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Der Hamburger Privatdetektiv und seine attraktive Partnerin erhalten einen seltsamen Auftrag, der ihnen sofort gefährlich erscheint. Und tatsächlich, sie bekommen es mit der organisierten Kriminalität zu tun, geraten mehrfach in Lebensgefahr und sind nahe daran, den Auftrag niederzulegen.
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Seitenzahl: 177
Veröffentlichungsjahr: 2020
Der Autor:
Uwe Harm, Jahrgang 1952, lebt im Herzen Schleswig-Holsteins und ist als Diplom-Rechtspfleger bekannter Autor in der juristischen Fachliteratur, insbesondere zum Betreuungs- und Erbrecht. Seit zwei Jahren befindet er sich im Ruhestand und widmet sich nun spannenden Kriminalgeschichten. Die jahrzehntelangen Erfahrungen in der gerichtlichen Tätigkeit kommen ihm dabei zugute. Aber auch der Humor kommt in den Romanen nicht zu kurz. Kurzweilig, amüsant und spannend zugleich ist das Markenzeichen seiner Krimis.
Tobias Alff ging an diesem Tag schon sehr früh in sein Büro. Als erstes öffnete er die Fenster weit, um frische Morgenluft hineinzulassen, denn seit Tagen war es jetzt Anfang Juli immer heißer geworden. Er brühte sich aus seinem neuen Automaten, den ihm seine Lebenspartnerin zum 50. Geburtstag geschenkt hatte, einen Becher Kaffee, setzte sich dann in seinen alten Ohrensessel und schaute einfach so ins Leere. Als er seinen Blick schweifen ließ, stellte er wieder fest, dass die Wände dringend neu gestrichen werden müssten. Er hatte zwar seit drei Jahren das Rauchen aufgegeben, aber die Wände zeugten natürlich von jahrelangem Zigarettenrauch. Überhaupt wirkte alles im Büro doch sehr alt und gebraucht. Selbst die dunkelblauen Vorhänge, obwohl zwischendurch gewaschen, waren an einigen Stellen ausgeblichen.
In der letzten Zeit kamen ihm immer wieder Zweifel, ob der Job auf Dauer seinen Lebensunterhalt sichern könnte. Er war nun schon ziemlich genau 20 Jahre als zertifizierter Privat-Detektiv in Hamburg tätig. Aber auf den berühmten grünen Zweig war er bisher nicht gekommen. Im Gegenteil. Es gab immer wieder Durststrecken und finanzielle Sorgen. Zum Glück gab es Karin, seine Partnerin und Lebensgefährtin, die ihn nicht nur immer wieder finanziell unterstützte, sondern auch bei seinen Aufträgen half. Sie würde in der nächsten Woche, wenn sie mit ihrer Mutter aus Südfrankreich zurück ist, ihn wieder unterstützen und die vielen Fotos, die er inzwischen auftragsgemäß gemacht hatte, in den Computer übertragen, ordnen und die Rechnungen schreiben. Er wunderte sich allerdings erneut, dass sie mit ihrer Mutter zusammen Urlaub macht. Die beiden hatten immer irgendwie Streit. Ihre Mutter war nervig und Tobias Alff mied unnötigen Kontakt zu ihr. Sie mochte ihn nicht und er ignorierte sie weitgehend, wenn es Familientreffen oder Besuche gab.
