Ein Langer Dezember - Richard Chizmar - E-Book

Ein Langer Dezember E-Book

Richard Chizmar

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Beschreibung

Clive Barker: »Richard Chizmar schreibt wie ein Mann, der durch die Hölle und zurück gegangen ist und nur überlebt hat, um davon zu erzählen.« Das Leben in der Vorstadt meint es gut mit Robert und Katy Howard. Sohn Grant ist am College und besonders zu dem älteren Nachbarn James besteht eine sehr enge Beziehung. Für Robert ist er wie eine Vaterfigur. Als an einem kühlen Dezembermorgen die Familie von Sirenen und Blaulicht geweckt wird, erfährt Robert von der Polizei, dass James nicht nur verschwunden, sondern Hauptverdächtiger in einer Mordserie ist. Robert muss erkennen, dass sein einstig bester Freund nicht der ist, für den er ihn jahrelang gehalten hat. Seine Nachforschungen führen ihn zurück zu einem dunklen Geheimnis aus seiner Kindheit, das er längst verdrängt hatte und dessen brutale und herzzerreisende Wahrheit ihm nun offenbart wird. Robert McCammon: »Chizmars Geschichten sind knallhart, gruselig, spannend, ergreifend, erschütternd, herzzerreißend und vor allem sehr gut geschrieben!« Stewart O'Nan: »Wie Ray Bradbury hat auch Richard Chizmar eine herzliche, nostalgische Ader. Die Vergangenheit ist in seinen Geschichten immer ein warmer, perfekter Ort. Die Gegenwart hingegen gehört eher zu Robert Bloch, denn das Staunen weicht dem Horror. Die Wendungen sind der alten Twilight Zone würdig.« Scott Smith: »Chizmar gelingt es hervorragend, die äußerlich glänzenden Schichten seiner Welt abzuschälen und die darunter liegende Fäulnis zu enthüllen. Seine Geschichten sind wie Reißzähne: scharf und bereit, Blut zu vergießen.« John Saul: »Ich liebe Schriftsteller wie Richard Chizmar - seine Prosa ist direkt, simpel und auf den Punkt gebracht. Er fesselt deine Aufmerksamkeit mit dem ersten Absatz und lässt sie nicht wieder los.« Graham Masterton: »Richard Chizmar hat ein ganz besonderes Talent dafür, eine heimelige, glaubwürdige Welt zu schaffen - die Art von Welt, in der Sie und ich tagtäglich leben. Aber nach und nach verleiht er dieser Welt ein schleichendes Unbehagen, und dann öffnet er die Türen der Vorstadthäuser und lässt uns all den unvorstellbaren Horror sehen, der sich dahinter verbirgt.«

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Erschienen im

EIN LANGERDEZEMBER

von

Richard Chizmar

Illustriert von

Daniele Serra

Aus dem Amerikanischen von

Christian Jentzsch

Deutsche Erstausgabe

ISBN: 978-3-946330-22-6

ISBN E-Book: 978-3-946330-23-3

ISBN Schuberausgabe: 978-3-946330-32-5

© 2022 Buchheim Verlag, Olaf Buchheim, Grimma

Alle Rechte vorbehalten

Cover & Illustrationen: Daniele SerraLektorat: Claudia PietschmannSatz im Verlag

www.buchheim-verlag.dewww.cemeterydancegermany.com

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

A LONG DECEMBERCopyright © 2016 by Richard Chizmar

»Wenn man eine Kerze anzündet, wirft man auch einen Schatten.«

– Ursula K. Le Guin

»Jeder Mensch ist ein Mond und hat eine dunkle Seite, die er nie zeigt.«

– Mark Twain

»Die Zeit nimmt alles, ob man will oder nicht, die Zeit nimmt alles. Die Zeit trägt alles ab und am Ende bleibt nur Dunkelheit. Manchmal finden wir andere in dieser Dunkelheit und manchmal verlieren wir sie wieder darin.«

