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Ein wohlhabender älterer Herr wird tot sind seiner Wohnung aufgefunden. Schnell wird klar, dass seine Vorliebe für die kleinen Freuden des Rentnerlebens ausgenutzt wurden, ihn vor der Zeit abzuberufen. Der Mörder muss über technisches Verständnis und Kaltblütigkeit verfügen, aber als Verdächtige stehen nur ein Mathematikprofessor, eine Künstlerin und ein geistesabwesender Biologiestudent zur Verfügung.
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Veröffentlichungsjahr: 2013
Kommissar Federstein – Band 5
Marlene Geselle – Ein guter Wein und ein wärmendes Feuer
1. eBook-Auflage – November 2013
© vss-verlag Hermann Schladt
Titelbild: Marlene Geselle
Lektorat: Armin Bappert
Ein guter Wein und ein wärmendes Feuer
Marlene Geselle
Bei blauen Zwergen denke ich für gewöhnlich an Sterne, ferne Welten und Abenteuer im Weltraum. Aber in Kleinhechmandingen, an diesem Freitag, noch vor dem zweiten Frühstück, musste ich mich mit dem Postboten begnügen. Der stand auf der Treppe zum Hauseingang, zwei Stufen höher als ich – und immer noch musste er zu mir herauf gucken. Das tat dieser Bursche auch, wortwörtlich, leider nicht bildlich. Bildlich guckte er eher auf mich herab.
„Nick Neverland“, meldete ich mich gerade mit meiner männlichsten Stimme am Handy, als es auch schon aus der virtuellen Leitung heraus und nicht nur an mein Ohr dröhnte. Mist, die Taste fürs Mithören klemmte mal wieder, und das Kerlchen auf der Treppe konnte jedes Wort mitbekommen.
„Federstein“, machte mich Kriminaldirektor Hechmandinger rund. „Was ist jetzt mit der Leiche? Es ist Freitag und der Lokalreporter befindet sich im Anmarsch. Ich möchte wissen, ob wir einen Mord haben oder einen alten Herrn, der aus einem der üblichen Gründe in die bessere Welt umgezogen ist.“
„Ein Mord, wirklich? Das ist ja voll toll!“, plärrte da der Meister der Postkarten und Briefmarken los, natürlich so laut, dass der Alte alles mitbekam.
Den ließ das kalt und er verlangte, Maria Mai zu sprechen. Ach ja, die Maria. Der uniformierte Engel meines kleinen Teams weiß, wie man Vorgesetzte behandelt. Und sie weiß besser als jeder Bühnenstar, wann sie ihren Auftritt hat.
Sie stand bereits in der offenen Haustür, noch ehe ich nach ihr rufen konnte, und schnappte sich, flink wie ein Taschendieb, mein Telefon. „Der Spurensicherer werkelt noch in der Küche, Herr Kriminaldirektor, hat aber schon bei Frau Dr. Canari angerufen. Keine Mitbewohner, keine Tatzeugen, keine Einbruchsspuren“, beschaffte Maria dem Alten das nötige Futter für die Presseleute.
„Na, dann stehe ich nicht mit leeren Händen da! Eine ungeklärte Todesursache ist besser als nichts. So ein kleiner Nachrichtenmensch will ja auch leben “, freute sich der KD prompt. Danach bedankte er sich bei meiner Kollegin und legte auf, ohne mich eines weiteren Wortes zu würdigen. Nein, ich atmete nicht auf, schließlich war der Tag noch nicht rum.
Drinnen im Haus tat sich etwas. Zuerst hörte man das leise Surren eines Akkuschraubers, danach die nahezu frohlockenden Kommentare von Falkenhorst, dem Chef der Spurensicherer. Klarer Fall, unser Hobbybastler hatte wieder etwas für seine Privatsammlung aufgetan. Und ich würde mir während der nächsten Tage die Lobreden auf seine Schlauheit anhören können!
„Cheffe, ich denke wir können rein“, mahnte mich da auch prompt der uniformierte Engel. Brav stieg ich die letzten Stufen der Eingangstreppe hoch und wappnete mich für das Kommende. Leichen sind in meinem Beruf ein fast noch schlimmeres Übel als Spurensicherer.
„Und was ist mit mir?“, plärrte es in mein linkes Ohr.
Ehe mir ein passender Kommentar zu der dämlichen Frage einfiel, antwortete die Kollegin, wobei sie den Postboten mit einem Lächeln bedachte, das ihn um zwanzig Zentimeter wachsen ließ. „Alles in Ordnung, Herr Kolmar. Ihre Adresse habe ich schon notiert für den Fall, dass wir nochmals auf Sie zukommen müssen.“ Sprach’s, schwebte zurück in die Wohnung des Toten und ließ einen glücklichen und höchst aufgeregten Briefträger zurück.
Drinnen erwartete mich ein Bild, an das ich mich noch auf dem Sterbebett erinnern werde. Mein erster Assistent stand neben der Leiche, starrte aber auf ein quietschbuntes Gemälde an der Wand über dem Sofa. Nein, das Hechmandinger Ländle macht sich in moderner Farbgebung wirklich nicht gut. Lila Berge und rosa Teiche lassen sich nicht einmal mit einem künstlerisch überhöhten Sonnenuntergang schön reden. Eher mit dem Drang, dem mehr oder weniger stolzen Eigentümer dieser Leinwandverschandelung zu einigen wirklich heftigen Albträumen zu verhelfen. Wenigstens war der Rest besser. Ich ließ mein geübtes Kriminalistenauge durch den Raum schweifen. Das Zimmer war gediegen eingerichtet, wie man es bei einem Mann erwarten konnte, an dessen Türklingel ein handgeschnitztes Namensschild prangte. Der Fernseher lief noch immer, ziemlich laut, wie ich mir in Gedanken notierte. Im Kaminofen, das konnte man durch die Glasscheibe der Tür gut erkennen, lag noch die Asche vom letzten schönen, warmen Feuerchen. Auf dem Beistelltisch stand eine Flasche Trollinger, vom Feinsten, versteht sich. Ein Glas, noch halb gefüllt. Ja, so lassen sich die Feierabende oder der Ruhestand aushalten im Hechmandinger Ländle.
„Vogelbauer!“, pfiff ich den Kollegen an. „Was ist mit Zeugen? Warum ist die Familie noch immer nicht verständigt? Muss ich denn immer alles alleine machen?“
„Lerchensang hat das Telefonverzeichnis eingesteckt.“
Besagter Lerchensang, seines Zeichens mein zweiter Assistent, zog ein beleidigtes Gesicht, in meine Richtung wohlgemerkt. „Falkenhorst ist erst gerade fertig geworden“, verteidigte er seine und des Kollegen Untätigkeit. „Außerdem ist Frau Dr. Canari noch gar nicht da. Wie sollen wir denn ohne genauen Todeszeitpunkt ermitteln, Chef?“
„Es geht mich zwar nichts an, ihr Hübschen, aber interessiert ihr euch denn gar nicht für den Toten. Gerd Steinheim ist nicht an Altersschwäche gestorben“, brachte sich Falkenhorst zurück in mein Gedächtnis.
„Und was ist mit dem ganzen Krempel, den Sie eingesackt haben, Falkenhorst? Ich veranstalte keine …“
„Keine Leichenbeschau, wollten Sie doch sagen Federstein.“