Tobias Alff trug wegen der zu erwartenden Hitze eine weite leichte Jeans und ein ausgeleiertes schwarzes Tshirt. Seine Lebensgefährtin wollte dieses Tshirt schon mehrmals wegwerfen, aber er liebte es gerade bei diesen Temperaturen. Dieses Jahr wurde er 50 und wegen seiner ungesunden Lebensweise zeigten sich erste gesundheitliche Probleme. Das Rauchen hatte er zwar vor Jahren schon aufgegeben, aber Alkohol und deftiges Essen gehörten einfach zu seinen Vorstellungen von Lebensqualität. Und auch ein ganzes Stück Bequemlichkeit. Deshalb hatte sich schon ein wenig Bauch gebildet, die Hosen wurden enger und die Kondition schlechter. Karin drängte ihn schon länger, etwas Sport zu treiben, Fahrradfahren zum Beispiel oder in einen Fitnessclub zu gehen. Bei diesen Gedanken atmete er schwer aus und wusste genau, dass sie Recht hatte. Viel lieber saß er in irgendeinem Cafe zusammen mit seinem alten Freund Simon oder las ein Buch. Aber wenn er sich im Spiegel betrachtete, konnte er noch immer die volle dunkelblonde Haarpracht feststellen. Keine Geheimratsecken und kein Haarausfall. Und ein Gesicht, das nicht nach 50 Lebensjahren aussah.
Von draußen nahm der Verkehrslärm weiter zu und Tobias Alff war davon immer etwas genervt. Es war eine vielbefahrene Straße vor seinem Büro. Die Fenster wollte er trotzdem geöffnet halten, bis die Sonne den Schatten dieser Häuserseite vertrieb. Mit dem Kaffeebecher in der Hand ging er nun an seinen Schreibtisch zurück und begann, den neuen Auftrag näher zu planen. Dazu machte er sich auf einem großen Papierbogen immer ein grafisches Schema mit allen Daten von Personen, Orten und seinen eigenen Beobachtungen. Die Zeichnung wurde dann nach und nach ergänzt. Wieder war die Auftraggeberin eine Ehefrau aus besseren Kreisen, die Beweise für das Fremdgehen ihres Gatten haben wollte. Das würde diesmal etwas aufwendiger sein, da die Auftraggeberin nicht angeben konnte, wo sich ihr Mann vermutlich mit einer anderen Frau trifft. Sie hatte nur so einen vagen Verdacht. Also hieß es, unauffällig Beschatten und Verfolgen. Darin war er allerdings geübt. Ja, das waren in der Regel die Art Aufträge, von denen er lebte. Selten gab es mal etwas anderes. Beweise für den Verrat von Betriebsgeheimnissen durch einen Mitarbeiter oder die Beobachtung eines örtlichen Politikers im Auftrage der gegnerischen Partei sorgten leider nur ganz ausnahmsweise für willkommene Abwechslung und natürlich mehr Honorar.
*
Am Herrengraben in Hamburg parkte zur selben Zeit ein silberfarbener Mercedes-Benz 300 Cabrio und eine elegante junge Frau mit dunklen langen Haaren, roten Mantel und sehr hohen Schuhen ging von dort rechts über die kleine Brücke zum Hilton-Hotel. Sie schaute sich mehrmals vorsichtig um, blieb auch kurz stehen und musterte die Menschen, die sie in ihrer Nähe sehen konnte. Alle schienen eilig unterwegs zu sein. Radfahrer kreuzten ihren Weg, Kinder auf dem Schulweg und Frauen in Eile, die offenbar einkaufen wollten. Sie setzte dann ihren Weg zum Hotel mit schnellen Schritten fort. In der Hotel-Lobby grüßte sie den jungen Mann an der Rezeption, gab ein ihm offenbar bekanntes Handzeichen und durfte ein hauseigenes Telefon mit Festnetzanschluss hinter der Rezeption nutzen. Sie holte aus ihrer schwarzen Aigner-Handtasche einen kleinen Zettel heraus, auf dem eine von ihr handgeschriebene Adresse und Telefon-Nummer der Detektei Tobias Alff, Dorotheenstr. 40 in Hamburg stand. Sie atmete tief durch und wählte dann die Nummer. Tobias Alff meldete sich am anderen Ende:
„Was kann ich für Sie tun?“