– Stephen King

INHALT

DIENSTAG, 3. DEZEMBER

MITTWOCH, 4. DEZEMBER

DONNERSTAG, 5. DEZEMBER

FREITAG, 6. DEZEMBER

SAMSTAG, 7. DEZEMBER

MONTAG, 9. DEZEMBER

DONNERSTAG, 12. DEZEMBER

FREITAG, 13. DEZEMBER

SAMSTAG, 14. DEZEMBER

SONNTAG, 15. DEZEMBER

MONTAG, 16. DEZEMBER

DIENSTAG, 17. DEZEMBER

DONNERSTAG, 19. DEZEMBER

SAMSTAG, 21. DEZEMBER

SONNTAG, 22. DEZEMBER

MONTAG, 23. DEZEMBER

DIENSTAG, 24. DEZEMBER

MITTWOCH, 25. DEZEMBER

FREITAG, 27. DEZEMBER

SONNTAG, 29. DEZEMBER

AUTOR

ILLUSTRATOR

DIENSTAG, 3. DEZEMBER

Ich erwachte vom Lärm zuschlagender Autotüren draußen, sah die Reflexionen von Blinklichtern auf Schlafzimmerfenster und Decke und hatte nur einen Gedanken: Grant.

Doch Grant ging in Richmond zur Schule, zweihundert Meilen entfernt, und der logische Teil meines Verstandes, der offenbar sehr viel wacher war als der Rest von mir, riet mir, mich zu entspannen: Wäre Grant etwas zugestoßen, hätten sie uns angerufen, um uns zu benachrichtigen, und wären nicht mitten in der Nacht vor unserem Haus vorgefahren.

Außerdem gab es da draußen zu viele zuschlagende Wagentüren und jetzt auch gedämpfte Stimmen. Was da auch vorging, es war sehr viel mehr als nur ein Fahrzeug.

Ich drehte mich im Bett um, sah auf den Wecker auf dem Nachtschrank – 23:53 Uhr – und warf dann einen Blick auf Katy, die neben mir leise schnarchte. Normalerweise hatte sie einen leichten Schlaf, und es wunderte mich, dass sie noch nicht aufgewacht war. Ein paar Gläser Wein und drei Stunden abendliche Wiederholungen von The Office können diese Wirkung wohl haben. Gut für sie.

Die Kälte der Holzdielen unter meinen Füßen traf mich wie ein Schock, als ich aus dem Bett schlüpfte und mich zum Fenster tastete. Die Dezembernacht hatte bereits eine dünne Schicht Reif auf der Glasscheibe hinterlassen und ich wischte sie von innen mit der Hand weg.

In der Hauseinfahrt meines Nachbarn Jimmy standen drei Streifenwagen der Polizei, zwei davon mit immer noch blinkenden Lichtern. Gerade fuhren eine zivile Limousine und ein Polizeivan vor. Aus dem Zivilfahrzeug stiegen eilig zwei Personen und gingen durch den Vorgarten, bis sie aus meinem Blickfeld verschwunden waren.

Ich reckte den Hals, um ihnen nachzusehen, konnte aber nicht erkennen, ob sie ins Haus gegangen waren oder lediglich auf Jimmys Veranda warteten. Mittlerweile hellwach, konnte ich mein Herz in der Brust schlagen hören. Was ging da bloß vor?

So leise wie möglich schlich ich aus dem Schlafzimmer und war auf halbem Weg die Treppe hinunter, als jemand an die Eingangstür klopfte. Nur ein Mal und nicht besonders laut.

Ich sparte mir den Blick durch den Spion, sondern entriegelte die Tür und zog sie auf …

Und fand eine elegant gekleidete Frau auf meiner Veranda vor. Sie war groß und schlank und hatte die rötesten Haare, die ich je gesehen hatte. Sie hielt eine Dienstmarke und einen Ausweis in die Höhe, und ich brauchte einen Moment für die Erkenntnis, dass sie mit mir redete.

»… Anderson. Entschuldigen Sie die Störung.«

Ich riss mich vom Anblick der glänzenden Polizeimarke los und blinzelte sie an. »Verzeihung.«

»Sind Sie Robert Howard?«

Die Nennung meines Namens überrumpelte mich. »Ja … der bin ich.«

»Ich bin Detective Anderson, Mr. Howard. Tut mir leid, Sie zu dieser späten Stunde stören zu müssen, aber es ist wichtig, dass ich mit Ihnen rede.«

Ich beugte mich vor und warf einen Blick an den Sträuchern vorbei, die meine Veranda säumten. Jimmys Haustür war weit aufgerissen und Polizeibeamte kamen und gingen mit konzentrierter Entschlossenheit hindurch.

