Ein Cottage in den Highlands - Sandra Pulletz - E-Book

Ein Cottage in den Highlands E-Book

Sandra Pulletz

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Beschreibung

Gefühle und Geheimnisse vor Schottlands atemberaubender Kulisse Maires Leben besteht nur aus Arbeit, denn als Tierärztin auf der schottischen Halbinsel Skye, gibt es immer etwas für sie zu tun. Und dann sind da auch noch ihr Vater und das Farmhaus, die ihre Aufmerksamkeit verlangen. Der amerikanische Hilfsarbeiter Caden, der ihnen zur Hand gehen soll, kommt ihr da gerade recht. Nur, dass sie plötzlich Gefühle spürt, die sie seit Jahren nicht mehr hatte, überrascht Maire. Mit der Zeit kommen die beiden sich immer näher. Doch Caden ist nicht der, für den Maire ihn hält und die Lügen zwischen ihnen, drohen alles zu zerstören. Können sie gemeinsam der Wahrheit ins Auge blicken?

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Ein Cottage in den Highlands

Die Autorin

Sandra Pulletz wurde in Österreich geboren und lebt mit ihrer Familie auch heute noch dort. Bereits als Kind entstand der Traum, irgendwann Autorin zu werden. 2016 erschien ihr erstes Buch. Seitdem vergeht kein Tag, an dem sie nicht an einer neuen Geschichte tüftelt. Inzwischen sind zahlreiche Romane von ihr erschienen, hauptsächlich im Romance-Bereich.

Das Buch

Maires Leben besteht nur aus Arbeit, denn als Tierärztin auf der schottischen Halbinsel Skye, gibt es immer etwas für sie zu tun. Und dann sind da auch noch ihr Vater und das Farmhaus, die ihre Aufmerksamkeit verlangen. Der amerikanische Hilfsarbeiter Caden, der ihnen zur Hand gehen soll, kommt ihr da gerade recht. Nur, dass sie plötzlich Gefühle spürt, die sie seit Jahren nicht mehr hatte, überrascht Maire. Mit der Zeit kommen die beiden sich immer näher. Doch Caden ist nicht der, für den Maire ihn hält und die Lügen zwischen ihnen, drohen alles zu zerstören. Können sie gemeinsam der Wahrheit ins Auge blicken?

Sandra Pulletz

Ein Cottage in den Highlands

Liebesroman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei ForeverForever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinMärz 2020 (1)

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2020Umschlaggestaltung:zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © E-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-95818-560-9

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

Leseprobe: Die Sterne über den Black Mountains

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Cover

Titelseite

Inhalt

1. Kapitel

1. Kapitel

Maire

»Das hast du wunderbar hinbekommen«, sage ich stolz und streichle dem schwarzen Katzenbaby über den Kopf. Ich liebe meinen Job als Tierärztin einfach über alles.

Katzenmama Chipsy miaut und kümmert sich sofort wieder um ihre Jungen, die erst wenige Tage alt sind. Ein besonders kleines Katzenbaby tut sich mit dem Trinken schwer, weshalb mich Tina angerufen hat.

»Danke noch mal, dass du so schnell kommen konntest«, meint die junge Grundschullehrerin und streicht sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht.

»Klar doch, dafür bin ich ja da«, erwidere ich amüsiert.

»Du hast recht, dennoch ist es keine Selbstverständlichkeit, dass der Tierarzt Hausbesuche macht. Zumindest war das in der Großstadt nicht üblich.« Tina sieht den neugeborenen Katzenbabys vergnügt zu, wie sie ihre Milch trinken. Auch das schwarze Tierbaby saugt nun beharrlich.

»Wir sind auf dem Land, hier gibt es weit und breit keine andere Tierärztin außer mich, was bedeutet, ich bin für sämtliche Tiere verantwortlich.« Ich packe meine Arzttasche zusammen und tätschle Tina sanft die Schulter. »Mach dir keine Sorgen, Chipsy hat alles im Griff. In der nächsten Zeit braucht sie vor allem viel Ruhe, die wird sie sich also nehmen. Und das Sorgenkind hat sich, wie es aussieht, schon neu orientiert.«

Tina nickt. »In Ordnung.«

»Wenn du möchtest, schaue ich morgen noch einmal kurz vorbei«, biete ich ihr an, da ich merke, dass sie sich dennoch sorgt.

»Das wäre wunderbar. Am Vormittag ist nur Cliff zu Hause, er passt auf Chipsy und die Kätzchen auf. Ich komme gegen Mittag von der Schule.«

»So früh schon?« Ich wundere mich, denn normal ist bis halb vier Unterricht und Tina hat eine lange Anfahrt. Schulen auf Skye sind rar gesät.

»Kurzer Tag!« Sie lächelt. »Meine Nachmittagsstunden entfallen morgen.«

»Alles klar, ich rufe an, bevor ich komme.« Schon öffne ich die Tür und verlasse das kleine Backsteingebäude.

Jetzt heißt es Feierabend für mich und ab nach Hause. Nur noch für Notfälle bin ich erreichbar, die sind allerdings bei uns auf dem Land keine Seltenheit.

Ich fahre die Dorfstraße entlang und überlege, ob Dad etwas gekocht haben könnte. Zumindest habe ich einen Mordshunger und freue mich auf eine warme Mahlzeit nach dem langen Tag.

Zwar haben wir eigentlich eine Köchin beschäftigt – Mrs Oliver –, aber sie muss zurzeit ihren Mann pflegen, der kürzlich einen Schlaganfall erlitten hat. Natürlich habe ich dafür vollstes Verständnis, aber ich vermisse ihre Kochkünste, denn mein Vater hat in der Küche zwei linke Hände. Und ich selbst habe kaum Zeit, um mich nach der Arbeit noch an den Herd zu stellen; an der Lust fehlt es mir auch. Dazu kommt, dass ich ebenfalls nicht sonderlich gut kochen kann.

Als ich vor unserem Hof parke, sehe ich schon den Schornstein rauchen, das bedeutet, Dad ist längst zu Hause und hat zumindest die Stube eingeheizt. Wie fein, denn ich muss zugeben, dass ich friere, obwohl es Sommer ist. Aber das heißt in Schottland ja auch nicht unbedingt, dass es kein schlechtes Wetter gibt oder es kühl sein kann.

Ich steige aus, hole meine Sachen vom Beifahrersitz und marschiere auf unser Farmhaus zu. In der Dämmerung sieht es zauberhaft aus mit seiner weißen Fassade und dem dunklen Dach. Die rote Tür ist das Tüpfelchen auf dem i.

Eingebettet in der wilden Naturlandschaft verspricht unser Zuhause Gemütlichkeit. In Wahrheit zieht es aber in allen Räumen und es ist ständig kalt.

Ich öffne die Tür und trete ein. Ein sonderbarer Geruch empfängt mich. Was zum Teufel stinkt hier so?

»Dad?«, rufe ich durch den Flur, aber er rührt sich nicht. Also bewege ich mich schnurstracks in die Küche. Aus dem Backofen steigt Rauch auf, sodass ich hinstürze, ihn ausschalte und ein wenig öffne, dann sofort das Fenster aufreiße und nach meinem Vater suche.

Schließlich finde ich ihn in der Stube. Er sitzt zusammengesunken auf dem Sofa, was mich zum Schmunzeln bringt. So lieb und hilflos sieht er also aus, wenn er schläft. Ich bewege mich auf ihn zu und rüttle sanft seinen Arm.

Er schnellt hoch. »W-was ist? Feuer?« Er rümpft die Nase.

»Nicht ganz«, erwidere ich. »Aber ich fürchte, das Abendessen ist ruiniert.«

»Nicht doch …«, schimpft er. »So ein Mist. Ich schwöre, ich habe mich nur eine Minute ausruhen wollen.«

»Schon gut«, meine ich. »Es ist ja nichts passiert. Warst du am Nachmittag auf der Weide?«

Er nickt. »Aye! Ich wollte die Sträucher kürzen, aber ich habe nur einen winzigen Bruchteil geschafft.«

»Ach Dad, mute dir nicht immer solche Schwerstarbeiten zu!« Mahnend schwinge ich den Zeigefinger vor seiner Nase.

»Ich kann ohnehin kaum mehr etwas tun.« Er tippt auf sein Knie. »Diese dumme Arthrose kostet mich jegliche Kraft und Ausdauer.«

Ich seufze tief. Armer Dad!

»Wo ist Shelly?« Unsere Hündin habe ich bisher nirgendwo entdeckt.

»Ich glaube, sie schläft auf dem Teppich in meinem Zimmer«, sagt mein Vater belustigt.

»Ach!« Die beiden sind wirklich ein gutes Team. Einer schläfriger als der andere. Oder sie streunen beide umher.

»Und was essen wir nun?«, will Dad wissen und steht auf.

»Eine gute Frage. Ich schaue mal in den Kühlschrank. Ruh du dich noch ein wenig aus«, sage ich sanftmütig und reiche ihm eine Zeitschrift.

