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Die Schlacht um Takhan ist geschlagen, doch die Gefahr womöglich noch nicht gebannt. Ein Vorstoß in Feindesland mag der einzige Weg sein, um dem Konflikt ein langfristiges Ende zu setzen und endlich das neue Leben zu beginnen, das am Horizont wartet.
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Veröffentlichungsjahr: 2023
Impressum
Kapitel Eins - Ein Irrtum
Kapitel Zwei - Eine königliche Überraschung
Kapitel Drei - Schwierige Gespräche
Kapitel Vier - Nordwärts
Kapitel Fünf - Ein Umweg
Kapitel Sechs - Kar
Kapitel Sieben - Der Tag danach
Kapitel Acht - Abschied vom Feindesland
Kapitel Neun - Rückkehr nach Takhan
Kapitel Zehn - Ein letzter Akt
Kapitel Elf - Lose Enden
Kapitel Zwölf - Ein neues Leben
Kapitel Dreizehn - Eine Entdeckung
Kapitel Vierzehn - Ein Vorschlag
Kapitel Fünfzehn - Beunruhigende Erkenntnisse
Kapitel Sechzehn - Eine andere Art Krieg
Kapitel Siebzehn - Die Menge erhebt sich
Kapitel Achtzehn - Ankommen
Erstveröffentlichung November 2023
1. Auflage
Copyright © 2023
Astrid Donaubauer-Grobner
Hintere Ortsstraße 1/2
2325 Himberg, Österreich
Die Autorin online:
www.ac-donaubauer.com
www.facebook.com/acdonaubauer
Cover: Biserka Design
Originaltitel: Ein Neuer Weg - Der Orden: Buch 9
Aus dem Englischen übersetzt von Astrid Donaubauer-Grobner
Lektorat: Jürgen Donaubauer
Korrekturen: Hilde Ohrlinger
ISBN 978-3-904142-29-8
* * *
Für Jürgen.
Die letzten Worte, die in diesem Buch gesprochen werden, waren einst deine an mich. Ich trage sie jetzt seit 15 Jahren in meinem Herzen.
KAPITEL EINS
Ein Irrtum
Eryn stand wie erstarrt und fixierte weiterhin die seltsam gekleidete Gestalt, die sich bislang noch nicht dazu bequemt hatte, auf ihre und Malriels Frage zu antworten. Von einem Moment zum nächsten mutete die Vorstellung, sie hätten Malhora von Haus Aren vor sich, eine Frau in ihren späten Siebzigern, plötzlich vollkommen lächerlich an. Abgesehen davon, dass sie zweifellos tot war, hatten sie soeben beobachtet, wie diese Wüstennomaden scheinbar aus dem Nichts aufgetaucht waren. Malhora hatte in Eryns Gegenwart noch niemals irgendwelche athletischen Körperbewegungen vollführt, die darauf hingedeutet hätten, dass sie beweglich oder flink genug war, um so etwas wie ein Untertauchen im Sand zu bewerkstelligen, um dann emporzuschnellen und einer sich gerade günstig in Reichweite befindlichen Person die Kehle aufzuschlitzen.
Doch ihre Augen klebten an dem Schlitz in der Kopfbedeckung, durch den grimmige braune Augen hervorblitzten. Braune Augen waren keineswegs eine Seltenheit in einem Land, wo dunkles Haar vorherrschte, soviel war ihr bewusst. Ganz im Gegenteil. Braune Augen waren bei praktisch jeder Person, die in den Westlichen Territorien geboren wurde, der Normalfall. Das machte Enric mit seinen blonden Haaren und blauen Augen zu einem Kuriosum, wann immer sie nach Takhan kamen.
Malhoras Stimme gehört zu haben musste wohl nur eine Einbildung gewesen sein. In diesem Fall jedoch musste Malriel unter denselben Wahnvorstellungen leiden…
Ram’an trat vor, um die Frage zu beantworten, die die Erscheinung gestellt hatte. Wie sich die die Kette als Durchgang durch die Barriere verwenden ließ. Weder Eryn noch Malriel waren zu einer Antwort imstande.
“Man hebt sie einfach an und schiebt sie dann mit einem kräftigen Stoss durch die Barriere. Dann kannst du sie als Durchgang benutzen.”
Die Gestalt folgte der Anweisung, und einen Moment später trat sie durch den Schild und nickte anerkennend angesichts eines simplen Prinzips, das sich dermaßen effektiv umsetzen ließ.
Einen Moment später nahm sie das Tuch ab, das ihr Gesicht bedeckte, und Malriel vermochte gerade noch mit einer Hand vor den Mund das Aufschluchzen, das ihr entwichen war, zu dämpfen.
Da war sie in ihrer ganzen Pracht - Malhora von Haus Aren, allem Anschein nach eine ehrenamtliche Meuchelmörderin der Wüstenstämme.
“Großmutter!” flüsterte Eryn, noch immer ungewiss, ob sie ihren Augen trauen durfte. “Du lebst!” Sie streckte ihre Arme aus und zog die alte Frau in eine Umarmung.
“Natürlich lebe ich. Wie kommst du auf die Idee, es wäre anders?”
“Weil alle anderen auf deinem Anwesen abgeschlachtet wurden!” schrie Malriel ihr entgegen, woraufhin einige der Umstehenden zusammenzuckten.
Die Takhaner wichen ein paar Schritte zurück. Das hier zeigte alle Anzeichen eines weiteren bevorstehenden Aren-Zusammenstoßes.
“Jedoch befand sich meine Leiche nicht unter ihnen”, erwiderte Malhora ruhig.
“Ich habe um dich getrauert, du selbstsüchtiges, rücksichtsloses, verantwortungsloses altes…”
“Mutter, bitte!”, versuchte Eryn zu bremsen, was verdächtig nach einem drohenden Nervenzusammenbruch aussah. Malriel bekleidete das Amt der Obersten Triarchin der Westlichen Territorien. Die Leute sollten sie nicht in einem solchen Zustand erleben. Das würde ihr Vertrauen in die geistige Stabilität ihrer Anführerin untergraben.
“…Ungeheuer!”
“Reiß dich zusammen, Malriel”, schoss Malhora streng zurück. “Denk an deine Position!” Einen Moment später wurde ihr Kopf durch eine kräftige Ohrfeige zur Seite geschleudert.
“War es zu viel verlangt, einen Vogel zu schicken und mir mitzuteilen, dass es dir gut geht, Mutter?” zischte Malriel und wischte sich wütend eine Träne von ihrer Wange.
“Die Wüstenstämme halten nichts von Vögeln, wie du sehr wohl weißt”, knirschte die alte Frau mit zusammengebissenen Zähnen, während sie ihrer Tochter einen mörderischen Blick zuwarf.
Eryns Blick wanderte zu dem Mann, der immer noch blutend auf dem Boden außerhalb der Barriere lag. Es war im Moment wohl kaum die ratsamste aller Vorgehensweisen, eine Frau zu provozieren, die zu so etwas fähig war.
Sie packte Malriel an den Schultern und flehte sie mit eindringlichem Flüsterton an: “Beruhige dich gefälligst! Auf der Stelle! Die Leute blicken zu dir auf - sie müssen sehen, dass du dich unter Kontrolle hast! Ich verspreche dir, dass du dich später auf sie stürzen kannst! Bitte!” Sie schloss für einen Moment die Augen und fügte hinzu: “Ich bin so erschöpft, dass ich mich kaum auf den Beinen halten kann. Ich habe nicht die Kraft, dich außer Gefecht zu setzen und von hier wegzutragen.”
Eryn drehte den Kopf und sah, wie Orrin und König Folrin mit ihren Männern den Hügel herab auf sie zu kamen. Ein wenig zu spät, kam ihr der unwillkürliche Gedanke. Sie hatten all die interessanten Ereignisse verpasst.
Ihr Blick wanderte zu Enric und Ram’an, dann zu Neled. Sie alle erweckten den Anschein, als brauchten sie ebenso dringend ein Bett wie sie selbst.
Sie hob den Arm und deutete auf die Residenz, aus der Etor Gart vor nicht allzu langer Zeit in der Gewissheit geflohen war, dass sich alles zu seinen Gunsten wenden würde. “Ich werde dort oben etwas Schlaf nachholen.”
“Dafür kannst du ebenso gut zur Aren Residenz laufen, die ist nicht viel weiter entfernt”, rief Malhora ihr nach, als sie sich in Bewegung gesetzt hatte.
“Es gibt keine Aren Residenz mehr, Großmutter”, warf Eryn über ihre Schulter zurück, zwang einen Fuß vor den anderen und ergriff im Vorbeigehen Enrics Hand, um ihn mit sich zu ziehen.
“Was meint sie damit, es gibt keine Aren Residenz mehr?” erfragte Malhora von ihrer Tochter.
“Er hat sie zerstört, Mutter”, schnappte Malriel. “Also wird es jetzt keinen Streit mehr darüber geben, wem das Hauptschlafzimmer zusteht, wenn du in der Stadt bist!”
Enric schüttelte den Kopf, legte seiner Gefährtin einen Arm um die Schultern und schleppte sich in Richtung des Hügels, der vor ihnen lag. Er wirkte beinahe unbezwingbar in diesem Moment, wo die Aufregung des Schlachtgetummels nicht länger durch seine Adern pulsierte. “Ist es nicht erstaunlich, wie schnell sich alles wieder normalisiert hat?”
