es dann klopfte, stand sie auf, straffte sich und rief ›herein‹.

Karl trat ein und meldete Marianne Burgner.

Ein junges Mädchen trat in den Salon der Fürstin, sah sich ganz rasch erschrocken um und suchte dann den Blick der Fürstin. Es war offensichtlich, daß sie nicht wußte, was sie zu tun hatte.

»Sie sind also Marianne Burgner«, begrüßte Fürstin Johanna das junge Mädchen.

Karl kam gerade mit dem zweiten Teegedeck zurück und stellte es auf einen Wink der Fürstin auf den kleinen Tisch am Fenster, dann zog er sich zurück.

Marianne war ein sehr hübsches Mädchen mit ausgesprochen guter Figur, dabei war sie groß, und wenn sie lachte, dann lachten vor allem ihre rehbraunen Augen, die schon manchen jungen Mann des Tegernseer Tals in Verlegenheit gebracht hatten.

Nanni wußte nicht recht, wie sie sich zu benehmen hatte. Daß sie die Fürstin mit Durchlaucht anreden mußte, wußte sie, weil Karl es ihr auf dem Herweg gesagt hatte.

Sie nickte und hauchte: »Ja, Durchlaucht.«

Die Fürstin lächelte. »Warum ich Sie hergebeten habe, wissen Sie?«

Nanni schüttelte den Kopf, vermied es jedoch zu antworten.

»Daß Ihr Großvater bei uns schon in der Gärtnerei gewesen ist, das wissen Sie aber?« Aufmerksam sah die Fürstin das hübsche Mädchen an.

Nanni nickte. »Ja, er hat davon erzählt.«

»Und seine Liebe für die Natur, die Pflanzen, Blumen und speziell Orchideen haben Sie von ihm geerbt?« Fürstin Johanna ließ Nanni nicht aus den Augen.

Zum ersten Mal, seit sie im Salon der Fürstin war, huschte ein Lächeln um Nannis Mundwinkel.

»Ich glaub’ schon«, sagte sie dann, »der Großvater hat aber viel mehr über die Blumen und Pflanzen gewußt als ich. Er hat ja auch einige Orchideen gezüchtet.«

»Ja, zwei sind sogar nach ihm benannt worden«, erwiderte die Chefin des Hauses Adelsbach.

»Und eine seiner Züchtungen trägt Ihren Namen«, sprudelte es Nanni über die Lippen. Dann wurde ihr bewußt, daß sie dies nicht hätte sagen dürfen. Sie bekam einen knallroten Kopf und murmelte eine Entschuldigung.

»Sie müssen sich doch nicht entschuldigen«, sagte Fürstin Johanna, dann zeigte sie zum kleinen Tisch am Fenster. »Kommen Sie, lassen Sie uns einen Tee zusammen trinken.«

Marianne wußte nicht, wie ihr geschah, doch als die Fürstin ihr noch mal freundlich zulächelte, ging sie zu ihr und setzte sich ihr gegenüber an das kleine Tischchen, nicht ohne sich vorher für ihre Arbeitskleidung zu entschuldigen.

»Aber das macht doch nichts«, erwiderte Fürstin Johanna. »Sie sind ein außergewöhnlich hübsches Mädchen. Das wissen Sie sicher. Wie alt sind Sie?«

»Dreiundzwanzig, Durchlaucht.«

»Bei allen Heiligen«, murmelte die Chefin des Hauses Adelsbach und schloß für einen Augenblick die Augen. »Wie jung Sie sind. Einen Freund haben Sie sicher auch schon?«

Nanni bekam rote Wangen und schüttelte den Kopf. Inzwischen hatte die Fürstin Tee in die Tassen gegossen und einen Schluck genommen.

Nanni schüttelte den Kopf. »Nein, ich hab’ noch keinen Freund.«

»Da schau her.« Johanna von Adelsbach tat sehr erstaunt. »Sonst haben die jungen Mädchen doch immer schon sehr früh einen Freund. Wieso Sie nicht? An Bewerbern dürfte es bei Ihnen doch nicht mangeln.«

»Ich… es ist noch Zeit genug«, antwortete Nanni.

Da nickte die Fürstin. »Das ist wohl wahr.« Dann zögerte sie einen Moment. »Wissen Sie, warum ich Sie hergebeten habe?«

Nanni schüttelte den Kopf. »Nein, das weiß ich nicht.«

»Hat Ihr Großvater Ihnen nicht erzählt, daß wir uns schon lange kannten, bevor ich hier nach Adelsbach geheiratet habe?« Fürstin Johanna sah Nanni aufmerksam an.

Die schüttelte den Kopf. »Nein, davon weiß ich nichts.«

»Daß Ihr Großvater ursprünglich aus dem Werdenfelser Land stammt, das wissen Sie aber?«

»Ja, das weiß ich. Aus der Gegend von Mittenwald.«

Fürstin Johanna lächelte. »Und ich bin eine geborene Baronin von Steinburg. Ihr Großvater hat in Steinburgs Gärten die ersten Schritte als Gärtner getan.«

Nanni saß da und sah Fürstin Johanna mit großen Augen an.

»Das würde ja heißen«, sagte sie, »daß der Großvater mit… ich meine, daß er Ihnen nach Adelsbach gefolgt ist?«

Fürstin Johanna wiegte den Kopf. »Ganz so kann man’s nicht sagen, aber so ähnlich war’s schon.«

Nanni erwiderte nichts, machte sich offensichtlich jedoch Gedanken darüber, was dies zu bedeuten hatte.

Fürstin Johanna bekam natürlich mit, daß Nanni nachdachte, und sagte: »Mein Vater hat damals Ihrem Großvater den Vorschlag gemacht, ob er nicht mit nach Adelsbach wechseln wollte. Dort war man dabei, eine eigenständige Gärtnerei aufzubauen, und mein Vater wußte, wie tüchtig Ihr Großvater war.« Dann zögerte sie einen Moment und fügte hinzu: »Mein Vater hat aber auch gewußt, daß ich mich nicht ganz so alleine fühlen würde, wenn der Burgner-Gustav mit mir geht.«

*

Hans von Adelsbach war der ältere Bruder des Prinzen Lothar, und ihm würde mal der gesamte Besitz gehören. Lothar und Prinzessin Christiane würden eine ausreichende Apanage erhalten, doch mehr nicht. Die Erbgesetze Adelsbachs galten seit dem siebzehnten Jahrhundert, und bisher war immer streng danach verfahren worden.

Eine besondere Situation gab es insofern, als Fürstin Johanna ihrem Sohn längst die Geschäfte übergeben hatte, bevor der mit seiner Frau bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war. Da der alte Fürst schon Jahre zuvor verstorben war, war der Titel des Fürsten vakant, bis man sich darauf einigte, daß Johanna ein paar Jahre die Geschicke des Hauses Adelsbach führen würde, zumal Hans eine hohe Stellung in der Wirtschaft bekleidete und nicht so ohne weiteres sofort ausscheiden konnte.

Prinz Hans war zweiunddreißig Jahre alt, hatte Jura studiert und war momentan dabei, nach Adelsbach umzusiedeln.

»Hat Großmutter Besuch?« fragte er, als er in der Halle des Schlosses Karl begegnete.

»Marianne Burgner ist bei Ihrer Durchlaucht«, antwortete der alte Diener.

»Wer?« Prinz Hans hatte den Namen noch nie gehört.

»Die Nanni«, antwortete Karl, »sie ist die Enkelin von Gustl Burgner.«

Hans sah den alten Diener erstaunt an. »Aha, da schau her. Was hat Großmutter mit… wie heißt sie gleich?«

»Marianne«, antwortete Karl, »aber alle nennen Sie nur Nanni.«

»Was hat Großmutter mit diesem Mädchen zu tun?«

»Das müssen S’ Ihre Durchlaucht fragen, Hoheit«, antwortete Karl, »ich kann’s Ihnen nicht sagen.«

»Ob ich hineingehen kann?« wollte Hans daraufhin wissen. »Sie wissen ja, Großmutter wird nicht gern gestört.«

»Gehen S’ nur, Hoheit«, erwiderte Karl, »da stören S’ ganz bestimmt nicht.«

Hans ging daraufhin die östliche Treppe des ganz in Marmor gestalteten Treppenhauses hinauf in das erste Obergeschoß, wo sich der Salon seiner Großmutter befand. Er klopfte kurz an die Tür und trat dann ein.

»Hans, mein Junge…!« Fürstin Johanna stand mit Nanni an ihrem Sekretär und zeigte ihr einige Fotos. »Kennst du Marianne Burgner? Sie ist die Enkelin unseres ehemaligen Gärtnermeisters. Und jetzt ist sie in der Gärtnerei beschäftigt.«

Hans ging auf Marianne zu, lächelte freundlich, gab ihr die Hand und begrüßte sie. »Grüß Gott, Fräulein Burgner.«

Marianne wußte nicht recht, was sie tun sollte, deutete so was wie einen Knicks an und murmelte: »Grüß Gott, Hoheit.«

»Sie sind also die Enkelin des alten Gustl«, sagte Hans. »Wie geht’s Ihrem Großvater?«

»Danke, ich glaub’, es geht ihm gut.«

»Sie wissen nicht, wie es Ihrem Großvater geht?«

Marianne schüttelte den Kopf. »Er läßt sich über seine Gesundheit nicht ausfragen.«

Fürstin Johanna lachte hell auf. »Ist das nicht typisch für ihn? Ihr Großvater hat schon immer solche Marotten gehabt. Aber es waren alles sehr nette Angewohnheiten.«

Dann war es einen Augenblick still, und Marianne fragte, ob sie wieder zurück in die Gärtnerei dürfe.

