Heimatkinder 30 – Heimatroman - Carola Vorberg - E-Book

Heimatkinder 30 – Heimatroman E-Book

Carola Vorberg

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Beschreibung

Die Heimatkinder verkörpern einen neuen Romantypus, der seinesgleichen sucht. Zugleich Liebesroman, Heimatroman, Familienroman – geschildert auf eine bezaubernde, herzerfrischende Weise, wie wir alle sie schon immer ersehnt haben. "Stell dir vor, Mami, heut' haben die Hühner sechs Eier gelegt. Freust du dich?" Stolz hielt Markus seiner Mutter den Korb mit den Eiern entgegen. "Da können wir morgen schon welche verkaufen", berichtete er weiter. "Wenn sie morgen auch legen." Franziska fuhr ihrem Sohn sacht mit der Hand über den Strubbelkopf. "Ja, Markus, das ist fein. Und ich bin sicher, daß sie bestimmt legen werden." Markus preßte seinen rechten Zeigefinger gegen die Nase. Franziska mußte lächeln, als sie diese Geste beobachtete. Jetzt denkt er nach, dachte sie zärtlich. "Und wenn wir uns noch mehr Hühner anschaffen", sinnierte Markus, "haben wir reichlich Eier und gute Einnahmen. Dann brauchst du vielleicht nimmer so hart zu arbeiten."

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Heimatkinder –30–

Kleiner Bub ganz groß

Markus mischt sich ein

Roman von Carola Vorberg

»Stell dir vor, Mami, heut’ haben die Hühner sechs Eier gelegt. Freust du dich?« Stolz hielt Markus seiner Mutter den Korb mit den Eiern entgegen. »Da können wir morgen schon welche verkaufen«, berichtete er weiter. »Wenn sie morgen auch legen.«

Franziska fuhr ihrem Sohn sacht mit der Hand über den Strubbelkopf. »Ja, Markus, das ist fein. Und ich bin sicher, daß sie bestimmt legen werden.«

Markus preßte seinen rechten Zeigefinger gegen die Nase.

Franziska mußte lächeln, als sie diese Geste beobachtete. Jetzt denkt er nach, dachte sie zärtlich.

»Und wenn wir uns noch mehr Hühner anschaffen«, sinnierte Markus, »haben wir reichlich Eier und gute Einnahmen. Dann brauchst du vielleicht nimmer so hart zu arbeiten.«

Franziska strich sich müde die Schürze glatt. »Unser Stall ist doch gar net groß genug.«

»Hm, schad’. Ich hätt’ dir so gern geholfen.«

»Ach, Markus, du sollst mir doch gar net so viel helfen. Du machst schon viel zu viel für dein Alter. Du sollst mit deinen Freunden spielen und net immer die Hausarbeit verrichten. Das ist doch meine Sach’.«

»Nein, Mami«, erwiderte Markus ernst. »Du kannst net alles machen. Du gehst zur Arbeit, da kann ich dir wenigstens bei der Wirtschaft helfen. Und außerdem bin ich schon fast erwachsen. Schließlich werd’ ich im Sommer zwölf.«

»Ja, Markus, ich weiß das. Und ich bin stolz auf meinen großen, vernünftigen Buben.«

Markus lehnte sich an sie. »Wir haben doch nur noch uns beide, Mami«, flüsterte er.

Franziska spürte, wie die Tränen in ihr hochstiegen. Hastig wischte sie sich mit der Hand über die Augen. »Ja, wenn dein Vater noch leben würde«, sagte sie sehnsüchtig.

»Der Vater ist jetzt oben im Himmel und schaut auf uns herunter. Er will bestimmt net, daß wir traurig sind«, versuchte Markus seine Mutter ein wenig zu trösten.

»Nein, Bub, das will der Vater gewiß net. Er wär’ bestimmt sehr glücklich über seinen Sohn«, fügte sie leise hinzu.

»Er sieht mich doch, das hast du immer gesagt«, wandte Markus ein. »Oder meinst, daß er im Himmel net stolz auf mich sein darf?« fragte er dann zweifelnd.