“Ich denke, Malriel geht auf Malhora los, damit sie nicht stattdessen in Tränen ausbricht”, vermutete Eryn. “Ich hatte Recht, möchte ich anmerken”, fügte sie dann hinzu. “Malhora ist nicht tot. Es ist mir ein Bedürfnis, das hervorzuheben.”
“Gut gemacht, Liebste. Ich habe eindeutig unterschätzt, wie schwer es ist, deine Sippe auszurotten.”
In der Zwischenzeit hatten der König und Orrin die beiden erreicht.
“Lord Enric, was hat es mit all dem auf sich? Wer sind diese Leute?” verlangte König Folrin zu wissen und deutete auf die Loman Ergen.
“Bei allem Respekt, Eure Majestät”, antwortete Enric, “das wird Euch jemand anderer beantworten müssen. Versucht es bei Malriel. Sie könnte im Moment etwas Ablenkung gebrauchen. Ich muss meine Gefährtin an einen Ort bringen, wo sie sich hinlegen kann.”
Eryn runzelte die Stirn. “Du nicht? Du siehst nahezu so erschöpft aus wie ich mich fühle.”
“Du bist schlimmer dran als ich, weil du dich dringend von der Heilung erholen musst, die du erhalten hast. Ich dagegen bin lediglich müde. Ich kann noch ein paar Stunden durchhalten und mich um ein paar Dinge kümmern.”
“Wartet auf mich”, rief ihnen Ram’ans Stimme hinterher. “Wenn die mächtigen Anführer des Ordens sich zur Ruhe begeben können, dann muss das auch bei mir zulässig sein.”
Enric unterließ es, ihn darauf hinzuweisen, dass er selbst noch eine Weile wach zu bleiben hatte.
Als Ram’an zu ihnen aufgeschlossen hatte, nickte er dem König zu. “Eure Majestät.” Dann deutete er auf die Residenz vor ihnen. “Ihr wisst, wem die gehört, nicht wahr?”
“Das ist mir gleichgültig, solange es dort Schatten und Wasser gibt”, entgegnete Eryn müde. “Ich nehme sogar mit dem Boden vorlieb, solange ich mich nur hinlegen kann.”
“Sie gehört Haus Roal, Haus Arens größtem Widersacher”, fühlte er sich bemüßigt, sie aufzuklären.
Sie seufzte und drehte sich zu ihm um. “Wenn du unbedingt schwierig sein musst, können wir dich nicht mitnehmen. Halt einfach den Mund, Arbil.”
Ram’an zuckte mit den Schultern, und als sie stolperte, stützte er sie mit einem Arm um ihre Taille, zusätzlich zu Enrics Arm um ihre Schultern.
Arm in Arm, wankend wie Betrunkene, nahmen sie zu dritt den beschwerlichen Aufstieg in Angriff.
* * *
Enric erwachte mit schmerzendem Rücken, bedingt durch die leicht schräge Position seines Körpers auf den Sitzkissen im Hauptraum der Roal-Residenz. Eryn hatte es nicht einmal mehr in ein Schlafzimmer geschafft, sondern war auf der ersten bequem wirkenden Oberfläche zusammengeklappt. Den Kissen. Als Enric etwa fünf Stunden später zurückgekehrt war, hatte er sich einfach neben ihr niedergelassen. Nach dem schwachen Licht der frühen Morgendämmerung zu urteilen, hatte er in etwa fünfzehn Stunden lang geschlafen. Allzu erfrischt fühlte er sich nicht, was nach den Strapazen der letzten Tage jedoch kaum zu erwarten war. In den kommenden Tagen würde er den Preis dafür bezahlen, dass er sich mit Magie auf den Beinen gehalten hatte. Dazu kam noch die Tatsache, dass er auch nicht eben jünger wurde und sein Körper nicht müde wurde, ihn darauf hinzuweisen.
Er versuchte, seine Umgebung in dem schwachen Licht zu erahnen. Eryn hatte sich neben ihm auf den Kissen ausgestreckt. Aufgrund ihres beachtlichen Platzanspruchs beim Schlafen war er selbst gezwungen gewesen, sich mit einer weniger bequemen Position zufrieden zu geben. Bei dieser Frau war ein breites Bett nicht lediglich ein Luxus, sondern eine Überlebensfrage.
Sie trug immer noch den Großteil ihrer Rüstung am Leib. Im Gegensatz zu ihm hatte sie sich nicht die Mühe gemacht, sich auch nur von einem einzigen der steifen Lederteile zu befreien.
Zu ihren Füßen lag Ram’an, dessen Beine zu Boden hingen. Er hatte es geschafft, zwei weitere Kissen für sich zu ergattern.
Unbeholfen und mit einer Grimasse angesichts seiner verspannten Muskeln kämpfte sich Enric auf die Beine, darauf bedacht, jedes Geräusch zu vermeiden, das die anderen beiden aus dem Schlaf reißen könnte. Er verspürte den Drang sich zu strecken, etwas zu trinken und dann die Toilette aufzusuchen. Da Haus Roal nicht zu den Kreisen zählte, in denen sich die Mitglieder von Haus Aren nach Belieben bewegen konnten, war er noch nie bei einer der geselligen Zusammenkünfte oder Feiern in dieser Residenz zu Gast gewesen und daher mit deren Grundriss nicht vertraut.
Gewisse Gegebenheiten unterschieden sich kaum von einer Residenz zur anderen, wie beispielsweise die Anordnung des Hauptraums im ersten Stock, der angrenzenden Küche und des gesamten Lagerbereichs im Erdgeschoss. Die verbleibenden Räume allerdings, einschließlich des Badezimmers, waren eine Frage der persönlichen Vorlieben.
Er trat auf die Terrasse hinaus, atmete die kühle Morgenluft ein und genoss den Luxus, seine Gedanken ausnahmsweise nicht um einen zu erwartenden oder einen geplanten Angriff kreisen lassen zu müssen. Beim Strecken seiner Arme und Beine spürte er, wie seine Gelenke mit einem leisen Schnappen wieder einrasteten. Seine Muskeln erinnerten sich unter Protest daran, dass Bewegung ihr Existenzzweck war. Als Nächstes entledigte er sich seines Leinenhemds und setzte seine Haut der kühlen Morgenluft aus.
Kurz darauf kehrte er in das Gebäude zurück und bewegte sich auf der Suche nach Wasser leise in die Richtung, in der er die Küche vermutete. Er trank eine ganze Karaffe leer und begab sich sodann auf die Suche nach einem Badezimmer.
Im ersten von zwei Korridorein öffnete er eine Tür nach der anderen. So verging eine Weile, bis er fand, wonach er suchte. Im Inneren der Residenz war es noch fast völlig dunkel.
Gedanklich sortierte er die Aufgaben, die dieser Tag mit sich bringen würde. Sie mussten sich mit ihren Familien in Verbindung setzen, ihnen mitteilen, dass die Rückkehr nach Takhan nun wieder sicher war; dafür sorgen, dass die Anwesen ihre Lieferungen in die Stadt wiederaufnahmen; die Gefangenen aus dem Anwesen in den Hügeln herbeischaffen; die Leichen der feindlichen Soldaten beseitigen und sich darum kümmern, dass ihre eigenen gefallenen Soldaten angemessen bestattet wurden. Weiters mussten die Schäden, die die Stadt erlitten hatte, begutachtet und in einigen Fällen rasch behoben werden. Der Hafen musste einsatzbereit sein, sonst konnten sie weder diejenigen, die sie weggeschickt hatten, wieder zurückzuholen, noch die Waren in Empfang nehmen, die Anyueel ihren Verbündeten zukommen lassen musste, bis sie wieder in der Lage waren, sich aus eigener Kraft zu versorgen.
Außerdem mussten er und Eryn mit der Triarchie, Malriel und Neled - und nun wohl auch mit Horam - konferieren und besprechen, wie es nun weitergehen sollte. Es gab einen wichtigen Aspekt, den es herauszufinden galt - nämlich was exakt dieses Bündnis zwischen Neled und Horam beinhaltete. Was genau hatte Neled versprochen? Würde sie dafür ihre Position in Takhan aufgeben müssen? Oder war sie so unvorsichtig gewesen, den Loman Ergen eine Bleibe in Takhan zu versprechen, ohne zuvor jene um ihre Zustimmung zu bitten, die dort das Sagen hatten?
Als er in den Hauptraum zurückkehrte, sah er, dass Ram’an in der Zwischenzeit ebenfalls aufgewacht war. Eryn hingegen schlummerte noch immer tief und fest. Kurz zog er in Betracht, sie zu wecken, um ihr etwas zu trinken einzuflößen, bevor er sie wieder ruhen ließ. Er entschied sich dagegen und platzierte stattdessen Wasser auf einem Tisch in der Nähe für später, sobald sie von selbst aufwachte.
Ram’an gähnte und streckte sich, erhob sich und folgte Enric auf die Terrasse, um Eryn nicht zu stören.
“Was wird jetzt geschehen?”, fragte das Oberhaupt von Haus Arbil und ließ sich auf die Sitzkissen fallen.
“Wir müssen das Land aus dem Ausnahmezustand heraus und zurück in die Normalität führen. Unsere ersten Prioritäten sind die Beseitigung der Toten, bevor eine Seuche über uns hereinbricht, und die Versorgung der Stadt mit Lebensmitteln. Kaum eines der Anwesen ist angegriffen worden, daher erwarte ich bei letzterem keine Probleme.”
“Und das erste? Ich nehme an, ihr wollt eure toten Soldaten und natürlich die Ordensmagier zurück nach Anyueel schaffen?”