»Der Robert ist heut’ ganz allein, und wir haben viel zu tun«, sagte sie, als müsse sie erklären, warum sie Fürstin Johanna nicht länger Gesellschaft leisten könne.

»Gehen Sie nur«, sagte die, »wir können unser kleines Plauderstündchen ja jederzeit fortsetzen. Und grüßen S’ Ihren Großvater von mir. Sagen S’ dem Gustl, er wär’ seit seiner Pensionierung kaum mehr dagewesen.«

Nanni machte einen Knicks in Richtung der Fürstin, dann sah sie ganz rasch Prinz Hans, der sie schon eine ganze Weile beobachtete, an und verschwand schließlich, nachdem sie sich dafür bedankt hatte, daß sie die Fürstin hatte besuchen dürfen.

»Seit wann lädst du Dienstpersonal zum Tee ein?« fragte Hans, als Nanni den Salon seiner Großmutter verlassen hatte.

»Seit die Enkelin eines lieben Freundes in dessen Fußstapfen tritt«, antwortete Fürstin Johanna. Dann wollte sie wissen, wie weit Hans’ Übersiedlung aus München zurück nach Adelsbach gediehen sei.

»Ich werde noch ein paar Wochen hin und her pendeln«, antwortete der. »Ganz so rasch geht das nicht.«

»Geht es technisch nicht oder tust du dich schwer?«

»Beides. Ich kann meine Zelte nicht so rasch abbrechen, wie ich es vorgesehen hatte.«

»Spielt da vielleicht Jutta auch eine Rolle?« Johanna von Adelsbach sah ihren ältesten Enkel fragend an.

Der atmete tief durch und sagte: »Das weiß ich nicht so genau. Eines jedoch weiß ich, Jutta ist nicht die Frau, die ich immer an meiner Seite haben möchte.«

»Warum nicht?«

»Sie ist zu… wie soll ich es ausdrücken? Sie hat zu wenig Herz, wenn du verstehst, was ich meine.«

»Natürlich verstehe ich, was du meinst«, erwiderte die alte Fürstin.

»Jutta ist eine Frau«, erklärte Prinz Hans, »die man überall vorzeigen kann und die jederzeit in der Lage ist, sich in einer Gesellschaft zurechtzufinden.«

»Und warum hast du dann plötzlich Zweifel, ob sie die Richtige für dich ist?«

»Es sind keine Zweifel, Großmutter«, antwortete Hans, »Das ist inzwischen Gewißheit. Für eine lebenslange Beziehung reicht es nicht, ein wenig verliebt zu sein. Liebe ist etwas viel zu Kostbares, als daß man dauerhaft auf sie verzichten könnte.«

Da nickte die alte Fürstin. »Das hast du schön gesagt, mein Junge, und ich gebe dir vollkommen recht.«

Hans stand einen Augenblick gedankenverloren da, dann sah er seine Großmutter fragend an.

»Sag mal«, murmelte er, »wieso hast du dieses Mädchen wirklich zum Tee eingeladen? Doch nicht nur, weil du sie kennenlernen wolltest?«

»Doch«, Johanna von Adelsbach nickte, »ich wollte Gustls Enkelin kennenlernen. Er hat ja sein Privatleben immer vollkommen abgeschottet. Seine Frau hab’ ich zweimal gesehen und seinen Sohn auch nicht öfter.«

»Und das möchtest du jetzt bei der Enkelin ändern?« Prinz Hans sah seine Großmutter fragend an.

Die nickte noch einmal. »Ja, das möchte ich ändern. Irgendwie ist Nanni dem Gustl schon ähnlich.«

»Wie meinst du das?«

»Sie hat was von seiner Gelassenheit«, antwortete die Fürstin. »Wenn es auf den ersten Blick auch nicht so aussehen mag, so hat sie doch sehr viel von ihrem Großvater…!«

*

Christiane von Adelsbach strahlte, als sie ihren Wagen, ein zweisitziges Cabrio, vor dem Schloß abstellte und ausstieg. Sie war froh, wieder zu Hause zu sein, vor allem, weil die letzten Wochen doch sehr anstrengend gewesen waren.

Christiane war vierundzwanzig Jahre alt, studierte in München Veterinärmedizin und hatte vor wenigen Tagen den letzten Abschnitt ihres Staatsexamens bestanden. Sie hatte mit ihren Kommilitonen noch ein wenig gefeiert und kam heute zum ersten Mal nach dieser wichtigen Prüfung nach Hause.

Fürstin Johanna wartete schon sehnsüchtig auf ihre Enkelin, wollte sie ihr doch als Zeichen ihrer Anerkennung etwas ganz Besonderes schenken.

Als Christiane, sie hatte mittelblonde, wunderschöne Haare, die sie, wie jetzt, oft hochgesteckt trug, den Salon ihrer Großmutter betrat, war diese nicht da. Das war vollkommen ungewöhnlich, denn die alte Fürstin war im Grunde genommen immer in ihrem Salon anzutreffen.

»Wo ist meine Großmutter?« Christiane sah Karl fragend an. »Ist was passiert?«

»Nein, Durchlaucht geht es gut«, antwortete Karl, dann gratulierte er Christiane zu der bestandenen Prüfung und sagte, daß Christianes Großmutter im Stall auf sie warte.

»Im Stall?« Christiane schien geschockt. »Was macht Großmutter denn im Stall? Da ist sie doch sonst nie.«

»Durchlaucht wartet im Stall auf Sie, Hoheit…!« Karl lächelte und dämpfte dann seine Stimme ein wenig. »Sie hat wohl eine Überraschung für Sie.«

»Eine Überraschung?« Christia­ne liebte Überraschungen.

»Bitte, Hoheit, verraten Sie mich nicht«, erwiderte Karl. »Es soll wohl wirklich eine Überraschung sein.«

»Natürlich verrate ich Sie nicht«, antwortet die bildhübsche Prinzessin, dann rannte sie aus dem Salon, die marmorne Treppe hinunter durch die Halle, aus dem Schloß über die Freitreppe zu den Stallgebäuden, die sich an die Verwaltungsgebäude reihten.

»Großmutter?« Christiane sah voller Erwartung in den Stall.

»Hier hinten bin ich«, rief Fürstin Johanna.

Christiane rannte weiter nach hinten, sie wunderte sich, daß keiner der Stalljungen zu sehen war. Als sie in den Bereich der letzten Boxen kam, standen dort alle Bedienstete aus der Gärtnerei und den Stallungen. Mittendrin stand Fürstin Johanna und hielt eine wunderschöne Araberstute am Zügel.

»Hallo, mein Kind«, sagte sie, »wir alle gratulieren dir ganz herzlich zu deinem Staatsexamen. Das hier ist Pila. Sie ist von sehr altem Geschlecht, und ich hoffe inständig, daß ihr beide miteinander auskommt, denn ganz einfach ist die Dame nicht zu handhaben.«

Christiane stand da und sah die einmalig schöne Stute mit großen Augen an. Christiane war Pferdenärrin, sie mochte alle Tiere, aber auf Pferde war sie geradezu verrückt.

»Das… das gibt’s ja nicht, eine… eine Araberstute«, murmelte sie, dann ging sie auf das sie sehr aufmerksam beobachtende Pferd zu und tätschelte ihm den Hals.

Der Stallmeister, er war ein schmaler, groß gewachsener Mann, hielt den Atem an, denn so hübsch Pila auch war, so nervös konnte sie auch sein. Vor allem, wenn Fremde in ihre Nähe kamen.

Doch als würden sich Christiane und die wunderschöne Stute schon immer kennen, begrüßte sie die Prinzessin mit leisem Schnauben.

»Aber, Großmutter«, murmelte diese, »eine Araberstute, das… die hat doch ein Vermögen gekostet. Normalerweise bekommt man gar keine. Was hast du dir denn dabei gedacht?«

»Daß mir für meine Enkelin nichts zu schade ist«, antwortete die Fürstin Johanna.

Dann gab sie ein Zeichen, und ein Mädchen aus der Schloßküche brachte Champagner. Als alle ein Glas hatten, sagte die Fürstin einen Trinkspruch, dann prostete sie zuerst Christiane, dann allen anderen zu.

