Ehe auf krummen Beinen - Hans Gruhl - E-Book

Ehe auf krummen Beinen E-Book

Hans Gruhl

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Beschreibung

Blasius, der vierbeinige Held des heiteren Romans «Liebe auf krummen Beinen», hat die Ehe seines Herrchens Kriminalkommissar Daniel mit der bezaubernden Fotografin Eva angebahnt. Er begibt sich nun mit der verliebten Verlobten auf die mühselig-treppenreiche Wohnungssuche, nimmt lebhaften Anteil an opulenten Hochzeitsfeierlichkeiten und bewahrt den unbeschwerten Jungvermählten im letzten Moment vor einem verführerischen Seitensprung. Zugleich wandert Blasius selbst auf krummen Freiersfüßen, und er hat aufregende Abenteuer zu bestehen, ehe er schließlich seine eigene Dackelfamilie gründen kann.

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Seitenzahl: 154

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Hans Gruhl

Ehe auf krummen Beinen

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Über dieses Buch

Blasius, der vierbeinige Held des heiteren Romans «Liebe auf krummen Beinen», hat die Ehe seines Herrchens Kriminalkommissar Daniel mit der bezaubernden Fotografin Eva angebahnt. Er begibt sich nun mit der verliebten Verlobten auf die mühselig-treppenreiche Wohnungssuche, nimmt lebhaften Anteil an opulenten Hochzeitsfeierlichkeiten und bewahrt den unbeschwerten Jungvermählten im letzten Moment vor einem verführerischen Seitensprung. Zugleich wandert Blasius selbst auf krummen Freiersfüßen, und er hat aufregende Abenteuer zu bestehen, ehe er schließlich seine eigene Dackelfamilie gründen kann.

Über Hans Gruhl

Hans Gruhl, geboren am 25. Dezember 1921 in Bad Altheide/Schlesien, promovierte zum Dr. med. und Dr. phil. Der possierliche Zerstörungswahn seines Langhaardackels inspirierte ihn zu seinen ersten vielgelesenen Büchern: «Liebe auf krummen Beinen» und «Ehe auf krummen Beinen». Die Einkünfte reichten hin, «um die notwendigsten Einrichtungsgegenstände zu ersetzen und die Umsatzsteuer zu bezahlen». Die geduldige Ausdauer seines Dackels zwang ihn jedoch weiterzuschreiben. Nun vor allem Kriminalromane, die glücklicherweise äußerst erfolgreich waren. Hans Gruhl starb am 11. Oktober 1966 in München.

Inhaltsübersicht

Ich bin Blasius, ...

Ich bin Blasius, der Langhaardackel. Einer der schönsten, die herumlaufen.

Vielleicht kennen Sie mich aus einer Geschichte, die ich früher erzählt habe. Eigentlich wollte ich nichts mehr erzählen, sondern mich nur noch meiner Familie und meinem Lebensabend widmen. Ein Deutscher wird geboren und denkt an die Altersversorgung. Beim deutschen Dackel ist es ähnlich.

Aber mein Herr Verleger und viele andere Leute liegen mir ununterbrochen in den langen Ohren. So lasse ich mich breitschlagen und erzähle die Fortsetzung meiner Erlebnisse, obwohl ich, weiß Gott, andere Sachen zu tun hätte. Außerdem kommt man zu nichts, wenn man Familie hat. Die Kinder machen den ganzen Tag Theater. Loni, meine Frau, ist ein Prachtmädchen, aber manchmal sägt sie an meinen Nerven. Die Leser unter Ihnen werden das kennen.

Dan und Eva, Herrchen und Frauchen, waren anfangs dagegen, daß ich von uns erzähle. Manches ist ihnen peinlich. Auch bei uns kam der Sturm auf und brachte das junge Glück ins Wanken. Ich werde von der Sache berichten, an der ich leider nicht ganz unbeteiligt war. Na, jetzt ist alles wieder in Ordnung, und der Haussegen hängt genau waagerecht.

Schließlich haben wir Pressefreiheit. Wo kämen wir da hin, wenn die freie Meinungsäußerung unterdrückt würde.

