Ein Herz aus rotem Glas - Sandra Anke Carolin - E-Book

Ein Herz aus rotem Glas E-Book

Sandra Anke Carolin

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Beschreibung

Als Alani und Makaio sich am Strand von Maui begegnen, ahnen sie nicht, dass es Bestimmung war. Zwei junge Menschen, die ihr Leben selbstständig beschreiten, lernen sich kennen und lieben. Nur so einfach ist es nicht. Ihnen war nicht bewusst, was für Gefühle es in ihnen auslösen und welche Hürden sie gemeinsam zu meistern hatten. Über Liebe, Verzeihen und Trauer beschreiten sie einen Weg mit ungewissem Ende...

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Alani arbeitete nun schon drei Jahre in dem kleinen Restaurant direkt am Strand von Maui. Sie machte die Arbeit gern. Das Restaurant lag etwas abseits, von daher ist es eher selten, dass sich Touristen hierher verirrten. Sie mochte ihren Chef, und auch die Kunden, meist Einheimische, kannte sie inzwischen gut. Sie durfte sogar Ben, ihren Hund, mit zur Arbeit nehmen. Der war mittlerweile zehn Jahre alt und lag die meiste Zeit vor dem Restaurant in der Sonne. Touristen hatten ihn vor drei Jahren im Tierheim abgegeben und waren dann einfach abgereist. Als Alani mit sechszehn Jahren von zu Hause wegging, suchte sie genauso einen Hund wie Ben. Groß, lieb und treu. Sie dachte an die Geschichten über die Seelentiere der Familie, die ihre Oma ihr oft erzählt hatte, und der Ilio-Hund war auch eins gewesen. Sie hatte damals die Hoffnung, er würde sie beschützen. Ben liebte alle Menschen, aber sie wusste, wenn es mal wirklich gefährlich würde, dann würde er auf sie aufpassen.

„Aloha Maleko, was darf ich dir bringen? Wie immer?“

„Aloha Alani. Ja, ich nehme das Gleiche wie jeden Tag.“ „Kommt sofort.“

Maleko war ein alter Stammgast, er gehörte zur Ohana, zur Familie. Er half damals, das kleine Restaurant am Strand zu errichten, und kam jeden Tag zur Mittagszeit, aß hier und blieb oft lange, in der Hoffnung, jemanden zum Reden zu finden, denn zu Hause wartete niemand mehr auf ihn und er war oft einsam.

Nachdem sie ihm das Essen servierte, holte Alani sich ihre Essensbox, die ihr Koa, der Koch des Restaurants, jeden Tag zubereitete, nahm sich Ben und ging mit ihm an den Strand.

Sie setzte sich in den Sand. Heute war das Meer ruhig, der Himmel war blau und die Sonne schien, aber nicht zu heiß. Ein perfekter Tag.

Es waren nur wenige Menschen hier. Gerade um die Mittagszeit hielten sich die meisten in ihren Hütten und Häusern auf.

Alani ließ ihren Blick über den Strand schweifen und ein junger Mann auf einer Decke fiel ihr auf. Er unterschied sich sehr von den anderen Männern hier, denn er hatte keine Haare. Auch Ben bemerkte ihn und lief auf ihn zu. Alani ließ ihn, Ben hatte ein gutes Gespür für Menschen und sie wusste, er würde nichts machen.

Sie nahm ihr Essen und lief langsam hinter ihrem Hund her.

„Aloha, wer bist du denn? Hast du dich verlaufen?“ Ben setzte sich neben den Fremden und leckte ihm das Gesicht ab. „Du bist aber stürmisch, wir kennen uns doch gar nicht.“

„Aloha, das ist Ben. Wie es scheint, mag er dich.“

„Aloha Ben, ich bin Makaio.“ Er wuschelte ihm durch das Fell.

Alani hatte sich neben Ben in den Sand gesetzt.

„Ich bin Alani“, sagte sie über Bens Rücken hinweg.

„Aloha.“

Alani schaute in ihre Essensbox.

„Hast du Hunger? Ich habe wie immer viel zu viel Essen bekommen.“

Makaio schaute zu ihr rüber.