Christiane war sehr gerührt. Sie bedankte sich bei allen, gab die Zügel der Stute aber nicht mehr frei. Als alle wieder bei ihrer Arbeit waren, nur noch ihre Großmutter und der Stallmeister da waren, fragte sie den: »Lieber Herr Laagen, jetzt sagen Sie mir bitte, wo Sie diese herrliche Stute herhaben?«

»Herr Laagen hat seine außerordentlich guten Beziehungen spielen lassen«, antwortete die alte Fürstin, »Ohne sein großes Engagement hätte ich mit allem Geld der Welt dir diese Stute nicht schenken können.«

»Pila stammt aus allerbester Zucht«, sagte der Stallmeister, »wenn Sie die Papiere in Händen haben, werden Sie es selbst sehen.«

Christiane rieb ihre Nase an dem weichen Maul der Stute, dann gab sie deren Zügel dem Stallmeister, bedankte sich noch mal bei ihm und verließ dann mit ihrer Großmutter den Stall. Noch bevor sie beim Verwaltungsgebäude waren, kam ihnen Lothar entgegen.

»Großmutter…!« Er deutete wieder eine Verbeugung an, dann küßte er seine Schwester auf beide Wangen. »Was macht ihr denn im Stall? Ist was passiert?«

»Hast du etwa vergessen, daß deine Schwester ihr Staatsexamen abgelegt hat?« Fürstin Johanna sah Lothar tadelnd an.

Der erschrak, schloß einen Augenblick benommen die Augen und entschuldigte sich dann bei Christiane.

»Es tut mir leid«, sagte er, »aber ich habe es in der Tat völlig vergessen. Doch ich habe im Moment soviel um die Ohren, daß ich nicht weiß, wo mir der Kopf steht.«

»Das macht gar nichts«, erwiderte Christiane. »Ich hoffe, bei dir ist alles in Ordnung?«

»Ja, natürlich«, antwortete Lothar.

»Wo bist du jetzt eigentlich?«

»Ich volontiere nach wie vor in der Bank.«

»Aha… und was hast du dann vor?« Christiane sah ihren um vier Jahre älteren Bruder fragend an. »Willst du wirklich noch ein Studium beginnen?«

»Das wird sich zeigen«, antwortete Lothar, dann schien er es eilig zu haben. »Ich wollte eigentlich nur Bescheid geben, daß ich jetzt eine Woche oder länger nicht nach Hause kommen werde. Nicht, daß du dich sorgst.«

»Wo können wir dich erreichen?« wollte seine Großmutter wissen.

»Auf meinem Handy«, antwortete Lothar.

»Und wenn du da nicht zu erreichen bist?«

»Dann sprich auf die Mailbox. Die höre ich immer ab.« Lothar lächelte. »Also, ich bin dann weg. Wiederschauen, Großmutter.« Er sah Christiane an. »Du hast noch ein Geschenk gut bei mir.« Gleich darauf war er verschwunden.

Noch bevor die alte Fürstin und ihre Enkelin das Schloß betreten hatten, blieb Johanna von Adelsbach stehen und sah besorgt drein.

»Der Junge macht mir Sorgen«, sagte sie.

»Lothar?« Christianes Stimme klang erstaunt.

»Ja, Lothar!«

»Und warum machst du dir Sorgen?«

»Er nimmt das Bankvolontariat nicht ernst«, erklärte Fürstin Johanna. »Er ist manchmal eine ganze Woche nicht in der Bank. Ich habe letztens mit Herrn Eßer gesprochen, und der hat mir gesagt, daß er sich ebenfalls sorgt.«

»Aber warum denn?«

»Lothar ist möglicherweise in falsche Gesellschaft geraten«, antwortete Fürstin Johanna. »Eßer hat da Andeutungen gemacht. Daß Lothar Besuch von wenig vertrauenerweckenden Leuten bekommt.«

»Oje«, murmelte Christiane, »das wäre ja nicht schön…!«

»Nein«, erwiderte ihre Großmutter, »das wäre ganz und gar nicht schön.«

*

»Daß Fürstin Johanna früher eine Baronessse war und aus der gleichen Gegend stammt wie du, das hast du mir nie erzählt.« Als Nanni abends nach Hause kam, erzählte sie ihrem Großvater von der Begegnung mit der Chefin des Hauses Adelsbach.

»Die Johanna hat dich zum Tee gebeten?« Gustav Burgner sah seine Enkelin erstaunt an.

Die nickte. »Und geredet hat sie mit mir, als ob sie ein Mensch wie du und ich wär’.«

»Das ist sie doch auch«, brummelte der ehemalige Gärtner der Schloßgärtnerei Adelsbach.

»Schon«, gab seine Enkelin zu, »aber irgendwie auch wieder nicht. Sie ist schon was ganz Besonderes, die Fürstin. Sie ist eine sehr feine Dame und sie… sie ist auch sonst anders als die anderen Menschen.«

»Jetzt hör aber auf«, erwiderte Gustav Burgner. »Ich hab’ gemeint, das Adlige würd’ dich nicht sonderlich berühren. Aber wenn ich dich so reden hör’, irr’ ich mich gewaltig. Hast du vielleicht vergessen, worüber wir uns öfter unterhalten haben?«

»Daß zuerst der Mensch kommt und dann erst sein Titel und seine Herkunft?« Nanni sah ihren Großvater fragend an.

Der nickte. »So ist es.«

»Ich sag’ doch gar nix dagegen.« Nanni küßte ihren Großvater spontan auf die Wange. »Aber daß es für mich schon was Extras war, die Fürstin so persönlich kennenzulernen, das wirst du mir doch zugestehen. Und daß sie mich zum Tee gebeten hat, ist auch was Besonderes. Das macht sie nicht mit jedem.«

Als Gustav Burgner seine Enkelin ansah, mußte er lächeln. Wenn sie sich für etwas begeisterte, dann hatte sie sehr rasch rosa Wangen, und jetzt schimmerten ihre Wangen sogar rot.

»Hat sie dich also auch für sich eingenommen, die Durchlaucht Johanna, wie?«

»Und ob.« Nanni nickte. »Und der ältere der beiden Prinzen ist auch hinzugekommen.«

»Der Hans…?«

Nanni nickte noch mal. »Er ist ein sehr fescher Mann.«

»Seit wann schaust denn du, ob ein Mann fesch ist?« fragte Gustav Burgner.

»Ich bin immerhin dreiundzwanzig«, antwortete Nanni.

»Ja und…?«

»Als die Großmutter so alt war, da warst du schon mit ihr verheiratet, und ihr hattet schon die Tante Lies.«

»Das war was ganz anderes…!«

Marianne lachte. »Soso, was ganz andres war es also. Die Durchlaucht hat mich auch gefragt, ob ich schon einen Freund hab’.«

»Und was hast du geantwortet?«

»Daß ich keinen hab’.«

»War das nicht ein bisserl geflunkert?« wollte daraufhin ihr Großvater wissen.

»Nein, wieso?«

»Na, und der Robert?« Gustav Burgner musterte seine Enkelin ganz genau. »Der Herr Gartenbauingenieur hat es dir doch angetan, oder etwa nicht?«

Nanni lachte hell auf. »Das hast du schon mal gesagt. Wie kommst du denn auf diesen Blödsinn?«

»Seit ich mitbekommen hab’, wie er dich angesehen hat.«

Nanni lachte noch mal. »Aber ich hab’ ihn doch nicht angesehen. Außerdem ist der Robert anderweitig verliebt.«

»Aha, woher weißt du das denn?«

»Das hat er mir gesagt.«

»Und wer ist die Glückliche?«

»Das hat er nicht gesagt.«

Gustav Burgner und seine Enkelin Nanni saßen im Garten eines schmucken Hauses, das der Alte vor Jahren zusammen mit Nannis Vater gebaut hatte. Es lag am Ortsausgang von Adelsbach, denn auch der Ort trug den Namen des alten Adelsgeschlechts.

Das Haus lag am Hang, die untere Wohnung bewohnten die Großeltern und die obere, vom Hang aus zu erreichende Etage, bewohnten Nannis Eltern und ihr jüngerer Bruder Jens. Da in der unteren Etage jedoch reichlich Platz war, hatte Nanni sich in der Etage ihrer Großeltern zwei Zimmer und ein eigenes Bad einrichten dürfen, wofür sie sehr dankbar war.

Gustav Burgner mochte seine Enkelin sehr und sie ihren Großvater, das erkannte man auch daran, wie die beiden miteinander umgingen.

»Magst einen Ribiselsaft?« fragte der ehemalige Gärtnermeister Adelsbachs.

Nanni nickte. »Gerne. Am liebsten gemischt mit ein bisserl Mineralwasser.«

Als ihr Großvater zwei Gläser brachte und eines vor die Nanni hinstellte, fragte die unvermittelt: »Sag mal, die Durchlaucht hat so… so nett von dir geredet, so als ob sie in dich verliebt gewesen wär’.«

Gustav Burgner zog die Augenbrauen hoch, lächelte seine Enkelin zuerst lieb an und lachte schließlich. »Sonst ist alles in Ordnung, wie?«

»Ja«, erwiderte Nanni, »aber du hättest miterleben müssen, wie sie von dir geredet hat, die Durchlaucht. Sie hat sogar gesagt, daß ihr Vater froh gewesen wär’, daß du sie nach Adelsbach begleitet hast, weil er dann hätt’ sicher sein können, daß sie sich nicht ganz so allein fühlt.«

Gustl Burgner war, als die Nanni das Thema anschnitt, zuerst ein wenig gerührt gewesen, jetzt hatte er sich zumindest soweit gefangen, daß man ihm nichts mehr anmerkte.