Und wir brauchen Geld. Dan hat einen neuen Wagen gekauft. Wunderbarer Schlitten, wirklich eine Wucht. Aber jetzt kauen sie an den Raten. Wenn ich nicht wäre, hätten sie nicht einmal mehr einen Bettelstab, um ihn ergreifen zu können. Auch mir täte es leid, wenn der Gerichtsvollzieher die Marke unter die neue Motorhaube kleben würde. In diesen schweren Zeiten muß jeder mitarbeiten.

Und die Zeiten waren schwer.

Niemals hätte ich gedacht, daß der Ehestand so anstrengend sein könnte. Die Vorbereitungen nahmen mich mehr mit als unser ganzes bisheriges Junggesellenleben.

Noch während sie verlobt waren, suchten sie eine neue Wohnung. Zuerst stritten sie sich, wer zu wem ziehen sollte. Dann fanden sie, Gott sei Dank, beide Wohnungen zu klein und machten sich auf die Suche.

Es war eine Strapaze. Wir besichtigten etwa siebzig Wohnungen. Ich lief jeden Tag zwanzig Kilometer hinter ihnen her, erstieg Legionen von Treppenstufen und hörte zu, wie sie mit Wirten und Maklern um die Baukostenzuschüsse feilschten. Am Abend jedes erfolglosen Tages machte Dan seinem Zorn Luft.

«Hast du das vernommen? Hat der Kerl die Stirn, für diesen wurmstichigen Preßluftschuppen sechstausend Mark zu verlangen –»

«Ich fand ihn sehr nett», sagte Eva. «Mir gefiel die Wohnung. »

«Wohnung? Ich höre immer Wohnung! Wenn Blasius vom Stuhl springt, fällt der Putz von der Decke. Hast du die Wände nicht gesehen? Gerade so dick wie die Sonntagsausgabe unserer Zeitung. Morgens hörst du die Nachbarn gähnen, mittags sich streiten und abends sich lieben. Sogar wenn sie sich langweilen, hörst du es.»

«Aber Dan», sagte Eva.

«Und viel zu klein! Wenn du den Küchenschrank aufmachst, verbrennst du dir den Allerwertesten am Herd. Und dieses schmale Handtuch von Toilette! Von der Tür aus ist die Brille kaum zu erkennen. Kein Fremdenzimmer! Wo willst du Besuch unterbringen, he? Unser Besuch muß anständig schlafen, in einem richtigen Bett, nicht auf der Couch unter der Stehlampe.»

So ging es jeden Tag. Als sie endlich das Richtige gefunden hatten, war ich um vier Pfund leichter und hatte Plattfüße.

Von den Möbeln legten sie die beiderseitigen besten Stücke zusammen. Jeder machte die des anderen schlecht.

«Du glaubst doch nicht im Ernst», sagte Dan, «daß ich diese Ruine von einem Schrank in meinem Heim dulde! Den geben wir dem Heizer, noch heute. Ich will nicht den ganzen Tag an deine Urgroßmutter erinnert werden und nachts das Schmatzen der Holzwürmer hören.»

«Sei ruhig», sagte Eva wütend. «Er gehört zu meiner Aussteuer.»

« Ha », machte Dan voller Hohn und schlug die Augen zur Decke. «Deine Aussteuer! Daß ich nicht lache! Schön billig haben sie dich losgeschlagen, das muß ich wirklich sagen! Den ganzen Unrat, den sie nicht mehr brauchen können, haben sie dir aufgehängt. Ich kann eine anständige Aussteuer verlangen! Und Mitgift! Wo ist deine Mitgift? Für den ganzen Ärger will ich angemessen entschädigt werden!»

Eva warf ein Kissen nach ihm. Er bückte sich, und es traf mich, weil ich hinter ihm stand. Dann balgten sie auf dem Bett herum.

«Dieses Bett knirscht», sagte Dan keuchend. «Außerdem ist es zu schmal. Morgen werden wir ein Ehebett kaufen, so breit wie ein Tennisplatz.»

«Einen Schmarrn werden wir», sagte Eva, während sie ihn an den Ohren festhielt. «Ich will mein eigenes Bett, in meinem eigenen Zimmer. Getrennt ist modern.»

Dan richtete sich auf. Über seinem offenen Mund hingen die Haare in die Stirn.

«Du willst was?»

