Eifersucht und Hexentanz - Laura Bormann - E-Book

Eifersucht und Hexentanz E-Book

Laura Bormann

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Beschreibung

Eigentlich will sich die Harzer Hexenclique alias Jules, Bianca und Toni nur in Ruhe auf die anstehende Halloweenparty in Wernigerode vorbereiten. Schließlich gibt es einen Preis für das beste Kostüm zu gewinnen! Doch eine gewisse Rosi Rosenberg, die seit Neuestem im Hotel von Luis Vater arbeitet, ist Jules ein Dorn im Auge. Findet ihr Schwarm Luis diese Rosi etwa besser als sie? Als beide zusammen auf der Party gesehen werden, die Bowle vergiftet zu sein scheint und Hobbyhexe Bianca erfährt, dass sie mit einer echten Hexe verwandt ist, kochen die Gefühle bei allen über. Da kommt der geplante Wanderritt durch den Harz gerade richtig, denn schließlich will sich Bianca auf die Spuren ihrer hexischen Vorfahrin begeben.

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Seitenzahl: 157

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Für C. und die 4 P´s

Inhaltsverzeichnis

KAPITEL EINS

KAPITEL ZWEI

KAPITEL DREI

KAPITEL VIER

KAPITEL FÜNF

KAPITEL SECHS

KAPITEL ACHT

KAPITEL NEUN

KAPITEL ZEHN

KAPITEL ELF

KAPITEL ZWÖLF

KAPITEL DREIZEHN

KAPITEL VIERZEHN

KAPITEL FÜNFZEHN

KAPITEL SECHZEHN

KAPITEL SIEBZEHN

KAPITEL ACHTZEHN

KAPITEL NEUNZEHN

KAPITEL EINS

„Sind die Schokohexen vegan?“ Eine Frau tippte mich an der Schulter. Ich drehte mich erschrocken um und riss das Dutzend Schokoladenfiguren vom Regalbrett, welches ich gerade mühselig dort aufgetürmt hatte. Mist.

„Ich denke nicht“, antwortete ich brav und verwies auf die Zutatenliste unserer Produkte.

„Kann ich Ihnen vielleicht weiterhelfen?“, mischte sich meine Mutter ein und zeigte streng auf den zweiten Karton, den ich auch noch ausräumen sollte. Ich seufzte. Als Tochter einer „Harzer Spezialitäten“-Ladenbetreiberin mitten im Herzen von Wernigerode hatte man es nicht immer leicht.

Gedankenverloren wühlte ich in den quietschbunten Gruselartikeln, die meine Mutter zur Halloween Zeit gerne anbot. Der Harzbezug erschloss sich mir zwar nicht so ganz, aber die Touristen liebten es.

Nachdem ich Marzipankürbisse, Plastikspinnen und die typischen Hexenfiguren in die Regale sortiert hatte, fand ich tatsächlich noch eine vegane Schokovariante.

„Das hier ist vegan“, sagte ich und hielt der Kundin die Verpackung vor die Nase.

„Oh, nein danke“, erwiderte sie und verzog das Gesicht.

„Ist das etwa ein blutendes Gehirn aus weißer Schokolade?“, hörte ich eine herannahende Stimme sagen.

Unsere Türglocke ertönte und mit schnellen Schritten liefen meine besten Freundinnen Toni und Bianca auf mich zu.

„Und das ist sogar vegan!“, grinste ich.

Nachdem ich die vegane Kundin zum Leidwesen meiner Mutter erfolgreich vertrieben hatte, waren Bianca und Toni die einzigen Besucherinnen unseres Ladens. Das störte sie jedoch nicht im Geringsten.

„Vielleicht können wir hier schon fündig werden“, murmelte unsere Lieblingshexe Bianca und fasste sich an ihren Hals. Sie trug eine Kette, dessen Anhänger eine vergoldete Hexe auf einem Besen darstellte. Immer, wenn sie von etwas berührt oder aufgeregt war, griff sie den Anhänger und spielte damit. Das war ihr Markenzeichen.

„Was sucht sie denn? Neue Zutaten für Zaubertränke?“, wollte ich wissen und hoffte, dass Toni eine Antwort hatte. Biancas Hang zu esoterischen Experimenten war mittlerweile fast jedem bekannt. Toni zuckte nur mit den Schultern. „Ihr Kulturbanausen! Habt ihr die Flyer nicht gesehen?“ Bianca schaute uns an.

