Ein Plan für jede Liebeslage von TikTok Bestseller Autorin Lucy Score - Lucy Score - E-Book
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Ein Plan für jede Liebeslage von TikTok Bestseller Autorin Lucy Score E-Book

Lucy Score

5,0

Beschreibung

Von der Autorin des Weltbestsellers "Things we never got over" "Er ist der Typ Mann, der dich auf einer Party dazu überredet, dein Höschen in der Garderobe abzulegen, der Orgasmen wie Minzdrops nach dem Essen verteilt und dich dann nie wieder anruft." Emma erkennt auf den ersten Blick, dass der Fotograf Nikolai Vulkov ein Frauenheld ist. Mit Lederjacke, Motorrad und einem sündhaft sexy Grinsen taucht er in der Kleinstadt Blue Moon auf, um sich eine kreative Auszeit zu gönnen. Er ist überhaupt nicht Emmas Typ. Schließlich ist sie aufs Land gezogen, weil sie genau von der Sorte Mann genug hat. Als Managerin einer kleinen Brauerei will sie ein neues Leben aufbauen und einen soliden Partner finden. Niko hält nichts von Beziehungen. Ihm wurde einmal das Herz gebrochen, nochmal wird er es nicht zulassen. Emma und er wollen beide etwas ganz anderes vom Leben. Das sieht sogar das berüchtigte Komitee für Lebensqualität so, Blue Moons geheime Verkupplungsagentur. Die beiden sollten definitiv in der Freundschaftszone bleiben. Auch wenn es sicher nicht schaden kann, der Versuchung einmal nachzugeben. Oder fünfmal. Wer zählt schon mit? Niko kehrt ohnehin bald nach New York City zurück. Jedenfalls ist das der Plan ... *** Die ganz große Kleinstadt Liebe In der Kleinstadt Blue Moon bleibt niemand lange Single. Dafür sorgt das geheime Komitee für Lebensqualität. Ihr neuestes Verkupplungsprojekt: die neu hinzugezogene Brauerei-Managerin Emma. Nur mit wem? Ganz sicher nicht mit Fotograf und Frauenheld Niko. Er ist ein überzeugter Junggeselle. Bis die richtige Frau vorbeikommt ... In acht Bänden hat Kindle Nr.1 Autorin Lucy Score mit ihrer Saga über Blue Moon eine Welt erschaffen, die Millionen Lesern ein Zuhause wurde. In acht Bänden hat Amazon Nr.1 Autorin Lucy Score mit ihrer Saga über Blue Moon und die Pierce-Brüder eine Welt erschaffen, die Millionen Lesern ein Zuhause wurde.

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Widmung

Für Ginny und Harold

und Ila und Lloyd.

Eure beständige Liebe ist meine Inspiration.

© 2017 Lucy Score

Blue Moon – Not Part of the Plan.

Übersetzung: Andrea Benesch

Cover: Grit Bomhauer

ISBN: 978-3-910990-14-2

Deutsche Erstveröffentlichung© 2022 Von Morgen Verlag

Alle Rechte vorbehalten.

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Epilog

Hörbuch

Kapitel 1

Nikolai Vulkov verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, seine abgewetzten Lederstiefel standen auf der hübschen Veranda des Bauernhauses. Blumen in allen Regenbogenfarben quollen aus den Pflanzkübeln und Hängetöpfen, ein Beweis für die feierliche Ankunft des Frühlings nach einem endlosen Winter.

Frühling bedeutete Neubeginn. Nicht, dass Niko einen solchen gewollt hätte. Er wäre lieber zurückgegangen, zurück in eine Zeit, in der alles in seinem Leben ein wenig Magie besessen hatte. Er hoffte inständig, dass es möglich war, zurückzugehen, denn das Vorwärtsgehen hatte nicht mehr den Reiz, den es einst gehabt hatte.

Das Muhen einer Kuh auf der Weide hinter dem Haus weckte ihn aus diesen Gedanken. Wahrscheinlich machte er einen großen Fehler. Definitiv wahrscheinlich. Seine Lippen zuckten bei dieser Ironie. Der die Welt bereisende Modefotograf, den alle nur den „Wolf“ nannten, machte auf unbestimmte Zeit Urlaub in Blue Moon.

So fühlte sich vermutlich jede Midlife-Crisis an. Niko klopfte an die Tür, bevor er es sich anders überlegen und wieder in seinen Mietwagen steigen konnte. Eine Kakophonie aus Weinen, Bellen und Schreien erschallte aus dem Inneren des adretten zweistöckigen Hauses.

„Mami braucht ihreHaare noch, Meadow!“ Die Haustür wurde von der Frau aufgerissen, die er sehen wollte, Summer Pierce. Zumindest vermutete er, dass es Summer war. Seine schicke, reizende, immer gut gekleidete Freundin zog eine Grimasse, als ein Baby – oder war es jetzt bereits ein Kleinkind? – mit pummeligen Fingern eine Handvoll maisseidener Strähnen aus Summers Pferdeschwanz riss. Summers T-Shirt hatte mehrere Flecken in verschiedenen Schattierungen und Konsistenzen, manche bereits getrocknet, andere offensichtlich noch frisch.

Der bullige Hund neben ihr, schwarzweiß gefleckt wie die Kuh auf der Weide, reichte ihr bis zur Hüfte, und Niko schätzte, dass der Hund beim Gähnen mit Leichtigkeit einen der Zwillinge aus Versehen verschlucken könnte.

Summers hübsches, ungeschminktes Gesicht erhellte sich, als seine Anwesenheit ihre Aufmerksamkeit von dem schluchzenden Kind in ihren Armen und dem anderen im Inneren des Hauses ablenkte. „Oh mein Gott! Hatte ich vergessen, dass du kommst?“, fragte sie und ihre jeansblauen Augen weiteten sich noch mehr, als sie den Seesack zu seinen Füßen entdeckte.

„Ich hätte vorher anrufen sollen“, sagte er verlegen.

Summer riss sich die Faust ihrer Tochter wieder aus den Haaren. „Nein! Ich bin nur so froh, dich zu sehen. Und begeistert, dass ich keine Verabredung vergessen habe. Wie lange kannst du bleiben?“

Niko kratzte sich am Hinterkopf. „Eine Weile. Wenn das okay ist?“

Er sah einen Funken Neugier in ihren Augen aufblitzen und war erleichtert, als ihr Mann aus dem hinteren Teil des Hauses rief: „Wer ist es, Baby?“

Das Weinen im Haus wurde lauter, und ein weiterer Hund, ein pummeliger Beagle, schlich den Flur entlang und warf misstrauische Blicke über seine Schulter.

„Armer Klopsi“, gluckste Summer in Richtung des Hundes, als er sich mit seinem kräftigen Körper neben sie schob. Summer drückte Meadow in Nikos Arme und schnappte sich seine Tasche. „Ich bin so froh, dich zu sehen.“

„Ich bin froh, hier zu sein.“ Zumindest hoffte er, dass er das sein würde.Die Verzweiflung, die auf Summers Gesicht aufblühte, ließ ihn darüber nachdenken, ob es nicht eine bessere Idee gewesen wäre, seine Lebenskrise an einem Sandstrand am Mittelmeer zu verbringen.

„Carter! Wir haben Verstärkung“, rief Summer, als Meadow in seinen Armen zu weinen begann.

Die Zwillinge, vierzehn Monate alt, zahnten wieder – dieses Mal kamen die Backenzähne.

„Es ist nur vorübergehend“, betonte Summer fröhlich, während sie seine Tasche die Treppe hinaufschleppte.

Niko, der immer noch die jetzt ruhige Meadow trug, folgte ihr über ein Babygitter am oberen Ende der Treppe in das sonnige Schlafzimmer auf der Vorderseite des Hauses.

Zu seiner Erleichterung schien Meadow sich damit zu begnügen, ihn mit den gleichen leuchtend blauen Augen, die auch ihre Mutter hatte, misstrauisch anzustarren.

