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Mafia, Magie und Moneten – der vierte Roman der chaotischen Dämonen-Reihe.
Der Tag beginnt gar nicht gut. Skeeves dämonischer Mentor wird entführt. Dabei könnte der Zauberlehrling Aahz' Rat kurz darauf gut gebrauchen, als eine Verbrecherorganisation von Skeeve Wiedergutmachung fordert. Nun ja, immerhin hat er tatsächlich deren Armee verschwinden lassen. Um sie von seinem Königreich fernzuhalten, bietet Skeeve ihnen den Zugang zu einer völlig neuen Welt: Tauf. Die Mafia nimmt an. Allerdings kommen die Täufler – korrekt für Teufel – mit dem organisierten Verbrechen gar nicht klar und heuern einen Spezialisten an, um die Mafia wieder zu vertreiben. Und das ist ausgerechnet Skeeve!
Die Dämonen-Reihe bei Blanvalet:
1. Ein Dämon zu viel
2. Als Dämon kriegst du nie genug
3. Ein Dämon auf Abwegen
4. Ein Dämon kommt selten allein
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Seitenzahl: 223
Veröffentlichungsjahr: 2022
Buch
Der Tag beginnt gar nicht gut. Skeeves dämonischer Mentor wird entführt. Dabei könnte der Zauberlehrling Aahz’ Rat kurz darauf gut gebrauchen, als eine Verbrecherorganisation von Skeeve Wiedergutmachung fordert. Nun ja, immerhin hat er tatsächlich deren Armee verschwinden lassen. Um sie von seinem Königreich fernzuhalten, bietet Skeeve ihnen den Zugang zu einer völlig neuen Welt: Tauf. Die Mafia nimmt an. Allerdings kommen die Täufler – korrekt für Teufel – mit dem organisierten Verbrechen gar nicht klar und heuern einen Spezialisten an, um die Mafia wieder zu vertreiben. Und das ist ausgerechnet Skeeve!
Autor
Robert Asprin wurde 1946 in Michigan, USA, geboren. Seit 1978 war er hauptberuflich Autor und schrieb mehrere Dutzend Romane. Unter anderem war er auch an den berühmten Elfenwelt-Comics beteiligt. Für seine Arbeit wurden ihm unter anderem der Balrog Award und der Locus Award verliehen. 2008 starb er in New Orleans.
Die Dämonen-Reihe von Robert Asprin beim Blanvalet-Verlag:
1. Ein Dämon zu viel
2. Als Dämon kriegst du nie genug
3. Ein Dämon auf Abwegen
4. Ein Dämon kommt selten allein
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Robert Asprin
Roman
Deutsch von Ralph Tegtmeier
Die Originalausgabe erschien 1985 unter dem Titel »Hit or Myth« bei Ace Fantasy Books, New York.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
Copyright der Originalausgabe © 1985 by Robert Lynn Asprin
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2022 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
Redaktion: Werner Bauer
Umschlaggestaltung und -illustration: © Max Meinzold, www.meinzold.de
HK · Herstellung: sam
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN 978-3-641-26899-2V001www.blanvalet.de
»Für Verwandte spricht ja einiges … aber man kann es nur mündlich verbreiten – weil es sich unmöglich drucken lässt!«
Albert Einstein
Wäre ich nicht so sehr in Gedanken versunken gewesen, als ich an jenem Tag meine Gemächer aufsuchte, hätte es mich vielleicht auch nicht so unverhofft erwischt. Aber wer rechnet schon damit, gerade dann magisch angegriffen zu werden, wenn er seine Räumlichkeiten betritt?
Schon gut, schon gut! Sicher, ich bin zwar der Hofzauberer von Possiltum, und in letzter Zeit habe ich mir auch einen gewissen Ruf erworben, aber es sollte doch wohl trotzdem möglich sein, dass ich ins Zimmer treten kann, ohne gleich angesprungen zu werden! Ich meine, wenn ein Magiker sich nicht mal in seinen eigenen Gemächern in Sicherheit wähnen darf, wo denn wohl sonst?