»Du bist ein Schatz«, erwidert er und lächelt.

In der Küche stelle ich fest, dass der ekelhafte Geruch sich verflüchtigt hat. Ich wage es und blicke in das Backrohr, um herauszufinden, was sich darin befindet. Die verkohlten Reste lassen sich nicht identifizieren und ich stelle die Auflaufform einfach draußen auf die Fensterbank.

Im Kühlschrank finde ich nur wenig Brauchbares. Wann waren wir denn das letzte Mal einkaufen? Ich kann mich nicht erinnern … Zwar haben wir auch Gemüse und Obst am Hof, aber irgendwie ist auch davon nichts in die Küche gewandert.

Schließlich ziehe ich eine Packung Eier heraus und finde noch einige Speckreste. Es gibt schlicht Bacon and Eggs. Dazu schneide ich für jeden eine Scheibe Brot ab und lege diese auf die Teller. Ich seufze. Was gäbe ich für ein Brot von Mrs Oliver … Wenn sie gebacken hat, roch es den ganzen Tag im Haus danach. Einfach herrlich!

Zwar habe ich früher mit meiner Mum oft gemeinsam Brot gebacken, aber dazu fehlt es mir schon lange an Energie. Außerdem hat diese Aufgabe ja dann Mrs Oliver übernommen, was mir sehr gelegen gekommen ist.

Ich serviere das Essen in der Stube, wo Dad zu einem Lied summt, das aus dem Radio dudelt.

»Danke, das sieht köstlich aus«, sagt er, als ich ihm seinen Teller hinstelle.

»Ach, Dad!« Ich setze mich neben ihn. »Das ist doch nur ein schnelles Gericht. Nichts Besonderes.«

»Du verkaufst dich unter Wert«, befindet er bloß und nimmt gleich einen Happen vom Ei.

Nach dem Essen spüle ich das schmutzige Geschirr und springe dann unter die Dusche. Der lange Arbeitstag hat seine Spuren hinterlassen und muss dringend abgewaschen werden.

Eigentlich müsste mal wieder der Boden gewischt werden, denke ich, als ich danach durch den Flur laufe. Momentan habe ich aber null Freizeit und komme ständig spät nach Hause.

Auch an diesem Abend bin ich zu nichts mehr fähig und mir fallen nach wenigen Seiten lesen die Augen zu.

Caden

Ich hämmere in die Tasten des Laptops, nur um eine Minute später den gesamten Absatz wieder zu löschen. Verflucht noch mal!

Der ganze Vormittag ist rum, ich habe kaum etwas getippt und dafür einen Bärenhunger. Bloß, dass niemand etwas gekocht hat. Wer hätte das auch tun sollen? Ich lebe allein, eine Frau habe ich nicht an meiner Seite und die gute Mrs Hobbs, die manchmal meine Wäsche macht, kann ich ja wohl schlecht fragen, ob sie mich auch noch bekocht. Außerdem muss ich zugeben, dass ich eigentlich gar nicht ungern selbst am Herd stehe, aber für mich allein lohnt sich der Aufwand nicht.

Seufzend lehne ich mich in meinem Drehstuhl zurück und lasse meine Gedanken um den gelöschten Text kreisen. Mir will keine bessere Idee einfallen und langsam werde ich wütend auf mich selbst. Hilfe, ich stecke mitten in einer Schreibblockade!

Das eindringliche Klopfen an meiner Apartment-Tür ist mir als Abwechslung herzlich willkommen, auch wenn ich keinen Besuch erwarte.

Dass mein Freund Larry Steinbeck davorsteht, überrascht mich doch ein wenig.

»Larry, altes Haus!« Verwundert begrüße ich ihn, muss aber sogleich grinsen, denn er hat sich überhaupt nicht verändert, seit wir uns zuletzt gesehen haben. Seine Leidenschaft für Texas sieht man ihm schon von Weitem an. Zugegeben, der Cowboyhut steht ihm ausgezeichnet.

Er tippt zum Gruß mit zwei Fingern daran. »Howdy, Kumpel! Darf ich eintreten?«

»Na klar!«, sage ich beinahe schon übermütig, da ich mich über den spontanen Besuch freue.

Seit ich hierhergezogen bin, hat mich ehrlicherweise noch nie jemand besucht. Dabei wohne ich seit fast zwei Jahren in meinem neuen Apartment.

»Nette Aussicht«, meint Larry, der an der breiten Fensterfront stehen bleibt und erst mal nach draußen sieht. Er zieht sich den Hut vom Kopf und hält ihn mit einer Hand fest.

»Genau, deshalb habe ich die Unterkunft genommen.« Ich trete neben ihn und blicke auf den Hafen von Portland, der recht belegt ist.

»Wie läuft das Schreiben?«, erkundigt sich mein alter Freund.

»Es … geht so …«, sage ich vage. »Deshalb bist du aber nicht hier, oder?« Schon öfter mal habe ich Larry ausgeholfen und Texte zu seinen Immobilien geschrieben.

Er lacht und dreht sich zu mir. »Nicht direkt. Aber wenn du schon so fragst …« Hüstelnd sieht er sich im Raum um. »Können wir uns setzen?«

»Natürlich«, erwidere ich schnell und biete ihm einen Platz an meinem winzigen Esstisch an, der vollgeräumt mit alten Zeitungen ist. »Tut mir leid …« Schnell nehme ich den Stapel und lege ihn auf die Kommode.

»Kein Problem. Du bist wohl sehr beschäftigt, was?« Larry lässt sich auf den Holzstuhl nieder und zieht einige Papiere aus seiner Aktentasche.

»Das sieht mir doch nach Arbeit aus«, sage ich und gehe zur Glasvitrine, die neben dem Sideboard im Wohnbereich steht. »Dazu empfehle ich ein Glas Bourbon.«

»Du weißt, wie man Geschäfte macht!«, erwidert Larry belustigt.

Ich schenke zwei Gläser ein und setze mich meinem Gast gegenüber. »Also, rück mit der Sprache raus!«

»Gut, ich will nicht lange um den heißen Brei reden. Erstens will ich dich bitten, ob du mir bei einem Projekt mit dem Text helfen kannst.«

»Ich wusste es«, unterbreche ich ihn und schmunzle. »Das mache ich gern. Es ist eine willkommene Abwechslung für mich.«

»Fein, das hilft mir wirklich. Du schreibst einfach zu gut!« Er schiebt mir einige Blätter her und ich werfe einen flüchtigen Blick darauf. Ein Grundstück mit dazugehöriger Farm. »Ganz der alte Larry!«

»Du kennst mich doch. Für die richtige Investition ist mir nichts zu schade. Ich habe Insiderinformationen bekommen. Das Grundstück steht bald zum Verkauf und ich will zuschlagen. Die Gegend eignet sich wunderbar für eine Steinbeck-Unterkunft.«

Ich nicke. »Wo ist das? Sieht mir nach Umland aus.«

»Schottland.«

»In Europa?«, frage ich verblüfft.

»Na, kennst du sonst noch ein Schottland?« Er grinst.

»Nein«, gebe ich zu.

»Tja, die Zeit ist reif, sich auszubreiten, finde ich. Steinbeck-Hotels werden bald die ganze Welt erobern.«

»Okay …« Mehr fällt mir dazu nicht ein. Manchmal bin ich ein wenig neidisch auf meinen Freund. Er hat sich ein echtes Imperium aufgebaut mit seinen Immobilien.

»Da wäre nur eine kleine Sache …« Larry beugt sich etwas über den Tisch und fixiert mich. »Bevor ich das Grundstück kaufe, möchte ich mich vergewissern, dass es sich lohnt.«

»Das ist doch selbstverständlich«, sage ich. »Es sieht idyllisch aus.« Ich kann mir gut vorstellen, dass er dort eine Lodge hinstellt oder das Farmhaus zu einer ausbaut.

»Gut, dass du das auch so siehst. Ich habe nämlich keine Zeit, um selbst rüberzufliegen …«

Ich stocke. Will er wirklich auf das heraus, was ich gerade denke?

»Es wäre mir sehr geholfen, wenn du das erledigen könntest.« Er lehnt sich zurück und blickt mich abwartend an.

»I-ich?«, stammle ich. Was soll ich dazu sagen?

»Hättest du Zeit?«

Ich wiege den Kopf hin und her. »Um ehrlich zu sein, habe ich einen Termin für die Abgabe meines neuen Buches und es läuft nicht gut …«

Larry nickt verständnisvoll. »Ich verstehe. Das Grundstück und die Umgebung zu inspizieren beansprucht nicht so viel Zeit. Du hättest in dieser Idylle bestimmt genug Möglichkeiten, um an deinem Manuskript arbeiten zu können. Der Umgebungswechsel wird dir guttun, davon bin ich überzeugt.«

»Ich … ich weiß nicht … ich müsste das erst mit meiner Agentin klären«, stammele ich verlegen.

