Ein Koffer voll Gespenster - Stefan Karch - E-Book

Ein Koffer voll Gespenster E-Book

Stefan Karch

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Beschreibung

Mit einem Zwillingsbruder, der nur Unfug im Kopf hat, ist es leicht, der Brave zu sein. Das ändert sich schlagartig, als Valentin einen Koffer findet, der ihm die Haare zu Berge stehen lässt. Eine herrlich gruselige Geschichte, in der Ein Koffer voll Gespenster das Leben dreier Kinder auf den Kopf stellt. Neben Humor und Spannung finden sich in Stefan Karchs Geschichten feine, zärtliche Botschaften, die zum Erfolg seiner Bücher beitragen.

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Ein Koffer voll Gespenster

von Stefan Karch

Von Stefan Karch unter anderem im G&G Verlag als E-Book erschienen:

„Karfunkel - Das Vermächtnis der Steine“, ISBN 978-3-7074-1704-3

„Robin & Scarlett - Die Bücher der Magier“, ISBN 978-3-7074-1707-4

„Robin & Scarlett - Die Stimmen der Geister“, ISBN 978-3-7074-1708-1

„Robin & Scarlett - Die Vögel der Nacht“, ISBN 978-3-7074-1709-8

1. digitale Auflage, 2015

www.ggverlag.at

ISBN E-Book 978-3-7074-1719-7

ISBN Print 978-3-7074-1580-3

In der aktuell gültigen Rechtschreibung

Illustrationen: Stefan Karch

© 2013 G&G Verlagsgesellschaft mbH, Wien

Alle Rechte vorbehalten.

Inhalt

Der unliebsame Gast

Die ungleichen Brüder

Der Koffer

Messerscharf erkannt!

Eine böse Überraschung

Gespenstisches Chaos

Kain und Abel

Es ist etwas zu tun …

Der Schlüssel zur Macht

Ein unverzeihlicher Fehler

Sturmböen im Zimmer

Ein weiches Herz

Das Mädchen mit dem Herrenhut

Zu zweit im Keller

Unfreiwilliges Zusammentreffen

Eins nach dem anderen …

Ein abenteuerlicher Plan

Der Chauffeur

Das Wiedersehen

Blaulicht

Barrierefreier Treffpunkt

Zack – ins Tor!

Mehr als ein Traum?

Ein riskantes Vorhaben

Maskerade

Der unliebsame Gast

Die Sonne ging hinter einem Schleier aus Dunst am Horizont auf. Ihre hellen Strahlen wanderten durch das Tal über die Dächer der Stadt, und ein Haus nach dem anderen wurde von ihrem orangegoldenen Licht überzogen. Nur das Haus mit der Nummer 77 am Ende der Mondscheingasse blieb im Schatten. Vielleicht lag es an den riesigen Tannen und den mächtigen Eichen im Garten. Oder aber es lag daran, dass etwas so Unheimliches von dem Haus ausging, dass sogar der Sonnenschein einen großen Bogen darum machte.

In der Küche des Hauses Nummer 77 brannte eine Lampe. Janek Kadamon saß am Tisch über eine Zeitung gebeugt. In der einen Hand hielt er eine Leselupe. Mit dem Zeigefinger der anderen Hand verfolgte er die Zeilen des Artikels. Sein langer Kinnbart strich wie ein Staubwedel über den Rand der Zeitung. Eine Katze lag am Fensterbrett. Hin und wieder öffnete sie träge eines ihrer bernsteinfarbenen Augen. In einer Stunde würde der Wecker seiner Tochter läuten. Bis dahin genoss Janek die Stille des frühen Morgens. Während er las, kicherte er immer wieder leise vor sich hin, bis ein Geräusch ihn auf einmal innehalten ließ. Janek hob den Kopf und schob sein Kinn vor, so dass der lange Bart wie ein Säbel abstand.

Eine unheilvolle Vorahnung beschlich ihn.

Auch die Katze erhob sich mit zuckender Schwanzspitze von der Fensterbank.

Janek schob mit einem Ruck seinen Sessel zurück und stand auf. Er rieb sich über die Nase, als könnte er dadurch klarer denken. Seine Augen tasteten den Raum ab. Seine Ohren öffneten sich nach allen Seiten.