»Der alte Baron von Steinburg war einer, der sehr auf seine Kinder geschaut hat«, sagte er, »und die Johanna war schon immer sein Augenstern. Es mag schon sein, daß er froh gewesen ist, als ich auch nach Adelsbach gegangen bin.«

»Aber dein Überwechseln von Steinburg hierher hat nichts damit zu tun gehabt, daß die Durchlaucht nach Adelsbach geheiratet hat.« Nanni sah ihren Großvater neugierig an.

»So ist es«, antwortete der. »Die Adelsbachsche Gärtnerei hat schon damals einen weithin bekannten Ruf gehabt.«

»Und du hast ihr Weltruf verschafft«, sagte Nanni.

»Oje, Weltruf«, erwiderte der Gustl, »das ist ein großes Wort.«

»Aber über die Grenzen bekannt geworden ist die Adelbachsche Gärtnerei erst, als du dort warst.«

Der Gustl wiegelte seinen Kopf. »Möglich, daß es so war. Aber es war nicht mein Verdienst.«

»Moment.« Nanni war nicht einverstanden. »Immerhin hast du mehrere Orchideen gezüchtet, die deinen Namen tragen. Und eine ist nach der Durchlaucht Johanna benannt.«

»Das mag ja sein«, murmelte der ehemalige Gärtnermeister der Adelbachschen Schloß- und Güterverwaltung, »aber so was Besonderes war das auch wieder nicht. Man hat eine Menge neue Blumen und andere Pflanzen gezüchtet, die den Namen desjenigen tragen, der sich ihre Entwicklung vorher überlegt hat.«

»Wieso bist du so bescheiden, Großvater?« fragte Nanni. »Die Durchlaucht hat da ganz anders geredet.«

Da verzog der alte Gustl sein Gesicht und bedeutete seiner Enkelin, ihre Stimme zu dämpfen.

»Net so laut«, murmelte er, »nachher hört’s noch die Großmutter, und die ist net so gut auf die Johanna zu sprechen.«

»Ist sie etwa eifersüchtig?« Man sah Nanni an, daß sie vorher nie an derartiges gedacht hatte.

»Jetzt hörst aber endgültig auf.« Ihr Großvater stand auf, nahm seine Pfeife, stopfte sie ein wenig umständlich und setzte den Tabak dann in Brand.

»Wieso willst du denn nicht darüber reden?« flüsterte Nanni. »Du und die Fürstin, wenn ihr euch gut verstanden habt, dann…!«

»Hör auf, Nanni«, unterbrach sie ihr Großvater, »das führt zu nix. Und wenn’s doch zu was führt, dann zu unguten Überlegungen. Deine Großmutter bekommt das Thema immer in die falsche Kehle. Und daß sie sich aufregt, das muß nicht sein.«

Nanni zuckte mit den Schultern. »Schad’, ich hätt’ schon noch gern ein bisserl mehr gewußt.« Sie lächelte verträumt. »Wenn ich mir vorstell’, du und die Durchlaucht, es ist wie im Märchen…!«

*

Hans von Adelsbach brachte seinen Umzug aus München immer mehr voran. In weniger als vier Wochen war er wieder in Adelsbach zu Hause, und seine Großmutter ließ Nanni kommen, weil sie sie bitten wollte, einen besonders schönen Blumenstrauß zusammenzustellen.

»Er ist für meinen Enkel Hans«, sagte sie. »Daß er zurück nach Adelsbach kommt, wissen Sie sicher.«

Nanni schüttelte den Kopf. »Nein, das wußte ich nicht.«

»Nun, dann wissen Sie’s jetzt«, erwiderte Fürstin Johanna. »Und ich bitt’ Sie, ihm zum Empfang einen ganz besonders schönen Strauß Blumen zu arrangieren.«

Nanni dachte einen Moment nach. »An was haben S’ da denn gedacht, Durchlaucht?«

»Das überlasse ich Ihnen, Nanni«, sagte Johanna von Adelsbach. »Wenn Sie soviel gärtnerische Phantasie haben wie Ihr Großvater, dann wird Ihnen genau das Richtige einfallen.«

Plötzlich wußte Nanni, was sie tun würde. »Hab’ ich. Hab’ ich völlig freie Hand?«

Die Chefin des Hauses Adelsbach nickte. »Ja, das haben Sie. Aber enttäuschen S’ mich nicht.

»Ich werd’ mein möglichstes versuchen, Durchlaucht«, sagte Nanni. »Wann muß der Blumenstrauß denn wo stehen?«

Die Fürstin sah auf die Uhr. »In zwei Stunden sollte er unten in der Marmorhalle auf dem Marmorpodest stehen. Wenn Sie nicht wissen, was ich meine, dann schauen S’ es sich gleich an. Um diese Zeit sollte der Bub nämlich eintreffen. Und, Nanni…?«

»Ja…?«

»Der Hans ist ein Blumenliebhaber. Er kennt auch was davon. Wenn S’ das Arrangement zusammenstellen, dann denken S’ bitte daran.«

»Ist schon recht, Durchlaucht!«

»Und noch was…!«

»Ja?«

»Der Hans liebt das Natürliche. Der Strauß sollte schon sehr schön, vor allem aber natürlich sein.«

»Ich hab’ schon eine Idee, Durchlaucht!«

»Welche denn?«

Nanni lächelte. »Wenn S’ gestatten, Durchlaucht, dann würd’ ich den Strauß gern aufstellen und vorher nichts verraten.«

Da lachte Fürstin Johanna. »Das sei Ihnen gestattet. Sie haben mich regelrecht neugierig gemacht.«

»Hoffentlich mach’ ich nicht grad’ das Verkehrte«, erwiderte Nanni.

»Also ich bin mir sicher«, sagte Johanna von Adelsbach mit einem freundlichen Lächeln um die Mundwinkel, »daß Ihnen genau das Richtige einfällt. Und denken S’ bitte daran, in spätestens zwei Stunden unten auf dem marmornen Tisch in der Eingangshalle. Dort will ich Hans nämlich begrüßen.«

»Ist schon recht, Durchlaucht…!« Nanni deutete einen Knicks an und verschwand.

Während sie die Marmortreppe hinunter rannte, sich in der Halle kurz den Tisch ansah und dann weiter in die Gärtnerei lief, ging Fürstin Johanna zu ihrem Sekretär, zog eine Schublade auf, nahm ein Foto heraus und sah es lange an. Als sie es wieder weglegte, hatte sie Tränen in den Augen.

Als Hans kam, es war ein wenig vor der in Aussicht gestellten Zeit, stand der Blumenstrauß noch nicht an seinem Platz. Als Fürstin Johanna es bemerkte, zog sie die Augenbrauen zusammen. Sie ließ manches durchgehen, aber Unpünktlichkeit auf gar keinen Fall.

»Wo ist Marianne Burgner mit den Blumen?« fragte sie, während sie sich nach Karl umsah.

»Die Nanni müßt’ jeden Moment da sein, Durchlaucht«, antwortete der. »Ich hab’ sie vorhin auf der Wiese hinter der Gärtnerei gesehen. Da hat sie…!«

»Ja, wenn sie sich auf der Wiese herumtreibt«, fiel Johanna von Adelsbach dem Diener ins Wort, »dann kann sie ja die Blumen nicht rechtzeitig bringen. Ich werd’ Blumen aus meinen Räumen bringen lassen. Diese weiße Marmorhalle verlangt, daß Blumen da sind, wenn man jemand empfangen will. Also, ich bin sehr enttäuscht.«

Im gleichen Moment hörte man den Wagen des Prinzen Hans vorfahren, und nur Augenblicke später betrat Hans von Adelsbach die Marmorhalle des Schlosses.

Er sah seine Großmutter dastehen und dreinschauen, als habe ihr jemand schlechten Wein verkauft.

»Was ist los?« fragte er. »Hast du was?«

»Man hatte mir zu deinem Empfang Blumen versprochen«, antwortete Fürstin Johanna, »aber man hat mich im Stich gelassen. Und das bei einer eigenen Gärtnerei.«

Prinz Hans war nicht der, bei dem alles immer perfekt zu sein hatte. Ganz im Gegenteil, er wußte, daß Improvisationen oft mehr Freude bereiteten. Deshalb lachte er seine Großmutter jetzt auch lieb an.

»Oje«, sagte er, »du weißt, daß ich Blumen lieber im Garten sehe. Und künstlich zusammengestellte Sträuße mag ich schon mal gar nicht. Wer hat dich denn im Stich gelassen?«

»Marianne Burgner…!«

»Oh.« Hans tat erstaunt. »Das muß dich allerdings enttäuschen. Was hast du ihr denn aufgetragen?«

»Daß sie einen Blumenstrauß arrangiert«, antwortete seine Großmutter. »Und zwar einen, der nicht künstlich zusammengestellt ist.«

»Das hat sie versprochen?« Hans lächelte. »Das gibt’s doch gar nicht. Alle Blumensträuße sind mehr oder weniger künstlich arrangiert.«

»Der Gustl hätte einen gebracht«, erwiderte die Fürstin, »der hätt’ nicht künstlich ausgeschaut. Was der versprochen hat, das hat er auch gehalten.«

Im gleichen Augenblick wurde die Tür des Schlosses geöffnet, und Nanni kam herein. Sie hatte rote Wangen, und auf ihrer Stirn glänzten ein paar ganz feine Schweißperlen. Als sie sah, daß Prinz Hans schon da war, erschrak sie und wurde noch dunkelroter im Gesicht.