Enric nickte. “Das müssen wir. Als Sieger haben wir keine andere Wahl. Diejenigen, die wir in der Wüste verloren haben, mussten wir bereits begraben, aber jene, die in der Stadt gefallen sind, müssen nach Hause gebracht werden.”
“Insbesondere Lord Tyront, nehme ich an?”
“Ja, vor allem er”, antwortete Enric leise und sinnierte darüber, wie er Vyril die grausige Nachricht überbringen sollte. Vorausgesetzt, der König hatte sie nicht bereits informiert, während sich Enric in der Wüste auf die Jagd nach Etor Garts Männern begeben hatte.
“Was ist mit dem Kadaver von Etor Gart? Verfüttern wir ihn an die Fische oder lassen wir ihn in der Wüste verrotten, so wie er es verdient hat?”
“Nein. Ich wünschte, wir hätten diesen Luxus. Wir werden ihn zurückbringen müssen als Beweis für seine Niederlage.”
Ram’an runzelte die Stirn. “Du willst nach Kar reisen, um ihnen die verwesenden Überreste ihres kriegstreiberischen Anführers zu präsentieren? Oder hast du vor, die Kriegsgefangenen freizulassen und sie ihnen mitzugeben?”
Enric streckte sich erneut und unterdrückte ein Gähnen. “Das kann ich nicht mit Sicherheit beantworten. Es ist nicht allein meine Entscheidung.”
Es folgten einige Sekunden des Schweigens, dann fragte Ram’an: “Wegen Malhora. Hattest du schon Gelegenheit, mit ihr zu sprechen? Das muss wohl das Seltsamste gewesen sein, was ich je mitangesehen habe. Ich wusste nicht, dass sich die Nomaden auf diese Weise unter dem Sand bewegen können - von der Oberfläche aus völlig unbemerkt! Und wie ist Malhora überhaupt bei ihnen gelandet?”
“Malriel war noch nicht fertig damit, sie anzuschreien, als ich sie gestern verlassen habe, und seitdem habe ich sie beide nicht mehr gesehen. Ich war beschäftigt, während du dich ausgeruht hast”, fügte er spitz hinzu.
Ram’an zuckte mit den Schultern. “Nun, anders als du und deine Männer bin ich nicht mein ganzes Leben lang auf einen Krieg vorbereitet worden. Ich habe einen Beruf erlernt, der Bücher und Schreibmaterial erfordert, keine Schwerter und Magie. Du solltest mir also zugute halten, dass ich so lange auf den Beinen geblieben bin, wie ich es vermocht habe.”
Enric seufzte. Selbstverständlich hatte er Recht. Für einen Zivilisten hatte er sich bei all dem durchaus wacker geschlagen. Er hatte bis zum bitteren Ende durchgehalten und war bei der Begegnung mit dem Feind nicht ein einziges Mal verzagt.
“Entschulde bitte. Ich wollte dich nicht herabwürdigen.”
“Kein Grund zur Sorge, mein Freund. Wie geht es nun weiter? Darf ich darauf hoffen, dass ich bald in meine Residenz zurückkehren kann, um mir wenigstens frische Kleidung zu besorgen, oder muss ich ihr fernbleiben, solange der König sie noch benutzt?”
“Es ist gewiss kein Problem, wenn du dir frische Kleidung besorgst. Du kannst dich mir anschließen, mein erster Weg führt dorthin, um mich mit dem König und Orrin zu beraten. Du kannst dich in der Zwischenzeit gerne in mein Haus zurückziehen. Zum Glück steht es noch. Möglicherweise halten sich dort jedoch auch Malriel und Malhora auf. Wenn du meine Gastfreundschaft akzeptierst, mach dich darauf gefasst, dass es wahrscheinlich keine allzu ruhige Erfahrung wird.”
Ram’an nickte dankbar. “Das Angebot nehme ich dankend an. Was ist mit Theá?”
“Ich werde ihr eine Nachricht hinterlassen und sie anweisen, dass sie nach Hause gehen soll, sobald sie aufwacht. Ich vermute allerdings, dass sie noch ein paar Stunden schlafen wird.”
“Gut. Dann werde ich das Bad benutzen und etwas Wasser trinken, während du die Nachricht verfasst.”
“Du hast nicht zufällig eine Ahnung, wo ich ein Arbeitszimmer mit etwas Papier und einem Stift finden kann?”
“Überhaupt keine.”
Enric drehte sich um und begab sich erneut auf Zimmersuche.
* * *
Eryn gönnte sich ein finales, ausgedehntes Gähnen, bevor sie an die Eingangstür der Arbil Residenz klopfte. Die Morgendämmerung kündigte sich bereits durch eine deutlich erkennbare orange Färbung des Sonnenlichts an.
Als sie etwa eine Stunde zuvor aufgewacht war, allein und leicht verwirrt an einem ihr unbekannten Ort, hatte sie sich vage daran erinnert, dass Ram’an etwas von der Roal-Residenz erwähnt hatte. Abgesehen von der geschmackvollen, gediegenen Einrichtung hatte das Gebäude einen offenen, luftigen und modernen Eindruck auf sie gemacht. Es wurde ganz eindeutig dem Ruf des Hauses als fähige Bauherren gerecht.
Enrics Zettel auf dem niedrigen Tisch forderte sie auf, in ihr offenbar noch intaktes Haus zurückzukehren und sich zu waschen, bevor sie in die Arbil Residenz aufbrechen sollte. Einige Themen würde man auch ohne sie angehen, aber für andere war ihre Anwesenheit erforderlich.
Hier stand sie also und wartete geduldig darauf, eingelassen zu werden. Malriel war diejenige, die ihr die Tür öffnete und dann zur Seite trat, um sie eintreten zu lassen, bevor sie ihr ein feuchtes Handtuch reichte.
“Wie geht es dir, Maltheá?”, erkundigte sich ihre Mutter. “Wie ich höre, war die Heilung, die du erhalten hast, recht umfassend, was bedeutet, dass du dich noch ein paar Tage lang erschöpft fühlen wirst. Unter normalen Umständen würden wir dir raten, dich zu schonen und so viel zu ruhen, wie es dir möglich ist.”
Eryn lächelte. “Ich danke dir, Mutter. Das Verfahren ist mir bekannt. Ich war früher selbst Heilerin, wie du dich vielleicht noch erinnerst?” Wie war es möglich, dass die Leute ihre Fähigkeiten auf diesem Gebiet so schnell aus den Augen verloren, nur weil sie den Beruf nicht länger aktiv ausübte? Nicht-Heiler waren plötzlich von dem Bedürfnis beseelt, ihr die grundlegendsten medizinischen Prinzipien zu erklären.
“Verzeih mir. Ich bin lediglich besorgt.”
Eryn musterte ihre Mutter und erinnerte sich, wie verstört diese zuvor an der Barriere gewesen war, als sie alle Zeugen des dramatischen Vorfalls geworden waren, mit dem Malhora die Welt davon in Kenntnis gesetzt hatte, dass die Gerüchte über ihr Ableben übertrieben und verfrüht gewesen waren. Nichts davon hatte Spuren in Malriels gegenwärtigem Aussehen hinterlassen. Sie strahlte einen Hauch mehr Eleganz aus als in den letzten Wochen, um den Menschen unmissverständlich zu signalisieren, dass sie in eine neue Phase eingetreten waren - eine Phase, die noch weit entfernt war von aufwendigen gesellschaftlichen Zusammenkünften in luxuriösen Residenzen, die aber trotz all der Arbeit, die noch vor ihnen lag, ein erster Schritt in Richtung der Normalität war, nach der die Sehnsucht so groß war. Eryn fragte sich, wessen Kleidung sie gerade trug. Hatte sie es geschafft, unter den Trümmern ihrer Residenz ein paar intakte Kleidungsstücke zu bergen? Diese Tunika kam ihr allerdings bekannt vor…
“Wie geht es dir, Mutter? Hast du dich schon mit Großmutters unerwarteter Rückkehr von den Toten abgefunden?” Sie betrachtete die dunkle Hose, die etwas weniger körperbetont geschnitten war, als es Malriel bevorzugte. Vielmehr wirkte das Kleidungsstück wie für eine Frau gemacht, deren Fokus eher darauf lag, sich viel zu bewegen als verführerisch auszusehen… “Sind das meine Kleider?”
Malriel sah an sich hinab, als müsse sie sich vergewissern, was genau sie gerade am Leib trug. “Ja, das sind sie. Enric war so freundlich, mir eine Auswahl aus deinem Kleiderschrank anzubieten, da die einzigen Kleider, die ich derzeit besitze, entweder verschwitzt, staubig und zerrissen sind oder unter den Ruinen meines Hauses verschüttet liegen”, erklärte sie etwas spitz. Ganz so als wollte sie ihre Tochter herausfordern, ihren Unmut darüber zu äußern, dass sie ihre Kleidung vorerst teilen musste.
“Das ist kein Problem”, versicherte Eryn ihrer Mutter umgehend. Und das war es auch tatsächlich nicht. Was sie allerdings ein wenig verärgerte, war die Tatsache, dass sie ihre eigenen Sachen nicht auf Anhieb erkannt hatte, weil die Art, wie Malriel sie trug, sie irgendwie… stilvoller wirken ließ. Es war nicht nur die Art, wie sie die einzelnen Stücke kombiniert hatte, sondern auch, wie sie sich mit ihrem Körper bewegten, wie das Licht mit den Falten im Stoff spielte, wenn sie sich drehte oder umherging.
“Also, wegen Malhora…?”
Malriel seufzte. “Wir haben so ziemlich genau dort angeknüpft, wo wir vor ihrem Verschwinden aufgehört haben.”