„Na den hier!“, ergänzte sie und drückte mir einen leicht zerknitterten, bunten Zettel in die Hand.

„Halloween-Party im Jugendtreff, Einlass nur mit Kostüm“, las ich vor.

„Was ist das denn für eine Party?“, wollte meine Mutter wissen. Die Info von der Party in ihrer Anwesenheit preiszugeben, war nicht besonders klug.

„Nur eine kleine. Es wird ein bisschen Musik und ein Mitbring-Büfett geben. Ganz entspannt“, erwiderte Bianca und lächelte engelsgleich. Erwachsene um den Finger zu wickeln, war ihre Spezialität.

Mit einer eindeutigen Kopfbewegung forderte ich Bianca und Toni dazu auf, das Gespräch in meinem Zimmer fortzuführen. Praktischerweise wohnte ich mit meiner Mutter direkt über dem Laden. Wir gingen die steile Treppe nach oben und direkt in mein Zimmer.

„Vorhin hast du noch gesagt, die Party wird riesig“, zweifelte Toni und schmiss sich auf mein Bett.

„Offiziell nicht, damit wir hindürfen“, erklärte unsere Lieblingshexe und setzte sich dazu.

„Ich mag den Jugendtreff nicht wirklich“, murmelte ich und kramte eine halb leere Tüte Nachos aus meinem Geheimversteck.

„Ich auch nicht“, gab Toni zu und schnappte sich die Nachos.

„Müsst ihr ja nicht. Die Party wird trotzdem riesig. Stellt euch mal vor, es wird einen Kostümwettbewerb geben! Und das beste Pärchen gewinnt! Der Preis ist ein goldener Kürbis“, schwärmte Bianca.

„Das heißt, Luis und ich können zusammen den goldenen Kürbis gewinnen?“

Jetzt wurde es interessant für mich.

„Seid ihr eigentlich offiziell zusammen?“, wollte Toni wissen. Ich hatte Luis, den Jungen mit den edelsteingrünen Augen, vor einem halben Jahr im Laden meiner Mutter kennengelernt. Seitdem durchlebten wir eine anfangs schleppende und später sehr aufregende Datingzeit, die letztlich zu einem Kuss auf dem Brocken geführt hatte. Aber ob wir jetzt offiziell zusammen waren? Ich wusste es nicht. Bisher trafen wir uns regelmäßig und tauschten ab und zu ein paar zärtliche Küsse. Und innige Umarmungen.

„Erde an Jules, bist du noch anwesend?“

Bianca boxte mich in die Schulter. Ich zuckte zusammen.

„Ich weiß nicht, ob wir zusammen sind“, gab ich zu.

„Dann ist die Party eine super Gelegenheit, das endlich rauszufinden“, grinste Bianca verschmitzt.

Während ich abends die Nachokrümel von meinem Bett sammelte, dachte ich über Halloween und Luis nach.

Ob er Lust und Zeit hatte, mitzukommen? Vielleicht fand er Kostüme kindisch. Vermutlich würde er seine Mond-Augenbraue hochziehen, wenn er mich in einer lächerlichen Verkleidung sehen würde.

Zugegeben, meine letzte Halloweenverkleidung lag einige Jahre zurück und hatte nicht wirklich cool ausgesehen.

Ich war als „Space-Spinne“ gegangen, und die Fühler aus Pappe, umwickelt mit Alu-Folie, hingen traurig herunter, bevor die Party überhaupt losging. Peinlich!

Gedankenverloren suchte ich nach Outfitinspirationen und Dekoideen auf meinem Smartphone. Es gab einige schöne Kostüme, die sowohl gruselig als auch schick aussahen. Allerdings hatten die einen stattlichen Preis.

Das konnte ich mir mit meinem beschaulichen Taschengeld beim besten Willen nicht leisten.

„Magst du eigentlich Halloween?“, tippte ich Luis eine Nachricht.

„Nicht so sehr. Ich muss keine gruseligen Dekoartikel kaufen, um in Herbststimmung zu kommen. Da mache ich lieber einen gemütlichen Filmabend mit einer Tasse Tee, oder so“, war seine Antwort.

„Dann magst du Kostüme auch nicht?“, wollte ich wissen.

„Wieso fragst du?“

„Nur so“, log ich.

„Filmabende mag ich auch“, schickte ich hinterher.

„Dann lass uns morgen einen machen“, schrieb er.

Ich grinste.