„Das große Badezimmer gehört dir“, sagte Summer und stellte seine Tasche auf den schmalen Schreibtisch unter dem Fenster, bevor sie sich auf die Patchworkdecke fallen ließ. Sie gähnte. „Ich hatte ganz vergessen, wie bequem diese Matratze ist“, seufzte sie.

„Und, wie ist das Leben?“, fragte Niko und verbarg sein Lächeln.

Sie gähnte erneut. „Großartig. Absolut großartig. Und anstrengend.“

Meadow nahm wohl an der Aussage ihrer Mutter Anstoß, denn in diesem Moment musste sie niesen und schickte einen ganzen Schwall aus Sabber und Rotz über Nikos Button-Down-Hemd.

„Mist. Vier Sekunden in meinem Haus, und schon haben wir dein schönes Tom Ford Hemd ruiniert. Tut mir echt leid. Hier fliegen ständig Flüssigkeiten herum“, entschuldigte sich Summer.

„Ich dachte mir schon, dass ihr so Zwillinge bekommen habt“, scherzte Niko.

„Ha. Da drüben im Flur liegt ein ganzer Stapel sauberer Rülps-Tücher“, sagte Summer und wies ihm mit ausgestrecktem Arm den Weg. „Hab dich vermisst“, rief sie ihm hinterher, als er sich zur Tür hinausgeduckt hatte.

Im Kinderzimmer entdeckte Niko den riesigen Stapel von Baumwolltüchern in allen Rosa- und Blautönen. Meadows kleine Arme flatterten wie die Flügel eines Vogels, als sie eine Stoffgiraffe in der nächstgelegenen Krippe entdeckte. Sie stieß einen quietschenden Schrei aus, der sich anhörte, als könnte er sich jeden Augenblick zu einem Kreischen steigern.

Panisch schnappte er sich die Giraffe aus dem Kinderbett und drückte sie ihr in die gierigen Hände.

Während Meadow sich damit vergnügte, der Giraffe ins Gesicht zu beißen und zu gurren, schnappte sich Niko eines der sauber aussehenden Handtücher und wischte damit erst ihr Gesicht und dann sein Hemd ab.

Sie sah ihn stirnrunzelnd an und stieß einen Strom von Kauderwelsch aus, der vage anklagend klang.

„Ja, wie wäre es, wenn wir das deiner Mutter überlassen?“, schlug Niko vor.

„Mama?“

„Ja, genau.“

„Mama“, betonte Meadow und nickte enthusiastisch.

Niko durchquerte wieder den Flur und betrat das Schlafzimmer. „Hey, Summer ...“

Ein leises Schnarchen war die einzige Antwort. Summer lag zusammengerollt auf der Seite, das Gesicht in das weiße Kissen vergraben, und schlief tief und fest.

„Mama!“

Niko schob die Giraffe zurück in Meadows Mund und eilte aus der Tür und die Treppe hinunter. Im Foyer schnappte er sich die Geschenktüte, die er mitgebracht hatte, und ging in die Küche, um Carter zu suchen.

„Dada!“, quietschte Meadow.

Carter nahm ihm das kleine Mädchen ab und wackelte mit ihr hin und her. „Hallo, Süße“, sagte er und drückte ihr einen kräftigen Kuss auf den Kopf.

„Hallo, Schatz“, kicherte Niko.

Sie schüttelten sich in typisch männlicher Manier die Hände. „Schön, dich zu sehen, Mann“, sagte Carter. „Wussten wir, äh, dass du kommen würdest?“

„Deine Frau, die übrigens in den dreißig Sekunden, in denen ich sie allein gelassen habe, auf dem Bett im Gästezimmer bewusstlos geworden ist, hat mich dasselbe gefragt.“

„Wir kriegen diese Woche nicht besonders viel Schlaf“, sagte Carter, ging mit Meadow zum Kühlschrank und griff nach zwei Bieren.

„Warte mal“, beharrte Niko und reichte ihm die Tasche aus Segeltuch. „Vielleicht sollten wir damit anfangen.“

Mit einer Hand fischte Carter die Flasche aus der Tasche.

„Gott segne deinen Alkoholgeschmack“, seufzte Carter und blickte liebevoll auf den Wodka. „Hab ich dir schon gesagt, dass ich dich liebe?“

„Niemals“, antwortete Niko und rettete die Flasche, als Meadow mit ihren klebrigen Fingern nach ihr griff.

„Lass mich diese Unruhestifterin zu ihrem Bruder in den Babyknast stecken. Die Gläser sind da drin“, sagte Carter und deutete auf eine Glasvitrine neben der Speisekammer.

Niko schenkte jeweils zwei Finger breit in die Steingläser ein, während Carter Meadow in einem Achteck aus Babygittern und Kissen im großen Raum absetzte. Ihm gefiel die Gestaltung des großen Anbaus. Riesige Dachstühle hielten die zweistöckige Kathedralendecke, und verglaste französische Flügeltüren, die sich über die gesamte Länge des Raumes erstreckten, durchfluteten den Raum mit Licht. Der riesige Flachbildschirm, der ihn dazu inspiriert hatte, sich selbst für seine Wohnung ebenfalls ein größeres Gerät zu kaufen, war über dem Steinkamin angebracht.

Die Küche war auch gut gemacht. Es gab genug moderne Annehmlichkeiten – wie den übergroßen Kühlschrank und die Edelstahlspüle, die tief genug war, um einen Hund zu baden – um den Bauernhaus-Charme der weißen Schränke und den Blick aus den Fenstern auszugleichen.

„Sie sollten für mindestens zwei Minuten beschäftigt sein“, verkündete Carter, kehrte zurück und griff nach seinem Glas, als sei es ein Gegengift.

„Harte Woche?“, fragte Niko.

„Unsere Kita war die ganze Woche geschlossen. Ein Trip nach Disney World für die Leiterin und ihre Familie. Also haben wir uns die Schichten geteilt, was nicht weiter schlimm wäre, wären da nicht die Backenzähne.“ Er nippte und seufzte.

Niko schwenkte den Wodka in seinem Glas und schüttelte den Kopf. Er konnte sich nicht vorstellen, das Leben von Summer und Carter zu führen, aber war das nicht einer der Gründe, warum er hier war? Um zu sehen, wie typische Erwachsene lebten?

„Was bringt dich nach Blue Moon, außer dem Wunsch, Babysitter zu sein?“, fragte Carter.

„Witzig.“ Ein Schrei hallte vom Hartholz und Granit des großen Raums wider. „Äh, geht es ihnen gut?“

Carter zuckte mit den Schultern. „Freudenschrei. Wir haben noch eine Minute, bevor es hässlich wird“, prophezeite er. „Wie ist dein Leben zurzeit? Wie ist es, wenn man nicht den ganzen Tag klebrig ist und fünfzigmal pro Minute unterbrochen wird?“

Niko rang sich ein Lächeln ab. „Es ist, ähm, großartig.“ War es das nicht? Hatte er nicht alles, was er immer gewollt hatte? Carter sah nicht so aus, als würde er es ihm abkaufen. Wenn es etwas gab, das Niko über den Ehemann seiner besten Freundin wusste, dann dass Carter Pierce Blödsinn erkannte, wenn er ihm aufgetischt wurde.

Zum Glück wurde Niko dadurch gerettet, dass die Fliegentür der Küche aufflog. Eine gehetzt wirkende Rothaarige mit rosa Wangen, einer überquellenden Tragetasche und einem vor die Brust gewickelten Baby stürmte herein und brachte die warme Frühlingsbrise mit.

„Oh mein Gott! Ich habe mich so in den Bericht über die Werbeeinnahmen vertieft, dass ich die Zeit vergessen habe“, keuchte Gia Pierce, Carters Schwägerin, umrundete die Kücheninsel und ließ die Tasche auf den Boden fallen. Mit den Fingern fuhr sie über das Tuch, in dem ihr winziges Bündel eingewickelt war. „Ich habe mittags Unterricht und danach eine Privatstunde. Du kannst doch bis zwei Uhr auf sie aufpassen, oder?“, fragte sie und übergab das schlafende Baby an Carter.