»Die Unterkunft dort würde ich übernehmen.« Larry zwinkert mir zu. »Ein Taschengeld ist ebenfalls drin.«

Obwohl das Angebot verlockend klingt, zögere ich. Wobei es meiner Agentin ja egal sein kann, an welchem Ort ich arbeite. Dennoch kann ich nicht so einfach von hier verschwinden. Oder doch?

»Ich sehe schon, du brauchst etwas Zeit zum Überlegen, Kumpel.« Larry erhebt sich und nimmt seine Aktentasche.

Langsam stehe ich ebenfalls auf und geleite meinen Freund zur Tür. »Ich melde mich.«

Larry gibt mir einen Klaps auf die Schulter. »Wenn du in der Zwischenzeit mal am Text arbeiten könntest, wäre das wunderbar.«

Ich nicke. »Mache ich natürlich. Danke für den Besuch.«

»Ich danke dir. Schicke Wohnung übrigens.« Mit einem Zwinkern verabschiedet er sich und marschiert hinaus.

Über das Schottland-Angebot denke ich den halben Tag nach. Es will nicht aus meinen Gedanken weichen und deshalb tippe ich kein einziges Wort an meinem Manuskript. Das wurmt mich natürlich und ich schiebe die mögliche Reise gedanklich beiseite. Allerdings hilft diese Aktion auch nicht, denn mir fällt nichts ein, was ich schreiben könnte. Es ist zum Verrücktwerden!

Das Loch in meinem Magen erinnert mich daran, dass ich immer noch nichts gegessen habe. Kurzerhand wähle ich die Nummer des Lieferservices, bei dem ich häufig etwas bestelle.

Nach nur fünfzehn Minuten klingelt es und der Lieferjunge eilt die Treppe hoch. »Hi, Mr Baker. Einmal die Penne Carbonara für Sie.« Er überreicht mir eine Tüte und ich gebe ihm im Gegenzug dafür einen Zehn-Dollar-Schein. »Den Rest kannst du behalten. Danke dir!«

»Ich habe zu danken. Guten Appetit!« Grinsend dreht er sich um und verschwindet wieder.

Mit der Tüte in der Hand gehe ich zur Küchenzeile, nehme einen Teller aus dem Schrank und richte die Nudeln an. Das Gericht dampft und riecht verlockend, was meine Laune ein wenig hebt.

Als nach dem Essen mein Handy klingelt, wundere ich mich, ob das etwa Larry ist, der eine Entscheidung fordert. Es ist aber Katy, meine Agentin. Sofort bildet sich ein Knoten in meinem Hals.

»Hallo?«, frage ich in den Hörer.

»Caden! Wieso meldest du dich nicht? Ich warte gespannt auf die ersten Kapitel!«, plappert Katy los, ohne sich groß mit Small Talk aufzuhalten.

»Ja … weißt du …«, stammele ich und der Knoten wird immer größer. Wie soll ich ihr bloß erklären, dass ich kaum etwas zustande gebracht habe?

»Und wo bleibt eigentlich der Plot? Den wolltest du doch zügig schicken? Bisher habe ich nur ein paar Anhaltspunkte von dir bekommen, mein Lieber. Du weißt ja, dass wir schon ewig zusammenarbeiten, deshalb vertraue ich dir auch blind, aber ein wenig mehr an Informationen wäre schon angebracht.« Sie spricht, ohne auch nur einmal Luft zu holen.

»Ich werde dir gleich mal was senden«, verspreche ich und spüre, wie sich meine Wangen erhitzen. Herrje, ich habe noch gar nichts, was ich senden kann.

»Tu das. Und schick mir deinen genauen Veröffentlichungsplan, damit ich mir ein Bild machen kann.« Sie holt tief Luft. »Man liest sich!« Schon legt sie auf.

Frustriert blicke ich aus dem Fenster. Wie zum Teufel soll ich dieses Schreibproblem lösen?

Ein riesiges Schiff fährt am Hafen ein und ich bin ein wenig neidisch auf die Touristen, die gleich aussteigen und einen aufregenden Tag an Land verbringen werden.

Ob Larry recht hat und ich in Schottland neue Ideen bekommen könnte?

Kurzerhand google ich nach Bildern dieses Landes und bin beeindruckt. Saftiges Grün, viele Wiesen und Hügel. Sieht verlockend aus. Ein Fleckchen zum Nachdenken.

Noch einmal sehe ich mir die Fotos des Grundstücks an, die Larry mir dagelassen hat. Es liegt zwischen Berg und Küste. Wirklich beeindruckend.

Bevor ich es mir anders überlege, rufe ich Larry an.

»Howdy, Kumpel! Ich hätte nicht gerechnet, so schnell von dir zu hören.«

»Hey! Ja, ich würde dein Angebot gern annehmen.« Kaum sind die Worte heraus, kribbelt es vor Aufregung leicht in meinem Bauch. Dieses Gefühl habe ich ewig nicht mehr gespürt.

»Wunderbar! Ich buche dir einen Flug und organisiere die Unterkunft. Alles Weitere sehen wir dann. Ich rufe dich zurück!«

»In Ordnung, danke dir!« Ich lege auf und erhebe mich. Aufgeregt laufe ich durch die Wohnung, aber ich merke, dass mir das nicht genügt. Deshalb verlasse ich das Apartment und marschiere zum Hafen. Die frische Luft tut mir gut. Ich frage mich, wieso ich das nicht öfter mache.

Ein spontaner Spaziergang bringt Abwechslung. Ich kann das Schiff von vorhin entdecken, das bereits angelegt hat. Plötzlich bin ich auf die Touristen nicht mehr neidisch, denn bei mir selbst steht in Kürze eine Reise an. Darauf freue ich mich schon.

Maire

Mein Wecker reißt mich früh aus dem Schlaf, denn es gibt viel zu tun. Zunächst bereite ich für Dad und mich das Frühstück zu. Es gibt simplen Toast und Marmelade. Beim Herausholen des Glases stocke ich für einen Augenblick. Es ist die letzte Marmelade, die Mum und ich gemacht haben. Meinen Augen zwicken und ich habe Angst gleich loszuheulen. Nach der Brombeersaison vor zwei Jahren ist Mum an einer plötzlichen Hirnblutung gestorben. Der Schock sitzt noch immer tief. Dabei kann ich mich noch an die glücklichen Tage erinnern, an denen Mum mit mir die Beeren gesammelt hat. Wir hatten dabei jede Menge Spaß und waren von oben bis unten voll bekleckert, da wir natürlich eine Verkostung der Früchte vorgenommen und fleißig davon genascht hatten. Anschließend haben wir zusammen die Marmelade eingekocht und abgefüllt.

Nun sind die Vorräte so gut wie aufgebraucht und ich habe keine Energie, um neue Marmelade zu machen. Die Erinnerungen an Mum schmerzen zu sehr.

Dad unterbricht meine Gedanken, als er die Küche betritt. »Guten Morgen, Liebes. Hast du gut geschlafen?«

»Bestens, danke. Setz dich, Frühstück ist gleich fertig.«

»Wir müssen uns bald etwas überlegen«, brummt er.

Ich drehe mich zu ihm um. »Was meinst du?«

»Ich fürchte, Mrs Oliver wird nicht mehr kommen können.«

»Wegen ihrem Mann?«

Dad nickt. »Ich denke, er wird ihre ganze Aufmerksamkeit beanspruchen.«

»Oh … bestimmt hast du recht. Dann suchen wir eine neue Köchin«, sage ich schnell. Doch Dad seufzt nur schwer und schenkt sich eine Tasse Kaffee ein.

Als das Telefon klingelt, springe ich vom Tisch auf. »Maire McDougal am Apparat, was kann ich für Sie tun?«

»Hi, Maire, hier Besse. Hör zu, ich denke, eine unserer Hennen hat sich am Flügel verletzt.«

»Oh, ich komme gleich vorbei und sehe es mir an«, meine ich.

»Du bist ein Schatz! Bis dann!« Besse legt auf.

Dad blickt mich fragend an.

»Eins von Besses Hühnern ist verletzt. Ich fahre gleich rüber«, erkläre ich.

»In Ordnung. Kommst du danach wieder?«

»Ich glaube nicht, ich muss dann in die Praxis und nach dem Rechten sehen. Abrechnungen und so weiter stehen auch noch an.«

»Du bist sehr fleißig«, lobt mich Dad. »Ich … wir … müssen dennoch reden, wenn du mal Zeit hast.«

»Okay … über was denn genau?«

»Über unsere Zukunft«, antwortet Dad schlicht.

Ich hebe fragend die Augenbrauen, aber aus meinem Vater ist nichts weiter herauszubekommen. »Gut, ich nehme mir Zeit für dich, wenn ich heute Abend nach Hause komme. Passt das?«

Dad nickt und beißt in seinen zweiten Toast.