Eryn schnitt eine Grimasse. Das bedeutete, dass sie sich nach wie vor gegenseitig als formidable Gegnerinnen betrachteten und die Illusion hegten, dies sei eine Art Kompliment, das sie einander zollten, ein Ersatz für eine intakte Beziehung. Und keine von beiden war mutig genug, der anderen zu signalisieren, dass sie sich beide wünschten, die Dinge zwischen ihnen stünden anders. Und das, davon war Eryn überzeugt, war der Grund, weshalb sowohl Malriel als auch Malhora das lang vermisste Kind - nämlich sie selbst - benutzten, um das zu kompensieren, was sie der jeweils anderen vorenthielten. So viel zu dem Ruf der Aren, von dem Malriel noch vor einem Tag behauptet hatte, er entbehre jeglicher Grundlage; sie unterwarf sich diesem Ruf, so wie man es von ihr erwartete. So viel zu ihren ach so vernünftigen Worten, als sie das Thema kurz vor dem Explodieren der Mauer erörtert hatten.
“Komm mit. Wir sollten nach oben gehen zu den anderen. Horam ist nur wenige Minuten vor dir angekommen, und ich denke, es wird dich interessieren, was sie uns zu sagen hat.”
Eryn runzelte die Stirn. “Das klingt, als wüsstest du bereits, was das sein wird.”
Malriel lächelte nur und ging voraus die Treppe hinauf.
Die Sitzkissen waren recht gut besetzt, wie Eryn bemerkte. Da waren der König, die Triarchen, Enric, Orrin, Neled, Horam, Valrad und nun auch sie selbst. Bei einem geselligen Beisammensein würde der Gastgeber die Sitzgelegenheiten für eine so große Anzahl von Menschen etwas umgestalten. Aber im Moment würden sie sich einfach zusammenquetschen müssen.
Sie begrüßte alle mit einem herzlichen Lächeln und bezog dann einen Platz zwischen Enric und Neled. Enric hatte sich für sein bevorzugtes schwarzes Gewand entschieden und die dunkelrote Schärpe ergänzt. Auf diese Weise verwandelte er sein legeres Gewand in ein halbwegs formelles, das seine Stellung widerspiegelte, ohne dass er dafür eine Rüstung oder seine Robe tragen musste, beides ausgesprochen unbequem in diesem Klima.
“Lady Eryn”, nickte der König ihr zu. “Ich nehme an, Ihr habt Euch soweit erholt, dass Ihr Eure Pflichten wieder aufnehmen könnt?”
“Das habe ich in der Tat”, antwortete sie. Dann sah sie Horam an. “Ich bin froh, dich wiederzusehen. Du hast uns gestern einen gehörigen Schrecken eingejagt. Nun ja - mir zumindest. Neled wusste immerhin, was zu erwarten war.” Sie schürzte die Lippen und sah Malriel und den König an. “Und vielleicht auch ihr beiden, wie ich vermute.”
Malriel lächelte leise. “Ja und nein. Ich wusste von Neleds Vereinbarung mit Horam. Sie hatte mich bereits darüber informiert, als sie das erste Mal in die Stadt kam und unser Angebot annahm, in Takhan zu bleiben. Dennoch war ich mir nicht sicher, ob es sich bei der Verstärkung, die Etor Gart erwartete, wirklich um die Loman Ergen oder um reguläre Soldaten der Armee Pirinkars handelte. Mein erster Impuls, als ich sie in der Ferne sah, war Panik, das will ich zugeben.”
Eryn erinnerte sich an ein Gespräch zwischen ihr und Neled, als sie im Süden nach feindlichen Truppen gesucht hatten. Neled hatte angedeutet, dass sie bestimmte Dinge plante - Dinge, von denen Malriel Kenntnis hatte.
König Folrin räusperte sich und warf einen kühlen Blick in Malriels Richtung. “Ich allerdings wurde über eine solche Vereinbarung nicht informiert, und in der Folge auch nicht die Befehlshaber meiner Truppen.”
“Verzeih mir, Folrin”, flötete Malriel, “dieses Geheimnis zu teilen stand mir nicht zu. Und solange wir nicht mit Sicherheit sagen konnten, ob und wann sie auftauchen würden, brachte es keinerlei strategischen Vorteil, es dir mitzuteilen.”
Der König erwiderte darauf nichts, doch seine Miene verriet deutlich genug, wie wenig er mit ihr übereinstimmte.
Eryn verbarg ein Lächeln und dachte, dass es ihn zutiefst verärgern musste, nun selbst die Art von Behandlung zu erfahren, die er bevorzugt anderen angedeihen ließ.
“Du solltest deine Schärpe tragen, damit wenigstens irgendein Zeichen deiner Position erkennbar ist”, flüsterte Enric ihr ins Ohr, während alle Aufmerksamkeit auf Malriel gerichtet war.
“Sie ist mit Staub und getrocknetem Blut beschmutzt”, antwortete sie. “Ich hatte keine Zeit, sie zu waschen, bevor ich hierher kam.” Ein kurzer Blick auf Enrics eigene Schärpe zeigte ihr, dass sie sauber war. Offensichtlich hatte er sich also entweder selbst die Zeit genommen, sie zu waschen, oder jemand anderen damit beauftragt, das für ihn zu erledigen. Da es in der Stadt aktuell keine Bediensteten gab, hatte er es vermutlich selbst übernommen und dabei seine unfreiwillig in den Bergen erworbene Fähigkeit genutzt, als Malriel auf dem Rückweg von Pirinkar darauf bestanden hatte, dass die Männer ihre Kleidung selbst wuschen, um dem Stamm, bei dem sie zu Gast gewesen waren, die modernen Gepflogenheiten der Stadtbewohner zu demonstrieren.
König Folrin sah Neled und dann Horam an. “Meine werten Damen, ich wäre euch sehr verbunden, wenn ihr mich und alle anderen hier über die Art eurer Vereinbarung aufklären könntet. Horam, ich habe gehört, dass du die Anführerin einer Gruppe bist, die sich Loman Ergen nennt, was sich grob mit die Unerschrockenen übersetzen lässt.”
Horam legte den Kopf schief. “Ich gehöre zu den Unerschrockenen, das ist richtig. Jedoch ordnen wir uns keinem Anführer unter. Ich bin lediglich eine der Älteren, die das Glück hat, das Vertrauen vieler zu genießen, die meinen Rat suchen. Ich nehme an, Ihr wurdet auch darüber informiert, dass wir seit Jahrhunderten ein wanderndes Volk sind, das immer in Bewegung ist, um der Unterdrückung zu entkommen, die sonst aufgrund unserer Magie unser Schicksal wäre. Ich selbst wurde in der Stadt Kar geboren und als Säugling dem grausamsten und abscheulichsten der Tempel übergeben. Wie so viele andere wurde mir das Sprechen verboten und ich wurde unmenschlichen und entwürdigenden Praktiken unterworfen. Es gelang mir zu flüchten, und ich wurde von den Loman Ergen verloren und allein in den Wäldern aufgelesen. Seither bin ich eine von ihnen.”
Eryn schluckte. Sie erinnerte sich daran, dass Horam ihr von ihrem bitteren Start bei den Anhängern von Amel Harp erzählt hatte. Hatte sie sich deshalb auf die Seite des Volkes geschlagen, das ihre Landsleute als Feind betrachteten? Weil sie sich gegen jene stellen wollte, die ihr so schreckliche Dinge angetan hatten? Die Gelegenheit nutzen, es einer Gesellschaft heimzuzahlen, die nicht nur tolerierte, sondern aktiv unterstützte, was Magiern im Allgemeinen und insbesondere den armen Kreaturen, die im Tempel von Amel Harp landeten, angetan wurde?
Als sich abzeichnete, dass Horam nicht weitersprechen würde, ergriff Neled das Wort. “Wir verließen Kar, sobald unsere Vorbereitungen abgeschlossen waren - nachdem ich mich endgültig zu diesem Schritt entschlossen hatte. Der Gedanke, mich den Loman Ergen anzuschließen, hat mich bereits seit Jahren beschäftigt, aber es bedurfte offensichtlich der Bedrohung, von unseren Unterdrückern in den Krieg geschickt zu werden, um mich zum Handeln zu bewegen. Ich wusste, dass Etor Gart durch den Verlust der Bendan Ederbren über keine Magier mehr verfügte, die für einen Krieg gegen Kampfmagier ausgebildet waren. Damit war es für ihn nur logisch, sich an die Loman Ergen zu wenden. Also habe ich sie aufgesucht, um sie zu warnen.” Sie lächelte bei der Erinnerung, ihr Blick in die Ferne gerichtet. “Sie zu finden, ist entweder eine Frage des Zufalls oder des Wissens, wo man suchen muss. Da ich keine Ahnung hatte, wo ich anfangen sollte, und die Zeit wegen unserer Flucht aus dem Land drängte, beschloss ich, mich stattdessen von ihnen finden zu lassen. Ich kleidete mich in mein Priestergewand und verbrachte eineinhalb Tage auf einer erhöhten Lichtung, in der Hoffnung, ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Ich schickte die anderen voraus und behielt nur ein paar meiner Leute zum Schutz bei mir, für den Fall, dass irgendwelche übereifrigen, gehorsamen Dorfbewohner versuchen würden, mich in die Stadt zurückzuschaffen. Sie fanden mich tatsächlich und beschlossen, sich mir zu nähern, obwohl sie sich normalerweise von Fremden fernhielten und sie nur aus der Ferne beobachteten. Doch mein Gewand hatte ihr Interesse geweckt, genau wie ich gehofft hatte. Nach ein paar weiteren Tagen des Reitens traf ich schließlich Horam. Ich warnte sie, dass die Regierung sie wahrscheinlich kontaktieren und mit Versprechungen dazu bewegen wollen würde, in einem Krieg kämpfen, der nicht der ihre war - einem Krieg gegen ein Volk, das keinem von uns etwas angetan hatte, außer dass es das Pech hatte, ein geeignetes Ziel für die Machtbestrebungen eines einzelnen Mannes zu sein. Wir unterhielten uns die ganze Nacht hindurch. Mein ursprüngliches Ziel bei der Suche nach ihnen war nicht ein Bündnis irgendeiner Art gewesen. Ich war ein Flüchtling, der sich und die Menschen, die unter ihrer Obhut standen, der Gnade von Fremden auslieferte, die keinen Grund hatten, uns zu vertrauen. Es gab ohnehin wenig, was ich hätte anbieten können. Und noch weniger hatte ich das Recht, um etwas zu bitten. Ich wollte sie lediglich warnen, sie anflehen, sich nicht auf diese Weise missbrauchen zu lassen - und für ein Freiheitsversprechen oder Ähnliches den Fehler zu begehen, den Leuten, die sie schon so lange jagten, ihren Aufenthaltsort zu verraten oder gar freiwillig ihr Leben für sie zu opfern.”