„Beckett wird für seine Schicht hier sein, um für mich und Summer einzuspringen, sobald er aus seiner Besprechung kommt, damit wir sicherstellen können, dass die Farm nicht abgebrannt ist und Thrive immer noch floriert“, sagte Carter, der sich gekonnt das Tuch umschlang.

„Da sind vierzehn Windeln drin, und du betest besser, dass es genug sind.“ Gia zeigte auf die Tüte. „Hey, Niko“, sagte sie, schenkte ihm ihr Sonnenscheingrinsen und küsste ihn flüchtig auf die raue Wange. „Ich wusste nicht, dass du zu Besuch bist!“

„Hey, Gia“, sagte er und erwiderte den Kuss. „Umwerfend wie immer.“ Er hatte sie im Jahr zuvor für den Neujahrs-Yoga-Beitrag von Thrive fotografiert, und sie hatten sich gut verstanden. Er konnte sich jedoch nicht vorstellen, dass jemand Gianna Pierce nicht mochte. Sie war stark, selbstbewusst und unglaublich gut darin ihren Körper zu verbiegen. Außerdem war sie eine Katastrophe, wenn es um Details ging, und verlor ständig alles außer ihren Kindern. Sie und Carters Bruder Beckett, der geliebte Bürgermeister von Blue Moon, hatten inzwischen drei Kinder, einen Hund und eine dreibeinige Katze.

„Wir sehen uns später?“, fragte sie, nahm ihm das Glas aus der Hand und schnupperte.

„Sicher. Wodka“, sagte er und beantwortete damit ihre unausgesprochene Frage.

Sie überraschte ihn, indem sie einen kräftigen Schluck nahm und seufzte. „Das wird mich durch den Unterricht bringen!“

„Wie wäre es mit einem Abendessen in der Brauerei heute?“, schlug Carter vor.

„Nach der Woche, die wir hatten, mal nicht selbst kochen? Zur Hölle, ja“, sagte Gia. Ihre grünen Augen weiteten sich. „Oh! Wo wir gerade von der Brauerei sprechen, bevor ich es wieder vergesse ...“ Sie kramte in der Tasche auf dem Boden und zog einen großen Briefumschlag heraus. „Der hier wurde versehentlich im Büro von Thrives abgegeben. Er muss in die Brauerei. Kann ihn einer von euch sexy, strammen Männern bei meiner Schwester abliefern? Ich glaube, Emma hat schon darauf gewartet.“

Gias Telefon klingelte und unterbrach sie. „Verdammt. Das ist meine ‚Du bist schon zu spät‘ Erinnerung. Essen heute Abend!“ Sie fuhr herum und drückte ihrer Tochter einen schnellen Kuss auf die Stirn. „Mami hat dich lieb, Lydia.“

Als sich die Tür hinter ihr schloss, ertönte ein ohrenbetäubender Schrei, während gleichzeitig ein übler Gestank von dem Baby aufstieg, das an Carters Brust gewickelt war.

Carter rümpfte die Nase. „Großer Gott, Kind, womit füttern sie dich?“

Sie antwortete, indem sie ihre Windel füllte, als wäre es eine olympische Disziplin.

„Ich übernehme die Schreihälse“, bot Nikolai an. Alles, um von der Windel wegzukommen. Er kippte den Rest seines Wodkas hinunter, straffte die Schultern und marschierte auf das Gestell zu.

„Feigling!“, rief Carter ihm nach.

Kapitel 2

Nikolai nahm sich eine Pause vom Kindergeschrei und floh aus dem Haus der Pierces, um den Umschlag zur Brauerei zu bringen. Carter ließ ihn zweimal versprechen, dass er die Managerin der Brauerei vor einem Abendessen der Familie Pierce warnen würde.

„Das letzte Mal, als wir en masse unangemeldet auftauchten, mussten wir im Abfüllraum essen“, hatte Carter erklärt.

„Gehört dir die Brauerei nicht zu Teilen?“, fragte Niko daraufhin.

„Ja, und wir unterschreiben auch ihre Gehaltsschecks. Aber das schüchtert sie nicht ein“, warnte ihn Carter.

Niko nahm die Warnung und den Umschlag und machte sich zu Fuß auf den Weg, der hinter der fröhlichen roten Scheune über das Grundstück zur Brauerei führte. Klopsi, der Beagle, joggte an seine Fersen geheftet mit.

Der Einzug des Frühlings war hier so anders als die vorsichtige, gemessene Wiederauferstehung in New York City. Die Stadt hatte die meiste Zeit des nassen Winters in einem suppigen, grauen Schneematsch verbracht, der die Schuhe ruinierte und die Laune trübte. Aber hier, in der Sonne des Hinterlandes von New York, hauchte der Frühling den Feldern und Hügeln wieder Leben ein.

Der Fotograf in ihm erfasste die Art und Weise, wie das Licht über die üppigen grünen Gräser strich, die von der warmen Brise gestreichelt wurden. Wenn er das fotografieren wollte, würde er das Model mit dem Gesicht von ihm weg durch das Feld tanzen lassen, auf einem endlosen, sonnenverwöhnten Abenteuer.

Aber ich mache kein Shooting. Und wenn er ehrlich zu sich selbst war, war dies der erste Moment, in dem er seit langer Zeit auch nur im Entferntesten daran interessiert war, seine Kamera in die Hand zu nehmen. Langeweile und Lethargie hatten sich hinter die Linse geschlichen und sein Auge getrübt.

Eine Hühnerschar sprang vor ihm auf, und Klopsi gab ein halbherziges Jaulen von sich und watschelte ihnen ins Feld hinterher. Nikos Stiefel scharrten im Dreck, und er wandte sein Gesicht der Sonne zu.

Pierce Acres und die flippige Kleinstadt hatten einen gewissen neuartigen Reiz, ebenso wie die Zeit, die er mit Summer verbrachte. Anfangs hatte er sich Sorgen gemacht, dass sie in ihrem neuen Leben keinen Platz für ihn haben würde. Aber der Umzug, die Heirat und die Geburt der Zwillinge hatten Summer nicht davon abgehalten, darauf zu bestehen, dass sie Freunde blieben. Zwischen seinen sporadischen Besuchen auf der Farm machte sie fast jeden Monat einen Abstecher in die Stadt, um sich mit ihm zu treffen.

Ihre Freundschaft war intakt, und er hatte sich in seiner Verwirrung an sie gewandt, ohne nachzudenken, ohne zu hinterfragen. Vielleicht würden ein oder zwei Wochen in Blue Moon an der frischen Luft ausreichen, um ihn aus seinem Trübsinn zu holen.

Emmaline Merill verdrehte an ihrem Hostessenstand die Augen, als die Lieferantin am anderen Ende des Telefons unverhohlen log und dann versuchte, sich mit einem Stepptanz aus Rechtfertigungen aus der Verantwortung zu ziehen.

„Lynlee, lassen Sie mich Sie hier unterbrechen“, sagte Emma zügig, blätterte auf ihrem Tablet durch die Reservierungen und notierte sich die größeren Gästegruppen des Abends. „Ich habe Ihre umwerfend pfauenblaue Tischwäsche nicht nur bestellt, weil sie genau zu den Augen des Bräutigams passt, sondern auch, weil sie exakt mit den Kleidern der Brautjungfern übereinstimmt. Also nein, das Pfauenblau gegen das Veilchenblau auszutauschen, das Sie mir untergejubelt haben, wird nicht funktionieren. Ich vertraue darauf, dass Sie alles tun werden, um mir die bestellte Wäsche bis morgen früh zu besorgen.“

Als sie dreißig Sekunden später auflegte, war Emma zufrieden, dass Lynlee ihr ein Versprechen gegeben hatte und dass ein Mann, dem genauso gut ‚Bad Boy‘ auf die Stirn hätte tätowiert sein können, viel zu nah vor ihr stand und sie anstarrte.