Ich schenke ihm ein entschuldigendes Lächeln und erhebe mich. »Sorry, ich muss los. Bis später!«

»Ruf mal an! Damit ich weiß, wann ich mit dir rechnen kann.«

»Mache ich! Bye!« Ich drücke ihm ein Küsschen auf die Stirn und mache mich für den Arbeitstag fertig.

Zuerst fahre ich rüber zum Hof von Besse und Jazz. Die beiden betreiben eine beachtliche Hühnerzucht.

Zum Glück ist es bei dem verletzten Tier nichts Wildes und ich kann bald weiter in die Praxis fahren.

Die Papiere stapeln sich auf dem Tisch. Ich brauche dringend eine neue Assistentin, denn kaum schalte ich das Telefon an, klingelt es pausenlos. Die ersten drei Anrufer sind bloß irgendwelche Vertreter für Tiermedikamente, für die ich keine Zeit habe.

Sally, meine rechte Hand, ist vor Monaten in den Mutterschutz gegangen und bisher habe ich keinen Ersatz gefunden. Es ist zum Verzweifeln.

Ich sortiere die Papiere grob, aber dann betritt jemand die Praxis.

»Eamon, wie schön dich zu sehen!« Freudig gehe ich auf den großen bärtigen Schotten zu und werfe einen Blick in den Käfig, den er trägt.

»Hi, Maire. Bunny hat eine verletzte Pfote. Kannst du sie mal ansehen?«

»Klar doch.« Ich hole das Kaninchen heraus und trage es in den Nebenraum, wo sich die medizinischen Geräte und Utensilien befinden.

»Zahlt sich die Praxis überhaupt aus?«, will Eamon plötzlich wissen.

»Wie meinst du das?«

»Nur so … ist es nicht leichter, wenn dich die Leute einfach anrufen und du kommst vorbei?« Er räuspert sich. »Ich meine, das tust du doch ohnehin immer?«

Eigentlich hat er ja recht, aber ich brauchte einfach einen Rückzugsort und Platz für all meine Unterlagen und Geräte, als ich die Praxis eröffnet habe. Außerdem würde ich lieber häufiger in der Praxis arbeiten, aber auch hier macht mir die fehlende Assistentin einen Strich durch die Rechnung.

»Na ja, es hat sich so ergeben«, sage ich schlicht. Schon bin ich mit der Untersuchung von Bunny fertig. »Es ist nichts Schlimmes und wird von selbst heilen. Ich säubere die Wunde noch schnell.«

»Da bin ich ja froh. Trotzdem vielen Dank.« Er nickt. »Wie viel schulde ich dir?«

»Oh … ich muss erst die Rechnung schreiben …« So wie alle anderen der letzten Monate, füge ich in Gedanken hinzu. »Ich sende sie dir dann.«

»Tu das. Also, dann wünsche ich dir noch einen schönen Tag!« Er steckt Bunny wieder in den Käfig und verlässt die Praxis.

Keine zwei Minuten später kommt Silvia gut gelaunt mit ihrem Kater herein. »Zeit für die Kastration!«

»Du hast recht, das habe ich mir sogar eingetragen!«

»Er hat auch ganze zwölf Stunden nichts gefressen«, fügt meine alte Schulfreundin stolz hinzu.

»Perfekt.« Ich übernehme den Patienten und bereite alles für die Narkose vor. Schon ist das Tier eingeschlafen und ich mache mich an die Arbeit.

Danach habe ich Zeit, um mit Silvia eine Tasse Tee zu trinken. Wir müssen warten, bis die Katze wieder aufwacht, was ein wenig dauern kann.

»Zum Glück ist das nun erledigt. Der Haufen an Hundejungen reicht mir zu Hause. Einen Wurf Katzen kann ich nicht gebrauchen.« Sie lacht so schwungvoll, dass ihr Pferdeschwanz hin und her baumelt.

Ich grinse und nicke wissend. »Wie geht’s der jungen Hundemutter denn?«

»Ach, Poppy geht es prima und den Babys auch.«

»Klingt gut! Und wie läuft es so bei dir und Dustin?«, erkundige ich mich weiter.

»Alles prima. Dustin und ich denken auch an Nachwuchs«, sagt sie leicht verlegen.

»Das klingt wunderbar!« Zugleich spüre ich einen kleinen Stich in meinem Herz. Ich wünschte, ich wäre auch so weit, um an eine eigene Familie zu denken, aber mir fehlt ein Partner. Schnell wische ich diesen aufkeimenden Gedanken weg. Ich habe weder die Zeit noch den Nerv für einen Freund. Bis wir ans Kinderkriegen denken könnten, würde sowieso viel Zeit ins Land gehen … Und ich bin noch gestresst von Gil, meinem Ex-Freund, obwohl wir uns bereits vor mehr als drei Jahren getrennt haben. Ich wollte nach dem Studium zurück in mein Heimatdorf und Gil in die weite Welt.

»Bist du sicher?« Silvia gibt mir einen Stubs. »Du siehst so verzwickt aus.«

»Ach, tut mir leid. Ich habe nur einen Augenblick an Gil gedacht …« Den Satz beende ich erst gar nicht.

»Oje, was für ein Idiot! Musst du immer noch an ihn denken?«

»Nur ganz selten«, antworte ich ehrlich. Es tut zwar weh, wenn ich an ihn denke oder besser gesagt, wie er mich behandelt hat, aber alles nur noch halb so wild.

»Tut mir leid, das wollte ich nicht …«

»Schon gut«, breche ich das Gespräch ab. »Wie geht es Dustin in seinem Job?«

»Alles paletti.« Sie lächelt. »Im Ernst, es läuft prima. Eben hat er Kontakte nach Amerika geknüpft. Wenn das gut startet, dann kommen bestimmt bald weitere Aufträge aus den USA rein.«

»Wow, das ist ja toll!« Ich freue mich für Dustin. Er ist ein guter Kerl.

»Aye, das Immobiliengeschäft ist wie für ihn gemacht.« Silvia strahlt.

Ich stimme ihr zu, frage mich aber, ob es in der Umgebung wirklich so viele Immobilien und Grundstücke zu verkaufen gibt, dass es sich lohnt.

»Zurzeit ist er in Inverness, dort jagt er einem Auftrag hinterher«, erzählt Silvia lächelnd.

»Ach, reist er oft?«, erkundige ich mich und ärgere mich zeitgleich ein wenig. Seit meiner Rückkehr nach Kilmuir habe ich mich wirklich verkrochen, anstatt mit alten Bekannten und Freunden Zeit zu verbringen. Mehr als ein Small Talk bei den Tierbesuchen ist nicht drin und oft habe ich es selbst dabei eilig.

»Aye, er verkauft Grundstücke und Häuser im ganzen Land.«

Ich nicke. Dachte ich es mir doch, dass er viel herumkommt.

»Und für euch …«, beginnt Silvia, bricht aber ab, denn ihr Kater bewegt sich.

»Er wacht auf«, sage ich erfreut und gehe schnurstracks auf ihn zu, um zu sehen, ob es ihm gut geht.

Etwas später kann Silvia mit ihrem Liebling die Praxis schon verlassen. Der Eingriff ist bestens verlaufen.

»Grüße an Dustin, Poppy und die Hundebabys. Ich komme bald mal vorbei, um sie mir anzusehen!«

»Ist recht. Bye!«

Schon ist es Zeit für meine Mittagspause. Da ich nichts vorbereitet habe, muss ich mir etwas zu essen organisieren, was in diesem Dorf gar nicht so einfach ist. Schnell eile ich rüber zu Brendas Gemischtwarenladen, aber ich bin zu spät, das Geschäft hat über Mittag zu. Ich lasse die Schultern hängen und frage mich, was ich nun tun soll. In den Pub gehen? Mir bleibt wohl keine andere Wahl, denn viel mehr Möglichkeiten gibt es in unserem Dorf nicht, um an ein warmes Gericht zu kommen. Oder wenigstens zu einem Snack. Brenda hat auch nichts Warmes in ihrem Laden im Angebot.

Mein Magen knurrt bereits und deshalb werfe ich einen letzten Blick aufs Handy, um sicherzustellen, dass mich niemand angerufen hat, und will rüber zum O’Carolines.

Doch mit einem Mal wird die Tür zum Laden hinter mir aufgerissen.

»Maire! Habe ich doch richtig gesehen. Willst du zu mir?«

Ich drehe mich um und blicke in das hübsche Gesicht der Dreißigjährigen.

»Hi! Das wollte ich, aber du bist ja schon in deiner wohlverdienten Pause …«

Sie macht eine wegwerfende Handbewegung. »Quatsch! So dringend habe ich die nicht nötig. Und dich bekomme ich viel zu selten zu sehen. Komm rein!«

Ich zögere eine Sekunde, nehme dann aber das Angebot an.

Hinter mir schließt Brenda die Tür wieder und schaltet das Licht an.

»Wie geht es dir denn?«, erkundigt sie sich und bewegt sich zum Tresen.