„Ja.“

„Ben, geh mal ein Stück zur Seite, na komm schon, mach Platz.“ Sie versuchte ihn mit den Händen wegzuschieben, aber Ben bewegte sich keinen Zentimeter. Alani stand auf und setzte sich auf die andere Seite neben Makaio.

„Hier, nimm du die Gabel, ich behalte den Löffel.“

Sie stellte die Box auf die Decke und fing an zu essen.

„Hast du das selbst zubereitet?“

„Nein, es kommt von Koa, er ist Koch dort oben in dem kleinen Restaurant. Ich arbeite dort. Er packt mir immer viel zu viel ein, meist reicht es noch für den Abend.“

„Es ist wirklich sehr lecker.“

Dieser junge Mann, er musste ihr Alter haben, sie schätzte so um die zwanzig Jahre, war sonderbar. Er hatte liebevolle Augen, wirkte aber auch traurig. Er strahlte etwas aus, das sie nicht sofort deuten konnte.

Eine innere Ruhe, oder war es doch Verschlossenheit oder Dankbarkeit?

Erst jetzt fielen ihr die Glasstücke auf, die auf der Decke lagen. Es war Glas aus dem Meer, bearbeitet zu Ketten und Anhängern.

„Hast du die gemacht? Sie sind sehr schön, es ist Glas aus dem Meer, oder?“

„Ja genau.“

Alani war näher an die Ketten herangerutscht und nahm einen Anhänger in die Hand, dann eine Kette. Das Glas war durch das Wasser milchig geworden, aber dort, wo es bearbeitet wurde, war es ganz klar. Die Halsbänder schienen aus Lianen zu sein, ganz dünn geflochten. Sie setzte sich wieder hin und aß weiter.

Makaio sagte nichts. Er aß langsam, so, als wolle er jeden einzelnen Bissen genießen. Er war dünn, aber athletisch.

Die Essensbox war nun fast leer und Ben bekam den letzten Schrimp. Er hatte schon darauf gewartet.

„Ich geh nun wieder arbeiten. Hat mich gefreut dich kennenzulernen Makaio“, sagte Alani und stand auf.

„Warte.“ Er erhob sich ebenfalls und nahm eine seiner Ketten. Er wollte die nette Einladung zum Essen nicht einfach mit einem Dankeschön abspeisen. Er stellte sich vor sie und warf ihr die Kette um den Hals, dann legte er seine Hände in ihren Nacken und berührte mit seiner Stirn ihre. „Mahalo, Alani, das Essen war sehr lecker.“

Er trat einen Schritt zurück.

Sie kannte diese Geste, sie hatte sie oft bei Männern beobachtet, die miteinander verbunden waren oder sich für etwas Großes bedankten. Sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte.

„Sehr gerne, mahalo für die schöne Kette. Wenn du mal Hunger oder Durst hast, komm mich doch dort oben mal besuchen.“

Makaio nickte. Er wuschelte Ben noch einmal durchs Fell und schaute den beiden nach.

Dann widmete er sich wieder seinen Glasscherben. Er hatte ein paar kleine Werkzeuge, mit denen er das Glas polieren und verzieren konnte. Als er vor sechs Monaten hierherkam, war er mit einem Andenkenverkäufer einen Handel eingegangen. Er brachte ihm jede Woche Ketten und große Muscheln und bekam dann etwas Geld, um sich Essen kaufen zu können. Das reichte ihm, mehr brauchte er nicht.

Alani freute sich, dass es bald fünfzehn Uhr war und sie Feierabend hatte, denn sie wollte an diesem herrlichen Tag unbedingt schwimmen gehen.

Sie brachte Ben nach Hause, da die Sonne kräftig schien, und packte ihre Strandtasche.

Als sie am Strand ankam, saß Makaio immer noch am gleichen Platz. Sie winkte ihm zu, aber er war so in seine Arbeit vertieft, dass er sie nicht sah.

Sie legte ihr Handtuch und ihre Tasche ab, lief ins Wasser und machte sich nass.

Makaio hatte aus dem Augenwinkel gesehen, dass jemand ins Wasser lief und schaute auf. War das nicht das Mädchen von heute Mittag? Er meinte ihre braunen langen Haare wiedererkannt zu haben.