Franziska lächelte unter Tränen. »Sicher ist er im Himmel auch stolz auf dich.«

Markus meinte plötzlich ziemlich kläglich: »Ich hab’ Hunger, Mami.«

»So ist es recht. Wenden wir uns lieber wieder irdischen Dingen zu«, entgegnete Franziska ein wenig fröhlicher. »Komm, ich mach’ uns etwas Gutes zu essen. Was möchtest denn, Markus?«

Der Bub fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Wo wir jetzt so viele Eier haben«, sagte er zögernd, »wär’ es schön, wennst uns einen Eierschmarren machen würdest. Oder meinst gar, wir sollten sie alle verkaufen? Wär’ doch gewiß besser. Wir könnten das Geld gut gebrauchen«, fügte er altklug hinzu.

»Du sollst deinen Eierschmarren bekommen«, entgegnete Franziska fest. »Es schad’ nix, wenn wir etwas weniger Eiergeld haben. Bald bekomm’ ich ja meinen Lohn. Und einen Liter Milch hab’ ich auch dabei. Wir richten uns einen richtigen Festschmaus.«

»Au fein, Mami. Soll ich dir helfen?«

»Hast denn deine Schulaufgaben schon gemacht?« fragte Franziska streng.

»Ähm, noch net ganz.«

»Dann geh rasch und setz dich zum Lernen hin. Sonst schimpft der Lehrer nachher mit dir.«

»Oh, ich kenn’ schon meine Aufgaben. Ich müßt’ sie nur noch in das Heft eintragen. Aber ich weiß sie ganz gewiß auswendig.«

»Bitte, trag sie in dein Heft ein.« Franziska fiel es schwer, ihrem Sohn gegenüber unerbittlich zu bleiben. Doch Markus’ Schulausbildung lag ihr sehr am Herzen. Er war ein fleißiger und braver Bub. Da er keinen Vater mehr hatte, war er ein wenig frühreif. Er versuchte der Mutter zu helfen, wo es nur ging. Dabei kam die Schule häufig zu kurz. Und das wollte Franziska auf keinen Fall.

Sie gab ihm einen Klaps. »Also geh und schreib deine Schularbeiten. Ich werd’ derweil kochen. Wenn du fertig bist, kommst zu mir in die Kuchel.«

»Ja, Mami.«

Franziska sah ihm nach, wie er mit hängenden Schultern in die Stube ging. Am liebsten hätte sie ihn zurückgehalten und ihn ein wenig verwöhnt, statt ihn zu zwingen, am Abend noch für die Schule zu arbeiten. Aber wollte Markus im Leben vorankommen, dann war ein wenig strenge Zucht notwendig. Sein Lehrer lobte ihn über den grünen Klee, doch Franziska wußte auch, daß Markus noch nicht die notwendige Einsicht hatte. Würde sie nicht genau darauf achten, daß er täglich gewissenhaft lernte, dann wären seine schulischen Leistungen gewiß nicht so gut.

Seufzend wandte sie sich um, um in die Kuchel zu gehen, doch in diesem Moment klopfte es an die Haustür. Franziska öffnete.

»Grüß Gott, Schwaigerin.« Die Nachbarin Liesel Brandhofer trat ein. »Stör’ ich?«

»Nein, Liesel, du störst net. Ich muß nur in die Kuchel und das Essen richten. Aber du kannst ja mitkommen und mit mir schwatzen.« Franziska wußte, daß Liesel gern einen Schwatz hielt, doch sie konnte das verstehen. Der Ignaz Brandhofer war ein überaus wortkarger Mann, und deshalb kam Liesel häufig zu ihrer Nachbarin, um sich das Herz auszuschütten.

»Also, ich muß schon sagen, nix als Ärger hat man mit den Leuten.« Stöhnend ließ sich Liesel auf der schmalen Küchenbank nieder. Sie war sehr füllig und hatte Schwierigkeiten beim Hinsetzen.

»Hat dein Mann wieder einen Knecht hinausgeworfen?« fragte Franziska uninteressiert.

»Ja, aber es mußt’ auch sein«, ereiferte sich die Brandhoferin. »Schließlich kann er sich ja net alles bieten lassen.«

»Vielleicht sollt’ er mehr Lohn zahlen«, schlug Franziska vor. Der Brandhofer war als Geizhals bekannt.