Er war so groß, dass sie den Kopf zurücklegen musste, um das Gesamtbild zu betrachten. Die kunstvoll abgenutzten Jeans saßen tief auf den schmalen Hüften. Unter seiner abgewetzten Lederjacke deutete ein schmal geschnittenes Hemd in Schiefergrau auf einen sehr straffen Bauch hin. Seine Stiefel, abgewetztes Leder, waren wahrscheinlich teurer als die Tamara Mellon Pumps, die sie für den Abend in ihrem Büro verstaut hatte.

Sein Haar war dick und dunkel und nachlässig zerzaust, als wäre er gerade aus jemandes Bett gestiegen. Sein perfekt gemeißeltes Kinn wies einen Tag alte Bartstoppeln auf, was den Bad-Boy-Look noch verstärkte. In seinen dunklen Augen lagen noch dunklere Verheißungen, und um seinen festen Mund spielte nur die leiseste Andeutung eines Lächelns. Eine Piloten-Sonnenbrille steckte im Kragen seines Hemdes.

Er muss einen Akzent haben, beschloss Emma. Großartige, knallharte Männer, die so aussahen, hatten einen Akzent und trafen schlechte Lebensentscheidungen.

„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie, wobei sie zur kühlen Seite der Höflichkeit tendierte. Sie fiel nicht mehr auf böse Jungs herein. Was nicht hieß, dass sie nicht die perfekte Passform von Jeans an einem Männerhintern bewundern konnte.

„Ich habe dich gesucht“, sagte er mit einer Stimme, die wie dafür geschaffen war, Frauen in dunkle Ecken zu locken.

Verdammt. Kein Akzent.

„Ach, wirklich?“ Emma hielt ihren Tonfall leicht. Sie kannte die Regeln. Gib einem Playboy nichts, womit er spielen kann.

„Wenn du Emma bist, dann ja.“

Sie verschränkte die Arme und trommelte mit ihren lila lackierten, manikürten Fingern auf ihrem Oberarm herum. „Was kann ich für Sie tun, Mr. ...?“

„Vulkov. Nikolai.“

„Wolf?“ Emma übersetzte das Russische mit einer hochgezogenen Augenbraue. „Wie passend.“

Dann grinste er sie an, und das mit voller Wucht. Emma spürte, wie ihr Puls in Anerkennung des schönen männlichen Exemplars vor ihr in die Höhe schoss.

„Ich mag dich, Emma.“ Die Art und Weise, wie er ihren Namen aussprach, als wäre er etwas, das ihn in Versuchung führte, ärgerte sie.

„Ich bin sicher, Sie mögen viele Frauen, Mr. Wolf“, konterte sie. „Wenn Sie jetzt zum Punkt kämen, könnten wir beide mit unserem Tag weitermachen.“

„Bitte, nenn mich Niko“, korrigierte er sie und schien es nicht eilig zu haben, zur Sache zu kommen.

Ihre brüsken Worte schienen keine Auswirkungen auf seine Aufmerksamkeit oder sein Amüsement zu haben. Emma war es gewohnt, das Ego von Männern ab und zu mit kaltem Wasser zu begießen, wenn es nötig war. Doch dieser Mann schien dagegen immun zu sein.

„Deine Schwester hat mich gebeten, dir das hier zu bringen, und Carter bittet um eine Reservierung fürs Abendessen für ‚die ganze Familie‘.“

„Gehören Sie zur Familie?“, fragte sie, wobei die Neugierde sie übermannte. Er hatte auf jeden Fall das große, dunkle und hinreißende Aussehen, das die anderen Pierce-Männer aufwiesen.

„Freund“, sagte er.

Sie fragte sich, mit wem er befreundet war, und notierte sich im Geiste, dass sie Gia ausfragen wollte, wenn sie einen Moment Zeit hatte. Nicht, dass sie interessiert gewesen wäre, bloß neugierig. Emma schürzte die Lippen und öffnete die Reservierungen erneut, obwohl sie sie auswendig kannte. „Ich schätze, Sie können das Loft um 18:30 Uhr haben“, entschied sie.

Er zuckte zusammen. „18:30 Uhr Abendessen an einem Freitagabend?“

Emma spürte, wie sich ihre Lippen verzogen. „Stadtjunge?“

„In New York geboren und aufgewachsen. Und du?“

„Zuletzt in L.A.“, sagte sie und trug die Reservierung ein. „An Blue Moon muss man sich erst gewöhnen.“ Sie war seit fast einem Jahr hier und musste sich immer noch an die Eigenheiten der Stadt gewöhnen.

„Ah, Los Angeles. Nette Stadt.“

„Wie lange bleiben Sie?“, fragte sie, hauptsächlich aus Höflichkeit.

„So lange es dauert.“ Er fuhr sich durch die Haare, was die neue Unordnung irgendwie noch sexier machte.

Seine Antwort war kryptisch, und sie ließ es dabei bewenden. Sie hatte weder die Zeit noch die Lust, mit einem Fremden, der aussah, als sei er an die Aufmerksamkeit von Frauen gewöhnt, ‚Kennenlernen‘ zu spielen.

„Entschuldigen Sie, Emma?“ Eine zierliche Frau mit kurzgeschnittenen dunklen Haaren, einem winzigen Nasenstecker und einem Brauerei-John-Pierce-T-Shirt kam mit dem schnurlosen Telefon herbeigeeilt.

„Was gibt’s, Lila?“, fragte Emma, dankbar für die Unterbrechung durch die Kellnerin.

„Rupert ist auf Leitung zwei und will wieder einmal absagen“, sagte Lila mit einem dramatischen Augenrollen. „Er und Sunny haben sich getrennt. Schon wieder.“

Emma fletschte die Zähne. „Du kannst Rupert sagen, dass er entweder seinen dürren, von Herzschmerz geplagten Arsch hierher bewegen kann, oder ich stelle Sunnys neuen Freund ein, um ihn zu ersetzen.“

Lilas große blaue Augen wurden noch größer. „Ernsthaft?“

„Nein! Gib her.“ Emma streckte die Hand nach dem Telefon aus, betete um Geduld und begrüßte Rupert mitfühlend.

Sie hatte nicht mehr viel Zeit bis Schichtbeginn, also musste sie schnell sein. In vier Minuten war sie dem Streit zwischen Rupert und Sunny auf den Grund gegangen und hatte ihn davon überzeugt, dass er sich, wenn er zu seiner Schicht erschien, nicht nur bei Sunny entschuldigen könnte, sondern dass er mit dem Trinkgeld auch einen Strauß Entschuldigungsblumen kaufen konnte. Das munterte ihn ausreichend auf, um zu versprechen, pünktlich zu sein.

Sie legte auf, wobei sie die Chance, dass der schlaksige Dauer-Teenager tatsächlich auftauchen würde, auf fünfzig Prozent schätzte, und nahm sofort den nächsten Anruf entgegen, der von der verschmähten Freundin und Kellnerin Sunshine kam.

Emma ging während des Gesprächs auf und ab und half Cheryl, der Barkeeperin, dabei, die Barhocker von der massiven, U-förmigen Bar aus altem Scheunenholz herunterzuholen. Sie unterschrieb für eine Lieferung und winkte Julio und Nan zu, als sie ankamen, um die Küche zu öffnen, während sie Sunny am Telefon bearbeitete.

Mädchen waren schwieriger zu überreden als Jungs. Aber nach acht Minuten hatte Emma Sunny davon überzeugt, dass die beste Rache dafür, dass Rupert ihre Verabredung zum zweimonatigen Jahrestag hatte sausen lassen, um die ganze Nacht mit seinen Cousins ein mittelalterliches Zombie-Videospiel zu spielen, darin bestünde, auf der Arbeit aufzutauchen, wunderschön und glücklich auszusehen und seine Existenz komplett zu ignorieren.

Emma legte auf, nachdem sie von Sunny das Versprechen eingeholt hatte, tatsächlich zu kommen, um „Rupert ihre Großartigkeit unter die Nase zu reiben“, und rief dann bei Every Bloomin’ Thing an.

„Hallo, Liz“, sagte sie, als die Besitzerin des Blumenladens abhob. „Wäre es möglich, dass du mir einen hübschen Frühlingsstrauß zusammenstellst und ihn heute Abend in die Brauerei schickst? Das würde ich dir nie vergessen.“

„Ich habe gerade ein Arrangement aus Rosen und Lilien in Gelb und Rosa zusammengestellt. Wird das reichen?“, fragte Liz.