Ich bitte darum, diese Frage zu streichen! Sie gehört nämlich zu der Sorte, mit der mein Mentor versucht, mich davon zu überzeugen, dass eine magische Karriere die Lebenserwartung nicht unbedingt steigert. Nicht dass es da bei mir großer Überzeugungsarbeit bedürfte. Taten sind lauter als Worte, und das, was ich seit Antritt meiner Zauberlehre unter der Anleitung meines Mentors an Taten habe vollbringen und erleben müssen, war laut genug, um mich davon zu überzeugen, dass das Leben eines Magikers nicht besonders friedlich ist. Ich meine, wenn man bedenkt, dass wir, nur wenige Tage nachdem wir uns begegnet sind, beide von einem wütenden Mob gelyncht wurden … regelrecht am Hals aufgeknüpft …
Aber ich schweife ab.
Es fing also damit an, dass ich ganz harmlos ins Zimmer trat. Ganz harmlos, haha! Dort erwartete mich ein Dämon, ein Perfekter, um genau zu sein. Das war an sich noch nichts Ungewöhnliches. Aahz, mein Ausbilder, also Mentor, den ich vorhin erwähnte, ist ebenfalls ein Perfekter. Genau genommen teilt er sich mit mir sogar die Unterkunft. Das Ungewöhnliche war vielmehr, dass der Dämon, der mich jetzt dort erwartete, nicht Aahz war!
Nun bin ich noch nicht vielen Perfektern begegnet … Quatsch, Aahz ist der einzige, den ich kenne … aber Aahz kenne ich sehr gut, und dieser Perfekter hier war – wie gesagt – eindeutig nicht Aahz!
Dieser Dämon war kleiner als mein Mentor, seine Schuppen waren von einem etwas helleren Grün, und seine goldenen Augen standen enger zusammen. Darüber hinaus lächelte er nicht … Aahz lächelt immer, sogar wenn er wütend ist … ganz besonders dann, wenn er wütend ist. Ein ungeübter Beobachter hätte Aahz und diesen Fremden vielleicht nicht auseinanderhalten können, aber für mich waren sie so unterschiedlich wie ein Täufler und ein Imp. Natürlich hatte es auch Zeiten gegeben, da ich einen Täufler nicht von einem Imp hätte unterscheiden können. Das sagt wohl einiges aus über die Gesellschaft, in der ich mich in letzter Zeit befinde.
»Wer bist du?«, fragte ich.
»Du Skeeve?«
»Hm, ja. Ich Skeeve. Wer du?«
Die Antwort bestand darin, dass ich plötzlich von einer unsichtbaren Hand gepackt, herumgewirbelt und auf den Kopf gestellt wurde, bis ich schließlich mit runterbaumelndem Schädel vier Fuß über dem Boden hängen blieb.
»Werd’ bloß nicht zickig, Dumpfbacke. Ich habe gehört, dass du einen Verwandten von mir in einer Art Bann hältst. Ich will ihn zurückhaben, kapiert?«
Er unterstrich seine Worte dadurch, dass er mich Richtung Boden sinken ließ, bis ich nur noch wenige Zoll davon entfernt war, um mir dann mit Hilfe dieses Bodens eine harte Kopfnuss zu verpassen.
Ich bin vielleicht nicht gerade der beste Magiker aller Zeiten, aber ich wusste immerhin, was er da machte. Er benutzte seine mentale Kraft, um mich durch den Raum levitieren zu lassen. Das habe ich gelegentlich selbst schon mit kleineren Gegenständen getan. Natürlich fiel mir auch ein, dass ich nicht unbedingt ein kleinerer Gegenstand war und es hier mit jemandem zu tun hatte, der in den magischen Künsten etwas versierter sein musste als ich. Deshalb hielt ich es für angebracht, mein Temperament zu zügeln und meine guten Manieren zu zeigen.
»Du kennst Aahz?«
»Und ob. Ich will ihn wiederhaben.«
Letzteres wurde von einer erneuten Kopfnuss begleitet. So viel zum Thema Ruhe bewahren.
»Dann solltest du ihn gut genug kennen, um zu wissen, dass niemand ihn gegen seinen Willen festhalten kann.«
Mein Kopf schoss wieder dem Boden entgegen, doch diesmal kam er kurz vor dem Ziel zum Stillstand. Trotz meiner ungünstigen Position konnte ich sehen, wie sich der Dämon nachdenklich übers Kinn strich.
»Das stimmt«, murmelte er. »Also gut …«
Ich wurde wieder in die Aufrechtposition levitiert.
»… dann fangen wir mal am Anfang an. Wo ist Aahz, und was hält ihn in dieser Hinterhofdimension auf?«
»Ich glaube, ich kann besser denken und reden, wenn meine Füße auf dem Boden stehen.«
»Hä? Oh, ’tschuldigung!«
Ich durfte wieder eine normale Stellung einnehmen. Nun, da ich mich aus eigener Kraft aufrecht hielt, bemerkte ich, dass mir das Verhör grässliche Kopfschmerzen eingebracht hatte.