»Soviel wirft der Hof net ab. Nein«, Liesel schüttelte den Kopf, »die Leut’ essen und wohnen bei uns, da können wir net noch viel Geld an sie zahlen. Das geht einfach net.«

»Nun, so schlecht geht es euch doch net.«

»Noch net, Fränzi, noch net. Aber wenn wir mehr Kosten haben, dann sinkt auch unser Verdienst.«

»Bleibt aber immer noch genug übrig. Hast mir doch vor einer Woch’ erst deinen neuen Mantel mit dem Persianerkragen gezeigt. Der muß doch sündhaft viel Geld gekostet haben.«

»Als Großbäuerin kann man schließlich net in Lumpen herumlaufen.«

Franziska zuckte mit den Schultern. »Na ja, du mußt es ja wissen. Ist net meine Sach’. Wird nur schwer sein, jetzt zur Erntezeit einen neuen Knecht zu finden.«

»Dann müssen die anderen halt etwas mehr arbeiten.«

Franziska schwieg. Was sollte sie dazu sagen? Sie selbst war in abhängiger Stellung tätig. Und es war weiß Gott nicht einfach, von dem schmalen Lohn zu leben. Doch Liesel sah das selbstverständlich anders.

»Sag, Fränzi, warum heiratest eigentlich net wieder?« Liesel wollte über ein anderes Thema sprechen. »Bist doch noch jung und schaust gut aus. Es müßt’ dir doch leichtfallen, einen Mann zu finden.«

»Du weißt doch, daß ich nimmer ans Heiraten denk’«, erwiderte Franziska ruhig. »Wir haben schon so oft darüber gesprochen.«

»Du kannst doch net dein ganzes Leben lang um deinen Sebastian trauern. Dazu bist doch noch viel zu jung.«

Franziska lächelte. »Jetzt hast schon zweimal gesagt, daß ich so jung bin. Das stimmt doch net. Ich bin schon über dreißig. Nein«, sie schüttelte heftig den Kopf, »eine Heirat kommt für mich nimmer in Frage. Ich muß auch an den Buben denken.«

»Grad deshalb solltest du heiraten«, bemerkte Liesel weise. »Markus braucht einen Vater.«

Franziska dachte nach.

»Ja, vielleicht hast net so unrecht«, meinte sie zögernd. »Dem Buben fehlt ein wenig die feste Hand. Ich tu’ ja, was ich kann…« Sie zuckte hilflos mit den Schultern. »Aber ich bin ja auch den ganzen Tag weg. Manchmal mach’ ich mir schon Sorgen um meinen Buben.«

»Siehst«, rief Liesel triumphierend. »Wennst verheiratet wärst, brauchtest net arbeiten zu gehen und hättest genug Zeit, dich um den Markus zu kümmern.«

»Wer soll sich um mich kümmern?« fragte da eine helle Stimme von der Tür her. »Grüß Gott, Tante Liesel«, sagte Markus dann, als er sah, wer zu Besuch war.

Liesel Brandhofer warf ihm einen wohlgefälligen Blick zu. »Bist ein höflicher Bub, Markus«, meinte sie anerkennend.

»Danke, Tante Liesel.« Markus warf seiner Mutter einen schelmischen Blick zu.

Franziska hatte Mühe, sich ein Lachen zu verkneifen. »Hast deine Schulaufgaben gemacht?« fragte sie.

»Ja, Mami.«

»Gut, dann wasch dir jetzt die Hände. Wir können essen.«

Ein herrlicher Geruch vom Herd her ließ Markus das Wasser im Mund zusammenlaufen. »Au fein!« rief er und lief hinaus.

Schwerfällig stand Liesel auf. »Ich wünsch’ euch einen guten Appetit«, sagte sie zu Franziska. Neidvoll betrachtete sie deren Figur. »Wie du es nur allweil machst?« murmelte sie. »Bist eine exzellente Köchin und hast eine Taille, solch eine schmale hatt’ ich noch net mal in meiner Jugend.«

»Die Menge macht’s Liesel.«

»Ach, geh, ich ess’ doch auch net viel. Trotzdem nehm’ ich allweil zu. Ich versteh’s selbst net.« Sie schüttelte den Kopf. »Also, gute Nacht ihr beiden. Und wenn der Markus sich morgen allein fühlt, soll er halt zu uns kommen.«

»Ich dank dir, Liesel. Ich bin froh, wenn er ein wenig Aufsicht hat.«

»Ist schon gut«, brummte die Brandhoferin. »Schließlich sind wir Nachbarn. Und ich hab’ den Buben gern um mich.« Mit einem letzten »Pfüat euch« verließ sie das kleine Haus der Schwaigers.