„Sieht es wie eine gute Entschuldigung dafür aus, dass du ein Date hast sausen lassen, um Zombies abzuschlachten?“

„Oh, Rupert. Wann lernst du es endlich?“, seufzte Liz.

Die Gerüchteküche von Blue Moon hatte eindeutig Überstunden gemacht. Emma tat ihr Bestes, um nie eine Schlagzeile zu liefern, und weigerte sich sogar, die Einladung zur Facebook-Gruppe der Stadt anzunehmen, deren Hauptaufgabe darin bestand, Gerüchte zu verbreiten.

„Ja, die sollten funktionieren“, entschied Liz. „Ich ergänze das Ganze noch um ein lila Band, das ist Sunnys Lieblingsfarbe.“

„Du bist meine Heldin“, seufzte Emma. „Schreib es auf meine Rechnung.“

„Bei all den Aufträgen, die du mir im letzten Jahr verschafft hast, geht das hier auf mich. Ich wollte sowieso zum Abendessen kommen“, sagte Liz zu ihr.

„Dann geht die erste Runde Getränke auf mich“, versprach Emma. Sie hörte die Glöckchen über der Ladentür von Liz und wie diese einen Kunden begrüßte.

„Muss auflegen. Jack Pierce ist gerade durch meine Haustür gestürmt und sah aus, als hätte er Ärger mit seiner Frau“, murmelte Liz.

„Sag ihm, dass er heute Abend mit dem Rest der Familie hier zu Abend isst, also sollte er sich lieber schnell entschuldigen“, warnte Emma.

„Wird gemacht“, sagte Liz fröhlich. „Wir sehen uns heute Abend.“

Emma bedankte sich ausgiebig und legte auf. Sie schaute auf ihre Uhr und murmelte eine Reihe von Flüchen vor sich hin. Sie war offiziell im Verzug.

Sie musste mit Julio die Sonderangebote besprechen und in die Kasse einprogrammieren, die Ordnung im Fassraum überprüfen und den Inhalt der Barschublade zählen.

Emma verfluchte innerlich die liebeskranken Eskapaden ihres Teams und drehte sich um, um das Telefon zurück in die Halterung an der Bar zu legen, als sie sah, wie Nikolai Cheryl half, die restlichen Hocker von den Hochtischen zu holen und zu platzieren.

Sie verschränkte die Arme und beobachtete ihn, wobei sie die Maske der Missbilligung aufrecht erhielt. Er bewegte sich mit Anmut und hievte die Hocker runter, als würden sie nicht mehr wiegen als Campingklappstühle. Sein Hemd spannte sich eng über eine breite Brust und einen gut trainierten Bizeps, und die hochgekrempelten Ärmel ließen einen Blick auf die Tinte auf seinem Arm zu.

So wie es aussah, war Cheryl überglücklich über die Hilfe und den Anblick. Sie fächelte sich Luft zu und zwinkerte Emma hinter Nikolais Rücken zu. Nicht jeder kann gegen einen umwerfenden Mann so immun sein wie ich, dachte Emma seufzend. Aber nicht jeder hatte die Lektionen gelernt, die sie gelernt hatte.

Sie straffte die Schultern und räusperte sich. „Ich bin sicher, Sie haben Besseres zu tun, als uns bei den Öffnungsvorbereitungen zu helfen, Mr. Vulkov.“

Ihre Stimme drang durch die Weite des Raumes. Nikolai kippte den letzten Hocker um und schlenderte auf sie zu.

„Nikolai“, bot er ihr wieder seinen Vornamen an. „Ich wollte dich nicht stören, während du Puppenspielerin spielst.“ Er hob die Lederjacke auf, die er über die Lehne eines Hockers gehängt hatte. „Und ich wollte nicht unhöflich sein und gehen, ohne mich zu verabschieden.“

„Auf Wiedersehen“, sagte Emma mit Nachdruck.

Er lachte, leise und heiser, und zog seine Jacke an. Sie roch Leder und Gewürze und verfluchte ihn dafür, dass er so sexy war.

„Ich kann es kaum erwarten, zu sehen, ob Rupert und Sunny sich heute Abend wieder vertragen“, gestand er ihr.

„Alles, was mich interessiert, ist, dass meine Mitarbeiter pünktlich zu ihren Schichten erscheinen“, log Emma irritiert. Sie war nicht so unschuldig, dass sie auf die alte ‚Ich bin so an dir interessiert, dass ich tatsächlich zuhöre‘ Nummer hereinfallen würde.

„Lügst du immer Fremde an?“, wunderte sich Nikolai mit hochgezogener Augenbraue.

„Überstrapazieren Sie immer die Gastfreundschaft?“, schoss Emma zurück. Verdammt. Sie genoss das verbale Geplänkel irgendwie.

„Nur wenn ich noch nicht bereit bin, zu gehen. Ich sehe dich heute Abend, Emma.“ Sein Abschiedslächeln brachte ihr Blut in Wallung. Er war völlig immun gegen ihre Eisköniginnen-Routine. Aus Erfahrung wusste sie, dass die Männer, die dagegen immun waren, in der Regel zu dumm oder zu sehr mit dem beschäftigt waren, was sie wollten, um sich um Grenzüberschreitungen zu kümmern. Aber Nikolai Vulkov war anders. Er fand ihre Art, ihm die kalte Schulter zu zeigen ... unterhaltsam.

„Bitte sag mir, dass er Single ist und in der Stadt nach einer Ehefrau sucht“, sagte Cheryl, die sich zu Emma gesellte, um zu beobachten, wie Nikolais schöne Gestalt aus der Vordertür der Brauerei verschwand.

„Ein solcher Mann sucht nie eine Frau“, seufzte Emma.

„Wer ist der Typ?“, fragte Cheryl.

Emma schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung. Er ist ein Freund der Pierces.“

„Das, meine gaffenden Mädels, ist kein anderer als der superberühmte Fotograf Nikolai Vulkov“, verkündete Lila, die sich zu ihnen an den Hostessenstand gesellte. „Er ist Summers bester Freund. Sie haben jahrelang zusammen in New York gearbeitet. Er kommt gelegentlich zu Besuch, aber heute stand er unangekündigt mit einer Tasche vor ihrer Tür, ohne ein Abreisedatum zu nennen. Normalerweise begleitet er die angesagtesten Models durch New York oder Europa oder wo auch immer er gerade arbeitet, aber in den letzten Monaten hat er sich wie ein Einsiedler benommen.“

Emma starrte Lila an. „Woher in aller Welt weißt du das alles, wenn er erst vor zwei Stunden hier angekommen ist? Hast du Summers und Carters Wohnung verwanzt?“

Lila tätschelte ihr den Arm. „Ich vergesse immer wieder, dass du noch relativ neu hier bist, Em. Wir wissen alles über jeden. Das stammt nur aus Blue Moons Facebook-Gruppe, der du unbedingt beitreten solltest, und aus einer kleinen Society-Kolumne, in der ich gestöbert habe. Die Mooner sagen voraus, dass er in einer Art Lebenskrise steckt und hier ist, um eine neue Perspektive zu finden.“

Emmas Blick kehrte zum Eingang zurück. Eine Lebenskrise? Echte Playboys hatten keine Lebenskrisen.

Kapitel 3

Das Abendessen war der reine Zirkus. Die Pierces und ihre Nachkommen belegten das gesamte Loft, das Obergeschoss der Brauerei, und Nikolai ahnte, dass es nicht unbedingt daran lag, dass die Großfamilie unten keinen Platz gehabt hätte. Emma hatte sie versteckt, um die anderen Gäste vor dem Chaos zu schützen und die Pierces davor, alle fünf Sekunden von Blue Moonern unterbrochen zu werden.