Am nächsten Tag in der Schule war die Halloweenparty das Dauerthema. Die meisten aus meiner Klasse wollten ebenfalls hingehen und prahlten mit ihren Kostümideen.

„Habt ihr schon ein Kostüm?“, fragte ich Toni und Bianca in der Pause.

„Nö“, meinte Toni und holte ein großes, belegtes Brötchen mit Käse aus ihrem Rucksack. Wir saßen mal wieder im Pausenraum, da es draußen Bindfäden regnete.

„Ich habe gestern Abend noch ein Moodboard erstellt“, mischte Bianca sich ein. Sie holte ihr goldenes Tablet aus der Schultasche und entsperrte es. Ihr Vater hatte ihr dieses teure Gerät eigentlich als Vorbereitung für ein Studium geschenkt, aber sie nutzte es seitdem nur für digitalisierte Hexrezepte und Onlineshopping.

„Ein Moodboard?“, wiederholte Toni sie schelmisch.

„Ja. Ich habe verschiedene Kostümkonzepte gezeichnet und gleichzeitig Links für die Kleidung und Accessoires eingefügt, die man dafür kaufen muss.“

Gebannt schauten wir auf Biancas Kreation und scrollten uns durch die bunten Seiten.

„Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass ein Mädchen an Halloween entweder super hot oder super nach Schrott aussehen kann“, referierte unsere Lieblingshexe geschwollen. Toni und ich kicherten.

„Ich habe natürlich nur super hotte Kostüme erfunden.“

„Mist. Ich wäre so gerne als runder Kürbis gegangen“, lachte Toni und blähte ihren Bauch auf.

„Und ich wollte als veganes, blutendes Gehirn gehen“, kicherte ich.

„Ich erinnere mich noch an dein Space-Spinnen Kostüm.“ Toni schaute mich grinsend an und formte mit ihren Händen Fühler um sich herum. Ich schlug sie in ihren immer noch aufgeblähten Bauch.

„Noch lacht ihr. Aber denkt an den Wettbewerb. Mit einem Durchschnittskostüm kommt ihr nicht weit.“ Wir nickten und wurden wieder todernst. Da hatte sie wohl recht.

In der nächsten Stunde, es stand Geschichte auf dem Plan, tauschten wir heimlich das Tablet unter dem Tisch hin und her.

„Ich finde das Teufelskostüm total süß“, flüsterte ich.

„Ja, und hot! Ich glaube, ich werde als elegante Hexe gehen“, flüsterte Bianca zurück.

„Wenn die Damen ihr Privatgespräch bitte wiederholen würden, damit die Allgemeinheit etwas davon hat?“ Erschrocken schauten wir hoch. Direkt vor unserem Tisch stand Herr Fuchs, unser Geschichtslehrer. Herr Fuchs hatte dem Hasen schon viele Nächte gute Nacht gesagt, so alt war er. Da ihm seine Pension langweilig geworden war, gab er wieder einige Stunden Geschichte an unserer Schule. Zu unser aller Leidwesen, denn genauso trocken wie seine fahle Haut war auch der Unterricht. Oder lag es daran, dass ich mich allgemein nicht für Geschichte interessierte?

Bianca und ich schwiegen.

„Wir machen erst mit dem Unterricht weiter, wenn die Damen reden“, sagte er streng.

Ich schluckte. In der Klasse herrschte eine merkwürdige Stille. Irgendwie bedrückend.

„Es ging um ein Hexenkostüm für Halloween“, brach Toni das Schweigen. Wir schauten sie böse an. Die Klasse lachte.

„Geschichtlich betrachtet ist es ein Privileg, heute so frei über Hexen zu sprechen oder sich sogar als eine zu verkleiden“, erzählte Herr Fuchs.

„Wenn früher auch nur die leiseste Vermutung aufkam, dass eine Frau mit hexischen Kräften zu Gange war, dann fiel sie nicht selten der Hexenverbrennung zum Opfer.“

Ich zuckte zusammen. Bianca fasste sich schützend an ihre Hexenkette. Herr Fuchs trat wieder nach vorne zur Tafel und fuhr mit dem Unterricht fort.

Sicherheitshalber ließen wir für den Rest der Stunde das Tablet wieder in Biancas Tasche verschwinden. Das hielt sie allerdings nicht davon ab, statt Geschichtszahlen Kostümzeichnungen in ihren Hefter zu klieren.

Es klingelte. Die Stunde war vorbei.