»Er ist hinten in der Unterkunft von General Badaxe und debattiert mit ihm über militärtaktische Probleme«, brachte ich hervor. »Es war so langweilig, dass ich wieder gegangen und hierhergekommen bin. Er müsste eigentlich auch bald da sein. Als ich ging, war der Wein fast alle.«
»Taktik und Wein, eh?« Mein Besucher schnitt eine Grimasse. »Das hört sich wirklich ganz nach Aahz an. Und sonst? Warum bleibt er in einer derart abgelegenen Dimension wie Klah, mitten im Nirgendwo? Und wie kommt es, dass er mit dem Großen Skeeve zu tun hat?«
»Du hast von mir gehört?«
»Hier und da in den Dimensionen«, gab der Dämon zu. »In manchen Kreisen hält man dich für ein ziemlich heißes Bürschchen. Deshalb habe ich mich auch gefragt, ob du Aahz irgendwie gefangen genommen hast oder so. Als du hier hereinkamst, war ich auf einen wahrhaft königlichen Kampf gefasst.«
»Na ja, so gut bin ich nun auch wieder nicht«, gestand ich ihm. »Ich habe erst in den letzten zwei Jahren unter Aahz’ Anleitung angefangen, Fortschritte zu machen. Wenn er nicht seine Kräfte verloren und mich als Lehrling angenommen hätte, wäre ich noch immer ein völliges Nichts.«
»Hallöchen!« Mein Besucher hob eine Hand. »Ich glaube, gerade hast du alles aufgeklärt. Aahz hat also seine Kräfte eingebüßt und sich einen neuen Lehrling zugelegt! Kein Wunder, dass er schon ein Weilchen nicht mehr nach Hause gekommen ist. Und dieses ganze Gerede vom Großen Skeeve ist nichts als die typische Schau, die Aahz als Manager eines jungen Talents abzieht, stimmt’s?«
»Na ja, ein paar knifflige Aufgaben haben wir schon erledigt«, wehrte ich ab.
»Wobei Aahz die Choreografie übernommen und garantiert dafür gesorgt hat, dass du den ganzen Ruhm einheimst. Richtig?«
»Was ist ›Choreografie‹?«, fragte ich. Offensichtlich ging die Familienähnlichkeit der beiden tiefer als ein paar Schuppen.
»Na, ich will mal hoffen, dass du auch allein zurechtkommst, Skeeve, weil ich deinen Mentor nämlich nach Perv zurückbringen werde.«
»Aber vor mir brauchst du ihn doch gar nicht zu retten!«, protestierte ich. »Er ist doch völlig frei und kann kommen und gehen, wann er will.«
»Ich rette ihn auch nicht vor dir, ich rette ihn vor sich selbst. Unser Kollege hat ein völlig überzogenes Verantwortungsgefühl, das nicht immer mit seinen ureigenen Interessen einhergeht. Weißt du, was für eine lukrative Praxis er in Perv gerade vor die Hunde gehen lässt, während er hier mit dir herumhampelt?«
»Nein«, gab ich zu.
»Na ja, jedenfalls verliert er jeden Tag, den er weg ist, Geld … und das bedeutet, dass die Familie Geld verliert.«
Da gab ich das Diskutieren auf. Ich hatte schon früh während meiner Bekanntschaft mit Aahz gelernt, wie zwecklos es war zu versuchen, einem Perfekter Gelddinge auszureden. Die Tatsache, dass Aahz dazu bereit war, ein regelmäßiges Einkommen aufzugeben, um mit mir zu arbeiten, stellte einen unglaublichen Tribut an unsere Freundschaft dar … oder an sein Verantwortungsgefühl. Natürlich gibt es immer verschiedene Möglichkeiten, in einem Streitgespräch die Oberhand zu gewinnen.