Beckett, oder Herr Bürgermeister, wie ihn seine Brüder scherzhaft nannten, war dreimal nach unten gerufen worden, bevor die Häppchen kamen, um sich um ein paar kleinere Stadtangelegenheiten zu kümmern und ein paar Hände zu schütteln. Jedes Mal nahm er ein anderes Kind mit, um die Runde zu machen. Evan, technisch gesehen sowohl Becketts als auch Gias Stiefsohn, war mit seinen dreizehn Jahren ein Mini-Bürgermeister mit ordentlich gekämmtem Haar und der unglaublichen Fähigkeit, Gespräche zu führen, während er mit seinen beiden kleinen Schwestern rang. Nikolai staunte, wie nah Evan sowohl seiner Adoptivmutter als auch deren neuem Mann zu stehen schien, ganz so, als wäre er ihr leiblicher Sohn.

Auch zwischen den Pierce-Brüdern und dem Verlobten ihrer Mutter, Franklin Merill, dem jovialen Gastronomen, der am Kopfende des Tisches Platz nahm, gab es keine unangenehmen Spannungen. Phoebe Pierce jonglierte mit den Enkelkindern, die ihr in den Weg gelegt wurden, und grinste, als gäbe es keinen Ort auf der Welt, an dem sie lieber wäre.

Der jüngste Pierce, Jack, schien sich mitten in einer Schlacht mit seiner Frau, der sarkastischen und langbeinigen Joey, zu befinden. Niko konnte ihnen ansehen, dass der Kampf mehr Vorspiel als ein echter Konflikt war.

Niko saß eingezwängt zwischen Joey und Summer an dem langen Tisch. Das Obergeschoss der Brauerei hatte den gleichen Charme und die gleiche beeindruckende Architektur wie der erste Stock. Der gleiche vernarbte Kiefernfußboden zog sich über die gesamte Länge des Ess- und Barbereichs im Loft. Die massiven Holzsparren ragten über ihren Köpfen auf und erinnerten sie daran, dass sie in einem der ältesten Gebäude von Blue Moon speisten und tranken.

Bei der Brauerei John Pierce waren alt und neu miteinander verwoben. Holz, das schon Jahrzehnte oder Jahrhunderte auf dem Buckel hatte, glänzte unter eleganter Industriebeleuchtung. Ein kleiner Lastenaufzug führte durch alle drei Etagen der Scheune, vom Keller bis zum Loft. Die Kunstwerke stammten alle aus der Region und zeigten pastorale Drucke und ländliche Landschaften.

Niko musste es ihnen lassen, die Pierces hatten ein Auge für Design. Und dem regen Treiben unten nach zu urteilen, wusste die Bevölkerung von Blue Moon das auch zu schätzen.

Er nippte an seinem Saison, einem Pale Ale, und spürte die Energie um ihn herum. Es würde Spaß machen, diese Szene zu fotografieren. Die Unschärfe des Geschehens und das Einfrieren eines Lachens in der Zeit. Vielleicht war es genau das, was ihn zurück nach Blue Moon gezogen hatte. Summer hatte in eine richtige Familie eingeheiratet. Eine große, laute Familie. Aber hier konnte sogar ein Außenstehender die Liebe sehen, die schnell und tief floss.

In einem Atemzug schimpften sie übereinander, im nächsten boten sie sich gegenseitig ihre Hilfe an, denn jeder war auf den anderen angewiesen. Sie bildeten ihre eigene Gemeinschaft, ein Dorf, eine Familie.

Niko schüttelte den Kopf und löste sich aus seiner Träumerei. Er war nicht hier, um neidisch auf die Pierces zu sein. Er war hier, um sich daran zu erinnern, wie sehr er das Leben liebte, das er sich aufgebaut hatte. Eine vereinnahmende, spannende Arbeit, elegante, interessante Frauen und viele der schönen Dinge des Lebens, die ein gut gefülltes Bankkonto bieten konnte. Er hatte das Sagen und war die Karriereleiter hoch genug geklettert, um sich seine Aufträge aussuchen zu können.

Und doch war es plötzlich nicht mehr genug.

Er dachte daran, was für eine unterhaltsame Ablenkung Emma sein würde. Er spürte, wie sich seine Mundwinkel hoben. Sie war auf eine faszinierende Weise unnahbar und zugleich intim. Wie sie in einem Atemzug das Liebesleben ihrer Angestellten gerettet und ihn im nächsten kühl zur Tür hinausgeschoben hatte, war einfach nur magisch gewesen. Und es war schon lange her, dass er eine Frau getroffen hatte, die dieses Gefühl in ihm geweckt hatte.

Emma trug jetzt denselben schmalen Bleistiftrock und schwarzen Pullover wie vorhin. Aber sie hatte ihre flachen Schuhe gegen unpraktische Stilettos eingetauscht. Er konnte nicht umhin, sie zu beobachten, wie sie von einer Aufgabe zur anderen stöckelte, Gäste begrüßte, hinter die Bar hüpfte und ihren Kopf in die Küche steckte. Sie hatte ihm zugenickt, bevor sie den Rest der Familie wesentlich herzlicher begrüßt hatte.

Aus welchem Grund auch immer, Emma bestand darauf, ihn in seine Schranken zu weisen, und diese Schranken waren so weit von ihr entfernt wie möglich. Er konnte es kaum erwarten, herauszufinden, warum.

Er spürte das Gewicht eines Blicks auf sich und stellte fest, dass Summer ihn erwartungsvoll ansah, als hätte sie ihm bereits eine Frage gestellt.

„Was?“

Sie zuckte leicht mit den Schultern, wobei sich ihre Schultern unter der Seide ihrer Bluse bewegten, und lächelte. „Ich frage mich nur, wann du mir endlich sagst, was du hier machst.“

„Ich besuche meine übermäßig misstrauische Freundin und ihre Familie.“

„Bist du auf der Flucht?“, fragte sie verschwörerisch über ihr Weinglas hinweg. „Hast du ein Model ermordet?“

„Nein“, sagte er trocken.

„Im Bett mit einer verheirateten Frau erwischt worden?“

Er spürte, wie sich die Energie im Raum veränderte, und sah auf, um Emma in Hörweite stehen zu sehen. Sie hielt einen Teller mit Chicken Wings in der Hand, und das kühle Lächeln auf ihren Lippen verriet ihm, dass Summer bestätigte, was Emma bereits über ihn gedacht hatte.

Und zum zweiten Mal an diesem Tag spürte er, wie alles andere ein paar Nuancen an Lebendigkeit verlor, während sich seine Aufmerksamkeit allein auf sie richtete. Sie beugte sich über ihn, um die Chicken Wings auf den Tisch zu schieben, und er nahm einen Hauch von Zitrusfrüchten und Vanille auf ihrer Haut wahr. Sie hatte ihre wilden Locken zu einem tiefen Zopf zurückgebunden, der ihren zarten Knochenbau und die sinnliche Linie ihres Halses zur Geltung brachte. Ihre Haut war elfenbeinfarben, und er konnte nicht sagen, ob die Röte auf den hohen Wangenknochen ein gekonnt aufgetragenes Make-up oder ein natürliches Strahlen war.

Sie war bezaubernd wie Fee, und doch bewegte sie sich mit der Entschlossenheit eines Generals, der in die Schlacht marschiert.

Er kam wieder auf das Gespräch zurück, das Emma gerade einen falschen Eindruck von ihm vermittelte.

„Die einzige verheiratete Frau in meinem Bett bist du gewesen, als du heute Nachmittag darin ohnmächtig geworden bist“, erinnerte er Summer laut genug, dass Emma es hören konnte.

„Ich habe zwei ganze Stunden geschlafen“, verkündete sie stolz. „Ich fühle mich wie neugeboren. Erinnere mich auch daran, dir einen neuen Kissenbezug zu geben, ich habe deinen vollgesabbert.“ Sie beugte sich vor, um den erbsenverkrusteten Löffel aufzuheben, den Jonathan auf den Boden geschleudert hatte. Das breite Lächeln des Babys verriet, dass er den Löffel bei nächster Gelegenheit wieder über Bord werfen würde.

Summer kippte eine Handvoll Bio-Puffreis vor Jonathan auf den Tisch und warf den Behälter gekonnt zu Carter, der den Vorgang für Meadow wiederholte.