«Mein Bett in meinem Zimmer. Du schnarchst. Ich kann nicht die ganze Nacht wachbleiben und dir die Nase zuhalten.»

«Ich schnarche? Woher weißt du, daß ich schnarche?» Sie preßte ihr Gesicht an seins und antwortete nicht.

«Blasius», sprach Dan, «hast du das gehört?»

Ich hatte. Ich sprang zu ihnen auf das Bett und quetschte mich zwischen sie. Dan hob den Zeigefinger. «Jetzt hör zu, mein Kind, was ich dir in seiner Gegenwart sage! Das Bett ist die Grundlage der Ehe. Der gemeinsame Schlaf führt zwangsläufig zum gemeinsamen Erwachen. Was kann es Schöneres für dich geben, als morgens als erstes mein liebes Antlitz zu erblicken, einen Kuß auf meine dürstenden Lippen zu hauchen und danach frohgemut dein Tagwerk zu beginnen …»

Eva warf sich zurück und lachte.

«Liebes Antlitz? Triefaugen hast du und Knitterfalten! Und stumm bist du wie ein toter Fisch.»

Dan legte den Arm um sie und zog sie an sich. Ich wurde zusammengequetscht.

«Ich bin ein sogenannter Morgenschweiger. Das sind solche, die morgens schweigen. Erst abends, wenn die freundlichen Lichtlein scheinen, öffnen sie den Mund …»

«Zum Trinken», sagte Eva. «Die freundlichen Lichtlein an deinen Lokalen.»

«Sei nicht immer so direkt, Liebling. Wie dem auch sei: Du gehörst an meine Seite, sei es senk-, sei es waagerecht. Wirst du gehorchen?»

«Ich gehorche», sagte Eva und küßte ihn.

Richtig, Dan, dachte ich. Laß sie fühlen, wer der Herr ist. Sonst tanzt sie uns auf dem Kopf herum, bevor wir überhaupt verheiratet sind.

Als endlich alles stand, war ich heilfroh. Hauptsächlich Evas wegen. Uns hätte eine Lotterwirtschaft nicht viel ausgemacht. Aber ein Mädchen braucht einen Rahmen. Und ihre Freundinnen stürzen sich mit Wonne auf jede schwache Stelle.

Wir hatten auch genügend Platz für uns. Es dauerte jetzt viel länger, bis ich alle Winkel durchstöbert hatte. Dan hatte ein kleines Arbeitszimmer für sich, wohin er sich zurückziehen konnte und überlastet tun. Für Eva waren zwei Räume da, in denen sie fotografierte. Das stärkte ihr Selbstbewußtsein und unsere Finanzen. Das Wohnzimmer hatte einen netten Erker. Auf jedem der breiten Fenster konnte ich Platz nehmen und auf die Straße hinuntersehen, wo die Geschäftsleute hasteten, die Hausfrauen klatschten, die Liebespaare schlenderten und die Benebelten schlingerten. Mit der wandernden Sonne rückte ich weiter, und wenn ich die rechte Ecke des mittleren Fensters erreicht hatte, gab es Mittagessen.

Der nächste Schritt zur Hochzeit war ein Junggesellenabschiedsabend in unserer alten Kneipe, bei Eugen, dem Bieresel. Nur Männer kamen, alle unsere alten Saufbrüder. Natürlich auch ich und mein Bruder Ralf.

Im Anfang war es wie auf einer Leichenfeier. Sie machten ernste Mienen und sprachen kaum. Nach vier stummen Runden ergriff Paul Gilbert das Wort.

«Lieber Dan», sprach er mit dumpfer Stimme, «du bist im Begriff, die größte Dummheit deines Lebens zu machen. Alle, die wir hier sitzen, haben dir zugeredet wie einem kranken Gaul. Umsonst. Ein Weib hat dich betört. Es hat deinen Willen gelähmt, deine Sinne aufgewühlt, den Rest deines ohnehin schwachen Verstandes vernichtet.

Mit banger Sorge haben wir, deine Freunde, diese Entwicklung verfolgt, mit Trauer im Herzen stehen wir vor ihrem Ergebnis. Du verläßt den Kreis derer, denen der Alkohol das Höchste war, du schwächst die Front der Standhaften, du übst schändlichen Verrat an den hehren Gütern, die da sind: Freiheit, Trunksucht, Weiberfeindschaft!»