»Entschuldigen S’, Durchlaucht«, sagte sie dann zu Fürstin Johanna, »aber rascher ging’s wirklich nicht.« Einen Blumenstrauß hatte sie offensichtlich nicht dabei.

Die Chefin des Hauses Adelsbach sah nur noch einen winzigen Augenblick ungnädig drein, dann fragte sie: »Was haben Sie denn mitgebracht? Ich sehe nichts.«

»Ich hab’ einen Strauß Wiesenblumen gepflückt«, antwortete Nanni, »deshalb hat’s auch ein bisserl länger gedauert. Und er sollt’ ja schon ein bisserl was sein.«

»Einen Wiesenblumenstrauß?« Wie die Fürstin das sagte, klang es, als habe Nanni ein Schwerverbrechen begangen. »Aber Sie sollten doch ein Blumenarragement herstellen.«

»Es sollt’ so natürlich wie möglich sein«, murmelte Nanni, die sah, wie wenig Gegenliebe ihre Idee fand.

»Wo sind denn die Blumen?« fragte Prinz Hans, der bis dahin ganz ruhig dabeigestanden war und Nanni fortwährend angesehen hatte.

»Draußen vor der Tür«, murmelte Nanni leise, weil sie meinte, alles falsch gemacht zu haben.

Bevor sie mehr sagen konnte, war Hans bei der Tür, öffnete sie, und Augenblicke später kam er mit einem Strauß Wiesenblumen herein, dessen Anblick einem fast den Atem nahm. Wunderschön arrangiert, waren alle Blumen vertreten, die man auf einer Wiese hier im Tegernseer Tal finden konnte.

Prinz Hans hielt die Blumen von sich, der Strauß war derart üppig, daß er gar nicht alle Blumen auf einmal sehen konnte.

»Er gehört in eine Vase«, sagte Nanni, »der Karli geht grad’ nach einer Vase schauen.«

Gleich darauf kam ein Junge, fünfzehn mochte er sein, brachte die mit Wasser gefüllte Vase und gab sie Nanni. Die stellte sie auf den weißen Marmortisch, stellte die Blumen hinein, dann ordnete sie sie mit raschen Händen. Als sie fertig war, trat sie einen Schritt zurück, zuckte mit den Schultern und sah Fürstin Johanna an.

»Entschuldigen S’, Durchlaucht«, murmelte sie, wobei sie den Tränen nahe war, »aber ich hab’ gemeint…!«

»Ist schon recht«, ließ die Fürstin sie nicht ausreden, »ich hätt’ Ihnen genauere Anweisungen geben müssen.«

»Ich weiß gar nicht, was du hast, Großmutter«, sagte Hans, der abwechselnd die wunderschönen zum Strauß arrangierten Wiesenblumen und Nanni ansah, »das da ist der schönste Strauß Blumen, den ich je gesehen habe.«

*

»Du willst wirklich eine Gesellschaft geben?« Christiane sah ihre Großmutter fragend an.

Die nickte. »Ja, das möchte ich. Es wird eh Zeit, daß wieder mal ein wenig Leben in dies alte Gemäuer kommt. Außerdem können wir aus zwei Anlässen gleichzeitig feiern.«

»Aus welchen?«

»Du hast dein Examen als Tierärztin bestanden«, antwortete die Fürstin, »und Hans besorgt in Zukunft die Geschäfte der Familie. Das sind zwei gute Gründe für einen Empfang.«

»Wieviel Leut’ willst du denn einladen?« fragte Christiane daraufhin.

»Nicht sehr viele«, antwortete ihre Großmutter. »Die engste Familie und ein paar gute Bekannte. Und dann kann jeder von euch beiden auch noch den einen oder anderen Freund oder wen auch immer einladen.«

»Dann könnte ich auch eine Kommilitonin einladen?« Christiane sah ihre Großmutter fragend an.

Die nickte. »Natürlich. Wegen mir auch noch einen Kommilitonen oder sonstwen. Heute sieht man das nimmer so eng.«

»Also je länger ich darüber nachdenke«, sagte Christiane, »desto besser gefällt mir dein Vorschlag.«

»Dann laß uns nicht länger herumstehen«, erwiderte Fürstin Johanna, »sondern mit den Vorbereitungen beginnen. Ich werde eine Gästeliste zusammenstellen, einen Termin heraussuchen und überlegen, was sonst noch zu beachten ist.«

»Und ich werd’ darüber nachdenken, wen ich gern dabei hätte.« Christianes Augen sprühten vor Energie.

Hans hatte nichts dagegen einzuwenden, als Christiane ihn mit der Nachricht überfiel, es würde einen Empfang auf dem Schloß geben.

»Großmutter meint, es gehört ein wenig frischer Wind in die alten Mauern«, sagte die hübsche Prinzessin. »Und wir dürfen einladen, wen wir wollen.«

Hans zeigte sich erstaunt. »Das hat Großmutter gesagt? Da schau her. Früher war das anders. Da hat eine ganz eigene Empfangsetikette gegolten. Die Gäste wurden angesagt und hatten einer nach dem anderen die Halle zu betreten.«

Christiane quietschte vor Vergnügen. »Au ja, das machen wir jetzt auch so. Die werden Augen machen.«

»Wer ist die…?«

»Einige Kommilitonen«, antwortete Christiane.

»Großmutter hat nichts dagegen, daß du Kommilitonen einlädst?« Hans’ Stimme klang noch erstaunter als vorher.

Christiane schüttelte den Kopf. »Nein, gar nichts.«

»Aha…!« Hans schien nachzudenken.

»Was überlegst du?«

»Wen ich einladen könnt’.«

»Ist dir schon jemand eingefallen?«

Hans wiegte den Kopf und lächelte dabei. »Eingefallen ist mir schon jemand.«

»Aber?«

»Da würde Großmutter garantiert streiken.«

»Aber wieso denn? Großmutter hat versprochen, daß man einladen kann, wen man will. Jetzt sag schon, wen du gern einladen würdest.« Christiane sah ihren Bruder überaus neugierig an.

Der schüttelte den Kopf. »Nein, nein, meine Idee war eh der reine Blödsinn.«

»Ist es eine Frau?« wollte Christiane wissen.

Hans lachte. »Willst du mich ausfragen?«

Aber Christiane ließ sich nicht mehr aus dem Konzept bringen. »Sag schon, ist es eine Frau?«

Ihr Bruder schüttelte den Kopf. »Nein, keine Frau.«

Christiane war enttäuscht, das sah man ihr an. »Dann willst du sicher einen deiner Geschäftspartner einladen.«

»Nein, weder einen Geschäftspartner noch eine Frau. Wenn, dann würd’ ich gern ein Mädchen einladen.«

»Ein Mädchen?« Christiane wirkte erschrocken. »Was denn für ein Mädchen.«

»Ein sehr hübsches und sehr liebes Mädchen…!«

»Ein kleines Mädchen, ich meine, ein Kind?«

Hans schüttelte den Kopf. »Nein, kein Kind.«

»Dann also doch eine Frau…!«

»Sie ist noch keine Frau«, murmelte Hans.

»Ich kann mir vorstellen, was du meinst. Du bist aber in sie verliebt?«

»So gut kenne ich sie noch nicht.«

Zwischen Hans und Christiane hatte es schon früher öfter solche Wortgeplänkel gegeben, und beide hatten immer einen Mordsspaß daran gehabt.

»Laß uns mal festhalten, was wir bis jetzt sicher wissen«, sagte die bildhübsche Prinzessin, »sie ist kein Kind mehr, eher Frau, aber noch nicht ganz. Du würdest sie gerne einladen, meinst aber, Großmutter würde da nicht mitmachen. Möglicherweise bist du sogar in sie verliebt, meinst aber, dazu müßtest du sie besser kennenlernen. Ist das exakt ausgedrückt?« Christiane sah ihren Bruder mit ihren großen dunklen Augen fragend an.

Der nickte lachend. »Ja, so könnte man es im Wesentlichen schildern.«

Da atmete Christiane tief durch. »Oje. Mein Bruder wird bald Fürst Adelsbach sein und ist wahrscheinlich verliebt. So ganz sicher ist er sich aber nicht. Das kann ja heiter werden.«

*

Lothar Prinz Adelsbach volontierte bei einer Münchener Bank, um, wie er immer wieder betonte, eines Tages die finanziellen Belange der Familie verantwortlich führen zu können.

Lothar hatte gleich nach dem Abitur, das er auf einem Schweizer Internat mit viel Mühe abgelegt hatte, ein Studium der Betriebswirtschaft begonnen, es aber rasch wieder abgebrochen, um, wie er betonte, praxisnäher ausgebildet zu werden.