„Wenn die Hexendamen bitte noch zu mir kommen mögen“, hörten wir den Lehrer sagen. Toni ergriff die Flucht, wurde dann aber von ihm zurückgerufen. Sie hatte gedacht, nur Bianca und ich waren gemeint.

„Sie haben die Wahl. Entweder ich behalte das Tablet bis zur nächsten Woche ein, oder Sie halten zur Wiedergutmachung einen Vortrag“, erklärte Herr Fuchs unsere Strafe. Bianca schaute uns flehend an.

„Ich kann das Tablet nicht abgeben. Ich brauche es dringend. Ich kann nicht ohne, das wäre eine Katastrophe, da sind alle meine Rezepte drauf“, murmelte sie.

Toni und ich tauschten Blicke aus.

Neben den normalen Hausaufgaben und Klausurvorbereitungen blieb ohnehin nicht viel Zeit. Wie sollten wir da einen Vortrag halten? Toni schüttelte den Kopf. Ich zuckte mit den Schultern. Bianca nutzte ihre kräftigste Waffe und setzte ihren Hundewelpenblick auf.

„Ich habe wichtige Lernzettel auf meinem Tablet, die brauche ich zur Klausurvorbereitung“, flehte sie Herrn Fuchs an.

„Dann nehmen die Damen den Vortrag? Wunderbar“, sagte er stolz.

Ich stöhnte. Das konnte ja heiter werden.

„Was ist denn das Thema?“, fragte Toni vorsichtig. Hoffentlich nichts Schweres oder Zeitaufwändiges, dachte ich inständig.

„Hexenverbrennung“, antwortete der Lehrer.

Nach einem kurzen, aber heftigen Streit darüber, dass Bianca das Tablet ja zurückbekommen hätte, wir ihr die Lernzettel hätten ausdrucken können, und dass ich ja eigentlich gar nicht während des Unterrichts die Kostüme angucken wollte, trugen wir es mit Fassung und liefen mürrisch nach Hause.

„Eigentlich ist das Thema ja sehr spannend“, meinte Bianca und spannte ihren Regenschirm auf. Es schüttete immer noch wie aus Eimern und die schon kühle Herbstluft kroch einen buchstäblich an.

„Dass du das spannend findest, glaube ich dir sofort“, sagte Toni und blickte auf ihren Schirm, der mit lauter kleinen Hexen bedruckt war. Den hatte sie im Laden meiner Mutter gekauft. Bianca war mit Abstand die beste Kundin von uns, so viel war sicher.

„Wir müssen nur schauen, dass wir alles zeitlich unter einen Hut bekommen. Wann wollen wir schließlich die Kostüme kaufen?“, gab ich zu Bedenken.

„Heute Abend?“, schlug Toni vor. Ich schüttelte den Kopf. Es war Freitagabend und ich hatte mich gestern mit Luis zu einem Date verabredet. Es war das erste Mal, dass ich zu ihm nach Hause gehen würde. Wie aufregend!

„Ich bin mit Luis verabredet“, warf ich ein.

„Oha, schon wieder ein Date?“, zog Toni mich auf.

„Geht ihr zu ihm oder zu dir?“, flachste sie.

„Ich gehe zu ihm nach Hause.“ Bianca grinste verschmitzt.

„Unsere Liebeszauber wirken immer noch, ich sag´s euch.“

Am Abend machte ich mich mit dem Fahrrad auf dem Weg zu Luis. Er wohnt im Hotel Hexenblick, das seinem Vater gehörte. Mit dem Fahrrad war es recht gut zu erreichen. Mitten auf dem Weg begann es erneut zu regnen, sodass ich wie ein begossener Pudel am Hotel ankam.

Mist. Meine Mascara war zerlaufen und meine Haare begannen, sich leicht zu wellen.

In der Spiegelung des Türglases versuchte ich noch, die schlimmsten Schäden zu richten. Mit einem großen Stoß ging die Tür auf und Gäste kamen heraus. Ziemlich unsicher schritt ich in die große Eingangshalle des Hotels.

Der gesamte Boden war mit einem roten Samtteppich ausgelegt, die Wände waren mit Marmor und goldenem Stuck verziert und an der Decke hing ein beeindruckender Kronleuchter. So richtig bewusst wurde mir erst in der Halle, dass ich keine Ahnung hatte, wo Luis eigentlich wohnte.