»Was ist passiert? Geht es Jimmy gut?«

»Jimmy ist Ihr Nachbar James Wilkinson, ist das richtig?«

»Ja. Geht es ihm gut?«

Ein weiterer Polizeiwagen rollte langsam am Randstein aus, diesmal direkt vor meinem Haus. In anderen Häusern rechts und links die Straße entlang gingen Lichter an, wie ich zur Kenntnis nahm. Nachbarn in Bademänteln und übergeworfenen Winterjacken tauchten auf den Veranden auf und versammelten sich auf dem Gehsteig.

»Wann haben Sie James Wilkinson zuletzt gesehen, Mr. Howard?«

Darüber musste ich kurz nachdenken. »Mal überlegen … Donnerstag, also an Thanksgiving, war er den ganzen Tag lang hier im Haus und dann habe ich ihn am Freitagabend gesehen, als meine Frau und ich vom Einkaufen nach Hause gekommen sind. Da hat er zu uns gesagt, er wolle übers Wochenende ein paar Freunde besuchen.«

»Und nach Freitagabend haben Sie ihn nicht mehr gesehen?«

»Nein.«

»Auch nicht von ihm gehört? Hat er vielleicht angerufen?«

»Nein. Nichts.«

»Hat er vielleicht den Wohnort oder die Namen der Leute erwähnt, die er besuchen wollte?«

Ich zitterte in der kalten Luft und schüttelte den Kopf. »Nein, hat er nicht. Können Sie mir vielleicht verraten, was eigentlich los …«

»Wir vollstrecken einen Durchsuchungsbeschluss, Mr. Howard. Ihr Nachbar James Wilkinson wird in zwei Fällen des Mordes beschuldigt. Er wird gesucht und ist flüchtig.«

Ich konnte nicht anders – ich lachte. »Da muss ein Irrtum vorliegen, Detective.«

»Leider nicht. Ich weiß, dass das ein Schock für Sie ist, aber Mr. Wilkinson wird schon seit einiger Zeit überwacht. Nur eine Kombination von Pech und Inkompetenz hat ihm ermöglicht, sich an diesem Wochenende der Verhaftung zu entziehen. Wir hatten sein Haus die letzten achtundvierzig Stunden unter Beobachtung, in der Hoffnung, dass er zurückkommt, aber das ist nicht geschehen.«

»Das ist doch verrückt. Wen soll er denn ermordet haben?«

Sie ignorierte die Frage. »Haben Sie irgendeine Idee, wo er sich aufhalten könnte, Mr. Howard?«

Ich gab vor, darüber nachzudenken. »Keine. Ich glaube immer noch, dass da ein Irrtum vorliegen muss. Jimmy ist ein guter Kerl.«

Die Ermittlungsbeamtin griff in ihre Jackentasche und zückte eine Visitenkarte, die sie mir reichte. »Wir müssen Ihnen noch einige zusätzliche Fragen stellen, Mr. Howard. Morgen würde es passen. Rufen Sie bitte gleich morgen früh im Präsidium an, dann vereinbaren wir einen Termin.« Sie wandte sich ab.

»Augenblick mal. Was denn für zusätzliche Fragen?«

Sie hielt inne und sah mich an. »Meines Wissens sind Sie James Wilkinsons bester Freund, Mr. Howard. Ist das korrekt?«

Wahrheitsgemäß zu antworten machte mich plötzlich nervös. »Das mag wohl sein.«

»Deswegen müssen wir uns mit Ihnen unterhalten, Mr. Howard.«

Sie drehte sich um und entfernte sich in die Richtung von Jimmys Haus. Ich starrte ihr hinterher und dann an ihr vorbei auf den Schein der rotgrünen Weihnachtsbeleuchtung der Hendersons. Ihre glitzernden Reflexionen vermischten sich mit den Blinklichtern der Polizeiwagen, sodass die gefrorenen Bäume und Rasenflächen in festliche Feiertagsfarben getaucht waren. Es fühlte sich an, als würde ich träumen.

»Hey, was ist denn da los?«

Ich schüttelte meine Benommenheit ab und wandte mich Ken Ellis zu, meinem Nachbarn auf der anderen Seite. Er trug einen Flanellpyjama und einen Bademantel und kam zu mir auf die Veranda.