Sein Bruder Hans hatte ihm daraufhin bei einer Münchener Privatbank die Volontärstelle besorgt, die Lothar heute noch innehatte. Der Chef der Bank stand mit Adelsbach seit Jahren in geschäftlichen Beziehungen, und Hans war ihm freundschaftlich verbunden.

Lothar bewohnte im Süden Münchens eine sehr schmucke Wohnung, die zum Bestand der Wohnungen gehörte, die im Besitz Adelsbachs waren. Vor wenigen Minuten erst, es war kurz vor Mittag, als das Telefon läutete, war Lothar aufgestanden. Er benötigte dann eine Viertelstunde im Bad, kleidete sich rasch an, verzichtete auf ein Frühstück und fuhr anschließend in die Münchener Innenstadt.

Als er seinen PS-starken Sportwagen vor einem Biergarten parkte, war es halb eins. Er betrat den Biergarten, sah sich suchend um, und als ihm jemand winkte, ging er auf ihn zu, setzte sich wortlos an dessen Tisch und bestellte sich ein Bier.

»Wir haben schon lange nichts mehr von dir gehört«, sagte der Gutgekleidete. »Müssen wir uns Sorgen um unser Geld machen?«

»Quatsch…!« Lothar wischte sich den Schaum des Bieres von den Lippen. »Ihr habt euer Geld noch immer bekommen.«

Der Gutgekleidete, er hieß Hubertus Bogner und ließ Lothar nicht aus den Augen, erwiderte: »Ja, aber bisher hast du auch immer pünktlich gezahlt. Wir mußten dir nie eine Terminverlängerung geben.«

»Das wird auch nicht mehr vorkommen«, sagte Lothar. »In der nächsten Woche habt ihr euer Geld. Wieviel ist es dann genau?«

»Wann nächste Woche…?«

»Freitag.«

Bogner zog einen Taschenrechner aus der Jacke, tippte einige Zahlen ein und antwortete dann: »Zweihundertdreiundvierzigtausend Mark. Inklusive Gebühren Zweihundertfünfzigtausend.«

Prinz Lothar wurde blaß. »Wie bitte? Ich hab’ an dem Abend mal gerade hunderttausend verloren. Nicht mal ganz.«

»Ja«, Bogner nickte, »aber das ist schon annähernd vier Wochen her. Und du weißt, wie Zinsen von Spielschulden berechnet werden, nämlich täglich.«

Lothar war wütend. »Ihr seid…!«

Hubertus Bogner hob eine Hand. »Sei nicht so dumm und sage Dinge, die du später bereust. Du weißt, daß Manni da keinerlei Spaß versteht.«

»Manni, Manni«, erwiderte Lothar aufgebracht, »wieso hat der plötzlich das große Sagen?«

»Tja.« Bogner zuckte mit den Schultern. »So ein Machtwechsel geht oft sehr rasch vonstatten, und Manni war letztendlich derjenige mit dem längsten Atem.«

»Oder hatte er die brutalsten Schläger auf seiner Seite?« Noch immer hatte Lothar von Adelsbach sich nicht beruhigt.

»Laß Manni das nicht hören«, sagte Bogner. »Er kann schon sehr brutal sein, aber das ist in dem Geschäft kein Nachteil, ganz im Gegenteil.« Dann sah er Lothar direkt an. »Ich an deiner Stelle würde ja auf einen seiner Vorschläge eingehen.«

Lothar lachte kurz auf. »Daß ich noch weiter in seine Abhängigkeit gerate?«

Daraufhin zuckte Bogner mit den Schultern. »Du mußt wissen, wie rasch du das Geld beschaffen kannst. Eine Viertelmillion ist keine Riesensumme, aber es sind auch keine Peanuts.«

»Ihr bekommt euer Geld…!«

»Freitag nächster Woche. Eine Viertelmillion. Oder du hörst dir den einen oder anderen Vorschlag Mannis an.«

»Das brauche ich nicht«, brummelte Lothar von Adelsbach, dann bestellte er einen Espresso.

Daraufhin stand Bogner auf. Er lächelte freundlich. »Also, bis Freitag in der nächsten Woche. Du kommst zu uns. Bis siebzehn Uhr muß das Geld da sein, oder…!«

»Willst du mir drohen?« Lothar trank den Espresso in einem Zug aus und zündete sich eine Zigarette an.

Bogner lächelte. »Warum sollte ich dir drohen? Fasse es als gutgemeinten Rat auf. Wenn Manni ärgerlich wird, dann kann er sehr unangenehm werden, das war alles, was ich dir sagen wollte.«

*

Robert Schwartz hatte Landschaftsarchitektur studiert und sich anschließend auf Gartenbau spezialisiert. Er war zweiunddreißig Jahre alt und seit anderthalb Jahren Chef der Adelsbachschen Gärtnereien und Baumschulen.

Die Gärtnereien und Baumschulen lieferten seltene Züchtungen in alle Welt, hatten seit Gustav Burgners Zeiten einen festen Kundenstamm, der von den Produkten aus Adelsbach überzeugt war, und wie es aussah, war Robert Schwartz genau der Mann, der die Erfolge der Betriebe weiterzuführen imstande war.

Robert war ein großer und sportlich aussehender Mann, zweiunddreißig Jahre alt und immer in Bewegung. Er verstand es, seine Mitarbeiter zu motivieren, und wenn er einmal Zeit hatte, dann schrieb er sehr beachtliche Fachartikel in Gartenbauzeitschriften oder bereitete Vorträge vor.

An jenem Tag saß er in seinem Büro, das im Verwaltungstrakt der Adelsbachschen Verwaltung untergebracht war, als es an seine Tür klopfte und gleich darauf Prinzessin Christiane bei ihm eintrat.

Robert war so erschrocken, daß er beim Aufstehen den Stuhl umstieß und zuerst keinen Ton herausbekam. Schließlich mühte er sich doch ein »Grüß Gott, Hoheit« ab.

»Grüß Grott, Herr Ingenieur«, erwiderte Christiane. Sie nannte Robert immer dann mit seinem Titel, wenn er sie mit ›Hoheit‹ anredete.

Sie setzte sich auf die Kante seines Schreibtischs und lachte ihn sehr freundlich an.

»Ich hab’ einen Anschlag auf Sie vor«, fuhr sie dann fort.

»Ja bitte?« Robert sah die hübsche Prinzessin fragend an.

»Ich würd’ Sie gern zu einem Empfang hier bei uns auf Schloß Adelsbach einladen«, antwortete diese. »Zu meinem Examen und zu meines Bruders Rückkehr möchte meine Großmutter einladen. Zu diesem Empfang kommen auch einige Kommilitoninnen, und wir haben einen Mann zu wenig. Kurzum, ich möcht’ Sie bitten, Tischherr für meine Kollegin Monika Herbst zu sein.«

In Robert Schwartz’ Gesicht spiegelte sich dessen Seelenzustand schon immer sehr deutlich wider, auch jetzt sah man, wie sehr ihn berührte, was die Prinzessin zu ihm gesagt hatte. Als sie sagte, daß sie ihn einlade, spiegelte sein Gesicht seine Freude deutlich wider, um im gleichen Moment, als sie sagte, daß er den Tischherrn für eine ihrer Kolleginnen spielen solle, deutlich zu machen, wie enttäuscht er war.

»Was ist, Herr Ingenieur?« fragte Christiane, »kann ich mit Ihnen rechnen?«

Robert Schwartz deutete eine Verbeugung an und nickte.

»Selbstverständlich dürfen Sie mit mir rechnen, Hoheit.«

»Können S’ das nicht weglassen?«

»Was?«

»Die Anrede Hoheit.«

Robert schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, daß das passend wäre.«

»Aha, dann eben nicht.« Christiane stand auf und ging zur Tür.

Robert folgte ihr, einen kurzen Moment sahen sie sich aus kurzer Entfernung in die Augen.

»Sie bekommen eine schriftliche Einladung, Herr Ingenieur«, sagte die Prinzessin, »und üben S’ bis dahin noch ein bisserl Tanzen. Es kann nämlich sein, daß ich Sie mal auffordere, und dann wollen S’ sich doch nicht blamieren, oder?«

*

»Also, Sonnabend in vierzehn Tagen wird der Empfang stattfinden«, sagte Fürstin Johanna ein paar Tage später zu Hans, als der nachmittags bei ihr im Salon auftauchte. »Wen möchtest du eigentlich einladen? Ich frage, weil ich die Einladungen verschicken lassen will.«

»Das steht noch nicht fest«, antwortete Hans ausweichend.

»Was heißt das?« Die Fürstin sah ihren ältesten Enkel fragend an.

»Das heißt, daß ich die Dame noch nicht gefragt habe, ob sie der Einladung auch Folge leisten würde.«

»Wie bitte?« Fürstin Johanna starrte ihren Enkel an, als sei der nicht ganz bei Trost. »Willst du etwa andeuten, daß irgendwer die Einladung des designierten Fürsten Adelsbach nicht annehmen könnte?«

»Wieso sollte das nicht einmal passieren?«

»Es ist bisher noch nie passiert, mein Junge.«

»Na ja, es ist ja auch nicht gesagt, daß… daß sie absagen würde«, erwiderte Hans. »Außerdem fürchte ich weniger ihre Absage als das, was du dazu sagen würdest, wenn ich sie einlade.«

Wie in Zeitlupe drehte Fürstin Johanna den Kopf so, daß sie Hans geradewegs ansehen konnte.