Ein Knarren war zu hören.

Das Knarren wurde lauter, bis Janek polternde Schritte hörte. Jemand kam die Treppe hoch. Mit einem Satz war Janek bei der Tür, schneller als jeder normale Mensch hätte sein können. Aber Janek war eben kein normaler Mensch. Trotzdem war er zu langsam gewesen.

Der andere Mann stand schon in der Küche. Er war nicht sehr groß, eher untersetzt und ziemlich massig. Er trug einen Anzug und machte einen geschäftsmäßigen Eindruck.

Janeks lange hagere Gestalt überragte ihn um zwei Köpfe.

Sie standen einander gegenüber – der eine wie ein dicker Ball, der andere wie ein schmaler Stab. Doch wenn man genauer hinsah, hatten sie auch einiges gemeinsam. Ihre Schädel waren kahl, beide hatten buschige Augenbrauen, beide trugen einen langen Bart. Beiden wucherten schwarze Härchen aus Ohren und Nase. Die größte Ähnlichkeit jedoch lag in ihren Gesichtszügen, woran man erkannte, dass sie Brüder waren. Oleg und Janek. Zwischen ihnen schien die Luft zu vibrieren. Olegs Augen sprühten.

Janeks Ohren glühten.

Oleg hielt einen Koffer in der Hand, und Janek wusste, was in dem Koffer war.

„Halt den Mund!“, fauchte Oleg, als er sah, dass Janeks Lippen sich bewegten. „Ich weiß schon, was du jetzt sagen willst. Nein, es macht mir keinen Spaß, wie ein Dieb in dein Haus einzudringen. Aber ich bin in Not. Und ich hatte dich um Hilfe gebeten.“ Oleg war mit jedem Satz näher auf Janek zugegangen. Jetzt berührten sich fast ihre Nasenspitzen. „Angefleht habe ich dich! Aber du hast mir jede Hilfe verwehrt und mich dazu gezwungen, das zu tun, was ich jetzt getan habe.“

„Du … du … du …“ Janek rang um Fassung und wollte etwas entgegnen, doch ihm gelang nur ein klägliches Stottern. Wie der Motor eines alten Autos, der nicht anspringen wollte.

Auf Olegs Stirn traten Schweißperlen. „Es ist verboten, Gespenster im Haus zu halten, wie oft habe ich dir das erklärt! Früher oder später übernehmen sie das Ruder und reißen alle Macht an sich. Und jetzt komm mir bloß nicht wieder mit den Rechten, die diese Biester angeblich hätten!“

In Olegs Augen loderte der Zorn, die Spitze seines Kinnbartes zitterte. Auch Janek platzte der Kragen.

Sein rechter Arm schnellte vor und richtete sich wie eine Waffe auf Oleg. Er war magisch geladen.

Doch Oleg stand nicht mehr dort, wo er gerade noch gestanden hatte, sondern wirbelte mit der Eleganz eines Balletttänzers durch die Küche. Trotz seines massigen Körpers war er der Schnellere. Plötzlich begann die Luft zu flimmern, und eine gewaltige Explosion ließ das ganze Haus beben. Die Fensterscheiben barsten, Geschirr fiel aus sämtlichen Regalen mit ohrenbetäubendem Scheppern zu Boden, und dichter, beißender Rauch erfüllte die Küche.

Dann war es still.

Nur langsam zogen die Rauchschwaden ab.

Janek hockte inmitten der Scherben. Oleg stand mit dem Koffer in der Hand und mit hochrotem Kopf keuchend über ihm. „Du kannst wohl nicht anders, wie? Immer wieder musst du mich zum Zweikampf herausfordern, oder? Obwohl du weißt, dass du verlierst!“

Janeks Augen waren weit aufgerissen. Die Hände hielt er seltsam verkrampft vor die Brust, wie Flügel eines Huhnes. Das Knirschen von Scherben ließ Oleg aufhorchen.

Ein Mädchen hatte die Küche betreten und rieb sich verschlafen die Augen.