»Ganz gut. Und wie sieht es bei dir aus?«

»Passt soweit alles«, sagt sie mit einem Lächeln. »Was kann ich für dich tun?«

»Ich wollte mir einen Happen zu essen holen«, erkläre ich. »Und dann auch gleich einiges für zu Hause einkaufen.«

»Wunderbar. Machen wir gemeinsam Mittagspause!« Brenda bedeutet mir mitzukommen.

»Aber … ich will dich nicht stören«, erwidere ich schnell. Ihre Einladung überrumpelt mich und ich muss zugeben, dass ich nicht zu den spontansten Menschen gehöre.

»Unsinn! Ich freue mich.« Sie geht voraus und öffnet die Hintertür, die in das zum Laden gehörige Haus führt. Kaum trete ich ein, dringt ein wohlriechender Duft an meine Nase. »Was ist das?«

»Nichts Besonderes, ein Pie mit Resten von gestern«, erklärt Brenda und geht voraus in die Küche.

Ich marschiere ihr und dem Duft direkt hinterher. Wann hat dieses himmlische Gericht das letzte Mal auf unserer Speisekarte gestanden?, frage ich mich. Doch die Antwort kommt schneller als erwartet: Als Mum noch lebte! Mrs Oliver hat nie Pie für uns gemacht, aus welchen Gründen auch immer.

»Sieh mal, ich habe die alten Küchenschränke neu lackiert«, meint Brenda und präsentiert mir diese stolz.

»Schick!« Anerkennend nicke ich. Das zarte Gelb sieht wirklich toll aus und verleiht der Küche ihren eigenen Sonnenschein. »Ich fürchte, ich war schon länger nicht mehr hier.«

Brenda zieht die Brauen zusammen. »Das kannst du laut sagen! Du arbeitest viel zu viel!«

So deutlich wollte ich das gar nicht vor Augen geführt bekommen. »Hast ja recht«, gebe ich zu.

»Früher, als wir noch Kinder waren, haben wir uns täglich gesehen«, klagt sie und holt den Pie aus dem Rohr.

Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. »Es tut mir wirklich leid … aber die Arbeit ist ein Fulltime-Job …«

»Weiß ich doch«, erwidert sie schnell. »Und alle sind begeistert von dir!«

»Außerdem ist da noch die Farm … und Dad«, zähle ich weiter auf.

»Stimmt, wie geht es deinem Vater, dem alten Yorick?« Brenda teilt das Gericht auf zwei Portionen auf. Als sie den Blätterteig durchschneiden will, knackt er frech.

»Mal besser, mal schlechter.« Ich seufze und suche nach dem Besteck. »Er kann immer weniger tun und hat immer mehr Schmerzen.«

»Bestimmt vermisst er deine Mum sehr«, fügt Brenda hinzu und stellt die beiden Teller auf den Esstisch, der sich vor einem winzigen Fenster in der Küche befindet. »Setz dich!«

Ich gehorche und lege zu jedem Teller das Besteck.

Brenda bringt noch Servietten sowie zwei Gläser Wasser und lässt sich auf die alte Holzbank nieder.

»Wo sind eigentlich deine Eltern?«, erkundige ich mich.

»Ach, die sind unterwegs. Auf ihre alten Tage haben sie die Lust aufs Reisen entdeckt.« Sie nickt mir zu. »Mahlzeit!«

»Guten Appetit«, wünsche ich und koste sogleich, da mein Magen förmlich nach Essen schreit. »Schmeckt himmlisch«, schwärme ich mit vollem Mund.

Meine Freundin lächelt zufrieden. »Danke.«

»Und wo sind deine Eltern hingefahren?«, will ich dann wissen.

»Auf die Isle of Mull.«

»Oh!« Ich muss schmunzeln. »Das ist ja gar nicht so weit weg wie ich dachte.«

»Tja, sie wollen erst mal die Heimat erkunden«, meint Brenda amüsiert.

Ich nicke und betrachte sie einen Moment lang. Sie hat sich in den Jahren, seit ich sie kenne, kaum verändert. Immer noch trägt sie dieselbe Haarlänge und Frisur. Einen selbst geschnittenen Pony und einen frechen Pferdeschwanz. »Wie sieht es eigentlich mit den Männern aus?«

Brenda stockt und sieht mich verdutzt an. »Na, kennst du irgendeinen vernünftigen Kerl in der Umgebung?«

Ich lache auf. »Nein.«

»Dann hast du ja deine Antwort.« Sie trinkt einen Schluck. »Im Ernst, ich glaube, ich ende als alte Jungfer.«

»Na, na!«

»Ehrlich! In ganz Kilmuir samt Umland findest du nicht einen akzeptablen Junggesellen. Dabei wünsche ich mir so sehr eine Familie. Einen Mann an meiner Seite und mindestens fünf Kinder.«

»Fünf? Da hast du ja einiges vor!«

»Na und ob! Und wie sieht es bei dir aus? Hast du in der Zwischenzeit jemanden gefunden?«

»Nein, und wenn, wüsste es längst das ganze Dorf. Aber ich lege auch keinen großen Wert auf einen Mann.«

»Auf eine Frau etwa?«, erkundigt sich Brenda und mustert mich.

»Blödsinn!« Lachend tue ich ihre Aussage ab. »Ich habe einfach keine Zeit für jemanden. Zu viel Arbeit und zu viele Sorgen mit der Farm. Uns fehlt es an Arbeitskräften …«

Meine Freundin nickt. »Das kann ich verstehen.«

Eine halbe Stunde später verabschiede ich mich von ihr. Vorsorglich habe ich noch einige Lebensmittel mitgenommen, da unser Kühlschrank zu Hause leer ist und Dad bestimmt nicht einkaufen gegangen ist. Ich lagere alles in der Tierpraxis zwischen und warte auf den nächsten Patienten. Danach fahre ich bei Tina und Cliff vorbei, um nach Chipsy und den Katzenbabys zu sehen. Es ist alles bestens und läuft gut.

Nach einem arbeitsreichen Tag düse ich nach Hause und treffe Dad hinter dem Hügel, auf der Weide bei den Schafen. Er sieht erschöpft aus und hat dunkle Augenringe.

»Hi, Dad! Na, wie war dein Tag?«

Er schreckt auf. »Oh, hallo, mein Kind. Es gab nichts … Besonderes …«

»Wie geht es den Tieren?« Ich drehe eine Runde und stelle fest, dass sich die Schafe prächtig machen.

»Lass uns zurück zur Farm gehen«, sagt Dad dann.

Ich blicke hinüber zum Meer. Die Sonne ist am Untergehen. Am Horizont sind dunkle Wolken zu erkennen und der Wind frischt auf. »Gute Idee!«

Drinnen sortiere ich die gekauften Vorräte und mache Nudeln zum Abendessen. Mittlerweile prasselt der Regen ans Küchenfenster und ich bin froh, dass ich heute nicht mehr rausmuss.

Das Essen braucht nicht lang, schon können wir gemeinsam speisen. Doch irgendetwas an Dad scheint heute anders zu sein. Er wirkt so in sich gekehrt und redet kaum.

»Ist was passiert?«, frage ich.

»Wie? Nein … nur … also …« Er stottert herum und winkt ab.

»Du wolltest heute Morgen schon etwas besprechen«, erinnere ich ihn. »Etwas, das sich um unsere Zukunft dreht.«

»Ach ja. Ist nicht so dringend … aber hör zu, da gibt es noch eine Kleinigkeit, über die ich dich informieren will.«

»Raus damit!«, sporne ich ihn an. Bestimmt möchte er sich mit mir wegen der neuen Arbeitskräfte besprechen, die wir dringend benötigen.

Kaum setzt er zum Reden an, klingelt mein Handy.

»Tut mir leid, ich muss da rangehen«, entschuldige ich mich. »Maire McDougal.«

»Maire! Hier Blake. Du … musst kommen! Ein Notfall! Scotty geht es schlecht. Er … kotzt nur und winselt.«

»Oje, das arme Tier. Hat er irgendwas Seltsames gefressen oder so?«, vermute ich.

»Keine Ahnung«, antwortet Blake aufgelöst.

»Ich bin unterwegs!«

Ehe ich Dad erklären kann, um was es geht, ist er bereits aufgestanden und holt mir meine Arzttasche.

»Vielen Dank!« Ich gebe ihm ein Küsschen auf die Wange. »Bis später!«

»Pass auf dich auf!«, ruft er mir noch hinterher.

Hastig fahre ich die Straße zu Blakes Haus entlang. Ich bin mir nicht sicher, wie schlimm es um Scotty steht, aber ich will auf keinen Fall wertvolle Zeit verlieren, sollte er etwas Giftiges gegessen haben. Leider wohnt Blake etwas abgelegen und ich muss den einspurigen Weg nehmen. Der Asphalt ist nass, deshalb zügle ich das Tempo.