“Und trotzdem haben wir uns am Ende der Nacht verbündet”, übernahm Horam und lächelte Neled an. “Zwei Frauen, die auf der Flucht vor ihren Verfolgern waren und die einander nicht viel mehr zu bieten hatten als Entschlossenheit und ein gemeinsames Empfinden von Ungerechtigkeit aufgrund der Misshandlungen, die wir erleiden und bei anderen mitansehen mussten.”
Eryn spürte, wie die Spannung im Raum merklich zunahm, während alle darauf warteten, dass die Einzelheiten dieser Vereinbarung offengelegt wurden. Alle außer Malriel, die bereits Bescheid wusste.
Die Frau, die behauptete, nicht die Anführerin der Loman Ergen zu sein, fuhr fort: “Ich habe versprochen, Etor Gart in dem Glauben zu lassen, dass er sich unsere Unterstützung für den Krieg gesichert hat, für den Fall, dass er wahrhaftig beabsichtigt, uns für seine Zwecke zu benutzen, wie Neled es vorausgesagt hatte. Es war besser, ihn in dem Glauben zu lassen, wir würden auf seiner Seite in den Krieg ziehen und ihm später eine Lektion erteilen, als ihm eine Absage zu erteilen und ihn zu zwingen, sich eine andere Lösung einfallen zu lassen. Im Gegenzug versprach Neled, am Ende von Etor Garts Bemühungen zurückzukehren, ob diese schlussendlich erfolgreich waren oder nicht, und mit den Loman Ergen nach Kar zu marschieren, um unsere Brüder und Schwestern aus ihren Gefängnissen hinter den Mauern der Tempel zu befreien.”
Eryn spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte. Nach Jahrhunderten hatten die Loman Ergen beschlossen, sich ihren Unterdrückern entgegenzustellen anstatt weiterhin vor ihnen zu fliehen. Der Zeitpunkt dafür war hervorragend: Nun hatten sie zum ersten Mal Verbündete, die nicht nur Magier, sondern auch ausgebildete Krieger waren. Und die dank Etor Gart nun sogar wertvolle Kampferfahrung gesammelt hatten, die ihnen helfen würde, sich gegen die Reste von Pirinkars Armee zu behaupten. Die Frage war nur, ob es sich dabei noch um eine ernstzunehmende Macht handelte, auch wenn sie aus Nichtmagiern bestand. Eine ausreichend große Zahl fähiger Kämpfer war eine Gefahr für deutlich weniger Magier - vor allem, wenn sie über Geschosse mit goldenen Spitzen verfügten.
“Du wirst uns also bald verlassen, wenn ich das richtig verstehe”, wandte sich Golir an Neled, und sein Ton klang besorgt. “Es tut mir unendlich leid, das zu hören, zumal wir noch nicht sicher sein können, ob der bloße Sturz Etor Garts sämtlichen Feindseligkeiten ein Ende setzen wird.”
Enric lächelte leise. “Wenn sich die Loman Ergen mit den Bendan Ederbren vereinigen, um gegen Kar zu marschieren, wird die Regierung auf absehbare Zeit kaum in der Lage sein, weitere Angriffe auf uns in Betracht zu ziehen.”
“Wir könnten die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Krieges mit ihnen erheblich verringern”, formulierte Eryn etwas, das sie bereits vor nicht allzu langer Zeit auf dem Rückweg nach Takhan bereits gegenüber Enric und Ram’an erwähnt hatte, “wenn wir dafür sorgen, dass die Machthaber nicht geneigt sind, uns erneut anzugreifen.”
Der König hob die Brauen und sah sie an. “Betrügen mich meine Ohren, Lady Eryn, oder erlebe ich wahrlich den Tag, an dem Ihr den Vorschlag unterbreitet, die Invasion eines anderen Landes in Angriff zu nehmen?” Er schüttelte verblüfft den Kopf. “Du liebe Zeit, was haben wir nur aus Euch gemacht?”
“Ihr habt mich zu nichts gemacht, was ich nicht schon vorher war”, erwiderte sie, aus irgendeinem Grund irritiert über seine Worte. “Ich war nie ein Mensch, der bereit war, eine Bedrohung für Unschuldige hinzunehmen, und das gilt für beide Seiten. Ich möchte auch nicht, dass mein Sohn an einem Ort aufwächst, an dem Frieden ein zerbrechliches Konstrukt ist, das davon abhängt, von welcher Laune irgendjemand in Pirinkar gerade getrieben wird. Und ich billige auch nicht, wie Magier in Pirinkar unterdrückt, versklavt, gequält und verfolgt werden. Euer Einfluss hat lediglich dazu geführt, dass ich neue Ansätze zur Durchsetzung meiner Werte in Betracht ziehe.”
“Ansätze wie eine Invasion”, antwortete König Folrin mit einem Lächeln.
“Wenn wir die Einwohner von Pirinkar lediglich in ihrem Bestreben unterstützen würden, die Sklaverei zu beenden, anstatt dort einzumarschieren und das Land zu übernehmen, würde ich es kaum als Invasion bezeichnen”, meldete sich Enric zu Wort.
Der König warf ihm einen direkten Blick zu. “Ich verstehe.” Er hielt einen Moment inne, als überlege er, wie er seine nächsten Worte formulieren sollte. “Gehe ich recht in der Annahme, Lord Enric, dass Ihr mir in Eurer Eigenschaft als Anführer des Ordens der Magier mitteilt, dass Ihr die Entsendung unserer Truppen nach Pirinkar befürwortet?”
Eryn hielt für einen kurzen Moment den Atem an. Enric hatte sich nie wirklich zu ihrer Aussage, gegen Pirinkar zu marschieren, geäußert, als sie nach der Schlacht zurückgeritten waren. Sie waren einfach eine Weile schweigend weitergeritten und hatten anschließend über andere Dinge gesprochen. Sie war also nicht sicher, mit welcher Antwort er nun aufwarten würde.
Enric hob sein Kinn leicht an. “So ist es.”
Stille trat ein. Eryn bemerkte, wie angespannt Horam und Neled den Austausch verfolgten. Den Orden an ihrer Seite zu haben würde ihre Erfolgschancen deutlich erhöhen.
Torka’na ergriff nun das Wort: “Wenn unser Hauptziel darin besteht, unser Land vor zukünftigen Angriffen zu schützen, können wir ebenso gut die gleiche Art von Barriere errichten, die unsere Vorfahren benutzt haben, um das Königreich Anyueel fernzuhalten. Immerhin haben wir wiederentdeckt, wie sich das bewerkstelligen lässt. Die Einmischung in die inneren Angelegenheiten Pirinkars ist eine prekäre Angelegenheit. Im Grunde genommen stellen wir uns auf die Seite jener, die bestrebt sind, einen Bürgerkrieg anzuzetteln. Sollten wir uns in der Position wiederfinden, die Verliererseite unterstützt zu haben, müssen wir mit Sicherheit mit den Feindseligkeiten rechnen, die vorher lediglich eine mögliche Option waren.”
Eryn biss sich auf die Lippe, um sich den Hinweis zu verkneifen, dass dies zwar der Sicherheit der westlichen Territorien dienen würde, aber wohl kaum der Sicherheit der in Kar unterdrückten Priester. Sie wusste, dass es der Triarchie in erster Linie um den Schutz ihres eigenen Volkes gehen musste. Torke’nas Argument war berechtigt; etwas anderes zu behaupten wäre sinnlos. Es nutzte auch nichts, sich über das zu ärgern, was Eryn als Gefühllosigkeit empfand. Torke’na hatte noch nie mit eigenen Augen erblickt, wie das Leben in Pirinkar für Magier aussah. Und selbst wenn sie es gewusst hätte - eine Entscheidung wie diese musste auf Vernunft und validen Argumenten beruhen, nicht auf bloßer Solidarität.