„Alles in Ordnung“, beeilte sich Oleg zu sagen. „Ich habe nur deinen Vater zur Vernunft gebracht. Der Zauber hält nicht mehr lange an.“

Das Mädchen warf zuerst einen verständnislosen Blick auf ihren Vater und entdeckte dann den Koffer.

„Du darfst ihnen nichts antun!“, flüsterte sie entsetzt. „Kamila, meine Kleine“, sagte Oleg, und seine Stimme klang auf einmal ganz sanft. „Du wirst mir noch dankbar sein, dass ich euch ein für allemal von diesen Plagegeistern befreit habe.“ Seine Mundwinkel zuckten, als würden unsichtbare Finger daran zupfen. Er versuchte zu lächeln.

„Sie sind doch meine Freunde“, sagte Kamila. In ihrer Stimme lag ein Zittern.

Oleg lachte schallend auf, aber nur für einen Moment, dann kniff er die Augen bis auf einen schmalen Spalt zusammen. „Du redest wie dein Vater“, sagte er. Er zeigte auf den Koffer. „Diese Gespenster können keine Freunde sein. Es sind hinterhältige kleine Biester, die jemanden brauchen, der sie fest im Griff hat. Aber dazu fehlt deinem Vater der Mumm!“

Oleg ballte die Hand zur Faust. Das Mädchen schluckte schwer. Eine Träne löste sich und kullerte über seine Wange.

„Ich muss jetzt gehen“, sagte Oleg entschlossen, nahm den Koffer, drängte sich an dem Mädchen vorbei hinaus und ließ die Haustür hinter sich zufallen.

Kamila sah ihm durchs kaputte Küchenfenster nach und knabberte nervös an ihrer Unterlippe. Dann sah sie ihren Vater an, der noch immer reglos inmitten der Scherben auf dem Küchenfußboden saß. Sie war wütend auf ihren Onkel, aber auch auf ihren Vater. Warum konnte er nicht ein einziges Mal gegen Oleg gewinnen? Es war ja nicht das erste Mal, dass ein Streit zwischen den beiden Brüdern so endete.

Diesmal war jedoch alles viel schlimmer. Denn Oleg hatte ihr, Kamila, etwas weggenommen, was ihr wichtiger war als alles andere. Das konnte sie einfach nicht hinnehmen. Sie war fest entschlossen, sich zurückzuholen, was der Onkel ihr gestohlen hatte. Aber dazu brauchte sie einen Plan. Und zwar einen guten Plan.

In diesem Moment läutete der Wecker in ihrem Zimmer und riss sie aus ihren Gedanken. Sie musste sich beeilen, um pünktlich in der Schule zu sein.

Die ungleichen Brüder

Ein paar Häuser weiter weg wohnten die Zwillinge Valentin und Niklas mit ihren Eltern und ihrer kleinen Schwester Emilia.

Julius, der Vater, war schon sehr früh aufgestanden. Er war Physik- und Lateinlehrer an der Oberstufe eines Gymnasiums und bestand seit Jahren darauf, geraume Zeit vor seinen Schülern im Klassenzimmer zu sein. Er nippte im Stehen an seinem Kaffee, bevor er das Haus verließ.

Helena, die Mutter, schlief noch tief und fest. Seitdem Emilia auf der Welt war, litt sie unter chronischem Schlafmangel. Niklas alias Nicki, wie alle ihn nannten, stand neben dem Herd. Er platzierte vier Scheiben Toast übereinander und schob jede Menge Wurst und Käse dazwischen, um zu testen, wie weit er seinen Mund öffnen konnte.

Valentin war damit beschäftigt, für alle den Frühstückstisch zu decken. Freiwillig. Es sollte wenigstens einen in der Familie geben, fand er, auf den seine Mutter sich verlassen konnte.

Valentin und Nicki waren zwar eineiige Zwillingsbrüder. Sie glichen einander aber nur äußerlich. Und auch das versuchten sie zu vermeiden.

Valentin trug ständig einen Schal, auch im Sommer.

Nicki hatte Tag und Nacht eine Baseballkappe auf. Darunter arbeitete ein Gehirn, das ständig verrückte Ideen hervorbrachte. Vielleicht lag das ja an der Kappe.

Aus purer Verzweiflung hatten die Eltern für beide Buben je