Plötzlich leuchtet mir ein Scheinwerfer direkt ins Auge. Das gibt’s doch nicht! Wieso fährt der Idiot weiter, anstatt in der Parkbucht zu warten? Er muss mich doch schon lang gesehen haben. Ich habe eindeutig Vorrang! Mir bleibt nichts anderes übrig, als den Wagen zu stoppen.

Das andere Auto bleibt ebenfalls stehen und blockiert die ganze Straße.

Ich hupe wütend, aber das bringt nichts. Deshalb steige ich aus und eile direkt auf den Fahrer des anderen Gefährts zu, der nun auch aussteigt. Ohne auf den Regen zu achten tritt mir ein groß gewachsener, breitschultriger Mann entgegen.

»Was bildest du dir ein?«, rufe ich. »Ich habe es eilig und außerdem Vorfahrt!«

Als ich nur noch einen halben Meter von ihm entfernt bin, stoppe ich und rutsche prompt auf der nassen Straße aus.

2. Kapitel

Caden

»Hoppla!« Ich fange die wild gewordene Frau auf, ehe es sie auf den Allerwertesten setzt. Sie wiegt nicht viel, sondern ist leicht wie eine Feder. Ihre Gestalt wird nur vom Scheinwerferlicht beschienen und ihr Gesicht liegt im Halbdunkeln. Dennoch fällt mir der volle Mund sofort auf, der sich jetzt öffnet und schrille Töne von sich gibt.

»Ist ja gut, ich hab dich«, murmle ich und helfe ihr, sich wieder in die Horizontale zu bewegen.

»Eine bodenlose Frechheit!«, fährt sie mich an und ich hebe erstaunt meine Augenbrauen.

»Dass ich dich aufgefangen habe?«

Sie nimmt die Hände an ihre Taille. »Siehst du nicht, dass das hier eine einspurige Straße ist? Eine Single Track Road!« Mit der Hand deutet sie hinter sich. »Ich habe Vorrang, verdammt noch mal!«

Abwehrend hebe ich die Hände. Dieses weibliche Wesen ist mir nicht ganz geheuer. Das mag an ihr liegen oder an der Tatsache, dass ich mit schreienden Frauen noch nie viel anfangen konnte. »Tut mir leid, das wusste ich nicht.«

»Also, sieh zu, dass du deinen Wagen bis zur Parkbucht zurückschiebst. Ich muss vorbei, ich habe es eilig. Es geht um Leben und Tod!«

Sie schiebt mich zurück zum Auto und eilt dann zu ihrem eigenen, wirft die Tür hinter sich zu und startet den Motor.

Völlig verdutzt setze ich mich hinters Steuer und versuche mich zu orientieren. Wo war noch mal diese Parkbucht, von der die Lady gesprochen hat? Auf der unbeleuchteten, nassen Straße kann ich nur schlecht etwas erkennen, weshalb ich Meter für Meter zurückrolle und mir den Hals verrenke.

Die eilige Frau klebt an meinem Wagen und hupt zwei-, dreimal, sodass ich erst recht nervös werde. Diese schottischen Straßen sind ja lebensgefährlich. Wieso wurde hier überhaupt ein einspuriger Weg gebaut? Was für ein Unsinn! Die sollten sich mal ein Beispiel an Amerikas Straßen nehmen. Da kommt man sich nicht so leicht in die Quere, selbst, wenn man einen breiten SUV fährt.

Endlich komme ich zu der genannten Parkbucht. Wobei die auch nur sehr schmal ausfällt, wie ich missmutig feststelle. Als ich der Frau deuten will, dass sie nun Platz hat, zischt sie mit Vollgas an mir vorbei, sodass hinter ihr eine Fontäne aufspritzt.

Verrückt, dass das erste weibliche Wesen, auf das ich in diesem Land treffe, so eine penetrante Schottin sein muss. Ihre Augen haben sogar im Dunkeln Funken gesprüht, damit hat sie mich wahrlich ein wenig beeindruckt. Vielleicht ist sie ja eine Hexe?

Nun, ich werde es wohl nicht mehr erfahren. Blöd nur, dass ich sie nicht nach dem Weg fragen konnte. Denn schon seit Stunden bin ich erfolglos unterwegs und irre umher. Larry hat mir zwar die Adresse der Unterkunft gesendet, aber das Navi hatte mich ganz woanders hingeschickt. Als ich gedacht hatte, ich sei im richtigen Ort, hatte ich bei einem gut besuchten Friedhof angehalten. Ich habe mich durchgefragt, aber niemand konnte so recht helfen, da fast jeder ein Tourist war. Ein Friedhofsgärtner hat sich letztlich meiner erbarmt und Auskunft gegeben. Zunächst dachte er, ich suche das Grab der Flora MacDonald, so wie es fast jeder tut, der Kilmuir besucht. Anscheinend war sie eine Heldin der Highlands, deren Grab noch immer von Pilgern aufgesucht wird.

Es hat sich herausgestellt, dass ich in die falsche Ortschaft gefahren bin. Wieso gibt man denn zwei Ortschaften denselben Namen auf dieser Insel? Ärgerlich! Mir blieb nichts anderes übrig als umzukehren und die zweite Ortschaft mit dem Namen Kilmuir aufzusuchen. Und jetzt kurz vor meinem Ziel begegnet mir diese verrückte Highlanderin.

Ich hoffe, dass ich bald da bin. Den restlichen Weg zu diesem Cottage, das Larry für mich angemietet hat, passe ich höllisch auf, dass mir nicht gleich wieder so ein Missgeschick mit einem entgegenkommenden Auto geschieht, aber niemand außer mir scheint noch unterwegs zu sein. Die Straßen sind leer und die Umgebung liegt im Dunklen. Hier und da leuchtet eine Lampe in einem Haus auf, aber es sieht nach einer ziemlich ruhigen und verlassenen Umgebung aus. Ganz anders als in Portland. Fast schon unheimlich.

Ich denke immer mehr, dass ich mich wieder verfahren habe, aber das Navi leitet mich unweigerlich weiter in die Pampa. Weit und breit ist nichts zu sehen und die Straße ist natürlich nicht beleuchtet. Weshalb ich im Schneckentempo dahinkrieche, Ausschau haltend nach einer weiteren Parkbucht, um das Navi neu zu starten oder diese Familie McDougal anzurufen, die das Cottage vermietet. Larry hat mir glücklicherweise die Kontaktdaten gegeben.

Mit einem Mal sehe ich weiter vorne ein Licht aufflackern. Ist das etwa das besagte Cottage? Ich hoffe es und steige aufs Gaspedal.

Nach wenigen Minuten habe ich mein Ziel erreicht. Eine Farm tut sich vor mir auf und ich parke den Wagen davor. Für einen Augenblick lausche ich. Alles still. Kein Gebell zu hören, so wie ich es erwartet hätte. Lebt nicht auf jeder Farm ein Hund?

Also wage ich mich aus dem Auto und hole direkt mein Gepäck aus dem Kofferraum. Der Regen hat aufgehört, aber der Boden ist klatschnass und überall finden sich Pfützen. Eine davon habe ich zu spät gesehen, denn ich bin mitten hineingetreten. Verdammt! Meine Schuhe sind durchnässt und ich fürchte, mindestens ein Hosenbein ebenfalls. Auch der Koffer, der aus Stoff besteht, ist nass geworden. Wer rechnet schon mit knöcheltiefen Pfützen?

Resigniert steuere ich auf die rote Eingangstür zu, deren knallige Farbe sogar im Dunklen auffällt.

Da ich keine Klingel finde, klopfe ich einfach. Nun höre ich doch dumpfes Gebell und ziehe automatisch meinen Kopf ein. Vor Hunden habe ich einen ziemlich großen Respekt. In meiner Nachbarschaft lebt ein dauerknurrender Riesenköter, der mich jedes Mal mit seinen Zähnen anfletscht, wenn ich am Grundstück vorbeigehe. Dem Tier habe ich sogar eine Rolle als Protagonist in einem alten Thriller gewidmet. Seither habe ich noch mehr Angst vor ihm, denn in meinem Buch tötet der Hund reihenweise Menschen mit einem Biss in die Kehle. Allein beim Gedanken daran erschaudert es mich.

Da niemand auf mein Klopfen reagiert, versuche ich es erneut. Selbst das Hundegebell ist verstummt. Als ich noch einmal Klopfen will, wird die Tür aufgerissen.

»Was ist denn? Hast du keinen Schlüssel mit, Maire?« Ein älterer Herr steckt seinen Kopf heraus und stockt, als er mich erblickt. »Nanu, wer sind Sie denn?«

»Ich bin Caden Baker …«, stammle ich. »Ich meine … wegen dem Cottage …« Larry hat doch alles organisiert, oder? Zu mir hat er das jedenfalls gesagt, aber der alte Knacker sieht ziemlich überrascht aus, für jemanden, der weiß, dass ich heute anreise.