Malriel ergriff als nächstes das Wort. “Ich stimme zu, dass Pirinkar im Falle einer Niederlage wahrscheinlich Vergeltung üben wird. Ebenso ist es allerdings eine Tatsache, dass wir nicht sicher sein können, ob sie den gegenwärtigen Krieg als beendet betrachten oder nicht. Sie könnten die Niederlage ihrer Truppen als Vorwand für einen Vergeltungsschlag nutzen. Den Luxus, dass wir nun davon ausgehen, dass Frieden herrscht, können wir uns nicht leisten. Was eine weitere Barriere betrifft, muss ich zur Vorsicht mahnen. Etor Gart hat einen Weg gefunden, die Barrieren, die wir um die Stadt errichtet haben, zu überwinden. Wir müssen davon ausgehen, dass dies keine neue Entdeckung war, sondern eine in Pirinkar bekannte Technik, was bedeutet, dass sie in der Lage wären, selbst den mächtigsten magischen Schild zu überwinden, den wir errichten können.”
“Lord Enric”, begann der König, “was wäre, wenn ich anordne, dass der Orden nach Anyueel zurückzukehren und diesen Krieg als beendet zu betrachten hat?”
“Dem würde ich mich selbstverständlich beugen, Eure Majestät. Solange ich Euer Untertan bin und das Amt des Anführers des Ordens bekleide, werde ich mich Euren Wünschen fügen.” Enric ließ unausgesprochen, dass sich seine Amtszeit dem Ende zuneigte und dass ihn und Eryn danach nichts und niemand mehr davon abhalten konnte, den Bendan Ederbren und Loman Ergen ihre Unterstützung zu gewähren. Die geschürzten Lippen des Königs waren ein deutliches Zeichen dafür, dass die Botschaft angekommen war. Enric fuhr fort: “Ich bin mir sicher, dass die Westlichen Territorien es Euch nicht verübeln würden, falls Ihr beschließt, Euch um Euer eigenes Volk zu kümmern, nachdem Ihr Euer Versprechen, ihnen im Krieg beizustehen, erfüllt habt. Und ich bin ebenso zuversichtlich, dass Ihr nicht zögern würdet, wenn sich in der nächsten Zeit die Notwendigkeit ergeben sollte, zurückzukehren, um sie erneut zu verteidigen.”
Eryn musste die Art und Weise bewundern, wie sein Gehirn arbeitete. Er hatte geschickt angedeutet, dass er gegen Kar marschieren würde, sobald er sich aus der Umklammerung des Königs befreit hatte, und König Folrin auf die möglichen politischen Folgen einer Weigerung hingewiesen, Schritte zu unternehmen, die mancher als geeignet ansehen würde, den Konflikt mit Pirinkar auf eine dauerhaftere Weise zu beenden. Außerdem würde die Wiederaufnahme eines Krieges, den man von vornherein nicht richtig beendet hatte, die Beliebtheit des Königs bei seinem eigenen Volk nicht eben fördern.
Malriels Mundwinkel zuckten für einen kurzen Moment, dann nahm ihr Gesicht wieder seinen neutralen Ausdruck an. Natürlich fand die Königin der Finsternis Gefallen an einer solch hinterhältigen Antwort.
Der durchdringende Blick des Königs blieb auf Enric gerichtet, als er antwortete: “Natürlich werden wir auch weiterhin alle Maßnahmen unterstützen, die die Triarchie für notwendig erachtet, um den Frieden herzustellen und zu sichern.”
Ah, dachte Eryn, und jetzt hatte er die Entscheidung an die Triarchie delegiert.
Malriel lächelte ihn an. “Wir sind unendlich dankbar, das zu hören, Folrin. Doch da unser System etwas anders funktioniert als das von Anyueel, wo du die schlussendliche Entscheidungsinstanz bist, müssen wir den Senat darüber abstimmen lassen. Da sich derzeit nur ein Teil davon noch in Takhan befindet, werden wir noch mindestens ein oder zwei Tage warten müssen, bis die anderen mit ihren Familien aus den Bergen zurück sind.” Sie sah ihre beiden Kollegen an. “Ich schlage vor, dass die Triarchie diese Angelegenheit bespricht. Wir müssen entscheiden, ob wir uns alle einig sind, was getan werden muss, oder ob wir uns aufteilen und jeder dem Senat Argumente für seinen Standpunkt vortragen wird. Sollte sich der Senat gegen die Entsendung von Truppen in den Norden entscheiden, werde ich den Antrag stellen, dass diejenigen unserer Bürger, die sich der Sache unserer Freunde anschließen wollen, dies aus eigenem Antrieb tun können.”
Die Sache unserer Freunde, dachte Eryn. Eine nicht allzu subtile Erinnerung daran, dass die Westlichen Territorien zumindest den Loman Ergen etwas schuldete. Man mochte argumentieren, dass die Bendan Ederbren lediglich ihre Pflicht erfüllt hatten, nachdem man ihnen Schutz und eine neue Heimat gewährt hatte, als sie aus ihrem Herkunftsland geflohen waren. Dennoch war es Neleds Abkommen mit Horam, das einer entscheidenden Schlacht, deren Ausgang unklar gewesen wäre, ein schnelles Ende gesetzt hatte. Was bedeutete, der Krieg hätte sich in die Länge ziehen und vielleicht sogar in einer Niederlage enden können. Daher war durchaus legitim argumentierbar, dass Neled Unterstützung, wenn nicht gar eine Gegenleistung, geschuldet wurde.
Nun, zumindest war klar, welche Option Malriel bevorzugte. Und sie würde es sicher nicht versäumen, den Senat zu beeindrucken, ganz gleich, wo die beiden anderen Triarchen standen. Malriel hatte die Führung übernommen, als Golir sich der Herausforderung als nicht ausreichend gewachsen erwiesen hatte, sie hatte ihr Leben riskiert, um den Gefährten ihrer Tochter zu retten, als dieser oben in Pirinkar als vermisst gemeldet worden war, und es war ihre eigene Mutter gewesen, die den Kommandanten der Gegenseite auf höchst spektakuläre Weise niedergestreckt hatte - eine Geschichte, die noch lange nach Malhoras eigenem Ableben fortbestehen würde. Malriel selbst und später auch ihre Tochter hatten sich in den Norden begeben, um alles zur Vermeidung eines Krieges zu unternehmen, und Malriel hatte sowohl ihr Zuhause als auch eines der Anwesen ihres Hauses verloren - und beinahe auch ihre Mutter. Haus Aren hatte eine Zeit lang darauf hingearbeitet, den Krieg zu vermeiden, und dann mehr als seinen Teil dazu beigetragen, ihn zu gewinnen. Wenn Malriel von Haus Aren vor dem Senat sprach und ihm erklärte, dass sie nicht sicher sein würden, bis die Menschen, die Etor Garts Vorgehen billigten, zur Vernunft gebracht wurden, dann würde man ihr Gehör schenken.
Es war merkwürdig. Eryn fühlte sich seltsam beflügelt von der Vorstellung, nach Pirinkar zurückzukehren, wo sie eigentlich erwartet hätte, dass sie ein Ende dieser ganzen Angelegenheit herbeisehen und rasch in ihr altes oder vielmehr neues Leben zurückkehren würde. Doch die Angelegenheit war noch nicht hinreichend zu Ende gebracht worden. Nicht für sie selbst und ebenso wenig für die Loman Ergen oder Neled.
In Wahrheit standen Horam zwei Optionen offen - entweder in ein Leben im Verborgenen zurückzukehren, da es kaum eine Chance gab, dass sich irgendjemand in Kar verpflichtet fühlen würde, Etor Garts Versprechen einzuhalten, oder die Gelegenheit zu nutzen und die Regierung zu stürzen, jetzt, wo sie auf ausreichend Unterstützung zurückgreifen konnte für eine realistische Chance auf Erfolg.
Es war gut, dass Malriel sich dafür aussprach, den beiden Frauen beizustehen. Doch Eryn kam nicht umhin sich zu fragen, ob es dafür nicht einen Preis zu bezahlen gab. Malriel war erfahrungsgemäß keine Frau, die dafür bekannt war, ausschließlich von philanthropischen Motiven geleitet zu sein.
“Sollten wir in der Lage sein, euch bei der Einnahme von Kar von Nutzen zu sein”, wandte sich die führende Triarchin mit einem Lächeln an Horam und Neled, “sollten wir uns darüber unterhalten, ob ihr eure sehr fortschrittlichen Technologien und euer Wissen mit uns teilen wollt.”
Ah ja, dachte Eryn mit grimmiger Genugtuung darüber, dass sie Malriel richtig eingeschätzt hatte - da war er auch schon, der Preis.
* * *
“Wo ist Großmutter eigentlich?” erkundigte sich Eryn bei ihrer Mutter, als sie die Arbil Residenz verließen. Inzwischen war die Nacht hereingebrochen. Da die meisten Bewohner noch auf dem Weg zurück in die Stadt waren, brannten nur wenige Lichter. “Ich habe sie nicht gesehen, als ich mich vor ein paar Stunden zuhause umgezogen und gewaschen habe. Ich nehme an, sie hat sich bei uns einquartiert?” Wo sonst sollte sie unterkommen, nun wo der Familiensitz nicht länger stand? Auch eine Rückkehr zu ihrem eigenen Anwesen kam nicht in Frage, da das ebenfalls zerstört worden war.
“Sie sagte mir, sie wolle die Ruinen unseres Hauses inspizieren, um zu sehen, ob die unterirdische Struktur noch intakt ist.”
Eryn nickte. Das leuchtete ein. Das verborgene Gewölbe unter dem Gebäude war schließlich der Aufbewahrungsort für den Großteil des Goldes von Haus Aren. Und auch für die privaten Rücklagen des Oberhauptes, von denen im aktuellen Fall allerdings nicht mehr viel übrig war, nachdem das meiste davon vor einigen Jahren in den Bau eines Waisenhauses geflossen war…
Zwar stünde die Familie auch bei einem unwiederbringlichen Verlust der Rücklagen kaum am Rande des Bankrotts, doch der Bau eines neuen Wohnsitzes würde in diesem Fall dann vorerst wohl mit anderen Mitteln finanziert werden müssen.