Die junge Frau nannte ihren Namen mit Teicher. Sie sprach so leise, dass Alff zweimal nachfragen musste. Sie bat um ein Treffen in der Bar des Hiltons, wenn möglich innerhalb der nächsten halben Stunde. Sie habe einen sehr speziellen Auftrag, der äußerste Vorsicht und Geheimhaltung erfordere. Alff war einverstanden und neugierig. Er würde sich sofort auf den Weg machen. Die Frau beschrieb als Erkennungsmerkmal ihre Kleidung und legte auf. Sie sah sich wieder vorsichtig um. Die Menschen in der Hotel-Lobby waren alle geschäftig, lasen entweder eine Zeitung oder warteten auf irgendjemanden. Vor der Rezeption bildete sich inzwischen eine kleine Schlange von Menschen mit großen Koffern, die einchecken wollten. Einige Männer sahen sie im Vorbeigehen kurz interessiert an. Aber niemand schien sie zu beobachten. Als sie sich sicher genug fühlte, ging sie langsam in die stilvolle Hotelbar, setzte sich direkt an den Bar-Tresen und bestellte ein Glas Sekt. Sekt beruhigte sie immer gut. Ob dieser Alff der richtige Mann war, fragte sie sich immer wieder und auch ob ihr Plan aufgehen würde. Aber es gab immerhin was die Person des Detektives betraf eine Empfehlung von einem Polizeibeamten, einem Kommissar, der irgendwie vertrauenswürdig erschien. Bei ihm hatte sie ihren Ehemann als vermisst gemeldet und ihn dann nach einer guten Detektei gefragt.
*
Nach etwa 20 Minuten betrat Tobias Alff die Bar. Die Frau im roten Mantel musterte ihn. Ein großer Mann, etwas übergewichtig, erkennbar mittleren Alters. Er trug ein schwarzes Sakko und Jeans und wirkte durch seine aufrechte Körperhaltung selbstbewusst. Die Frau ahnte, dass es wohl dieser Detektiv Alff war. Er sah sich kurz um, sah sie an der Bar sitzen und ging zielstrebig auf sie zu.
„Frau Teicher?“ –
„Ja, ich bin es. Bitte, lassen Sie uns dort hinten an einem der kleinen Tische Platz nehmen.“
Sie setzten sich ganz an den Rand der Hotel-Bar an einen kleinen runden Tisch mit bequemen Cocktail-Sesseln. Sie bestellte noch ein Glas Sekt.
„Ich mache es kurz. Mein Ehemann gilt offiziell als vermisst. Er lebt in Frankfurt unter falschen Namen. Man könnte sagen, er ist untergetaucht. Er ist in Besitz von brisanten Urkunden, Dokumenten und anderen Papieren, die viele teilweise bekannte Personen in Misskredit bringen würden – vorsichtig gesagt. Ich möchte, dass Sie alle diese Urkunden zu mir bringen. Ich werde die Übergabe organisieren und Ihnen auf besondere Weise die Information zukommen lassen. Es gibt Leute, die mich bereits beobachten und sofort Zugriff nehmen würden, wenn sie meinen Ehemann finden oder er zu mir zurückkehrt. Ja, sie würden ihn wahrscheinlich töten. Niemand darf merken, wenn ich in den Besitz dieser Urkunden komme.“
Sie hielt inne, trank den Rest vom Sekt aus, lehnte sich zurück und schlug ihre schlanken Beine übereinander.
„Können Sie sich vorstellen, diesen Auftrag anzunehmen?“
Alff schwieg eine Weile. Das hörte sich durchaus gefährlich an, dachte er bei sich. Irgendwie spürte er, dass sie ihm nur die halbe Wahrheit anvertraute. Ein gefährlicher und geheimnisvoller Botendienst schien ihm nicht besonders logisch. Da gab es doch andere Möglichkeiten. Tobias Alff beobachtete die Frau genau, vor allem ihre Mimik und Gestik, die manchmal einiges verriet. Sie war in ihrer Art sehr kontrolliert, zeigte keinerlei Emotionen. Ihm schien ihr Verhalten gespielt und aufgesetzt zu sein. Obwohl die Frau in seinen Augen sehr attraktiv war, sehr schlank, mit einem etwas herben, aber interessanten Gesichtsausdruck – und Tobias Alff nahm natürlich auch den schwarzen Minirock und ihre schlanken sonnengebräunten Beine wahr -, wirkte sie auf ihn kalt. Sie sah ihn aber die ganze Zeit irgendwie prüfend an und erwartete von ihm eine Antwort.