Er schaute Alani beim Schwimmen zu. Sie schwamm weit raus und auf einmal hatte er sie aus dem Blick verloren. Nach etwa einer halben Minute sah er sie wieder.

Sie scheint auch Spaß am Tauchen zu haben, dachte er.

Er beobachtete sie noch ein bisschen und widmete sich dann wieder seiner Glasscherbe, diese eine Kette wollte er heute noch fertigbekommen.

Als Alani aus dem Wasser kam, fühlte sie sich frisch. In ihrer Kindheit verbrachte sie jeden Tag am Meer. Sie hielt immer Ausschau nach dem Manō, dem Aumakua ihrer Oma. Der Hai war ihr Seelentier und sie hatte ihr viele spannende Geschichten über ihn erzählt. Sie legte sich auf ihr Handtuch und holte ihr Buch aus der Tasche.

Nach einer halben Stunde machte sie eine Pause und drehte sich auf den Rücken. Sie hatte die Kette, die Makaio ihr geschenkt hatte, vorsichtshalber beim Schwimmen abgenommen und nahm sie sich nun aus der Tasche. Sie hielt die grünliche Glasscherbe in die Sonne. Sie meinte, solche Ketten sogar schonmal auf dem Markt gesehen zu haben.

Mit einem Mal wurde es dunkel. Jemand stand neben ihr.

„Du bist es. Ich habe gerade an dich gedacht“, sagte sie und setzte sich auf.

„Ja?“

„Ja, ich habe mir deine Kette angeschaute, sie ist echt schön geworden. Wie toll, so etwas selber zu können.“

Makaio setzte sich neben sie in den Sand.

„Es ist gar nicht so schwer. Wenn du möchtest, zeig ich es dir.“

„Oh, echt? Gern!“

Er breitete seine Decke aus und erklärte ihr die einzelnen Werkzeuge. Alani hörte aufmerksam zu, stellte Fragen, nahm alles mal in die Hand und schaute es sich genauer an. Makaio war fast überfordert. Sie versprühte die Freude und Leichtigkeit eines Kindes und erinnerte ihn ein bisschen an sich, als er klein war.

Er genoss ihre Gegenwart. In der ersten Zeit, als er hier ankam, war er meist alleine gewesen und hatte sich von den Menschen ferngehalten. Erst vor ein paar Wochen beschloss er, es zu ändern. Er wollte zwar keinen direkten Kontakt, aber gern ab und zu ein unverbindliches Gespräch führen.

„Möchtest du es mal ausprobieren? Ich gebe dir gerne ein Stück Glas.“

„Ja, bitte.“

„Hier, nimm dir das Stück, bei dem du sofort weißt, was es werden soll.“

Alani überlegte kurz und nahm sich ein Stück weißes Glas.

„Und jetzt?“

„Einfach anfangen. Erst in Form bringen, dazu nimmst du das hier, und dann schauen wir weiter.“

„Okay.“

Makaio nahm sich ebenfalls ein Stück Glas, aber sein Hals war vom vielen Arbeiten heute schon ganz steif und er legte es nach einer Weile wieder weg und rieb sich den Nacken.

„Tut dir dein Nacken weh?“

„Ein bisschen, vom vielen nach unten schauen heute, denke ich.“

„Ich merke es auch schon, wenn man sehr konzentriert ist, verkrampft man schnell.“

„Ja, richtig.“

„Lass mich mal schauen“, sagte sie und stand auf.

„Nein, ist nicht so schlimm, mahalo.“

„Ach was, ist doch nichts dabei. Koa, also dem Koch aus dem Restaurant, habe ich letztens auch geholfen, als er schief gelegen hatte.“ Sie machte eine lustige Geste mit Kopf und Händen und brachte Makaio zum Lachen.

Alani setzte sich hinter ihn und legte ihre Hände auf seine unbekleideten Schultern. Sie glitt mit ihrer Hand über seinen Hals und die Schulterblätter. Er bekam eine Gänsehaut.

„Oje, ich fühle schon, du bist ja ganz verspannt.“

Sie fing an, mit ihren Fingern Druck auszuüben. Es tat weh, war aber auch gleichzeitig sehr angenehm. Makaio schloss die Augen.