»Kalt wie die Möpse von ’ner Hexe hier draußen. Was hat der Cop zu dir gesagt? Ist Jimmy irgendwas passiert?«

Ich weiß nicht, warum ich log, aber das tat ich. »Sie hat nur gesagt, dass sie morgen mit mir reden will. Was los ist, hat sie nicht gesagt.«

Ken hob die Augenbrauen. »Sie, hm? Weibliche Cops sind heiß. War sie ’n Hingucker?«

»Äh, eigentlich hab ich nicht viel von ihr gesehen, Ken. Sie war in Eile, glaub ich.«

»Tja, ich hoffe nur, dass es Jimmy gut geht, mein Lieber. Ich weiß, dass ihr zwei ziemlich dicke Freunde seid.«

Meines Wissens sind Sie James Wilkinsons bester Freund, Mr. Howard …

Ken warf einen Blick zurück auf die Straße. »Ach, da ist ja auch Marcus. Ist der fette Drecksack endlich aufgewacht.« Er überquerte bereits den Rasen. »Wir sehen uns später, Bobby.«

Ich winkte kurz, ging ins Haus und schloss die Tür voller Erleichterung, aus der Kälte und wieder allein zu sein.

Auf halbem Weg die Treppe hinauf zögerte ich, dann machte ich kehrt und ging zum Fenster. Mir wurde klar, dass ich nicht aufhören konnte zu beobachten, was nebenan vorging. Und ich konnte nicht aufhören zu denken: Da muss ein Irrtum vorliegen. Es geht gar nicht anders.

Den Gedanken hatte ich fünfzehn Minuten später immer noch, als ich beobachtete, wie die Polizeibeamten zwei schwarze Leichensäcke aus Jimmys Haus trugen.

»Das kann unmöglich wahr sein«, erklärte Katy mit ungläubiger Miene. »Jimmy kann sich nicht mal gruselige Filme ansehen! Weißt du noch, wie er reagiert hat, als wir an Thanksgiving das Poltergeist-Remake eingeschaltet haben?«

Ich nickte.

»Er war so verängstigt, dass er sich unter einem Vorwand früh verabschiedet hat! Unmöglich. Jimmy könnte keiner Fliege was zuleide tun.«

»Das habe ich dem Detective auch gesagt.«

Wir saßen einander gegenüber im Bett. Das erinnerte mich an die ersten Jahre unserer Ehe. Wie wir gemeinsam im Bett gesessen, Pizza gegessen und uns stundenlang unterhalten oder lausige Spätfilme im Kabelfernsehen angesehen hatten. Mehr hatten wir uns praktisch nicht leisten können, aber es hatte gereicht. Das war ein angenehmer Gedanke in einer ansonsten beschissenen Nacht.

Ich hatte Katy eine halbe Stunde zuvor geweckt, als ich schließlich nach oben gegangen war. Mit einem tauben Gefühl hatte ich ihr die Unterhaltung mit dem Detective geschildert, ihr aber verschwiegen, was ich unten am Fenster beobachtet hatte. Schließlich war es dunkel draußen – vielleicht hatte ich mich getäuscht.

»Bist du sicher, dass sie von zwei Mordfällen gesprochen hat?«

Ich nickte wieder. »Das bin ich.«

Sie starrte auf ihre überkreuzten Beine, während sie nachdachte, und schüttelte dann energisch den Kopf. »Nein, da muss ein Irrtum vorliegen.«

»Genau das habe ich auch ges…«

»Ach du lieber Gott, Schatz, du musst gleich morgen früh Grant anrufen. Sag es ihm, bevor er es in den Nachrichten hört. Du weißt, wie gern er Jimmy hat.«

Das wusste ich in der Tat. Jimmy war Grants Pate. Sein Freund. Sein Mentor. »Ich rufe ihn gleich als Erstes an.«

Katy stand auf und ging zum Fenster. Lugte für einen Moment nach draußen. Drehte sich um und verkündete: »Wenn Jimmy ein Mörder ist, bin ich Jack the Ripper.«

Ich war zu erschöpft, um zu lachen, aber mir gelang ein Lächeln. »Komm zurück ins Bett, du Irre.«

Sie hörte auf mich und kroch dicht neben mich. Ich deckte uns zu und wir hielten einander in der Dunkelheit umschlungen.

»Da muss ein Irrtum vorliegen«, flüsterte sie und kurze Zeit später schnarchte sie wieder.

Sie hat recht, dachte ich bei mir. Es kann gar nicht anders sein.