„Ja, das würde ich erledigen. Das hat aber seinen Preis! Und der ist höher als wenn ich untreue Ehemänner fotografieren soll.“ –
„Klar, Sie erhalten von mir einen Vorschuss von 5.000 Euro in bar und bei Erfolg nochmal 10.000 Euro dazu.“
Alff war überrascht und nickte leicht. Der Preis schien ihm o.k. zu sein. Allein der Vorschuss war für ihn bei der allgemeinen Auftragsflaute wichtig.
„Ich brauche aber diverse Infos von Ihnen!“
Frau Teicher holte einen weißen Umschlag aus ihrer schwarzen Aigner-Handtasche, die mit auffallend schönen goldenen Beschlägen versehen war.
„Hier ist der Vorschuss, Herr Alff. Und hier ist von mir handgeschrieben alles was sie brauchen. Ich möchte mit Ihnen keinen schriftlichen Vertrag machen, Sie verstehen? Die mündliche Vereinbarung, die wir hier treffen muss für uns beide gelten. Bitte rufen Sie mich nie an, sondern wir treffen uns bei Rückfragen oder Erfolg hier in der Hotelbar. Sie buchen für mich ein Zimmer für 2 Tage und bitten das Hotel, mich umgehend zu informieren. Die haben meine Kontaktdaten hier. Das habe ich schon alles organisiert. Und wenn es Probleme gibt, kenne ich Sie nicht!“
Ihre Stimme klang jetzt sehr bestimmend. Der Detektiv meinte, in ihrem Gesicht auch eine gewisse Sorge gelesen zu haben. Alff nickte, aber irgendwie kamen ihm auch Zweifel. Alles klang doch sehr geheimnisvoll und gefährlich. Er wollte ihr wie er es immer gewohnt war, zum Schluss noch seine Visitenkarte geben. Sie wehrte vehement ab und so ließ er sie auf dem Tisch zurück.
Die Frau sah ihn noch einmal seltsam fest und ungewöhnlich lange in die Augen, als ob sie noch etwas hinzufügen wollte. Sie schwieg aber, erhob sich aus dem Sessel und ging ohne ein weiteres Wort, nur mit einem kurzen Kopfnicken aus der Bar. Tobias Alff wartete einen Moment bis er sie nicht mehr sehen konnte. Er steckte ganz in Ruhe die Unterlagen in die rechte Innentasche seines Sakkos ein und dachte noch etwas über diesen Auftrag und diese geheimnisvolle Frau nach. Er bemerkte aber nicht den mit seinem Smartphone scheinbar spielenden Jugendlichen mit Basecap und dunkler Lederjacke. Als Alff das Hotel verließ, sah der Typ mit der Basecap ihm nach und nahm sich ganz unauffällig die Visitenkarte, die auf dem Tisch liegen geblieben war.
Im Büro angekommen machte Tobias Alff sich zuerst einen starken Kaffee. Er öffnete wieder die Fenster zur Straße, weil die Seite noch immer im Schatten lag. Sein Büro befand sich im Erdgeschoss eines Geschäftshauses. In den oberen Geschossen waren Wohnungen. Direkt neben ihm gab es ein kleines indisches Lokal, das er gern mit Karin besuchte. Das Büro bestand aus einem größeren Raum mit zwei alten an den Ecken angestoßenen Schreibtischen, zwei Regalen mit einigen Ordnern, einem Ohrensessel, der in die Jahre gekommen war, daneben ein kleiner Sessel, der auch nicht mehr gut aussah und deshalb mit einem Kissen bestückt wurde und einem abschließbaren halbhohen Schrank, in dem er eine Pistole, und zwar eine Glock, mit Munition und auch etwas Geld aufbewahrte. Die Büroeinrichtung hatte er vor Jahren gegen einen symbolischen Preis von einem befreundeten Rechtsanwalt erhalten, der sein Büro neu einrichten wollte. Es gab noch einen zweiten kleinen Raum mit einer Schlaf-Couch, einem Stuhl und einem kleinen Kleiderschrank und dann natürlich ein kleines Bad, das schon lange einer notwendigen Modernisierung harrte. Den Vorschuss von 5.000 Euro zählte er jetzt erst nach und legte ihn in den abschließbaren Schrank hinein. Dann setzte er sich mit dem Kaffeebecher und den handschriftlichen Notizen der Frau Teicher in den Ohrensessel. Daneben stand ein kleiner runder Tisch. Aus einer Kunststoffschale, die fast die ganze runde Oberfläche einnahm, griff sich Tobias Alff beim Kaffeetrinken gern einige Naschereien. Er konnte diesen belgischen Pralinen einfach nicht widerstehen.