»Was heißt denn das schon wieder?« fragte sie. »Willst du sagen, daß ich was gegen die Frau hätte, die du einladen willst?«

»Das weiß ich eben nicht«, antwortete Hans.

»Wen willst du denn einladen?« fragte daraufhin seine Großmutter. »Wenn du befürchtest, ich könne was dagegen haben, dann muß ich sie ja kennen.«

»Sicher kennst du sie, besser als ich.«

»Dann red nicht um den heißen Brei herum. Wer ist das Madel?«

Hans lächelte. »Du ahnst es also schon?«

»Was ahne ich?«

»Weil du Madel gesagt hast, sie ist nämlich eher noch ein Madel. Jedenfalls eher ein Madel als eine Frau.«

»Herrschaftszeiten, Bub«, sagte daraufhin Fürstin Johanna. »Wen um Himmels willen willst du mir da präsentieren? Jutta von Illen ist es sicher nicht. Die ist nämlich meilenweit davon entfernt, noch ein Madel zu sein.«

»Nein«, Prinz Hans schüttelte lachend den Kopf, »Jutta von Illen ist es nicht.«

»Wer ist es dann?«

»Marianne Burgner…!«

Daraufhin war es eine ganze Weile mucksmäuschenstill im Salon der Fürstin. Bis Hans sich räusperte und wissen wollte, warum seine Großmutter nichts sage.

»Nach der Vorrede hätte ich zwar mit einigem gerechnet«, antwortete die, »aber damit nicht. Du willst allen Ernstes die Nanni einladen?«

Hans nickte. »Ja, ich bin fest entschlossen.«

»Warum, um alles in der Welt, willst du denn Nanni Burgner einladen?«

»Tja«, Hans zuckte mit den Schultern, »warum will ich dieses Mädchen einladen? Daß sie noch ein Mädchen ist, darin sind wir beide uns doch einig, oder?«

Die Fürstin nickte. »Ja, da sind wir einig. Aber beantworte bitte meine Frage. Was bewegt dich, Nanni einzuladen?«

»Sie hat mir einen so schönen Strauß Wiesenblumen…!«

»Hans, bitte«, murmelte die Fürstin, »es ist beileibe keine Sache, über die wir scherzen sollten. Es ist immer eine wenig dankbare Sache, wenn man mit Bediensteten auch privat verkehrt. Das bringt nur ganz selten den gewünschten Erfolg.«

»Ich scherze nicht, Großmutter«, erwiderte Hans.

»Was soll dann die Idee, die Nanni einladen zu wollen?«

Fürstin Johanna sah ärgerlich drein.

»Gefällt sie dir etwa? Erwägst du ernsthaft, sie zur Frau zu nehmen?«

»Aber, Großmutter…!« Hans schüttelte den Kopf. »Was ist denn schlimm daran, wenn ich Marianne einlade? Deswegen muß ich sie doch nicht gleich zur Frau zu nehmen. Sie ist ein sehr nettes und sympathisches Mädchen ohne Allüren.«

»Die du ihr möglicherweise in den Kopf setzt.«

»Glaubst du das wirklich?« Hans sah seine Großmutter fragend an.

Die nickte sofort, um gleich darauf abzuwägen. »Nein, das glaube ich eigentlich nicht. Aber wenn ein Prinz Adelsbach ein Mädchen zu einem Empfang einlädt, dann wird dieses Mädchen andere Vorstellungen entwickeln, als wenn sie mit irgendeinem Burschen zu einer Kirchweih geht.«

»Du meinst«, erwiderte Hans, »Marianne würde nicht darauf schauen, ob sie jemand liebt, sondern sie würde ihre Gunst danach verschenken, wer wer ist? Meinst du das?«

Fürstin Johanna atmete tief durch, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, das meine ich natürlich auch nicht. Ich glaube nicht, daß die Nanni derartig denken würde. Ich glaube, sie wird eher nach ihrem Gefühl gehen.«

»Dann werde ich sie einladen«, erwiderte Hans.

»Du erhoffst dir was, oder?« fragte seine Großmutter.

Prinz Hans nickte. »Ja, ich erhoffe mir was.«

»Und was?«

»Einen gelungenen Empfang.«

*

An jenem Abend, als der Empfang stattfand, strahlte Schloß Adelsbach im Schein vieler Lichter. Weithin konnte man sehen, daß auf Schloß Adelsbach wieder mal ein Empfang war. Früher, zu des alten Fürsten Zeiten, hatte es in jeder Saison mehrere Empfänge und Bälle gegeben, denn Fürst Franz war ein sehr lebenslustiger Mensch gewesen.

Als er jedoch verstarb und später dann auch noch sein Sohn und seine Schwiegertochter bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kamen, wurde es stiller auf Adelsbach, Feste wurden nicht mehr gefeiert. Fürstin Johanna war der Ansicht, nach den Schicksalsschlägen gäbe es keinen Anlaß mehr.

Geladen waren an jenem Abend etwa hundert Gäste. Prinz Hans hatte seine Einladung Marianne selbst überbracht. Er war in die Gärtnerei gegangen, hatte Nanni gesucht und sie weiter hinten bei einem großen Blumenbeet gefunden. Sie sah auch jetzt wunderschön aus, und Hans wunderte sich, warum sie nicht längst einen Freund hatte. Seine Großmutter hatte ihm nämlich verraten, daß Nanni noch solo sei.

»Hallo, schöne Gärtnerin«, hatte er sie begrüßt.

Nanni war herumgefahren und hätte, als sie Hans sah, vor Schreck fast den kleinen Handrechen fallen lassen. Sie war puterrot geworden und hatte gesagt: »Jetzt haben S’ mich aber erschreckt, Hoheit.«

»Das tut mir leid.«

»Es braucht Ihnen nicht leid zu tun.« Nanni hatte zaghaft gelächelt. »Wollen S’ Blumen holen, Hoheit? Vielleicht noch mal einen Strauß bunter Wiesenblumen?«

Prinz Hans hatte den Kopf geschüttelt. »Ich wollt’ Sie zu einem kleinen Empfang einladen. Meine Großmutter ist der Ansicht, daß sie zum bestandenen Examen meiner Schwester ein kleines Fest geben sollte. Und da würde ich Sie gerne einladen.«

Nanni hatte Hans angestarrt, als hätte er ihr ein unanständiges Angebot unterbreitet.

»Sie… Sie wollen mich einladen? Zu einem Empfang im Schloß? Aber… aber das geht doch nicht.«

»Sie wollen also nicht?«

»Doch, ich will schon.« Plötzlich war Nanni mit roten Wangen dagestanden.

Hans hatte sie angelächelt, die schriftliche Einladung aus der Tasche gezogen und sie ihr gegeben.

»Bitte«, hatte er gesagt, »ich würde mich riesig freuen, wenn Sie kommen würden. Meine Großmutter läßt Sie herzlich grüßen, und auch sie freut sich, Sie auf unserem kleinen Empfang zu sehen.«

Nanni war, auch als Prinz Hans die Gärtnerei schon wieder verlassen hatte, mit der Einladung in Händen dagestanden. Es hatte lange gedauert, bis sie den Umschlag geöffnet, den Bogen herausgenommen und die persönlich gehaltene Einladung gelesen hatte.

Als sie abends nach Hause gekommen war, hatte sie die Einladung zuerst ihren Eltern gezeigt. Wortlos hatte sie ihnen den Umschlag hingehalten, ihre Mutter hatte ihn geöffnet und gelesen.

»Deine Tochter ist auf Schloß Adelsbach eingeladen«, hatte Anni Grubner gesagt und die Einladung Nannis Vater gegeben.

Der hatte sie durchgelesen, Nanni angesehen und gefragt: »Hast du denn was Gescheites zum Anziehen? In Jeans kannst du da nämlich nicht hingehen.«

Nannis Vater Werner, er war für seinen trockenen Humor bekannt, hatte vorgeschlagen, sie solle die Einladung ihrem Großvater zeigen. »Mal sehen, was der sagt.«

Gustl Burgner hatte die Augenbrauen hochgezogen und den Kopf geschüttelt.

»Komische Sitten sind das«, hatte er gesagt, »früher hätt’s etwas derartiges nicht gegeben.« Dann hatte er Nanni den Umschlag zurückgegeben und keinen Ton mehr dazu gesagt.

An jenem Abend, als das Fest dann stattfand, war Nanni derart aufgeregt, daß sie am liebsten abgesagt hätte. Sie hatte lange überlegt, was sie anziehen sollte, und sich entschieden, ein ganz schlicht gehaltenes Kleid anzuziehen, zumal Hans ihr gesagt hatte, daß man keine Abendkleidung vorschreibe. Auch seine Schwester verzichtete auf eine spezielle Abendgarderobe.

Als Nanni Hans noch mal begegnet war und von ihm wissen wollte, ob er keine Idee habe, was sie anziehen könnte, hatte er geantwortet, wer einen solch schönen Wiesenblumenstrauß zusammenstelle, der habe genug Phantasie, um sich selbst um seine Garderobe zu kümmern. Dann hatte er noch hinzugefügt, daß er ihr einen Wagen schicken werde, um sie abzuholen.