Große Augen blicken mich an. »Sie wollen das Cottage? Tut mir leid, das ist ab morgen vermietet.«

Ich erstarre. »Nicht Ihr Ernst?«

»Leider … ein Amerikaner mietet es für die nächste Zeit.«

Das kann doch kein Zufall sein, oder? »Ich komme auch aus den USA.« Abwartend schaue ich den Herrn an, aber er rührt keinen Finger.

»Schön.« Er nickt. »Viele Touristen besuchen Schottland.«

Vermutlich hat er recht und ich einfach nur Pech. Ehe er mir die Tür vor der Nase zuwirft, hege ich noch eine winzige Hoffnung.

»Sagen Sie, wäre es möglich, dass ich bis morgen hier schlafen kann?«

Stirnrunzelnd betrachtet mich mein Gegenüber und streicht sich mehrmals über den angegrauten Bart. »Also gut, wenn Sie selbst das Bett abziehen, bevor Sie abreisen.«

Erleichtert atme ich auf. »Das ist kein Problem.«

Ich ernte eine einladende Handbewegung.

»Kommen Sie rein und wärmen Sie sich auf. Dann zeige ich Ihnen das Cottage.«

Dieses Angebot nehme ich nur zu gern an. Mir ist fürchterlich kalt und ich zittere am ganzen Körper.

Ich marschiere dem grauhaarigen Mann hinterher, der leicht hinkt.

»Eine Tasse Tee?«, fragt der Hausbesitzer mich in der Küche.

Ich nicke. »Das wäre großartig.«

Er klimpert mit den Tassen und hat das Getränk im Nu fertig. Aus einer dunklen Flasche gießt er einen Schluck hinein. »Damit Sie keine Erkältung bekommen«, meint er verschwörerisch und reicht mir eine Tasse. Sie ist so heiß, dass ich mir beinahe die Finger verbrenne.

»Danke!«

»Keine Ursache. Bei uns auf dem Land hilft jeder jedem, wenn es möglich ist«, erklärt mir der Mann. »Ich bin übrigens Yorick.«

»Freut mich, ich bin Caden.«

»Ah, ja stimmt, das hast du ja erwähnt. Slàinte Mhath!« Er hält die Tasse hoch und ich tue es ihm gleich.

Vorsichtig nippe ich an dem Getränk. Durch den Schuss aus der dunklen Flasche brennt meine Zunge schon nach dem ersten Schluck. Eine wohlige Wärme macht sich sogleich in meinem Magen breit. Unweigerlich denke ich daran, dass ich seit Stunden nichts mehr gegessen habe. Meine letzte Mahlzeit habe ich im Flugzeug bekommen. Und danach bin ich mit dem Mietwagen mehrere Stunden durch Schottland gefahren.

»Willst du noch ein Sandwich?« Schon beginnt Yorick eines zu schmieren.

»Das wäre super«, gestehe ich.

»Das Cottage ist schon vorbereitet«, meint er. »Ab morgen ist es offiziell vermietet. Schade, einem guten Kerl hätte ich gerne ausgeholfen.« Er dreht sich zu mir und wirft mir einen mitleidigen Blick zu.

»Schon okay, mein … Kumpel hat da wohl etwas anderes für mich angemietet.« So muss es wohl sein. Am besten, ich rufe Larry morgen früh an und kläre das. Oder bin ich auf der falschen Farm gelandet? Oder doch im falschen Dorf? Alles ist möglich. Ich werde das nach einer Portion Schlaf klären, denn den habe ich bitter nötig. Im Flugzeug konnte ich beim besten Willen kein Nickerchen machen, die Nachwehen bekomme ich jetzt richtig zu spüren. Mit einem Mal kann ich mich kaum noch konzentrieren. Oder ist etwa der Alkohol im Tee schuld? Ach was, ein bisschen was vertrage ich schon.

Genau im richtigen Moment hält mir Yorick das Sandwich vor die Nase.

»Danke!« Ich verschlinge es mit wenigen Bissen, was mir einen amüsierten Blick meines Gastgebers einbringt. Sogleich muss ich herzhaft gähnen.

»Na, ich denke, es ist besser, ich zeige dir dein Bett, was?« Mit einem Schmunzeln bedeutet er mir mitzukommen. Wir verlassen das Haus durch eine Hintertür und marschieren über eine Wiese.

Das weiße Cottage leuchtet in der Dunkelheit.

»Bereit?« Yorick blickt mich fragend an.

»Natürlich.« Was soll denn auch Großartiges sein?

Er öffnet die Tür, die wahnsinnig laut knarrt. Wie in einem Horrorfilm. Dann macht er das Licht an und ein winziger Raum tut sich vor meinen Augen auf. Neugierig trete ich ins Haus und schaue mich um.

»Die Küchenzeile ist zwar klein, aber für das Nötigste ist gesorgt. Du findest auch Tee, Kaffee und ich glaube, es müsste sogar verpacktes Knäckebrot von den letzten Gästen übrig geblieben sein.« Yorick geht zu einem Küchenschrank und öffnet diesen. »Oh und eine Konserve gibt es noch. Corned Beef.«

»Danke. Fürs Erste bin ich ja versorgt und morgen reise ich weiter …« Und muss mir eine neue Bleibe suchen, denke ich.

»Aye, dann will ich dich nicht weiter stören«, erwidert Yorick. »Schlaf gut.«

»Du auch.« Ich nicke ihm zu und halte dann nach dem Schlafzimmer Ausschau. Es befindet sich nebenan und hat genau die richtige Größe für einen müden Mann wie mich. Ich falle einfach der Länge nach ins Bett, streife mir noch die Schuhe von den Füßen und dann schließe ich meine Augen.

Maire

Zum Glück bin ich noch rechtzeitig beim Notfall angekommen. Es hat sich herausgestellt, dass der Hund wirklich etwas Giftiges gefressen hat. Ich habe ihm ein Medikament gegeben und werde morgen noch einmal nach ihm sehen.

Obwohl es doch nicht so schlimm aussieht und alles gut gegangen ist, bin ich trotzdem wütend auf diesen blöden Autofahrer, der vorhin den Weg blockiert hat. Ich weiß nicht, wann ich mich zuletzt so stark geärgert habe. Normalerweise bin ich ein ziemlich friedlicher Mensch, aber diese Situation hat mich fertig gemacht. Oder liegt es gar an dem Mann? Wobei ich ihm zugutehalten muss, dass er mich aufgefangen hat, als ich ausgerutscht bin. Seine starken Arme haben mich gestützt und beinahe hat mein Herz deswegen angefangen schneller zu klopfen. Was ja eine Idiotie an sich ist, denn ich bin ja in einer Notsituation gewesen und keineswegs in einer romantischen, die solch eine Körperreaktion befürwortet hätte. Allerdings bin ich viel zu erschöpft, um weiter darüber zu philosophieren, und gehe direkt zu Bett, als ich nach Hause komme.

Frierend erwache ich im Morgengrauen und ziehe mir die Decke weiter über. Meine Zehen sind eiskalt und mir ist klar, dass es nutzlos ist, sie zu wärmen. Eigentlich brauche ich gar nicht aus dem Fenster zu sehen, um zu wissen, dass heute grauenhaftes Wetter herrscht, aber ich tue es trotzdem und schiebe den schweren Vorhang beiseite. Wie erwartet regnet es in Strömen, dazu tost der Wind, sodass sich sämtliche Bäume und Sträucher der Umgebung biegen.

Normalerweise liebe ich es, morgens direkt aus dem Bett in die Natur blicken zu können, aber heute wünsche ich mir, dass ich den ganzen Tag verschlafen könnte. Müde genug wäre ich.

Doch ich kann mir keinen Urlaubstag leisten. Im Gegenteil. Sobald ich etwas Zeit von der Arbeit freischaufeln kann, muss ich Dad mit der Farm helfen. Mir scheint, als würde alles drunter und drüber gehen. Mein Vater wirkt in letzter Zeit ziemlich schlapp, was mich nicht wundert. Er ist ebenfalls ein Arbeitstier und übernimmt sich dabei ziemlich, obwohl er das nie zugeben würde.

Ich seufze.

Nun taucht etwas Sonderbares in meinem Blickfeld auf. Ich blinzle extra zweimal, falls mir meine Augen einen Streich spielen, aber das tun sie nicht.

Im Cottage steigt Rauch aus dem Kamin! Sofort sitze ich kerzengerade im Bett. Hat Dad etwa eingeheizt? Aber wieso sollte er das tun? Ich muss rüberlaufen und nachsehen, was dort los ist.

Mein Bauchgefühl verrät mir, dass da etwas nicht stimmt. Schnell schlüpfe ich in meine Jeans und die Gummistiefel, ziehe auch noch den Regenmantel drüber und gehe zur Tür.

Von meinem Vater ist weit und breit nichts zu sehen. Bestimmt läuft er über die Felder, sieht nach dem Rechten und trotzt dem Wetter.