Dann las er die handschriftlichen Notizen, die ohne Anrede aber recht leserlich wie folgt lauteten:
Mein Ehemann, Rolf Teicher wohnt in Frankfurt. Er ist nur über den türkischen Imbiss in der Bahnhofshalle „Orient-Imbiss“ erreichbar. Der Chef dort kann ihn anrufen. Er wird es nur machen, wenn Sie sich als seinen Bruder, Norbert Teicher, ausgeben. Ein Treffpunkt kann dann vereinbart werden. Ideal ist die „Äppelweinstube Heinz“ gegenüber von Bahnhof. Sie müssen sicherstellen, dass niemand ihnen folgt oder Sie beobachtet. Wenn Sie einen Fehler machen, kann das tödlich enden! Er wird Ihnen die Urkunden übergeben und wenn er Zweifel hat, reden Sie von unserem Hund „Alex“. Mein Ehemann wird sich danach absetzen und nicht mehr erreichbar sein. Mit den Unterlagen kommen Sie dann zum vereinbarten Treffpunkt in Hamburg. Sollten Sie verfolgt werden, müssen Sie diese Leute mit allen Mitteln abschütteln. Wenn die Ihnen bis nach Hamburg folgen, bin auch ich in Lebensgefahr! Nehmen Sie eine Waffe mit. Vernichten Sie jetzt dieses Papier!
Das war alles, geschrieben auf der freien Rückseite eines Werbeblattes von einer Apotheke. Alff las es noch einige Male durch und prägte sich alles ein. Dann verbrannte er das Papier im WC und spülte die Asche weg. Irgendwie beschlich ihn ein Unwohlsein. Würde er es mit der organisierten Kriminalität zu tun bekommen? Warum wurde quasi ein Bote für brisante Unterlagen gebraucht? Einerseits war schon der Vorschuss wichtig. Er war schon mit zwei Mieten im Rückstand. Und die Restsumme konnte er gut gebrauchen. Alff rechnete damit, dass er für diesen Auftrag, wenn alles glatt ging, höchstens 2 Wochen benötigen würde. Er würde natürlich auch Karin mitnehmen, seine Partnerin. Sie half oft auch bei den Aufträgen mit und kümmerte sich akribisch um die Buchhaltung. Buchhaltung war ihm wie auch diverse andere bürokratische Anforderungen ein Graus.