Ob er Dauergast in einem Hotelzimmer war? Vielleicht war er in der Luxussuite aufgewachsen, in einem goldenen Kinderbett.

„Haben Sie ein Zimmer reserviert?“, fragte mich eine gutaussehende Dame vom Tresen.

Sie trug eine weiße Bluse und auf ihrem goldenen Namensschild war: „Rosenberg“ zu lesen. Sie schien nicht viel älter als ich zu sein.

„Ähm nein ich wollte zu ähm Luis“, stammelte ich nervös. Sie grinste. Ein paar Zimmermädchen, die etwas abseitsstanden, tuschelten.

„Er wohnt im Dachgeschoss. Einfach nach links in den Flur, und dann bis ganz nach oben“, erklärte sie. Dann musterte sie mich von oben bis unten.

„Kannst du dir das nächste Mal bitte die Schuhe sauber machen, du ruinierst den ganzen Teppich. Also, falls es ein nächstes Mal gibt. Einen schönen Aufenthalt noch“, sagte sie forsch spitz. Ich schaute an mir herunter. Meine Schuhe hatten tatsächlich feuchten Dreck von draußen mitgebracht. Hinter mir zog sich sogar eine richtige Dreckspur. Nervös kramte ich ein Taschentuch aus der Hose und wischte mir schnell die Schuhsohlen ab.

„Können Sie ähm das vielleicht für mich ähm entsorgen?“, murmelte ich.

Statt einer Antwort zeigte sie nur mit dem Finger in Richtung Treppenhaus. Etwas eingeschüchtert lief ich zum Flur, in der Hoffnung, auf dem Weg zu Luis noch einen Mülleimer zu finden. Ein bisschen verwirrt stieg ich die Treppen hinauf. Warum war diese Rosenberg so böse gewesen? Und warum hatte sie mich erst gesiezt und dann geduzt? Und was meinte sie mit, „falls es ein nächstes Mal gibt“?

Keuchend, außer Atem, mit nassen Haaren, verschmiertem Mascara und einem braunverdreckten Taschentuch in der Hand klingelte ich an einem kleinen, goldenen Schild, auf dem einfach nur „Luis“ stand.

Er öffnete sofort.

„Es ist nicht das, wonach es aussieht, hast du einen Mülleimer?“, begrüßte ich ihn hektisch.

Er grinste.

„Ist das das neue guten Tag?“, witzelte er.

„Komm rein“, fügte er hinzu und zeigte mir seinen Mülleimer.

Luis bewohnte eine klitzekleine Wohnung im Dachgeschoss des Hotels, die aus nur einem Raum bestand. Direkt neben der Eingangstür befand sich ein kleines Bad, und im Wohnraum stand sein Bett direkt vor einem Dachfenster.

Der Ausblick auf die hügelige Landschaft von Wernigerode war wunderschön. Das Hotel lag an sich schon höher als die Einkaufsstraße, in der ich wohnte, und durch die Dachgeschosslage hatte Luis einen wirklich weiten Blick. In der anderen Ecke des Raumes befand sich eine kleine Couch samt Fernseher, eine mini Kochzeile und ein Schreibtisch.

An den Wänden hingen Bücherregale, die mit allerlei Schinken über Jura, Geschichte, Fotografie und Science- Fiction vollgestopft waren.

„Herzlich willkommen in meiner Luxussuite“, sagte er und gab mir einen Kuss auf die Wange.

„Ein bisschen nass“, lachte er.

„Ich wusste nicht, dass du eine eigene Wohnung hast“, meinte ich anerkennend.

„Naja, mein Vater war genervt von meiner lauten Musik und hat mich ausquartiert. Das war eigentlich die Wohnung des Hausmeisters, leider ist der vor kurzem verstorben. Das Hauspersonal denkt, dass sein Geist immer noch herumspukt, aber das stört mich nicht, wir kommen gut miteinander aus“

Na toll. Die Info führte nicht dazu, dass ich mich wohler fühlte.

„So wie du aussiehst, bist du dem Geist schon begegnet?“, lachte er und strich durch meine nassen Haare. Meine Haut kribbelte. Es fühlte sich wunderschön und gleichzeitig wie kleine Stromschläge an.

„Es hat geregnet. Und die Frau vom Empfang war total gemein und hat gesagt, ich mache nur Dreck, weil meine Schuhe von dem Wetter draußen Spuren hinterlassen haben und sowas“, erzählte ich.