»Nun ja, wie ich schon sagte«, meinte ich unschuldig, »ich kann ihn hier nicht festhalten. Wenn du ihn tatsächlich davon überzeugen kannst, dass er hier nicht länger gebraucht wird …«
»He, so haben wir nicht gewettet, du Penner«, höhnte der Dämon. »Wir wissen beide, dass wir ihn nicht dazu bringen werden, seinen Lehrling im Stich zu lassen. Also werde ich ihn mit einer ganz frechen Lüge nach Perv zurücklocken. Und du wirst dabei deine Klappe halten.«
»Aber …«
»… denn wenn du das nicht tun solltest, sorge ich dafür, dass nichts mehr übrig bleibt, was ihn in Klah noch festhalten könnte … ja, damit meine ich dich! Und bevor du auf den Gedanken kommst, es bei mir mit Magik zu versuchen, solltest du dir etwas merken: Du hast gerade zwei Jahre unter Aahz Magik studiert. Ich dagegen habe nach dreihundertjähriger Lehrzeit meinen Abschluss in Magik gemacht. Im Augenblick bin ich bereit, mich an das Prinzip von ›Leben und leben lassen‹ zu halten. Mit dem, was du bisher gelernt hast, solltest du dazu in der Lage sein, dir deinen Lebensunterhalt zu verdienen und dir dabei vielleicht sogar noch den einen oder anderen Trick anzueignen. Falls du dich mir allerdings in den Weg stellen solltest, wird von dir nicht mal mehr genug übrig bleiben, um es mit einem Schwamm aufzuwischen. Ich hoffe, wir verstehen uns?«
Plötzlich begriff ich, warum sich niemand in all den Dimensionen, in denen wir herumgekrochen waren, mit einem Perfekter anlegen wollte. Ich bemerkte außerdem, dass gerade jemand hinter mir in den Raum getreten war.
»Rupert!«
»Onkel Aahz!«
Die beiden schlugen einander auf den Rücken. Ich ließ ihnen reichlich Platz dazu.
»He, Junge, das hier ist mein Neffe Rupert … aber ich sehe, dass ihr euch schon vorgestellt habt.«
»Leider«, grollte ich.
Das brachte mir einen finsteren Blick Ruperts ein, doch Aahz bemerkte es nicht.
»Was führt dich denn nach Klah, Neffe? Liegt doch ein bisschen abseits deiner normalen Jagdreviere, nicht?«
»Es geht um Paps. Er will dich sehen.«
»Tut mir leid.« Plötzlich war Aahz wieder ganz der Alte. »Ich habe hier zu viele Eisen im Feuer, um mich in irgendeinen Familienknatsch hineinziehen zu lassen.«
»Aber er liegt im Sterben.«
Das ließ Aahz einen Augenblick innehalten.
»Mein Bruder? Unsinn! Der ist doch viel zu zäh, den bringt so leicht nichts um. Der könnte selbst mich in einem unfairen Kampf schlagen.«
»Er hat sich mit Mami angelegt.«
Ein besorgter Ausdruck veränderte Aahz’ Miene. Ich sah, dass er innerlich anfing zu schwanken.
»So ernst ist es, echt? Aber ich weiß nicht. Ich meine, wenn er wirklich im Sterben liegen sollte, kann ich ihm schließlich auch nicht mehr helfen.«
»Es wird nicht sehr lange dauern«, drängte ihn Rupert. »Er hat irgendwas über sein Testament gesagt.«
Ich stieß ein stummes Stöhnen aus. Darauf konnte man sich verlassen, dass ein Perfekter die Schwächen eines Perfekters kannte!
»Na ja, ich schätze mal, meine Geschäfte hier können auch ein paar Tage warten«, erklärte Aahz mit geheucheltem Zögern. »Mach keinen Ärger und halt dich aus Schwierigkeiten raus, Jungchen. Ich bin so schnell zurück, wie es nur geht.«
»Dann mal los«, meinte Rupert und verbarg sein triumphierendes Grinsen. »Je schneller wir in Perv sind, desto früher kannst du zurück.«
»Aber Aahz …«
»Ja, Junge?«
Es war nicht zu übersehen, wie Ruperts Augenbrauen sich düster zusammenzogen.
»Ich … ich wollte bloß Auf Wiedersehen sagen.«
»He, Junge, nun mach doch nicht gleich einen Staatsakt daraus! Ist ja nicht so, als würde ich für alle Zeiten verschwinden.«
Bevor ich etwas erwidern konnte, legte Rupert einen Arm auf Aahz’ Schulter, und die beiden verschwanden vor meinen Augen.
Weg.
Irgendwie konnte ich mich nicht überwinden, es zu glauben. Mein Lehrer, mein Ausbilder – mein Mentor! – war einfach weggeholt worden … für immer! Was immer ich von Aahz gelernt hatte, würde nun genügen müssen, weil ich jetzt nämlich völlig auf mich selbst gestellt war.