*
Zwei Tage später am frühen Nachmittag kamen Karin und ihre Mutter von ihrem Urlaub am Hamburger Flughafen an. Tobias Alff sollte beide abholen. Die Ankunftshalle war von Menschen überfüllt. Es war wieder heiß mit mindestens 30°. Alle erwarteten die Ankommenden. Es war ja Ferienzeit. Der Flug hatte gemäß Anzeigetafel etwas Verspätung und Tobias Alff bestellte sich deshalb im Imbiss der Ankunftshalle noch einen Kaffee. Dann endlich strömten die angekommenen Fluggäste in die Empfangshalle hinein. Alff reckte sich, um Karin erkennen zu können. Mitten in der Menge sah er sie und ihre Mutter. Karin trug ein weißes kurzes Kleid, ihre langen blonden Haare hatte sie hinten zusammen gebunden. Sie zog einen großen roten Koffer. Daneben ihre Mutter, die ihr lockiges Haar immer rot färbte. Sie trug ein knapp bis zu den Knien reichendes türkisfarbenes Kleid und ging mit sehr aufrechter Körperhaltung. Sie war etwas größer als Karin und hatte zwei große schwarze Rollkoffer sowie eine große und sehr bunte Reisetasche dabei. Karin und Tobias umarmten sich zur Begrüßung herzlich und lange. Beide waren froh, wieder vereint zu sein. Die Mutter stand ungeduldig daneben:
„Wir haben es eilig, jedenfalls muss ich schnell in meine Wohnung“,
drängelte sie mit genervtem Unterton. Tobias nahm der Mutter einen Koffer und die Reisetasche ab und im Gewühle der Menschenmassen verließen sie zusammen die Ankunftshalle. Er verstaute dann alle Koffer und die Reisetasche hinten in Karins roten Golf, den Tobias Alff inzwischen nutzte. Alle stiegen zügig ein und Tobias fuhr los. Die Fahrt ging zuerst nach Eppendorf, in die Straße „Falkenried“, wo die schöne Drei-Zimmer-Wohnung der Mutter lag. Sie stieg eilig aus, verabschiedete sich auffallend knapp von Karin und Tobias trug ihre Koffer und die Reisetasche hoch in den zweiten Stock. Sie bedankte sich kurz und schloss die Wohnungstür hinter sich. Er staunte immer wieder, wieviel Gepäck Karins Mutter selbst für kürzeste Reisen dabei haben musste. Auf der Fahrt hatte er allerdings den zutreffenden Eindruck, dass sie schlechte Laune hatte. Zurück im Golf, atmete Karin hörbar und erleichtert auf:
„Das mache ich nicht wieder! Das war ein letzter Versuch. Sie ist einfach unerträglich. Es ging fast nur um unsere Beziehung, an der sie kein gutes Haar ließ. Aber das kennst Du ja. Und mich hielt sie für pervers, weil ich am Strand oft ganz nackt badete und mich sonnte. Das würde angeblich auch meine Schwester immer sagen. Dann schmeckte ihr das Essen im Hotel nicht, die Betten waren zu weich, am Strand zu viele Leute und zu laut war es überall.“
Karin streckte sich entspannt im Auto.
„Wir haben einen neuen Auftrag“, sagte dann Tobias zu ihr.
„Untreue Ehemänner?“ fragte sie lachend.
„Auch“, erwiderte er: „Aber ein Auftrag ist anders. Wir müssen dazu nach Frankfurt. Im Büro erzähle ich Dir alles.“
Karin war vor zwei Wochen 35 geworden und war damit 15 Jahre jünger als er. Seit 4 Jahren lebten sie zusammen. Sie war eine attraktive Blondine, nach der sich viele Männer umsahen. Sie zeigte sich gern offenherzig, manchmal geradezu aufreizend und genoss die Blicke der Männer. Ihre Mutter meinte aber, dass sie ganz andere Männer haben könnte, die ihr nicht wie dieser Alff auf der Tasche liegen, sondern gut situiert sind und sie mit solchen Männern in finanzieller Sicherheit eine Familie gründen könnte. Ihrer Mutter war es aber selbst nie gelungen, einen solchen gut situierten Mann zu finden. Wegen der Hitze jetzt im Juli trug Karin ein sehr kurzes weißes Kleid, das im hellen Sonnenlicht etwas durchsichtig wurde und ihre Körperformen erahnen ließ. Sie trug jetzt