„Aber im Ernst“, begann sie wieder. „Du siehst traurig aus. Und obwohl diese ‚einsamer russischer Cowboy‘ Nummer dir wahrscheinlich eine Million Dates verschafft, habe ich das Gefühl, dass es nicht nur eine Masche ist, um Frauen anzulocken.“

Niko blickte zu Emma auf, die seinen Blick festhielt und ihn selbstgefällig ansah, bevor sie sich hinunterbeugte, um Evan und Aurora in den Schwitzkasten zu nehmen.

„Wie geht es meiner Lieblingsnichte und meinem Lieblingsneffen?“, fragte sie, als beide versuchten, sich aus ihrem Griff zu winden.

„Solltest du nicht so sehr in deine Mutterschaft vertieft sein, dass du deine Freunde aus der Großstadt vergisst?“, erkundigte sich Niko, um das Thema zu wechseln.

„Niemand könnte dich vergessen, Niko.“ Summer klimperte ihn mit den Wimpern an. Er beobachtete, wie Emma ihrem Vater einen Kuss zuwarf und ohne einen weiteren Blick in seine Richtung die Treppe hinunterging.

„Wenn du so flirtest, kannst du froh sein, dass du dir Carter bereits gesichert hast. Dieser Augenaufschlag macht mir Angst“, stichelte Niko.

„Macht sie ihr gruseliges Augenflattern?“, fragte Carter und beugte sich vor, um seiner Frau eine gebratene grüne Bohne vom Teller zu stibitzen und ihr einen Kuss auf die Stirn zu drücken.

„Das ist nicht gruselig“, betonte Summer, „sondern höchst effektiv.“ Sie steckte ihre Finger in den Kragen des Henley-Shirts ihres Mannes und zog ihn zu einem Kuss herunter.

Carter grinste sie an und zwinkerte ihr zu, bevor er seine Aufmerksamkeit auf Joey richtete. „Hast du schon eine weitere Aushilfe eingestellt, Joey?“

Die Wirbelsäule der Brünetten versteifte sich, bis es aussah, als würde sie jeden Moment in der Mitte durchbrechen. „Oh, jetzt hetzt du also deinen Bruder auf mich?“, fragte sie Jack, ihr Kinn herausfordernd gereckt.

Jack hob abwehrend die Hände. „Langsam reicht es mit den Zickereien.“

Ein „Oooh“ ging um den gesamten Tisch.

„Ich habe niemanden auf dich gehetzt. Aber vielleicht solltest du die Meinung deiner Partner in Betracht ziehen, anstatt dich in dein Vakuum der Sturheit zurückzuziehen.“

Joey fletschte die Zähne gegenüber ihrem Mann, und Niko lehnte sich zurück, um die Show zu genießen. Von früheren Besuchen wusste er, dass Joey den Stallbetrieb und das neue Zuchtprogramm von Pierce Acres leitete. Sie neigte dazu, dabei ein wenig herrschsüchtig zu sein.

„Glaubst du, ich mache meine Arbeit nicht richtig?“, fragte sie.

Jack war nicht der Typ, der vor einem Kampf zurückschreckte. „Ich denke, dass das Ausmisten von Ställen eine Verschwendung deiner Zeit ist“, schnauzte er zurück.

„Du denkst also, während Calypso, eines der besten Pferde des Landes, jeden verdammten Moment fohlen kann, sollte ich meine Zeit im Stall reduzieren?“

Carter stürzte sich mutig – oder dumm – ins Gefecht. „Hör zu, Joey.“ Sein Ton war ruhig. „Du bist der wertvollste Teil des Stallbetriebs, und wenn du darauf bestehst, deine Zeit mit grundlegenden Aufgaben zu verbringen, werden wir jemanden anstellen, der dir bei der Leitung hilft. Wir würden es alle vorziehen, wenn du selbst eine Aushilfe einstellst, aber wenn du lieber einen Manager willst, werden wir einen Manager einstellen. Es liegt ganz bei dir.“

Für eine Sekunde dachte Niko, es könnte Blutvergießen geben. Aber dann stellte Beckett ein Bier vor Joey ab.

Sie hob das Glas und Niko kannte sich mit Frauen gut genug aus, um zu wissen, dass sie es über einen der Pierces schütten wollte. Der Tisch atmete erleichtert auf, als sie stattdessen einen Schluck nahm. „Wenn du ein Problem mit meiner Leistung hast ...“

„Fuck!“ Jack warf seine Hände hoch. „Siehst du, womit ich mich herumschlagen muss?“

„Joey“, seufzte Carter. „Du verschwendest deine Zeit mit all dem Mist, für den wir jemand anderen bezahlen könnten. Und um das alles selbst zu erledigen, arbeitest du zwölf Stunden am Tag.“

„Ich will, dass alles richtig gemacht wird“, knurrte sie und biss die Zähne zusammen.

Jack riss ihren Stuhl herum, sodass sie gezwungen war, sich ihm zuzuwenden. „Dann bilde jemanden aus, der es genau so macht, wie du es willst. Sei eine gottverdammte Scheunendomina und hör auf, dich zu Tode zu rackern.“

Niko kam das Ganze wie ein alter Streit mit viel Geschichte auf beiden Seiten vor. Summer und Gianna taten klugerweise so, als ob sie von der Diskussion nichts mitbekämen, und konzentrierten sich darauf, die Kinder mit ihren Großeltern zu unterhalten.

„Ich werde helfen, Jo!“, rief Aurora, Giannas energiegeladene, rotlockige Tochter.

Als er zum Abendessen gekommen war, hatte sie Niko gegenüber stolz verkündet, dass sie fast eine Zweitklässlerin sei.

„Danke, Rora“, sagte Joey, und ein Teil ihrer Wut schien sich aufzulösen.

„Gib ihr eine Schaufel, sie kann die Sch...“

Evans Kommentar wurde unterbrochen, als Beckett ihm liebevoll einen Klaps auf den Hinterkopf gab.

„Au!“

„Ausdrucksweise“, sagte Gia milde.

„Aber Onkel Jack hat fu...“ Auroras Verteidigung ihres Bruders wurde unterbrochen, als Evan seiner Schwester eine Hand auf den Mund presste.

„Ich werde dir später erklären, was Doppelmoral ist“, zischte er.

Franklins Lachen dröhnte, und die Spannung, die sich über den Tisch gelegt hatte, verschwand wieder.

Jack beugte sich vor und flüsterte etwas in Joeys Ohr, und während die Steifheit in ihren Schultern blieb, sah Niko, wie sich ihre Mundwinkel hoben.

Emma kam mit einem Krug Wasser zurück, um die Gläser aufzufüllen. „Seht ihr, wie wir abschneiden? Service vom Manager. Wie ist das Publikum, Emmaline, meine Süße?“, fragte Franklin mit einem väterlichen Lächeln.

Emma gab ihm einen schmatzenden Kuss auf die Wange und tat dasselbe bei Phoebe. „Alles unter Kontrolle, zumindest unten“, sagte sie und warf Joey einen prüfenden Blick zu. „Wie geht es meinen beiden Lieblings-Fast-Frischverheirateten?“

Niko hatte erfahren, dass Franklin und Phoebe in einer Woche endlich den Bund fürs Leben schließen würden, und er war eingeladen. Ihre Verlobung hatte sich in die Länge gezogen, um die Hochzeiten der beiden Pierce-Brüder und den Bau ihres Traumhauses auf der Farm abzuwarten. Nun, da die Bauarbeiten abgeschlossen und vier der sechs gemeinsamen Kinder verheiratet waren, war es an der Zeit, den Bund der Ehe zu schließen.

„Wir sind dankbar, dass wir heute Abend in dein Restaurant einfallen dürfen, damit keiner von uns kochen muss.“ Phoebes Augen funkelten hinter ihrer dunkel gerahmten Brille.

„Ich freue mich, wenn ich helfen kann“, sagte Emma, schenkte ihre Gläser nach und ging um den Tisch herum. „Amüsieren sich alle gut?“, erkundigte sie sich, wobei ihr Blick auf Nikolai landete. Rasch sah sie wieder weg.