Nach ein paar Minuten sagte Alani: „Ich glaube, deine Halswirbel sind etwas aus dem Lot, lass mich was probieren, okay?“

„Ja“, sagte er ganz verträumt.

Sie zog ihr Handtuch zu sich rüber und rollte es zu einer festen Rolle.

„Gut, leg dich mal zurück auf meine Knie, sodass ich an deinen Hals kann. Ich lege dir mein Handtuch unter die Schultern, dein Kopf sollte etwas überstreckt, aber so entspannt wie möglich liegen.“

Sie legte ihm ihre Hände wieder von hinten um den Hals und begann mit ihren Fingerspitzen zu spüren, wo die Verspannung lag.

„Kann es sein, dass dir das schon eine Weile wehtut.“

„Na ja, immer mal nach dem Arbeiten.“

„Du bist sehr verspannt in diesem Bereich und hier sollte es auch wehtun, stimmts?“ Sie drücke mit ihren Fingern etwas stärker zu.

„Oh ja, das stimmt.“

„Kein Problem, das haben wir gleich.“ Langsam fing sie an, die Stelle zu massieren, bis sie gut durchblutet war.

Dann nahm sie seinen Kopf in ihre Hände und ließ ihn langsam kreisen. Es knackte einmal. Sie legte den Kopf zurück auf ihre Knie und spürte noch einmal nach.

Anschließend nahm sie das Handtuch unter seinen Schultern weg, sodass er bequem lag, und massierte seine Schläfen. Ihre Oma hatte immer gesagt, wenn jemand Schmerzen hat und diese schon lange mit sich herumträgt, dann ist so eine Massage am Ende genau das Richtige, um die Schmerzen zu vergessen.

Makaio bekam wieder eine Gänsehaut. Wie eine Welle durchfuhr sie seinen Körper. Was für ein unbeschreibliches Gefühl. Er entspannte sich komplett.

Nach ein paar Minuten sagte Alani: „So, nun setz dich mal langsam wieder hin. Aber nicht so schnell, sonst wird dir schwindelig.“

Makaio setzte sich langsam auf und öffnete die Augen.

„Wie fühlt es sich an?“

Er bewegte seinen Kopf ein bisschen hin und her und ließ die Schultern kreisen.

„Besser, denke ich. Freier.“

„Super, es braucht noch ein bisschen Zeit, aber dann sollte es besser werden.“

„Woher kannst du das?“

„Meine Oma hat es mir gezeigt. Sie war so eine Art Heilerin bei uns in der Gegend und sie wollte nicht, dass ihr Wissen mit ihr stirbt.“

„Sie ist schon gestorben?“

„Ja, leider. Sie war ein toller Mensch. Ich konnte immer zu ihr kommen, wenn es mir nicht gut ging.“

Stille entstand, beide schauten auf das Meer.

„Oh, man“, sagte Alani plötzlich, „die Sonne geht ja schon unter. Ich muss los, ich habe Ben ganz vergessen.“

„Wieso vergessen? Wo ist er denn?“

„In meinem Zimmer“, sagte sie, als sie ihre Sachen in die Tasche warf, „er kann auch gut allein sein, aber er ist schon älter und muss öfter mal raus. Bist du morgen wieder hier?“

„Ja“, antwortete Makaio.

„Schön, dann sehen wir uns morgen. Ich muss los, sonst bekomm ich wieder Ärger von meiner Vermieterin.“

Und weg war sie.

Makaio blieb auf der Decke sitzen und schaute aufs Meer. Was für eine Begegnung. Er versuchte, das richtige Wort zu finden, um Alani zu beschreiben, aber er fand keins. Sie hatte alles. Sie war neugierig, talentiert, lustig, liebevoll, schön und, was ihm noch fast am besten an ihr gefiel, sie war ehrlich. Sie war einfach sie selbst, dass konnte er spüren.

Er beschloss, hier seine Atemübungen druchzuführen und machte sich dann auf den Weg nach Hause.

Alani war währenddessen angekommen. Ben erwartete sie an der Tür.