Paul hatte die Stimme erhoben wie ein Parteiredner, wenn er das Programm verkündet. Seine Augen leuchteten durch den Tabakqualm. Er goß den Rest seines Bieres hinunter, und die Ritter der Tafelrunde taten desgleichen. Eugen füllte die Gläser neu aus dem Bierhahn, an dem ein langer Trauerflor befestigt war.

Als Paul fortfuhr, schwand der verklärte Ausdruck aus seinem Gesicht. Er sah ungeheuer bekümmert aus. «Freunde, was rede ich da. Bin ich nicht selbst ein Opfer jener verschlagenen Macht, die da heißt Liebe? Bin ich nicht selbst gestrauchelt über die Fallstricke einer Schlange und herabgesunken vom weiberverachtenden Hagestolz zum verängstigten, filzpantoffeltragenden Haushaltungsvorstand? Woher nehme ich das Recht, Steine zu werfen auf ihn, unseren Daniel, der so unsäglich tief in die Löwengrube geraten ist?»

Keiner wußte es.

«Ich will es euch sagen, Brüder. Außen bin ich ein Ehemann. Meinen Finger ziert die goldene Fessel. Meine Uhr weist mir die zubemessene Zeit. Aber im Herzen bin ich einer der euren geblieben. Mein Fleisch ist unterlegen, mein Geist nicht. Eingezwängt in die Fesseln des Ehestandes, blieb er aufrecht und frei. Und wenn wir heute schweren Herzens unserem Dan das letzte Geleit geben, so sind wir in guter Hoffnung – äh – so tun wir das in der Hoffnung, daß er gleich mir im Herzen der alte bleibe. Wir ernennen ihn zum Ehrenjunggesellen auf Lebenszeit, mit der Auflage, jede Woche einmal hier zu erscheinen und sich genauso zu besaufen wie früher. »

Dan sagte: «Das Protokoll verzeichnet an dieser Stelle: Stürmische Zustimmung.»

«Richtig. Meine Herren», fuhr Paul mit Würde fort, «ich fordere euch auf, euch zu Ehren des Dahingegangenen von euren Plätzen zu erheben. Daniel, der Junggeselle, ist tot. Es lebe der Ehemann Daniel! Prost, alter Saufsack!»

Sie wiederholten den Ehrentitel einstimmig und tranken aus.

Dan war ergriffen. Er blieb stehen und dankte Paul für seine richtungweisenden Worte. Er versicherte, die Ideale des Stammtisches allezeit hochzuhalten und sich des verliehenen Titels würdig zu erweisen. Kein Weib und kein Teufel würden ihn je davon abbringen können. Beim Barte des Propheten.

Dann gingen wir zum gemütlichen Teil über. Der Krach nahm entsprechend zu. Sie ließen Eva hochleben und alle wohlgeformten Mädchen. Sie redeten durcheinander und schlugen sich auf die Schultern. Eugen schwankte hinter dem Tresen herum wie ein Kapitän auf der Kommandobrücke. Der Musikautomat dudelte ununterbrochen das Lieblingslied aus New Orleans, das sie so oft schon gespielt hatten. Ralf und ich saßen auf zwei Barstühlen und blinzelten mit tränenden Augen durch den Dunst. Als anhand von Nachrichten und Nationalhymnen aus dem Radio herauskam, daß es Mitternacht geschlagen hatte, wurde eine Runde zu einem Verachtungsschluck auf alle Frauen eingefüllt.

«Dan, du armer Knochen», sagte Otmar mit holpriger Zunge und mit Schaumflocken am Bart. «M-mein Mitgefühl ist dir gewiß. Ganz – ganz gewiß. Ein gewisses Mitgefühl. Gewiß ist es dir. Die Ehe wird dich zerrütten. Zerrütten wird sie dich. Wird sie. Zerrütten. Rütten.»

Er schmierte sich neuen Schaum an den Bart.

«Abschaffen!» krähte Paul. «Abschaffen! Revolution! Aufstand! Weiber hinweg!»

«Jawohl!» schrie Eugen hinter dem Tresen. «Abschaffen!»