keinen und auch sonst eigentlich nie einen BH. Sie war schon von Kind an und als Jugendliche so freizügig und zog sich gern aus. Tobias Alff lachte dann immer und meinte eher spaßig, dass sie eine perverse Ader hätte. Ihre Mutter hatte ihr im Urlaub allerdings mit vorwurfsvollem Unterton auf den Kopf zugesagt, sie sei pervers und das sei peinlich. Manchmal dachte sie selbst, dass es wohl wirklich so sei. Allerdings konnte sie sich sehen lassen. Sie hatte eine schöne Figur, weibliche Kurven, ohne dass es zu üppig wurde, lange Beine und ihre Brüste waren gut und fest geformt und hüpften jetzt gut erkennbar unter dem dünnen Stoff ihres Kleides. Tobias Alff liebte diese Art und ließ sich gern reizen. Was ihre sonstigen Eigenschaften betrifft, gehörte sie zu den Menschen, die in allem sehr schnell waren, sich schnell entschieden, die alles schnell erledigten und strenge Ordnung hielten. Gerade ihr Ordnungsdrang war oft Streitpunkt zwischen ihnen. Tobias Alff war eher unordentlich, ließ alles irgendwo liegen und räumte nichts an seinen Platz zurück. Sein Detektivgeschäft war ihr inzwischen gut vertraut. Sie bekamen fast nur Aufträge von Ehefrauen, deren Ehemänner beobachtet werden sollten. Beide hatten gute Kameras mit großem Telebereich und auch eine winzige Kamera in einem Kugelschreiber. Aber oft war es möglich und ausreichend, nur mit dem Handy unauffällig zu fotografieren.
Als sie Stunden später, nachdem der Koffer ausgepackt war und die Schmutzwäsche in der Waschmaschine lag, gemeinsam ins Büro fuhren, fragte sie, ob er den Auftrag Heidereich schon erledigt habe. Tobias Alff schaute mit schlechtem Gewissen aus dem Fenster. Sie wusste sofort, das blieb jetzt an ihr wieder hängen. Die Fotos waren eindeutig und mussten nur noch im PC rein und sortiert werden. Sie war darin sehr begabt und bearbeitete die Fotos im PC, stellte eine aussagekräftige Serie zusammen oder gestaltete damit eine kleine Mappe für den Kunden. Das Honorar von 500 Euro war damit fällig. Und der Auftrag Simonsen war natürlich auch nicht erledigt. Da gab es aber einen Hinweis, dass noch heute Abend Fotos gelingen könnten. Der Mann hatte sich mit einer Frau, die vermeintliche Geliebte, in einem bestimmten Restaurant verabredet. Karin hatte Lust, die Fotos selbst zu machen. Diese Art Ermittlungen machten ihr immer Spaß. Wenn das heute Abend gelingen würde, könnten sie am Tag drauf auch diesen Auftrag abschließen.
Karin nahm sich abends die Nikon-Kamera mit Teleobjektiv, zog sich unauffällig an: Enge Jeans, schwarzes Top und die Haare zum Pferdeschwanz gebunden. Dann fuhr sie mit ihrem Golf schnell zu dem genannten Restaurant. Es war ein kleines gemütliches italienisches Restaurant. Sie saß kaum und hatte sich gerade einen trockenen Rotwein bestellt, als ihre Mutter anrief.
„Ich habe mir heute über unsere Gespräche im Urlaub noch viele Gedanken gemacht. Bei uns in der Nachbarschaft hat ein alleinstehender attraktiver Mann eine der oberen Wohnungen gekauft. Er ist Anwalt. Den solltest Du Dir wenigstens mal ansehen! Ich könnte ihn zum Kaffeetrinken einladen.“ –
„Mutter, hör auf. Ich habe jetzt überhaupt keine Zeit.“ –
„Wann kommst du vorbei? Ich habe nämlich eine Überraschung! Im Urlaub habe ich Dir davon extra noch nichts erzählt, weil du so schlechte Laune hattest.“ –
„Ich? Nein, du hattest schlechte Laune und hast fast nur über alles und jeden gemeckert. Ich muss jetzt auflegen und melde mich später.“
Sie brauchte erst einmal Abstand von ihrer Mutter. Die eine Woche mit ihr in Südfrankreich war fast nicht zu ertragen. Sie fragte sich nun wieder, warum sie es überhaupt noch einmal versucht hatte.