„Komm her, mein Süßer, schnell raus mit dir.“

Ben ging an Alani vorbei die Treppe hinunter.

Mittlerweile lief er nicht mehr so gut und an manchen Tagen hatte er richtig Probleme, aber heute flitzte er hinunter und verrichtete sein Geschäft. Danach kam er wieder rein und forderte sein Futter ein.

Während sie sich selbst auch etwas zu essen machte, dachte sie an Makaio. Sie freute sich darüber, dass sie endlich jemanden in ihrem Alter kennengelernt hatte, und sie freute sich auf Morgen, wenn sie ihre Glasscherbe weiter bearbeiten konnte.

Sie war müde vom Schwimmen und entschied sich noch zu lesen und dann früh ins Bett zu gehen.

Am nächsten Morgen war im Restaurant groß Reinemachen angesagt. Immer wenn Koa eine neue Lieferung Fisch bekam, säuberte er vorher immer die Truhen und Kühlschränke, denn er hasste nichts mehr, als Essen zu verschwenden. Was man bei seiner Körperfülle auch erahnen konnte. Alani half ihm gern dabei, es machte sowieso Spaß mit Koa zu arbeiten. Als sie ankam, hatte er schon die Musik aufgedreht und war bereits eifrig mit Putzen beschäftigt.

„Aloha!“, rief Alani in die Küche.

„Aloha! Na, gut geschlafen und voller Tatendrang?“

„Natürlich, lass uns loslegen.“

Ben war unterdessen durch das Restaurant nach draußen gelaufen. Die Sonne schien und es sollte ein schöner Tag werden.

Nach ein paar Stunden horchte Ben auf. Er hörte eine Stimme, die ihm bekannt vorkam. Makaio stand unten am Strand und hatte ihn gesehen. Ben lief zu ihm.

„Aloha Ben! Na, Großer, genießt du die Sonne?

Möchtest du mir auf meiner Decke Gesellschaft leisten?“

Wie albern, dachte Makaio, als würde ich erwarten, dass er nun antwortet. Aber Ben folgte ihm und legte sich zu ihm auf die Decke. Immer wieder stupste er ihn an, dass Makaio auch ja nicht vergaß, ihn zu streicheln.

„Ach, Ben, so komme ich ja gar nicht zum Arbeiten. Vielleicht mache ich heute einfach mal Pause.“ Er packte die Scherbe beiseite und legte sich hin. Die Sonne schien ihm ins Gesicht, Ben schmiegte sich dicht an ihn und ließ sich verwöhnen.

Makaio döste vor sich hin und schlief irgendwann ein.

Als Ben auf einmal aufsprang, wurde er wach. Ben hatte Alani, oder das Essen gerochen und war ihr entgegengelaufen.

„Aloha, wie ich sehe, gönnst du deinem Nacken heute eine Pause?“

„Ja, Ben wollte auch nicht, dass ich arbeite.“

„Er weiß, was gut ist. Schau mal, ich habe wieder etwas zu Essen dabei. Darf ich dich wieder einladen?“

„Gerne, aber ich möchte dir nichts wegessen.“

„Ach was, Koa sorgt schon dafür, dass ich nicht vom Fleisch falle.“

„Das muss ein netter Kerl sein.“

„Ja, er ist echt toll, wir kennen uns nun schon seit drei Jahren. Als ich hierher kam, war ich ganz alleine. Er hat mir geholfen, mich zurechtzufinden. Mittlerweile ist er wie ein großer Bruder für mich.“

Alani hatte die Box mit dem Essen auf die Decke gestellt und dieses Mal zweimal Besteck mitgenommen. Eins reichte sie Makaio.

„Guten Appetit.“

„Mahalo, dir auch.“

Makaio wollte mehr über Alani erfahren. War sie auch ganz alleine hier? Sie war ja noch jung, vielleicht jünger als er.

„Du bist also alleine hierhergekommen?“

„Nicht ganz, ich habe ja Ben, er ist ein guter Zuhörer. Nur mit dem Antworten, das üben wir gerade noch.“

Makaio musste lächeln.

„Steht dir gut das Lächeln. Solltest du öfter machen. Lachen ist gesund“, sagte sie und strahlte ihn an.