Dann hörte ich, wie es an meiner Tür klopfte.
»Immer wenn die Dinge schrecklich finster aussehen, sage ich mir: ›Kopf hoch, alter Junge, es kann nur noch schlimmer kommen!‹ Und tatsächlich, es kommt wirklich nur noch schlimmer!«
Skeeve
Ich beschloss – als Hofzauberer von Possiltum –, dass meine Antwort huldvoll ausfallen sollte.
»Hau ab!«
Das war huldvoll. Wenn Sie wüssten, was ich in diesem Augenblick wirklich dachte, würden Sie mir das bestimmt glauben. Bisher hatten mich nur sehr wenige Leute in meinen Gemächern besucht, und im Augenblick wollte ich keinen von ihnen sehen.
»Wisst Ihr, mit wem Ihr da sprecht?«, ertönte eine gedämpfte Stimme hinter der Tür.
»Nein! Und es ist mir auch völlig egal! Hau ab!«
»Hier ist Rodrick der Fünfte. Euer König!«
Das ließ mich innehalten. Wut hin, Wut her, dieser Mann bezahlte immerhin mein Gehalt. Wie gesagt: Ein paar Dinge habe ich von Aahz durchaus gelernt.
»Wisst Ihr, mit wem Ihr da sprecht?«, rief ich zurück und hoffte.
Einen Augenblick herrschte Stille.
»Ich nehme an, dass ich mit Skeeve dem Großen, dem Hofzauberer von Possiltum spreche. Jedenfalls wird er es sein, den mein Zorn treffen wird, falls man mich noch länger vor seinen Gemächern warten lässt.«
So viel zur Hoffnung. Diese Sachen klappen im wirklichen Leben nie so, wie sie in Witzen gelingen.
Mit höchst unwürdiger Hast jagte ich zur Tür, hieb gegen den Knauf und riss sie auf.
»Guten Nachmittag, Sire Magiker. Darf ich eintreten?«
»Aber gewiss doch, Euer Majestät«, sagte ich und wich ein Stück beiseite. »Ein Fünftel habe ich noch nie ausgeschlagen.«
Der König legte die Stirn in Falten.
»Soll das ein Witz sein? Wenn ja, ist mir die Pointe entgangen.«
»Mir auch«, gab ich gefasst zu, »es ist etwas, das mein Lehrling Aahz immer sagt.«
»Ach ja. Euer Lehrling. Ist er da?«
Rodrick rauschte majestätisch ins Zimmer und spähte neugierig in alle Ecken, als erwartete er, dass Aahz jeden Augenblick hinter einer der Wände hervorspringen würde.
»Nein. Er ist … ausgegangen.«
»Gut. Ich hatte gehofft, allein mit Euch sprechen zu können. Hmmm … Diese Gemächer sind wirklich sehr geräumig. Ich kann mich gar nicht erinnern, schon einmal hier gewesen zu sein.«
Das war eine Untertreibung. Nicht nur, dass der König nie meine Unterkunft in seinem Palast aufgesucht hatte, ich konnte mich auch nicht daran erinnern, ihn jemals anderswo als auf seinem Thron oder in dessen unmittelbarer Nähe gesehen zu haben.
»Euer Majestät haben mir noch nie die Ehre Eures Besuchs erwiesen, seit Majestät mich bei Hofe eingestellt haben«, erwiderte ich.
»Oh. Deshalb kann ich mich wohl auch nicht mehr daran erinnern, hier gewesen zu sein«, entgegnete Rodrick lahm.
Das war an sich schon recht seltsam. Normalerweise war der König ziemlich schlagfertig und nie um eine Antwort verlegen. Tatsächlich erschien mir dieser königliche Besuch in meinen Privatgemächern immer seltsamer, je mehr ich darüber nachdachte. Trotz meiner Verzweiflung angesichts Aahz’ unvorhergesehener und wahrscheinlich endgültiger Abreise begann meine Neugierde sich zu regen.
»Darf ich den Grund für diese angenehme, wenngleich auch etwas unverhoffte Audienz erfahren?«
»Na ja …«, fing der König an und warf noch einmal einen Blick durchs Zimmer. »Seid Ihr ganz sicher, dass Euer Lehrling nicht anwesend ist?«
»Völlig sicher. Er … Ich habe ihn in Urlaub geschickt.«
»In Urlaub?«
»Ja. Er hat in letzter Zeit schrecklich angestrengt studiert.«
Der König legte die Stirn in Falten.