Er stieg auf einen Stuhl, schwankte, mußte sich am Bierhahn festhalten. In diesem Augenblick geriet der Bartisch ins Wanken.

Alle sahen es, keiner tat etwas dagegen. Nur Eugen wollte seine fallende Erwerbsquelle aufhalten. Vergebens. Die Theke nahm ihn mit nach vorn. Ich rettete mich mit einem gewaltigen Sprung von meinem Barhocker. Paul, Dan und Otmar schafften den Rückzug nicht mehr. Der Tresen und Eugen stürzten über sie. Mit einer Hand versuchte Eugen am hinteren Flaschenregal Halt zu gewinnen. Auch diese Maßnahme versagte. Das Regal kam auch noch mit. Ich schloß die Augen.

Es donnerte, wie wenn ein Schiff auf einen Felsen auffährt. Scherben flogen mir um die Ohren. Ein Ei klatschte vor Ralfs Nase. Er fraß es sofort. Als ich die Augen öffnete, sah ich das komischste Bild, das ich je gesehen hatte.

Die würdigen Herren lagen am Boden, nebeneinander, als wären sie gerade erschossen worden. Auf ihnen lag der Bartresen. Auf dem Tresen und unter dem umgestürzten Flaschenregal lag Eugen. Er sah aus wie ein Stangenkäse zwischen zwei Brotscheiben. Rotwein rieselte über sein Hemd und sein Haupt. Er machte Schwimmbewegungen mit Armen und Beinen.

«Rette mich, wer kann!» rief er.

Wir fanden das ungeheuer lustig. Ralf hopste seinem Herrchen auf die Brust und leckte ihm das Bier vom Gesicht. Ich tat das gleiche bei Dan. Sie schimpften aus vollem Halse, aber sie konnten die Arme nicht bewegen und uns verscheuchen. Otmar rührte sich nicht mehr. Er war eingeschlafen.

Vermutlich wären sie bis zum Morgen so liegengeblieben. Keiner hatte die Kraft aufzustehen. Aber plötzlich öffnete sich die Tür. Eine tiefe Stimme fragte: «Trinken Sie immer in dieser Haltung?»

Es waren zwei Polizisten vom Revier, die uns schon oft die Polizeistunde verkündet hatten. Ralf und ich begrüßten sie, und sie nahmen uns hoch an ihre breiten Figuren.

«Es ist so viel bequemer», sagte Dan.

«Ah, der Herr Kommissar! San mir aa do?»

«Ja, mir san aa do. Können Sie vielleicht mal diesen Tresen und diesen narrischen Kerl von uns wegnehmen?»

Die Wachtmeister hoben das Regel auf, dann Eugen, dann die Theke. Dan und Paul kamen hoch. Auch Otmar erwachte wieder.

«Was habt ihr denn gemacht, ihr Idioten?» murmelte er. «Ich dachte, ich wäre schon zu Hause.»

Sie sahen allesamt aus wie die Fliegenpilze.

«Das war mein bestes Hemd», sagte Paul. «Wie soll ich meiner Familie unter die Augen treten?»

«Kalterer See», sagte Eugen. «Ausgezeichneter Rotwein. Drei achtzig die Flasche. Willst du eine mitnehmen?»

«Was ist denn passiert?» fragte der Hauptwachtmeister. Keiner konnte es genau sagen.

Mit Hilfe der Polizisten räumten sie die Trümmer beiseite. Auch ich fand noch ein zerbrochenes Ei und trat auf eine Ölsardine. Dann setzte man sich zur letzten Runde nieder.

«Kameraden», sagte Paul, «wir haben gekämpft bis zum letzten. Ein übermächtiger Gegner hat uns gefällt. Ewiger Ruhm unserem Andenken. Ewiges Andenken unserem Ruhm. Unser Dank der Polizei, die uns wieder aufrichtete und uns aus aussichtsloser Lage befreite.»

Sie stießen mit den Polizisten an. Dann schüttelte jeder jedem dreimal die Hände.

Draußen war es warm und windstill. Paul hatte Ralf an der Leine und Dan mich. Ein Stück weit mußten wir zusammen gehen. Keine einfache Sache, wie sich herausstellte. Sie stießen aneinander und an die Hauswände. Wir hatten Mühe, sie an den Leinen vorwärts zu ziehen.