„Okay“, antwortete er etwas verlegen, „ich frag nur, weil du gerade sagtest du hast Koa vor drei Jahren kennengelernt. Da warst du doch noch sehr jung, oder bist du viel älter, als du aussiehst?“

„Ich war sechzehn, als ich hierherkam. Ich wollte einfach was Neues anfangen. Wohnst du denn schon lange hier? Ich habe dich hier noch nie gesehen.“

„Nein, ich bin vor ungefähr einem halben Jahr hergekommen.“

„Und was machst du so? Wohnst du noch zu Hause?“

Alani merkte, dass er zögerte. „Entschuldige, ich wollte dich nicht ausfragen. Es ist nur so, ich habe hier noch nicht viele nette Leute in meinem Alter kennengelernt.

Die meisten ziehen irgendwann in die Stadt.“

„Schon gut, ich wollte einfach mal eine Auszeit für mich und bin von zu Hause weg, aber nicht abgehauen oder so. Ich wollte einfach mal für ein Jahr auf mich allein gestellt sein.“

„Das klingt nach einem Abenteuer. Hast du denn eine Wohnung?“

„Ja, ich wohne in einer kleinen Hütte. Sie gehört meinem Onkel.“

„Ist ja toll! Und die Ketten verkaufst du auf dem Markt, richtig?“

„Woher weißt du das?“

„Ich stand letztens davor und wollte mir eine kaufen“, sagte Alani und lächelte.

Sie steckte sich einen Bissen in den Mund und überlegte, wie alt Makaio wohl war.

„Wie alt bist du? Auch noch nicht so alt, oder?“

„Ich bin letztens zwanzig Jahre geworden.“

„Ist ja lustig, dann sind wir ja fast im gleichen Alter. Na ja fast, ich werde erst im Dezember zwanzig.“

Makaio genoss das Essen. Es war mal etwas anderes, als nur Fisch mit Reis oder Haferbrei.

„Heute ist wieder ein herrlicher Tag“, sagte Alani, „vielleicht kommt ja nun doch der Sommer.“

„Das wäre schön. Die letzten Wochen war es ein ständiges Auf und Ab.“

„Bist du, wenn ich Feierabend habe, immer noch hier?“

„Ich glaube, ich bleibe heute den ganzen Tag. Vielleicht macht ihr ja nochmal Musik im Restaurant. Das ist immer schön, man hört sie bis an den Strand.“

„Kann schon sein, kommt immer drauf an, wie viel los ist. Sonst kannst du auch gerne mit hochkommen.“

„Ach nee, ich genieße lieber noch die Sonne.“

Alani stand auf. „Gut, dann sehen wir uns später. Ich freu mich schon.“

„Mahalo für das leckere Essen.“

„Gerne. Komm, Ben! Willst du wieder mit?“ Ben schaute auf und legte seinen Kopf dann wieder ab.

„Er kann auch gerne bleiben.“

„Na gut, dann bis später.“

Bald wurde es Makaio zu heiß in der Sonne.

„Ben, dir muss ja auch fürchterlich heiß sein. Komm mal mit ans Wasser dich abkühlen.“ Makaio rannte in Richtung Wasser in der Hoffnung, dass Ben ihm folgen würde, was er tat. Er selber sprang hinein und tauchte unter. Ben hingegen bremste und tapste nur mit den Pfoten etwas im Wasser herum. Makaio lief wieder zu Ben. „Du bist wohl kein Schwimmer. Du musst sicher auch mal was trinken. Geh man los und trink was.“ Er zeigte in Richtung Restaurant. Ben schaute sich um und lief dann langsam los in Richtung Eingang. „Cooler Hund, der versteht wohl alles.“

Makaio ließ sich wieder ins Wasser fallen. Es war herrlich kühl. Er schwamm ein ganzes Stück aufs Meer hinaus und fing an zu tauchen. Der Meeresgrund war hier sehr glatt, als wäre er künstlich aufgeschüttet worden. Deshalb fand man hier auch weniger Muscheln als an anderen Stellen, an denen es noch Korallen gab.