„Welche Dame vom Empfang? Doch nicht etwa Rosi?“

Rosi?

War er etwa mit der befreundet?

„Die hieß Rosenberg“, erinnerte ich mich.

„Ach, das hast du falsch verstanden. Rosi ist total lieb, die ist niemals böse“, schwärmte er.

„Seit sie da ist, läuft der Empfang reibungslos. Sie ist ein richtiges Organisationstalent. Ich arbeite gerne mit ihr zusammen.“

Das wurde ja immer schöner. Er arbeitete gerne mit ihr zusammen?

Luis hatte sein Abitur schon fertig gemacht und jobbte bis zum Beginn seines Studiums im Hotel. Dass er eine so gutaussehende und gleichaltrige Kollegin hatte, mit der er sich auch noch blendend verstand, war ein ziemlicher Schock für mich.

„Und die Feierabende verbringt ihr auch zusammen?“

„Bist du eifersüchtig?“

„So ein Quatsch.“

„Du bist eifersüchtig!“

„Kein Stück.“

„Es ist nicht schlimm, dass du den Teppich dreckig gemacht hast. Das machen fast alle Gäste.“

„Ich bin kein Gast, oder?“

„Nein, du bist besser.“

„Ja, viel besser, ich habe dir nämlich was mitgebracht“, meinte ich und kramte ein kleines Paket aus meiner Tasche.

„Ist das ein blutendes Gehirn aus Schokolade?“

„Ja, aber das ist vegan. Und verkauft sich in unserem Laden nicht“, erklärte ich. Luis zog seine Mond-Augenbraue hoch. Ich musste lachen. Das war so typisch für ihn. Er öffnete die Verpackung und brach ein Stück Gehirn ab.

„Ein besonders schmackhaftes Gehirn“, witzelte er und bot mir ebenfalls einen Brocken an. Gedankenverloren ließ ich die Schokolade in meinem Mund zergehen.

„Warum nennst du sie Rosi?“

„Du bist eifersüchtig!“, grinste er und stupste mich an der Schulter. Ich schubste zurück und es begann eine Rangelei, die mit einem zärtlichen Kuss auf dem Sofa endete.

Die Regenwolken hatten sich verzogen und wir konnten Arm in Arm gekuschelt auf einen wunderschön herbstlichen Sternenhimmel schauen, ehe ich nach Hause musste.

„Bianca, Toni und ich gehen nächsten Samstag auf die Halloween Party im Jugendzentrum. Möchtest du mit mir zusammen hingehen? Ist aber mit Kostüm“, sagte ich zum Abschied.

„Nächsten Samstag?“

Luis schaute auf einen bunten Dienstplan, der an seinem Kleiderschrank neben der Eingangstür hing.

„Da habe ich Spätschicht, tut mir leid.“

Ein flüchtiger Blick auf dem Plan verriet, dass in seiner Schicht auch eine gewisse R. Rosenberg eingeteilt war. Er hatte also Spätschicht mit Rosi. Passend zu meiner Stimmung fing es auf dem Nachhauseweg wieder zu regnen an.

KAPITEL ZWEI

„Nur weil er sie nett findet, heißt das noch lange nicht, dass da was läuft“, meinte Bianca und schmierte sich eine dicke Butterflocke auf ihr Croissant. Wir hatten uns in einem kleinen Café getroffen, um zu brunchen. Natürlich hatte ich den beiden ausführlich von Rosi Rosenberg erzählt.

„Zweimal Kakao, einen Kräutertee und nochmal frische Croissants“, sagte die Kellnerin und tischte alles vor uns auf. Wir saßen schon seit einer Weile in der gemütlichsten Ecke des Cafés. Ich hatte noch keinen Bissen herunterbekommen, da mir die Sorge um eine gewisse R. Rosenberg gehörig auf den Magen schlug.

„Sie war total fies. Und er macht lieber eine Nachtschicht mit ihr, als mit mir zur Halloween-Party zu gehen! Überlegt doch, Nachtschicht! Nachts! Mit ihr alleine!“, beklagte ich mich und stieß dabei fast die Kakaobecher um.

„Beruhige dich. Er hat sich die Schicht ganz bestimmt nicht selbst eingetragen. Eine Nachtschicht, und dann auch noch am Samstag, macht keiner freiwillig“, versuchte Toni mich zu beruhigen.

„Frag ihn doch einfach, ob da was läuft“, ergänzte sie und schnappte sich ein Croissant.