»Ich kann mich gar nicht erinnern, ein Urlaubsgesuch genehmigt zu haben.«
Einen Augenblick glaubte ich schon, dass ich in die Fallgrube meiner eigenen Täuschungsmanöver gestürzt sei. Doch dann fiel mir wieder ein, dass Aahz mir nicht nur einige interdimensionale Sprachen beigebracht hatte, er hatte mich auch gelehrt, mich auf »Bürokratisch« auszudrücken.
»Ich war nicht der Meinung, dass es dazu Eurer Genehmigung bedürfte«, sagte ich hochnäsig. »Juristisch betrachtet untersteht mein Lehrling nicht Eurer Majestät. Ich bezahle ihn nämlich von meinem Sold, was ihn zu meinem Angestellten macht, der folglich auch meinen Urlaubsregelungen unterliegt … wie auch meiner eventuellen Kündigung. Wiewohl er, wie jeder Untertan Possiltums, selbstverständlich Eurer Gesetzgebung untersteht, bin ich nicht der Auffassung, dass der Unterparagraf C der Verordnung über das Palastpersonal (VPP) in seinem Fall Anwendung findet.«
Mein kurzer Vortrag erreichte sein Ziel: Er verwirrte meinen Zuhörer und langweilte ihn zugleich. Aahz wäre stolz auf mich gewesen. Ich war besonders stolz darauf, dass ich die Kündigungsklausel mit ins Spiel gebracht hatte, weil mir dies gestattete, für den Fall, dass Aahz nicht zurückkehren sollte, zu behaupten, dass ich ihn entlassen hätte, ohne dass dies einen Einfluss auf die Höhe des mir von der Krone gezahlten Solds haben würde.
Natürlich ließ mich das wieder über die Möglichkeit nachgrübeln, dass Aahz nicht zurückkehren mochte.
»Nun, wie auch immer. Es freut mich, dass Eure Einstellung in Urlaubsfragen meine eigene widerspiegelt, Sire Magiker. Jeder sollte einmal Urlaub machen dürfen. Aus diesem Grund habe ich Euch übrigens heute Nachmittag aufgesucht.«
Das haute mich um.
»Urlaub? Aber Majestät, ich brauche doch gar keinen Urlaub!«
Das wiederum haute den König um.
»Ihr? Natürlich nicht! Ihr und Euer Lehrling verbringt doch sowieso die meiste Zeit mit Vergnügungsreisen zu anderen Welten. Das nenne ich aber eine ganz schöne Frechheit, mich um Urlaub angehen zu wollen!«
Das war’s. Die ganze Wut, die ich seit Ruperts Ankunft nur mühsam unterdrückt hatte, brach jetzt aus mir heraus.
»Ich habe nicht um Urlaub ersucht!«
»Oh! Ja, natürlich.«
»Und außerdem gehören diese ›Vergnügungsreisen zu anderen Welten‹, die Ihr zu erwähnen beliebtet, zum täglichen Handwerk eines Zauberers, ob er nun bei Hofe angestellt ist oder sonst irgendwo. Sie ermöglichen es uns, Wunder zu bewirken … wie zum Beispiel das Wunder, Euer Königreich vor Big Julies Armee zu retten. Erinnert Ihr Euch noch?«
»Wie könnte ich das jemals vergessen, ich …«
»Sollte Euer Majestät allerdings der Meinung sein, dass ich mir in der Erfüllung meiner Aufgaben als Hofzauberer Nachlässigkeit habe zuschulden kommen lassen, brauchen Majestät nur nach meinem Rücktritt zu verlangen, und ich werde ihn sofort einreichen. Wenn Majestät sich erinnern, haben Majestät mich darum ersucht, diese Stellung anzunehmen. Ich hatte Majestät nicht darum gebeten!«
»Bitte, Sire Magiker!«, unterbrach Rodrick mich verzweifelt. »Ich wollte Euch nicht kränken. Ihr habt uns bisher mehr als zufriedenstellend gedient. Tatsächlich beruhte jene Zurückhaltung, die ich hinsichtlich Eures Urlaubs geäußert habe, nur auf der Befürchtung, ich könnte gezwungen sein, das Reich eine Zeit ohne Eure hilfreichen Kräfte regieren zu müssen. Aber wenn Ihr tatsächlich meint, dass Ihr einen Urlaub nötig habt, ließe sich dies sicherlich irgendwie einrichten …«
»Ich will doch gar keinen Urlaub. In Ordnung! Lassen wir das Thema.«
»Aber gewiss. Ich dachte nur … na schön.«
Mit leisem Kopfschütteln schritt er wieder zur Tür.