Er tauchte trotzdem eine ganze Weile und schwamm mit den Fischen um die Wette, aber ohne seine Taucherflossen hatte er keine Chance.

Als er irgendwann zum Strand schaute, sah er Alani und Ben auf seiner Decke sitzen und schwamm zurück.

„Ihr seid ja schon da. War ich so lange draußen?“

„Weiß ich nicht, aber ich hatte heute auch eher Schluss.“

Er setzte sich zu ihnen und holte, die Werkzeuge und Scherben heraus.

„Dann mal frisch ans Werk, hier ist deine Scherbe.“

„Mahalo.“

Sie fingen an, zu werkeln, und unterhielten sich dabei.

Alani erzählte Geschichten über Koa und Ben und Makaio hörte ihr aufmerksam zu. Er genoss ihre Art zu erzählen, sie war lustig und sie freute sich über so viele Kleinigkeiten. Es war wirklich schön mit anzuhören.

Nach einiger Zeit hielt Alani ihre Scherbe in die Sonne.

„So, die Form habe ich, was kommt nun?“

„Zeig mal. Sehr schön, ein Tropfen, echt toll geworden.

Du bist ein Naturtalent.“

„Ach was, das sagst du jetzt nur so.“

„Nein, du hast das wirklich gut hinbekommen! Nun kannst du dir überlegen, es noch ein bisschen hiermit zu glätten“, er hielt ihr ein kleines Polierwerkzeug hin, „oder du kannst eine Verzierung hineinritzen.“

Alani schaute sich die Scherbe genauer an. „Ich glätte sie lieber noch ein bisschen.“

Makaio setzte sich etwas dichter an sie heran. „Hier schau mal, immer in die gleiche Richtung, ganz vorsichtig.“

„Okay, ich versuch es mal.“

Alani brauchte nur ein paar Minuten, dann war sie zufrieden.

„So gefällt es mir. Wie lange hast du noch Zeit? Die Sonne geht schon wieder unter. Ich möchte dich nicht aufhalten, wenn du noch etwas anderes vorhast.“

„Ich habe nichts mehr vor. Wenn du möchtest, kannst du deinen Tropfen gerne noch verzieren.“

„Gern, Ben kann auch noch ein bisschen auf sein Futter warten.“

„Wo ist er eigentlich?“

„Meist liegt er auf seinem Platz beim Restaurant, denn nicht selten bekommt er dort noch etwas Fisch oder andere Reste.“

„Sehr schlau dein Hund. Ich habe ihm vorhin gesagt, er soll mal was trinken gehen, und er ist gleich losgelaufen.“

„Ja, Ben ist schon echt ein toller Hund. Es ist irre, dass er so viel versteht, denn er kommt eigentlich aus Deutschland.“

„Ah, das erklärt auch den komischen Namen.“

Makaio zeigte Alani an seiner Scherbe, worauf man beim Verzieren achten musste, und ließ sie es dann versuchen.

„Oh man, da braucht man ja eine irre ruhige Hand für.

Ich weiß nicht, ob ich das hinbekomme.“

„Hier, nimm eine andere Scherbe und probiere ein bisschen aus.“

„Brauchst du sie nicht für deine Ketten?“

„Nein, diese nicht, sie ist nicht so schön.“

Nach einiger Zeit traute Alani sich, mit ihrem Tropfen anzufangen und bekam es auch sehr gut hin.

„Ich glaube, ich bin fertig, aber es ist schon zu dunkel, um es genau zu sagen“, sagte Alani nach einer ganzen Weile.

„Du hast recht, wir sollten aufhören. Morgen bringe ich Lianen mit und zeige dir, wie man die Halsbänder daraus macht.“

„Super, ich freu mich. Es macht mir richtig Spaß, außerdem kann man sich so nett dabei unterhalten.“

„Das stimmt und du bist ein echtes Naturtalent, so hübsch sah mein erster Anhänger nicht aus.“

Alani stand auf. „Dann morgen wieder zum Mittagessen?“

„Ich bin hier.“

„Aloha und einen schönen Abend noch.“

„Mahalo, dir auch.“

Alani lief zum Restaurant und suchte Ben. Der saß bei Maleko und ließ sich kraulen.