Im Vorzimmer rufe ich nach Shelly, unserem Shetland Sheepdog, und hoffe, dass sie nicht mit Dad unterwegs ist.

Nach dreimaligem Rufen erscheint sie aus der Küche.

»Komm mit!« Schon laufen wir über die nasse Wiese. Ich halte einen Besen in der Hand. Etwas Besseres zum Verteidigen habe ich in der Kürze nicht gefunden.

Ich nehme nämlich an, dass sich irgendwelche Vagabunden im Cottage eingenistet haben. Der letzte Mensch, der dort übernachtet hat, war Onkel Augustus aus Kanada. Und das ist schon Jahre her, da hat Mum noch gelebt und ich war frisch nach dem Studium und mit gebrochenem Herzen hergezogen.

Dad hat mir nichts davon gesagt, dass Onkel Augustus sich angekündigt hätte. Und wenn einer meiner Geschwister heimgekehrt wäre, würde er oder sie im Haus wohnen. Also, wer hält sich im Cottage auf?

Shelly bellt auf und ich erschrecke mich. Anscheinend hat die Hündin einen wilden Hasen entdeckt, der weiter rechts in der Wiese hoppelt. Schon läuft sie ihm hinterher und ich sehe ihr fassungslos nach, während sie mich im Stich lässt.

Trotzdem muss ich handeln!

Die letzten paar Meter schleiche ich gebückt, damit ich die Landstreicher auf frischer Tat ertappen kann. Ich will einen Blick durch das Fenster werfen …

Caden

Was war das für eine schreckliche Nacht? Zuerst bin ich in einen tiefen Schlaf gefallen, aber irgendwann bin ich von einem eigenartigen Geräusch wach geworden. Zunächst konnte ich es nicht zuordnen und mir fehlte die Orientierung, denn ich lag im dunkelsten Raum, den man sich nur vorstellen kann. Außer Schwarz war nichts zu sehen.

Ich habe mit dem Handy um mich herum alles ausgeleuchtet, aber nichts Sonderbares war zu erkennen. Das Geräusch erklang ohne Unterbrechung und mit einem Mal ist mir klar geworden, woher es kommen musste. Es war ganz einfach nur der Wind, der um das alte, undichte Haus heulte und durch sämtliche Ritzen drang. Dann habe ich auch bemerkt, wie kalt es im Zimmer geworden war. Ich bin aufgestanden und habe nach einer zweiten Decke gesucht, aber keine gefunden. Schließlich habe ich den Kamin angemacht und bald ist es etwas wärmer im Cottage geworden. Zum Glück, denn sonst wäre ich wohl über Nacht erfroren.

So richtig schlafen konnte ich dann nicht mehr, also habe ich ab dem Morgengrauen wach im Bett gelegen und ein Buch gelesen. Den Thriller einer Autorenkollegin. Das hätte ich mal lieber sein lassen, denn der Handlungsort ist ein verlassenes Gebäude. Ich befinde mich zwar neben einer Farm, aber sonderlich lebhaft kommt sie mir nicht vor. Tiere habe ich bisher überhaupt noch keine gesehen, nicht einmal den bellenden Hund, den ich am Abend gehört habe.

Also ist es eigentlich gut, dass ich heute rausgeschmissen werde, denn ich muss zugeben, dass ich mich ein wenig grusele.

Allerdings warte ich noch mit der Weiterfahrt. Ich muss unbedingt noch das Unterkunftsproblem lösen und außerdem gießt es aus Eimern.

Dieser Yorick hat doch gestern gemeint, es gäbe bestimmt noch Reste vom letzten Mieter in der Küche. Da mein Magen unaufhörlich grummelt, beschließe ich nachzusehen. Doch so viele Schränke ich auch öffne, es ist alles leer. Nur die Dose Corned Beef ist vorhanden.

Darauf habe ich überhaupt keine Lust, aber in Ermangelung an Auswahl öffne ich die Dose. Der Geruch, der mir entgegenströmt, ist widerlich. Das ist doch nicht normal, oder? Kritisch betrachte ich die Dose und lache laut auf. Herrlich! Das Ablaufdatum ist längst überschritten. Zwar möge man meinen, dass der Inhalt in einer Konservendose länger als angegeben hält, aber diesmal ist das nicht der Fall. Vielleicht wurde die Dose ja auch irgendwie beschädigt. Es mieft mächtig.

Auf der Suche nach einem Mülleimer fällt mein Blick aus dem Küchenfenster. Hat sich da etwas bewegt? Ich gehe näher an die Scheibe und sehe außer hin- und herschaukelnden Büschen und Bäumen nicht viel. Außerdem behindern die herabrinnenden Tropfen vor meiner Nase die Sicht.

Da! Eine dunkle Gestalt lauert am Busch dort vorn. Jetzt bin ich mir ganz sicher, dass jemand da draußen herumlungert. Ob das Yorick ist? Dann würde er ja wohl anklopfen, oder?

Vielleicht handelt es sich um einen Einbrecher. In Amerika rechnen wir immer damit und haben in unseren Wohnungen deshalb Alarmanlagen angebracht. Aber hier? Was sollen Diebe aus diesem Cottage stehlen wollen? Vielleicht das alte Corned Beef? Trotzdem fühle ich mich unbehaglich.

Was, wenn sich Vagabunden hier einnisten wollen und ein schützendes Dach über dem Kopf suchen? Das wäre dem alten Yorick nicht recht und mir schon gar nicht.

Ich sehe mich nach etwas um, das ich als Waffe verwenden kann, doch ich finde nichts. Im Schrank habe ich vorhin einige Töpfe gesehen. Kurzerhand reiße ich einen heraus und schleiche damit zur Tür.

Ich brauche gar nicht lange zu warten, da bemerke ich, wie sich die Klinke Millimeter für Millimeter nach unten senkt. Ich halte die Luft an und den Topf über meinen Kopf, bereit, dem Eindringling eines Überzuziehen.

Schon tritt dieser ein. Zuerst entdecke ich einen grässlichen Gummistiefel und etwas Wallendes, von dem der Regen spritzt. Beim zweiten Blick stelle ich fest, dass es sich um einen Regenumhang handelt.

Der Kerl ist ja bestens für das schottische Wetter gerüstet, denke ich.

»Wer ist da?«, ruft der Einbrecher.

Ich bin verwirrt, denn es handelt sich um eine Frauenstimme.

Vor Erstaunen lasse ich den Topf sinken. »Ich.«

Ein nasser dunkelhaariger Wuschelkopf taucht unter der Regenkapuze auf und blickt mich mit großen grünschimmernden Augen an. »D-du?«

3. Kapitel

Maire

Das gibt es ja nicht! Was tut der Kerl hier? Hat er sich heimlich bei uns eingenistet?

»Diese Frage kann ich nur zurückgeben!«, meint er und betrachtet mich von oben bis unten. »Schickes Outfit.«

Ich spüre, wie mir trotz des eiskalten Wetters heiß wird. Himmel, ich muss ja scheußlich aussehen! Schnell streiche ich mir einzelne Haarsträhnen aus dem Gesicht. Sie fühlen sich nass an, trotz der Kapuze. So ein Mist.

Maire, besinne dich, rede ich mir in Gedanken zu. Immerhin bin ich einem Einbrecher auf der Spur, den hat es nicht zu interessieren, wie ich aussehe. »Was tust du hier?«

Unschuldig hebt er die Hände auf Schulterhöhe. »Ich bin bloß für eine Nacht da.«

»Was redest du denn?« Immerhin steht er jetzt vor mir. »Es ist längst Tag, auch wenn es draußen wie Abend aussieht.«

Er lacht auf. »Das weiß ich doch.«

»Dann stell das mal richtig.«

»Also … ich fürchte, ich habe mich verfahren … und Yorick hat mich aufgelesen.«

Ich seufze. Wieder typisch Dad! Hilft jedem in Not. »Ich verstehe.«

Nun sieht er mich mit großen Augen an. Selbst im halbdunklen Zimmer erkenne ich, dass sie bläulich schimmern. Wie das Meer an einem sonnigen Tag. Ich muss mich zwingen, meinen Blick davon zu lösen, um mich nicht ablenken zu lassen.

»Was mache ich bloß mit dir?«, überlege ich laut. Die Aussage, dass mein Vater ihn aufgelesen hat, klingt logisch und ist für mich nachvollziehbar.

Mein Gegenüber schweigt betreten, während ich mich im Cottage umsehe. Hier drinnen bin ich ewig nicht mehr gewesen. So sieht es leider auch aus. Richtig verstaubt und heruntergekommen. Ein wenig schäme ich mich dafür, aber dann fällt mir ein, dass dieser freche Autofahrer von gestern Nacht nichts anderes verdient hat.

Trotzdem siegt meine Höflichkeit und ich frage: »Willst du rüber ins Farmhaus kommen und etwas frühstücken?« Außerdem weiß ich, dass mein Vater genau das von mir erwarten würde. Gäste sind immer Könige, lautet seine Devise.