Unter der letzten Laterne umarmten sie sich und schworen, sich nie zu verlassen. Dann schlingerten wir nach verschiedenen Richtungen weiter. Dan fuhr mit dem Aufzug erst in den Keller. Im Schlafzimmer zog er seine Jacke und einen Schuh aus. Eva war nicht da, sie schlief bei ihren Eltern, von wegen der Moral. Dan fiel aufs Bett und war weg. Ich kroch ans Fußende und bohrte mich unter die Decke. Eine Weile hörte ich noch, wie er atmete, und ich roch den gasförmigen Alkohol, der sich sachte um uns ausbreitete.

«Eva, Liebling», murmelte Dan im Schlaf.

***

Trotz dieser nächtlichen Koseworte passierte kurz darauf die Geschichte, die uns später den großen Kladderadatsch bescherte und unseren Haussegen so bedenklich ins Wanken brachte – von einer furchtbaren Keilerei und einem zertrümmerten Lokal ganz abgesehen. Dan war verlobt und hatte das beste Mädchen der Welt. Aber der Teufel ist dauernd um einen herum, und ein richtiger Mann kann’s nun mal nicht lassen. Ich weiß das von mir.

Es fing damit an, daß Dan nach Dienstschluß noch eine Arbeit zu erledigen hatte. Man soll eben keine Überstunden machen. In einem Hotel hatte ein Spezialist in den Zimmern von Frauen reicher Männer die Brillanten eingesammelt, wahrscheinlich auch wegen des sorglosen Lebensabends. Nun hatten sie ihn geschnappt, und er hatte alle Aussichten, die Pension vor Erreichung der Altersgrenze zu bekommen. Dan mußte noch einmal in das Hotel, um ein paar Fragen zu stellen.

Es war ein milder Abend. Ich schlenderte an der Leine gemächlich neben Dan her. Um uns herum eilten die Werktätigen in Scharen nach Hause. Auf der Straße stauten sich die Autos, und die Polizisten machten Freiübungen wie Vorturner. Uns focht das nicht an.

Wir kamen weiter ins Zentrum hinein. Das Hotel war ein erheblicher Kasten, beinahe so groß wie der Bahnhof, und es lag im teuersten Viertel. Kein Wunder, daß sich hier die Brillanten ansammelten.

Am Eingang war eine Drehtür. Ich drängte mich mit Dan durch und klemmte mir eklig den Schwanz bei der Geschichte. Ich wollte laut heulen, aber im Innern herrschte eine so vornehme Luft, daß ich mich zusammennahm und so tat, als käme ich jeden Tag dreimal mit dem Schwanz in die Drehtür.

In der Halle lag ein Teppich, in den ich bis über die Pfoten hineinsank. Um niedrige Tische standen Sessel, in die zwei Generaldirektoren nebeneinander gepaßt hätten. Von den Fenstern hingen weinrote Vorhänge herab mit ungeheuren Troddeln. Man würde drei bis vier Stunden brauchen, um eine zu zerfressen. Rechts war der Empfangsschalter. Dahinter ragte der Portier empor wie das Denkmal auf dem Königsplatz. Er trug gekreuzte goldene Schlüssel auf dem Kragen, und seine Augen sahen alles. Natürlich auch mich.

Wir kämpften uns durch den Teppich zum Schalter hinüber. Der Portier geruhte, sich uns zuzuwenden. Seine Stimme verriet, daß er von Dan noch kein Trinkgeld bekommen hatte.

«Bitte sehr, mein Herr?»

«Kommissar Nogees», sagte Dan unbewegt. «Möchte zu Herrn Direktor Bedenk. Bin für halb sechs bestellt.»

Der Potier schien es zunächst nicht für möglich zu halten, daß der Direktor sich mit solchen Leuten wie uns abgeben wollte. Reine Angabe. Schließlich war der Brillantendieb auch reingekommen. Nicht gerade die beste Reklame für das Unternehmen. Sie sollten froh sein, daß Dan sich darum gekümmert hatte.

«Wenn Sie sich einen Augenblick gedulden wollen», sagte der Portier. «Ich rufe durch.»