*

Wie jeden Morgen verabschiedete sich Franziska zärtlich von ihrem Sohn.

»Nach der Schul’ kommst gleich heim. Ich hab’ in der Küchel eine Brotzeit für dich gerichtet. Dann machst Schulaufgaben, und nachher kannst zu den Brandhofers gehen und spielen.«

»Ich mag net zu den Brandhofers«, maulte Markus. »Der Franz ist so laut und so grob.«

Franziska seufzte. Sie mußte Markus recht geben. Franzl Brandhofer war nicht der rechte Umgang für ihren sensiblen Buben. Aber es bedrückte sie, wenn sie daran dachte, daß Markus den ganzen Nachmittag allein sein würde.

Er schien ihre Sorgen zu ahnen. »Mach dir keine Gedanken um mich, Mami«, sagte er beruhigend. »Ich mach’ alles so, wie du es mir aufgetragen hast. Und dann spiel’ ich halt allein.«

Sanft strich Franziska dem Buben über den Haarschopf. Sie seufzte leise und starrte vor sich hin in eine unbekannte Ferne.

Sebastian, schrie eine Stimme in ihr, warum kannst du net bei uns sein?

Sebastian Schwaiger war Holzfäller gewesen und bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen. Seither arbeitete Franziska bei seinem früheren Dienstherrn, dem Gutsbesitzer Viktor von Mankowski. Er zahlte ihr auch eine kleine Rente, doch es fiel Franziska schwer, ihm dafür dankbar zu sein. Schließlich hatte ihr geliebter Mann bei der Diensterfüllung für den Gutsherrn sein Leben verloren.

Nach der Schule ging Markus sofort heim, wie seine Mutter es ihm gesagt hatte. Er aß die belegten Brote, die sie ihm liebevoll mit Butter bestrichen hatte, dann setzte er sich seufzend an seine Schularbeiten. Doch schon bald hatte er alles begriffen.

Er schaute aus dem kleinen Fenster der gemütlich eingerichteten Wohnstube. Draußen fuhr Franzl Brandhofer auf seinem neuen Fahrrad vorbei. Sehnsüchtig starrte Markus auf das Rad. Wie gern hätte er auch so eins gehabt. Sogar eine Gangschaltung hatte es. Er wäre schon mit einem einfachen Radl zufrieden gewesen. Doch er wußte, daß seine Mutter so etwas von dem kleinen Einkommen, das sie hatte, nicht kaufen konnte.

Ob der Franzl ihn einmal fahren ließ? Vielleicht, wenn er ihm seine Lieblingsmurmel schenkte? Markus lief zu dem Schrank in der Kuchel, wo er seine Spielsachen aufbewahrte. Er holte die große Murmel aus der Vitrine. Fest preßte er seine Rechte um das kühle, glatte Glas. Sollte er sie hergeben für eine Runde Fahrradfahren?

Er dachte daran, wie der Franzl Brandhofer ihm vor einigen Wochen seinen tollen Fußball abgeluchst hatte. Markus wollte unbedingt auf dem Pony reiten, das den Brandhofer-Kindern gehörte. Doch schon nach wenigen Minuten hatte Franzl gestoppt.

Als Markus enttäuscht abgestiegen war, hatte der Bub kategorisch erklärt: »Mehr war dein Ball net wert.«

Nein, er würde seine schöne Murmel nicht verschenken. Er wollte überhaupt nicht mit den Brandhofer-Kindern spielen. Es war viel schöner, für sich allein zu sein und in Ruhe träumen zu können.

Markus schaute aus dem Fenster. Die Sonne stand hoch am Himmel, und es war sehr schwül. Sicher mußte die Mutter heute länger arbeiten, denn sie wollten an so einem Tag das Korn einfahren.