Die zahlreichen Unternehmen und Produktionsstätten von Haus Aren boten ein verlässliches und sicheres Einkommen, so dass keines der Häuser zögern würde, einen Kredit zu gewähren. Allen voran Haus Vel’kim, ebenso auch Haus Arbil, sofern es ihren gegenwärtigen finanziellen Möglichkeiten entsprach. Ram’an hatte das Haus seit dem Tod seines Vaters rehabilitiert und mit klugen, umsichtigen Investitionen in eine finanziell stabile Situation geführt, dennoch würde es bis zur Wiederherstellung des ursprünglichen Wohlstandes noch einige Jahre dauern.
Und dann war da noch der Gefährte des zukünftigen Oberhauptes des Hauses, der eine solche Summe mühelos aufzubringen vermochte. Und das mehr als bereitwillig. Schließlich war er selbst Mitglied des Hauses und hatte die Absicht, in der neu zu errichtenden Residenz zu leben.
Trotzdem. Auf Hilfe angewiesen zu sein, war für kein Haus wünschenswert. Deshalb war die Frage nach den intakten Reserven unter dem Gebäude durchaus von Bedeutung.
“Der schlimmste denkbare Fall”, meinte Enric, “wäre eigentlich, dass das Gewölbe eingestürzt ist und wir es ausgraben müssen, um das Gold zu bergen. Es wäre uns nicht entgangen, wenn Etor Gart jemanden mit einer beträchtlichen Menge des Aren-Goldes nach Pirinkar zurückgeschickt hätte. Mehrere prall gefüllte Truhen sind schwer zu transportieren, selbst für Magier. Man bräuchte einen ganzen Konvoi dafür, da kein Wagen mehr als zwei Truhen auf einmal transportieren kann, wenn überhaupt so viele.”
“Er hätte das Gold holen und es irgendwo anders in dem Teil der Stadt verstecken können, den er kontrolliert”, widersprach Eryn.
“Warum sollte er so etwas tun? Das hätte ihm keinerlei Nutzen gebracht”, runzelte Malriel die Stirn.
Eryn zuckte mit den Schultern. “Um uns zu verhöhnen. Es hätte uns erhebliche Schwierigkeiten bereitet, wenn wir es nicht wiederfänden. Ich würde es ihm durchaus zutrauen, das Gold zu verstecken, auch wenn er selbst keinerlei Nutzen daraus gezogen hätte.”
Enric nickte. Diese Überzeugung teilte er.
In stillem Einverständnis schlugen sie die Richtung ein, die zu den Aren-Ruinen und damit zu Malhora führte.
Eryn kaute einen Moment lang auf ihrer Lippe, dann sah sie ihre Mutter an. “Gestern hast du etwas erwähnt. Als wir auf der Lauer lagen, falls irgendwelche von Etor Garts Männern die Flucht ergreifen würden. Etwas, das Malhora getan hat, sei Grund für diese Distanz zwischen euch. Kannst du mir sagen, was zwischen euch beiden vorgefallen ist? Man hat mir immer wieder gesagt, es sei typisch für die Aren-Familie, dass Mütter und Töchter nicht miteinander auskämen, weil unsere Mütter unsere stärksten Widersacherinnen seien und uns so lehren, wie man eine starke Anführerin ist. Selbst wenn das wahr wäre und nicht nur ein weiterer Teil des Aren-Bildes, das alle hochhalten, muss es da trotzdem noch mehr zwischen euch beiden gegeben haben. Wirst du mir davon erzählen?”
Malriels Kiefermuskeln spannten sich sichtlich an, während sie weiterging und den Blick nach vorne gerichtet hielt. “Das war vor langer Zeit, Maltheá. Sogar noch vor deiner Geburt. Damals ist etwas vorgefallen, das mich schwer getroffen hat. Trotzdem würde ich mir nicht wünschen, dass dies deine Beziehung zu ihr zerstört. Ich bin froh, dass du und sie ein Maß an Nähe gefunden habt, das mir nicht gegeben war. Das missgönne ich euch beiden nicht, zumindest heute nicht mehr. Ich gebe zu, dass es für mich schwer zu mitanzusehen war, dass ihr beide euch so gut verstanden habt, während du meine Gesellschaft nicht einmal ertragen konntest.”
“Das ist schön und gut, Mutter, aber du solltest mich inzwischen gut genug kennen, um zu wissen, dass ich es nicht dulde, wenn man mir zu meinem eigenen Besten Informationen vorenthält.”
Enric nickte. “Das kann ich bestätigen.”
“Wenn meine Beziehung zu Malhora davon abhängt, dass ich nicht weiß, was sie dir angetan hat, dann ist sie ohnehin zerbrechlich. Und es ist nur eine Frage der Zeit. Jetzt wo ich weiß, dass es etwas herauszufinden gibt, werde ich nicht eher ruhen, bis ich es herausfinde.”
Die Triarchin seufzte müde. “Lass es vorerst gut sein, Maltheá. Eines Tages, wenn sich die Dinge wieder normalisiert haben, werden wir uns zusammensetzen und reden.”
Eryn knirschte mit den Zähnen. Wie ein Kind auf einen unbestimmten Tag in der Zukunft vertröstet zu werden, war frustrierend. Und es zeigte ihr, dass sich Malriel und sie aus der Perspektive ihrer Mutter nicht auf Augenhöhe gegenüberstanden. Das würde sich als interessant erweisen, sobald Eryn Haus Aren übernahm. Da Malriel eine Triarchin war, konnte sie nicht einfach auf ein abgelegenes Anwesen verbannt werden, wie es andere Häuser mit ihren ehemaligen Anführern zu tun pflegten. Sie sah in ihrer unmittelbaren Zukunft die Notwendigkeit voraus, dem ehemaligen Oberhaupt von Haus Aren stets aufs Neue ins Gedächtnis zu rufen, dass es nicht gut ankam, wenn sie ihrer Nachfolgerin über die Schulter blickte. Zumindest nicht unaufgefordert.
Enric nahm ihren Arm und zog sie etwas näher zu sich heran, so dass er murmeln konnte: “Denk an den Abend vor der Schlacht im Hügelland zurück.”
Sie blinzelte. Was für eine merkwürdige Sache, sie hier und jetzt daran zu erinnern. “Du meinst, in der Badewanne, als du und ich…?”
Er schüttelte schmunzelnd den Kopf. “Nein, Liebste, nicht das. Das, worüber wir am Feuer gesprochen haben. Mit Golir.”
Eryn blieb plötzlich stehen und klatschte sich mit der Handfläche gegen die Stirn. Einmal mehr war sie dämlich gewesen. Sie verfügte bereits über alle nötigen Informationen, und es fehlte ihr allein an der Fähigkeit, die einzelnen Stücke miteinander zu verbinden. Zum Glück war Enric darin viel besser als sie. Ihn würde sie auf jeden Fall in ihrer Nähe behalten, sobald sie ein mächtiges Hausoberhaupt war.
Das Geräusch ließ Malriel ihren Kopf drehen. Ihre Augen verengten sich eine Spur. Offensichtlich ahnte sie, dass Eryn auf eine mögliche Erklärung gestoßen war.
“Omed von Haus Tokmar”, rief Eryn aus. “Dein Vater!” Sie verfluchte sich dafür, dass sie bei dieser Schlussfolgerung nicht früher angelangt war und erinnerte sich daran, dass sie sich sogar gefragt hatte, ob Malhoras sich Rolle beim Ableben ihres Gefährten irgendwie auf die Beziehung zu ihrer Tochter ausgewirkt haben mochte, ob dies vielleicht etwas mit der Distanz zwischen ihnen zu tun hatte.
Malriels Gesicht verriet ihr, dass sie ins Schwarze getroffen hatte.
“Lass es gut sein, Maltheá. Ich werde nicht darüber sprechen. Wenn du deine Neugier befriedigen willst, schlage ich vor, du fragst deine Großmutter nach all dem.” Damit wandte sich Malriel um und beschleunigte ihre Schritte.
Nach einigen Minuten schweigenden Marsches erreichten sie den Hügel, auf dem bis vor kurzem noch ein prächtiges Bauwerk gethront hatte, das vom Erfolg des Hauses zeugte. Vor ihnen sahen sie mehrere brennende Fackeln, deren Licht schwach von den Trümmern reflektiert wurde. Malhora befand sich also noch immer dort oben.
Als sie die Ruinen praktisch erreicht hatten, fanden sie sie, die Scharfrichterin feindlicher Anführer, auf dem Boden kniend, während sie ein mächtiges Mauerstück von der unscheinbaren Tür entfernte, die den Eingang zu einem Raum markierte, der von innen wie ein Wurzelkeller aussah, in Wahrheit aber als Vorraum diente, der den Zugang zu einer geheimen Gewölbetür ermöglichte. Vorausgesetzt, man gehörte zu den wenigen Eingeweihten, die wussten, wonach sie suchen mussten.
“Ah, Kinder”, grinste die alte Frau und winkte sie näher heran.
Kinder, dachte Eryn mit einem nachsichtigen Lächeln. Sie selbst war keine große Freundin davon, von Malriel mit Kind angesprochen zu werden, und für ihre Mutter musste es noch irritierender sein, wenn man bedachte, dass sie Mitte fünfzig war. Im Moment wirkte Malhora wie eine rüstige Großmutter, verstaubt und aktiv, keineswegs wie die in Stoff gehüllte Verkörperung von Vergeltung mit einem bluttriefenden Dolch in einer Hand.