Aber was war dann in den Leichensäcken?

Der Schlaf ließ noch lange auf sich warten.

MITTWOCH, 4. DEZEMBER

Wir saßen am Frühstückstresen und sahen uns benommen schweigend die Morgennachrichten im Fernsehen an, während das Essen auf den Tellern vor uns kalt wurde.

Die Story war überall. Die Sprecher mussten sich mit ihren ach so ernsten Mienen und angemessen düster klingenden Stimmen große Mühe geben, um ihre Erregung im Zaum zu halten. Hin und wieder entglitten einem die Zügel und dann sah man die Freude in den funkelnden Augen oder hörte das Frohlocken in der aufgedrehten Stimme. Sie konnten einfach nicht anders.

Die Geräuschfetzen trafen uns nacheinander.

James Wilkinson, sechzig Jahre alt, flüchtig …

Des mehrfachen Mordes beschuldigt …

Leichenteile von mehreren Opfern in seiner Kellerwerkstatt entdeckt …

Behörden arbeiten daran, die Opfer zu identifizieren …

Fahndung in mehreren Staaten veranlasst …

Ihre Kommentare waren fachmännisch mit krassem Bildmaterial unterlegt.

Eine Nahaufnahme von Jimmys Haus im frühen Morgenlicht.

Ein langsamer Schwenk über die anheimelnde Mittelschichtswohngegend, unser eigenes Haus eingeschlossen.

Jimmys Fakultätsporträtfoto von der Universität, darüber zentriert eine Schlagzeile in Fettdruck:

EINHEIMISCHER MÖGLICHERWEISE EIN SERIENMÖRDER?

»Herrgott noch mal, jetzt ist er also ein verdammter Serienmörder«, seufzte Katy, während sie angewidert ihren Teller wegschob und von ihrem Barhocker aufstand.

Ich ließ ihr ein wenig Zeit und folgte ihr dann ins Wohnzimmer, wo sie vor dem Kamin stand und die gerahmten Fotos auf dem Sims betrachtete.

Ich trat hinter sie, schlang die Arme um sie und stützte das Kinn auf ihre Schulter. Sie legte ihre Arme um meine und drückte sie. Wir sagten beide kein Wort.

Auf dem Kaminsims standen drei Fotos. Das erste zeigte Katy und mich bei unserer Hochzeit, jugendlich und strahlend und zu Tode erschrocken, das zweite zwei Jungen, meinen Bruder und mich, beide mit freiem Oberkörper und sonnengebräunt und bemüht, wie harte Burschen auszusehen, das dritte Jimmy, Grant und mich auf einem Pier irgendwo in der Chesapeake Bay, alle drei mit einem albernen Grinsen, wie wir einen Fischgalgen voller Barsche in die Höhe halten.

»Ich fühle mich wie taub«, durchbrach ich schließlich die Stille.

»Ich auch.«

Sie nahm meine Hand in ihre und drehte sich zu mir um. »Glaubst du immer noch, dass da ein Irrtum vorliegt, Bobby?«

Ich konnte ihren Gesichtsausdruck nicht deuten, daher wusste ich nicht, was sie hören wollte. Also antwortete ich einfach wahrheitsgemäß. »Ich weiß es nicht.«

Mit der Fernbedienung öffnete ich die Tür meiner Garage und fuhr wachsam hinaus in den Zirkus, der über Nacht aus dem Boden geschossen war.

Nebenan wimmelte es von Cops.

Einige gingen noch im Haus ein und aus, während andere die Garage und den Gartenschuppen durchsuchten. Zwei Beamte waren mit Geräten, die wie Metalldetektoren aussahen, in den Blumenbeeten und auf dem rückwärtigen Rasen unterwegs. Einer war auf dem Dach und dort mit etwas beschäftigt.

Jimmys gesamtes Grundstück war mit gelbem Polizei-Absperrband umzäunt und im Garten waren zwei große Zelte errichtet worden. Mehr Cops wuselten in den Zelten und um sie herum, wo sie Gott weiß was taten. Die normalerweise ruhige Straße war gerammelt voll mit neugierigen Nachbarn, Reportern und Fernsehkameras. Auf der Straße waren noch mehr Polizeibeamte im Einsatz, die ihr Bestes taten, um die Schaulustigen zu zügeln und den Verkehr zu dirigieren.