Dass ich diese Auseinandersetzung zu meinen Gunsten entschieden hatte, verbesserte meine Stimmung gewaltig. Nach der ganzen Herabwürdigung, die Rupert meinem Ego angetan hatte, war es zur Abwechslung mal ganz nett zu erfahren, dass irgendjemand meine Kräfte zu schätzen schien.
Allerdings fiel mir auch ein, dass es vielleicht nicht unbedingt das Klügste wäre, es darauf beruhen zu lassen, dass ich eine Auseinandersetzung mit dem Mann, der mir meinen Sold zahlte, gewonnen hatte.
»Euer Majestät?«
Der König blieb stehen.
»Habt Ihr nicht etwas vergessen?«
Er runzelte die Stirn.
»… zum Beispiel den ursprünglichen Anlass Eures Besuchs? Da ich nicht um Urlaub ersucht habe und Ihr mir auch keinen anbieten wolltet, nehme ich doch an, dass Majestät etwas anderes im Sinne hatten?«
»Ach so, ja. Völlig richtig. Aber wenn man es genauer bedenkt, ist dies vielleicht nicht die rechte Zeit, darüber zu sprechen.«
»Wie meinen? Etwa wegen unseres kleinen Missverständnisses? Beachtet es nicht weiter, Majestät. Dergleichen kommt eben gelegentlich vor. Seid versichert, dass ich nach wie vor Eurer Majestät treuester Untertan bin – bereit, alles zu tun, was in meiner Macht steht, um Euch beim Regieren des Königreichs zu unterstützen.«
Wie ich schon sagte, langsam entwickelte ich ein Gefühl für die verschiedenen Redensarten, die die jeweiligen Situationen verlangten.
Rodrick strahlte mich an.
»Das freut mich zu hören, Meister Skeeve. Aus ebendiesem Grund habe ich Euch heute auch aufgesucht.«
»Und wie kann ich Eurer Majestät zu Diensten sein?«
»Es geht um einen Urlaub.«
Ich schloss die Augen.
Einen kurzen Moment wusste ich – beachten Sie, dass ich wusste gesagt habe und auch wusste meinte –, wie Aahz sich fühlte. Ich wusste, wie es war, wenn man sich ernsthaft bemühte, jemandem zu helfen, nur um festzustellen, dass dieser Jemand wild entschlossen zu sein schien, einen um den Verstand zu bringen.
Der König bemerkte meinen Gesichtsausdruck und fuhr hastig fort: »Kein Urlaub für Euch. Ein Urlaub für mich!«
Das öffnete mir die Augen. Im wahrsten Sinne des Wortes.
»Ihr, Majestät? Aber Könige machen doch gar keinen Urlaub!«
»Darum geht es ja gerade.«
Rodrick begann, während des Sprechens nervös im Zimmer auf und ab zu schreiten.
»Der Druck der Verantwortung für ein Königreich wird mit der Zeit immer stärker. Das ist wie in allen anderen Berufen auch. Der Unterschied ist nur, dass man als König nie eine Pause einlegen darf. Man hat keine Zeit, um sich mal auszuruhen und die Gedanken zu sammeln, oder auch nur, um mal lange zu schlafen. Vom Tag der Krönung an, da einem die Krone auf den Schädel drückt, bis zu dem Tag, da sie einem durch freiwillige oder unfreiwillige Pensionierung wieder genommen wird, ist man König.«
»Oh, das ist aber hart, Majestät! Ich wünschte, ich könnte irgendetwas tun, um Euch zu helfen.«
Der König blieb stehen und strahlte mich erneut an. »Aber das könnt Ihr ja! Deshalb bin ich doch überhaupt hier!«
»Ich? Ich kann Eurem Urlaub nicht zustimmen! Selbst wenn es in meiner Macht stünde, und dem ist nicht so, braucht das Königreich ständig einen Herrscher auf dem Thron. Es kann Euch nicht entbehren, nicht einmal für einen einzigen Tag!«
»Genau! Deshalb darf ich den Thron auch nicht verwaist zurücklassen. Wenn ich schon einen Urlaub brauche, muss ich wenigstens einen Ersatzmann haben.«
In meinem Kopf rasselte eine Alarmglocke.