»Aber ich kann doch selbst mit meinem Wagen fahren«, hatte Nanni geantwortet.

»Sie sind mein persönlicher Gast, Marianne«, hatte Hans mit einem Lächeln um die Mundwinkel geantwortet, »ich werde Ihnen einen Wagen schicken.«

Nannis Eltern und ihr Bruder Jens standen hinter den Fenstern, als der Wagen kam, nur ihr Großvater begleitete Nanni bis zum Wagen. Er hatte sie lange angesehen, als sie sich ihm in ihrem Kleid, das sie selbst geschneidert hatte, präsentierte, und hatte sie schließlich sehr lieb angelächelt.

»Ich hab’ nie ein hübscheres Madel als dich gesehen«, sagte er. »Paß gut auf dich auf, Nanni…!«

An diese Worte mußte sie denken, als der Wagen vor dem Portal des Schlosses vorfuhr, und der Fahrer, sie kannte ihn nicht, ihr die Tür aufhielt, um sie aussteigen zu lassen. Es standen schon einige Wagen auf dem Platz vor der Freitreppe, und plötzlich hatte Nanni Angst, sich zu weit vorgewagt zu haben.

Doch gerade, als sie überlegte, wie sie noch mal davonkommen konnte, stand Prinz Hans vor ihr. Er strahlte sie an und sagte: »Ohne die anderen gesehen zu haben, möchte ich behaupten, Nanni, Sie sind ganz bestimmt die schönste Frau des Abends.«

Nanni bekam rote Wangen und war nicht imstande, irgendwas zu antworten. Sie hatte einiges fragen wollen, doch nun war sie wie gelähmt.

Hans nahm ihren Arm und schritt mit ihr die Treppe hinauf. Als sie die Marmorhalle betraten, stand auf dem weiß-marmornen Tisch wieder ein Wiesenblumenstrauß.

»Ihrer damals war zwar viel schöner«, raunte Hans ihr zu. »Ich hab’ jedoch gemeint, ich müßt’ was präsentieren, das Sie kennen. Daß Sie sich nicht gar so einsam fühlen.«

Plötzlich hatte Nanni das Gefühl, an der Nase herumgeführt zu werden. Sie meinte, Hans wollte sich auf ihre Kosten amüsieren. Sie blickte ihn von der Seite an, aber sein Gesicht sah aus wie immer: Neutrale Mimik, ohne etwas von seinen Gemütsregungen zu verraten.

»Hallo, Großmutter…!« Prinz Hans stand mit Nanni plötzlich vor der Fürstin. »Marianne Burgner kennst du ja.«

»Mein liebes Kind.« Die Fürstin sah Nanni erstaunt an. »Wo haben S’ denn dieses wunderschöne Kleid her? Es muß sündhaft teuer gewesen sein.«

»Würdest du uns entschuldigen?« fragte Hans.

»Du wirst dich noch einen Augenblick gedulden müssen, mein Junge«, erwiderte seine Groß­mutter, »zuerst möchte ich ein paar Worte mit Nanni reden.« Dann nahm sie Nannis Arm und ging mit ihr ein paar Schritte weiter.

»Kind«, sagte sie dann zu Nanni, »ich weiß nicht, was Hans zu Ihnen gesagt hat, aber Sie sind als seine Begleiterin hier. Und als diese werden Sie neben mir und Hans stehen, um die anderen Gäste zu begrüßen. Es tut mir leid…!«

Nanni meinte in dem Moment, es kippe ihr jemand einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf.

»Geben S’ den Leuten einfach die Hand«, fuhr die Fürstin fort, »und lächeln S’. Sagen S’ am besten gar nichts. Wenn es was zu reden gibt, dann tu’ ich das.«

»Durchlaucht, ich…!«

»Lassen S’ die Durchlaucht mal weg, Kindchen«, sagte Fürstin Johanna, »zumindest heute abend.« Dann lächelte sie zuversichtlich. »Also Sie schauen hinreißend aus. Sie werden sich höchstens mit Christiane um die Schönste des Empfangs streiten müssen.«

Dann kam Hans, lächelte seine Großmutter freundlich an und sagte: »Ich vermute, daß du Marianne instruiert hast. Das wäre nicht nötig gewesen.«

»Du hast offensichtlich keinerlei Ahnung von der Psyche einer Frau«, erwiderte seine Großmutter. Dann drückte sie nochmals Nannis Hans und lächelte sie überaus freundlich an. »Es wird schon werden, Kindchen, machen Sie sich mal keine Sorgen. Wenn Ihr Großvater Sie so sehen könnt, oje, Gustl…!«

Dann betrat Nanni an Hans von Adelsbachs Seite den großen Salon und nahm an der Kopfseite zwischen ihm und der Fürstin Aufstellung. Sie meinte in dem Moment, sie müsse sterben. Noch nie in ihrem Leben hatte ihr Herz so rasch geschlagen, und noch nie hatte sie sich vor den nächsten Minuten derart gefürchtet wie gerade in dem Augenblick.

»Graf und Gräfin von Rodegg«, meldete in dem Moment der Diener Karl die ersten Gäste. Ein mittelaltes Paar kam zur Tür herein, begrüßte zuerst Fürstin Johanna, dann Nanni und

Hans.

Der Graf hatte Nanni die Hand geküßt, während seine Frau das Mädchen an Hans’ Seite mit unverhohlener Neugierde ansah.

»Graf Holderbach und Baronin von Steinheim«, meldete Karl die nächsten Gäste.

So ging es weiter, bis ganz zum Schluß Christianes Kommilitonin Monika Herbst und Robert Schwartz, der Gartenbauingenieur, gemeldet wurden. Als er Nanni zwischen Fürstin Johanna und Prinz Hans die Gäste begrüßen sah, wäre ihm fast das Herz stehen geblieben.

»Nanni«, murmelte er, nachdem er die Fürstin und deren Enkel begrüßt hatte, »was um alles in der Welt machst du denn hier?«

»Das könnt’ ich dich auch fragen«, erwiderte das hübsche Mädchen. Just in dem Moment kam als Ehrengast des Abends Christiane die Treppe herunter. Sie sah hinreißend aus, und Fürstin Johanna hatte recht gehabt, nur sie oder Nanni Burgner kamen als Schönste des Abends in Frage. Dies war zwar kein offizieller Titel, aber kein Ball oder Empfang war gegeben worden, bei dem sich die Gäste nicht über die Schönste des Abends einig gewesen wären.

Dann begann die Kapelle zu spielen, und Christiane eröffnete den Abend, indem sie mit Graf Rodegg tanzte. Der fühlte sich geschmeichelt, als er darum gebeten wurde, mit dem Ehrengast des Abends den gemütlichen Teil des Empfangs zu eröffnen.

Hans wich Nanni nicht von der Seite. Als er sie um den ersten Tanz bat, zögerte sie einen Augenblick, doch bevor sie ablehnen konnte sagte Hans: »Bitte… ich habe mich so darauf gefreut, mit Ihnen zu tanzen.«

Das kam so ehrlich und freundlich heraus, daß Nanni, die immer noch das Gefühl hatte, als ob Hans sich über sie lustig machte, die Bedenken über Bord warf und mit ihm tanzte.

Als Hans seinen Arm um ihre Schultern legte und sie die ersten Takte mit ihm tanzte, meinte Nanni, in einem Film zu sein. Sie spürte die Blicke der anderen, und sie spürte, wie Hans sie an sich zog und wie sie mit ihm über das Parkett glitt.

Als der Tanz zu Ende war, bedankte Hans sich bei ihr und sagte, er wolle sie jemand vorstellen.

Nannis Herz schlug heftiger als sonst, als sie fragte: »Wem denn?«

»Meiner Tante Sophie«, antwortete Hans. »Sie haben Sie vorhin beim Empfang schon kennengelernt, aber Sie möchte das hübsche Mädel an meiner Seite, so hat sie zu mir gesagt, ein bisserl näher anschauen.«

Nanni blieb stehen und atmete tief durch. »Ich kann das alles gar nicht glauben«, murmelte sie.

»Was denn?«

»Das hier alles.« Nanni sah sich rasch um. »Ich bin ein Gärtnermädchen und gehöre nicht in eine solche Gesellschaft. Ich hab’ das Gefühl, daß ich mir was nehm’, was mir nicht zusteht. Vor allem, daß das böse Erwachen noch kommen wird.«

Hans blieb mitten im Salon stehen. Um sie herum wurde getanzt und gescherzt, doch er sah Nanni plötzlich mit ernstem Blick an.

»Wissen Sie«, fragte er, »daß Sie mich faszinieren, seit ich Sie zum ersten Mal im Salon meiner Großmutter gesehen hab’? Und wenn Sie träumen, dann träum’ ich auch. Aber anders als Sie.«

»Was soll das denn heißen?« Nanni schluckte, plötzlich hatte sie einen trockenen Mund.

»Verzeihen Sie, Marianne«, murmelte Hans von Adelsbach, »aber ich glaub’, ich hab’ mich in Sie verliebt.«

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