“Ich habe gute Nachrichten: Der Boden unter den Ruinen ist unversehrt, das Gewölbe wurde also weder entdeckt noch ist es eingestürzt. Die Reichtümer von Haus Aren sind in Sicherheit”, verkündete die alte Frau feierlich.
Malriel nickte, aber ohne zu lächeln. Es schien, als sei sie noch immer leicht erschüttert von dem Gespräch mit ihrer Tochter vor wenigen Minuten.
“Es ist eine Schande”, seufzte Malhora und sah sich um. “Es war ein beeindruckendes Gebäude. Ich selbst habe es im Laufe der Jahre mehrfach modernisieren lassen. Ich habe nie eine sentimentale Bindung an veraltete Dinge gehegt, wenn neue Entwicklungen und Entdeckungen mehr Komfort boten.”
“Ja”, murmelte Malriel, “sentimental warst du nie, das kann man dir kaum vorwerfen.”
Malhoras Augen verengten sich leicht. “Ich nehme an, wir sprechen hier nicht mehr über die Residenz. Heraus mit der Sprache, Malriel. Du weißt, ich habe wenig Geduld für kryptische Bemerkungen. Entweder du sagst, was du zu sagen hast, oder du hältst den Mund. Mit allem dazwischen verschwendest du meine Zeit.”
“Oh nein”, murmelte Enric. “Das sieht ganz danach aus, als würde sich ein Sturm zusammenbrauen.”
Eryn nickte, fasziniert davon, wie sich die Atmosphäre plötzlich zu etwas gewandelt hatte, das sich dezent prekär anfühlte. Zwei furchterregende Frauen, stur, stolz, gefährlich und stark in ihrer Magie, standen inmitten der vom Feuer erleuchteten Trümmer dessen, was jede von ihnen viele Jahre lang als ihr Zuhause betrachtet hatte. Irgendwie drängte sich das Gefühl auf, als schreie diese dramatische Kulisse förmlich nach einer epischen Konfrontation. Und beide schienen in der richtigen Stimmung zu sein, um den Umständen Rechnung zu tragen. Niemand konnte einer Aren vorwerfen, sie würde sich eine fabelhafte Gelegenheit für einen Konflikt entgehen lassen.
“Ja”, erwiderte Eryn trocken, “gut, dass das Gebäude bereits in Trümmern liegt.”
Falls eine der beiden Frauen diese Bemerkung gehört hatte, verzichteten sie auf eine Reaktion.
Malriel hob den Kopf. Ihre Hände waren zu Fäusten geballt. “Auf unserem Weg hierher wollte deine Enkelin wissen, was genau du getan hast, das zu diesem Bruch zwischen dir und mir geführt hat. Möchtest du das beantworten, Mutter?”
“Ich wünschte, ich wäre dazu in der Lage, Tochter. Aber du hast mir nie gesagt, was genau du mir vorwirfst.”
Malriels erwiderndes Lachen war bitter. “Ja, ich habe dich nie damit konfrontiert, nicht wahr? Ich war so überzeugt davon, dass es eine Beleidigung für dich gewesen wäre, etwas so Offensichtliches in Worte zu fassen.” Sie deutete auf ihre Tochter. “Sie hat es erraten, und es fällt mir schwer zu glauben, dass du, begabt mit einem der größten Köpfe unserer Zeit, das mehr als drei Jahrzehnte lang nicht vermocht hast.”
Malhora seufzte und wirkte plötzlich müde und von einem Moment auf den anderen deutlich älter. “Drei Jahrzehnte… Sag mir bloß nicht, dass es dabei um deinen Vater geht.”
“Warum sollte es nicht um meinen Vater gehen? Bist du enttäuscht, dass ich nicht so sorglos mit dem Töten anderer umgehe wie du?” Sie warf die Hände in die Luft und rief in den Himmel: “Malhora von Haus Aren, Schlächterin der Feinde ihres Volkes - und untreuer Gefährten!”
Malhora stand einige Sekunden lang still, bevor sie mit ruhiger Stimme, die im krassen Gegensatz zu Malriels Schrei stand, erwiderte: “Du bist eine Närrin, Malriel. Ich hätte nie gedacht, dass ich dir erklären muss, dass du nicht auf die Gerüchte hereinfallen sollst, die für die Öffentlichkeit geschaffen wurden. Gerüchte, die sowohl dem Ruf unseres Hauses als auch dem deines Vaters geholfen haben. Mehr als fünfunddreißig Jahre lang bist du einem Irrtum unterlegen. Und anstatt mich zu konfrontieren und die Sache mit einem Streit aus der Welt zu schaffen, hast du beschlossen, es köcheln zu lassen und zuzulassen, dass es uns entzweit. So habe ich dich nicht erzogen.”
Malriel sah aus, als hätte sie einen Schlag ins Gesicht erhalten.
Eryn empfand ein gewisses Mitleid mit ihr, doch gleichzeitig tröstete sie die Tatsache, dass Malhora die gleiche Macht über ihre Tochter hatte wie Malriel über Eryn - die Macht, ihr das Gefühl zu vermitteln, sie wäre klein und unsicher. Und im Fall von Malriel von Haus Aren wollte das durchaus etwas heißen.
Malhora schüttelte den Kopf, als könne sie nicht glauben, was ihre Tochter ihr gerade vorgeworfen hatte. “Du hast also wirklich gedacht, ich hätte deinen Vater getötet. Was für ein unfassbarer Schwachsinn.”
“Er hat dich betrogen!” rief Malriel, als ob sie verzweifelt versuchte, sich zu rechtfertigen. “Ein Mann, der einer mächtigen Aren untreu ist - das hat er sich selbst zuzuschreiben, nicht wahr? Er hat es gewagt, in den Armen einer anderen Frau etwas zu suchen, was er in deinen offensichtlich nicht gefunden hat!”
“Setz dich hin, du Idiotin”, knurrte Malhora.
Eryn zuckte leicht zusammen. Dieser Ausdruck war vermutlich etwas harsch, wenn man ihn auf eine Frau anwandte, die so aussah, als stünde sie kurz davor, die Fassung zu verlieren.
Malriel verschränkte nur die Arme und blieb stehen.
Ihre Mutter zuckte mit den Schultern und nahm auf einem halbwegs eben aussehenden Stück Wand Platz. “Wie du willst. Welch Ironie, dass wir die Trümmer unserer Beziehung inmitten derer unseres Zuhauses besprechen.” Sie holte tief Luft, dann begann sie: “Du weißt, wie ich mit dir schwanger wurde - daraus habe ich nie ein Geheimnis gemacht. Ich habe deinen Vater benutzt, um mich aus einer Kommitment-Vereinbarung zu befreien, zu deren Einhaltung mich meine eigene Mutter gezwungen hätte. Dieser Ansatz, unsere jungen Leute selbst entscheiden zu lassen, ist moderner als zu meiner Zeit. Ich habe deinen Vater ausgewählt, weil er ein ansehnlicher, umgänglicher Mann war. Ich werde dich nicht anlügen und vorgeben, ich wäre in ihn verliebt gewesen. Es war eine Entscheidung, die ich mit klarem Verstand getroffen habe, nicht unter dem Einfluss einer flüchtigen Vernarrtheit. Und ich habe es nie bereut. Ich wusste schon viel länger als alle anderen von seinen Liebschaften.”
Malriel lächelte grausam. “Und natürlich hattest du keinerlei Einwände dagegen.”
“Warum sollte ich? Ich hatte ebenso meinen Anteil an Liebhabern. Wir waren uns einig, diskret zu sein, um unseren Ruf zu schützen. Und damit auch dich. Omed hat vielleicht nie mehr als körperliche Leidenschaft für mich empfunden, aber dich hat er wahrhaftig geliebt. Ich habe deinen Vater respektiert, Malriel. Ihm wurde ein Kind zuteil, das er keinerlei Absicht hatte zu zeugen, aber er vermittelte mir nicht ein einziges Mal das Gefühl, dass er mir das übel genommen hätte. Und ich weiß gewiss, dass er dir nie das Gefühl gegeben hat, unerwünscht zu sein. Wir haben uns sogar gelegentlich ein Bett geteilt.” Sie lächelte bei der Erinnerung daran. “Es war, als hätte ich eine Affäre mit meinem eigenen Gefährten. Manchmal haben wir zusammen ein Glas Wein getrunken und dann die Nacht im selben Bett verbracht. Unsere Beziehung war bis zum Schluss geprägt von Zuneigung, auch wenn wir nie ineinander verliebt waren. Dass du das Verhältnis zwischen deinem Vater und mir als weitgehend spannungsfrei und vergleichsweise harmonisch wahrgenommen hast, lag nicht an meiner Unwissenheit in Bezug auf seine Affären. Es war das Ergebnis einer Übereinkunft zwischen Erwachsenen, das für alle Beteiligten von Vorteil war.”
Eryn starrte ihre Großmutter an, fasziniert von der Enthüllung solch unerwarteter Aspekte ihres Lebens. Auch Malriel schien ein wenig erschüttert zu sein, wahrscheinlich aufgrund der Erkenntnis, dass die Beziehung ihrer Eltern so vollkommen anders funktioniert hatte, als sie bisher dachte.
“Wie ist er dann gestorben?” Eryn konnte sich die Frage nicht verkneifen. “Wenn du ihn nicht umgebracht hast…”