Auch wenn Aahz wegen meiner Begriffsstutzigkeit ständig an mir herumgenörgelt hat – dumm bin ich keinesfalls. Selbst bevor ich Aahz begegnete … ach was, bevor ich überhaupt Lesen und Schreiben lernte, konnte ich schon zwei und zwei zusammenzählen und erhielt als Ergebnis vier. In diesem Fall war die Notwendigkeit eines Ersatzmannes für den König die eine Zwei; die andere Zwei war seine Gegenwart in meinen Gemächern, und die Vier war …
»Euer Majestät meinen doch wohl nicht etwa mich!«
»Aber natürlich meine ich Euch«, bestätigte Rodrick mir. »Tatsächlich, Sire Magiker, hatte ich ebendies schon im Sinn, als ich Euch für Euer gegenwärtiges Amt einstellte.«
»Hattet Ihr?«
Ich spürte deutlich, wie die Falle zuschnappte. Wenn dies tatsächlich der Grund gewesen war, weshalb der König mich angeheuert hatte, würde es unklug sein, diesen Auftrag abzulehnen. Rodrick könnte immerhin zu der Entscheidung gelangen, dass man meiner Dienste nicht mehr bedürfe. Und das Letzte, was ich jetzt, da Aahz verschwunden war, gebrauchen konnte, war ein Versiegen meiner Einkommensquelle. Ich war mir nicht sicher, wie die Arbeitsmarktsituation für ehemalige Hofzauberer aussah, aber ich war mir äußerst sicher, dass ich es nicht unbedingt aus erster Hand erfahren wollte.
»Wie Ihr schon sagtet, stehen die Kräfte des Hofzauberers zu meiner Verfügung, und eine der Kräfte, die Ihr vorgeführt habt, als wir einander das erste Mal begegneten, war die Fähigkeit, Eure Gestalt oder die Gestalt anderer nach Belieben zu verändern.«
Der Tarnungszauber! Es war einer der ersten Zauber, die Aahz mir beigebracht hatte, und einer der meistbenutzten im Laufe unserer letzten zahlreichen Abenteuer. Wer hätte nach all den Patschen, aus denen er mich schon gerettet hatte, gedacht, dass mich ausgerechnet dieser Zauber einmal in die Klemme bringen würde? Na ja, einmal hatte er mich zwar auch an den Strang gebracht …
»Aber Majestät, ich kann Euch unmöglich ersetzen. Ich weiß doch überhaupt nicht, wie man König ist!«
»Das ist nicht weiter tragisch«, meinte Rodrick lächelnd. »Das Schöne daran, König zu sein, ist die Tatsache, dass man sogar Fehler machen kann, ohne dass einer einen darauf hinweisen würde.«
»Aber …«
»Und außerdem soll es ja nur für einen Tag sein. Was sollte an einem einzigen Tag schon schiefgehen?«
»Einmal Ritter, immer Ritter, aber einmal König – das ist einmal zu viel!«
Alfons der Viertel-vor-Zwölfte
Nun sollten Sie nicht etwa glauben, dass ich ein Simpel wäre. Ich habe mit dem König wie wild gefeilscht, bevor ich nachgab. Nicht nur, dass ich ihn dazu bringen konnte, mir einen Bonus zu gewähren, er musste sogar noch einen beträchtlichen Teil davon als Vorschuss ausspucken, bevor ich den Auftrag annahm. Gar nicht schlecht für einen Jungmagiker, der in der Patsche saß, will ich mal meinen.
Natürlich saß ich seit dem Augenblick, da ich zugesagt hatte, nicht mehr bloß in der Patsche, sondern stand bis zum Hals in Jauche!
Je länger ich darüber nachdachte, desto schlimmer erschien mir die Aussicht, für den König einspringen zu müssen. Das Problem war nur, dass ich keine andere Wahl hatte … oder vielleicht doch? Ich dachte noch ein wenig länger darüber nach, und endlich zeichnete sich ein matter Hoffnungsschimmer am Horizont ab.
Es gab einen Ausweg! Die Frage war bloß, wie weit ich an einem Tag würde laufen können. Wenngleich ich nicht sonderlich weltlich (oder außerweltlich, wenn wir schon dabei sind) gesinnt war, war ich mir doch ziemlich sicher, dass es nicht gerade der gesündeste Zeitvertreib sein dürfte, Könige übers Ohr zu hauen.