Alle bejahten.

„Gut. Denn ich könnte schwören, dass ich Schreie gehört habe, und ich weiß, dass keiner von euch einem zahlenden Kunden den Abend mit einem Familienstreit verderben würde“, sagte sie, während sie geschickt mit Wassergläsern jonglierte und Schuldgefühle verteilte.

„Emma, du bist noch neu hier. Eine Familienfehde zieht in Blue Moon eine Menge Zuschauer an“, sagte Phoebe.

„Versucht einfach, kein Blut zu vergießen. Man kriegt die Flecken so schwer aus der Tischwäsche wieder raus“, sagte Emma, beugte sich über Nikolai und griff nach seinem Glas. Er machte den Fehler, zu ihr aufzuschauen, und spürte, wie eine schnelle, fast schmerzhafte Erkenntnis seinen Körper durchströmte, als diese edelsteingrünen Augen seine trafen. Sie spürte es auch. Er sah es an ihrem verkrampften Griff um den Krug.

Emma fummelte an seinem Glas herum und stieß es fast um, und Niko legte seine Finger auf ihre, um sie zu beruhigen.

Ja. Da ist etwas, dachte er. Etwas, das es wert ist, erforscht zu werden.

Emma zog ihre Hand weg, bewegte sich aber nicht. Und als sie sich zu ihm beugte, ließ die Vorfreude auf das, was sie sagen würde, sein Blut in Wallung geraten. Sie war unberechenbar, und das gefiel ihm.

Aber anstatt ihre Lippen an sein Ohr zu drücken, flüsterte sie leise in Joeys: „Unten ist ein Mädchen, das dich sehen will.“

Joey runzelte die Stirn. „An diesem Tisch sitzen buchstäblich alle, die ich kenne.“

„Sie ist jung und sehr zielstrebig“, sagte Emma zu ihr. Sie zögerte einen Moment und fügte dann hinzu: „Sie sieht hungrig aus.“

Joey warf ihre Serviette auf den Tisch und seufzte. „Gut. Schlimmer, als sich die ganze Zeit sagen zu lassen, was man tun soll, kann es auch nicht werden.“

Jack schenkte seiner Frau ein gewinnendes Lächeln, und Joey verdrehte die Augen. Sie machte Anstalten, vom Tisch aufzustehen, hielt aber inne, als sie das Mädchen sah, das am oberen Ende der Treppe wartete. Joey und Emma tauschten einen Blick aus, den Niko nicht deuten konnte. Irgendeine Art weibliche Intuition war im Spiel.

Das Mädchen war groß und schlaksig und sah kaum alt genug aus, um Auto zu fahren. Ihr Haar, das irgendwo an der Grenze zwischen blond und braun lag, war zu einem langen Zopf zurückgebunden. Ihre blasse Haut wies ein paar Sommersprossen auf Nase und Wangen auf. Sie hatte ernste braune Augen.

Emma hat recht, dachte Niko. Sie sah hungrig und sehr entschlossen aus.

Joey stand auf. Mit zielstrebigem Schritt stakste das Mädchen auf sie zu.

„Mrs. Pierce?“ Sie reichte Joey die Hand.

Joey schüttelte sie. „Mrs. Pierce ist die Mutter meines Mannes. Nenn mich Joey.“

Das Mädchen nickte, ohne auch nur den Hauch eines Lächelns zu zeigen.

„Ich würde gern für Sie im Stall arbeiten“, verkündete sie.

Joey wandte sich wieder dem Tisch zu und starrte die Pierces an. „Wer von euch Dildos hat sie dazu angestiftet?“

„Was ist ein Dildo, Mama?“, erkundigte sich Aurora in einem lauten Flüsterton.

„Tante Joey wird es dir später erklären“, wich Gia aus und warf einen finsteren Blick in Joeys Richtung.

„Niemand hat mich dazu angestiftet“, sagte das Mädchen. „Mein Name ist Reva. Ich habe schon einmal Reitunterricht gehabt und mag Pferde. Ich bin stark und lerne schnell, und ich werde tun, was Sie mir sagen. Ich bin immer pünktlich, und ich habe kein Privatleben, also werde ich so viele Stunden arbeiten, wie Sie mir geben können, außer während der Schulzeit. Ich werde ausmisten, ich werde striegeln, ich werde füttern, ich werde das Sattelzeug putzen“, zählte sie die Aufgaben eilig an ihren Fingern auf.

„Wenn du für mich arbeiten würdest und ich dir sagen würde, dass einer dieser ‚Gentlemen‘ Hausverbot hat, was würdest du dann tun, wenn er versuchen würde, sich in die Scheune zu schleichen?“, fragte Joey und zeigte mit dem Daumen auf die Pierces.

„Ich würde ihn mit einer Mistgabel verjagen“, antwortete Reva ohne eine Spur von Humor.

In den Augen des Mädchens sah Niko Stolz, Hoffnung und einen Hauch von hungriger Verzweiflung. Um Himmels willen, Joey, dachte er, gib dem Mädchen den Job.

„Gut. Du fängst morgen an. Sei um sieben bei den Ställen“, verkündete Joey.

Freude und Ungläubigkeit traten in Revas Gesicht. „Ernsthaft?“

„Ja, im Ernst“, sagte Joey und schüttelte den Kopf, als ob sie es bereits bereuen würde. „Und jetzt geh, bevor ich es mir anders überlege.“

Reva überraschte alle und vielleicht auch sich selbst, indem sie ihre dürren Arme um Joey warf und dann praktisch die Treppe hinuntertanzte. Emma drehte sich um, um ihr zu folgen.

„Jetzt zufrieden?“, fragte Joey und streckte Jack und Carter den Mittelfinger entgegen.

„Das ist der böse Finger!“, kicherte Aurora. „Was ist ein Dildo?“

„Joey, du verdirbst meine Kinder“, seufzte Beckett und trank sein Bier.

Kapitel 4

Niko stand auf und eilte Emma hinterher. Er erwischte sie auf der Treppe zwischen dem Freitagabend-Happy-Hour-Trubel im ersten und dem Familienchaos im zweiten Stock. „Halt dich fest, Emma“, sagte er und berührte leicht ihren Arm. Sie zuckte vor seiner Berührung zurück und wäre beinahe die Treppe hinuntergestürzt.

Nikos Hände umklammerten ihre Arme, um sie zu stützen.

„Mein Gott“, hauchte sie. „Ich hätte mir fast das Genick gebrochen.“

„Bei deinem schönen Genick wäre das eine Schande. Warum zum Teufel trägst du diese Schuhe?“, fragte er. „Du wirst doch noch stundenlang auf den Beinen sein.“

„Ich mag es, professionell auszusehen“, sagte sie und sah ihn mit gerunzelter Stirn an. Aber dieses Mal versuchte sie nicht, sich zurückzuziehen.

„Wir sind in Blue Moon. Ich vermute, dass du in Clogs oder Birkenstocks professioneller aussehen würdest.“

„Ich mag die hier lieber als Clogs“, erwiderte sie. „Und hältst du mich wirklich an einem sehr geschäftigen Freitagabend von meiner Fülle an Managementaufgaben ab, um dich über mein Schuhwerk zu beschweren?“

„A: Niemand hat gesagt, dass ich mich beschwere. Mir gefällt der Anblick sehr gut. B: Ich nehme deine Zeit in Anspruch, weil ich noch etwas zu meiner Bestellung hinzufügen möchte.“

„Wenn du meine Telefonnummer sagst, schubse ich dich die Treppe hinunter.“

„Eigentlich dachte ich an ein Abendessen ...“

„Du bist nicht mein Typ“, verkündete Emma, als hätte sie genau diese Worte schon tausendmal gesagt.

„Eigentlich meinte ich Reva. Du hattest recht. Das einzige Mal, als sie ihren Blick von Joey abgewandt hat, hat sie die Häppchen auf dem Tisch angestarrt. Sie ist hungrig.“

Emma blinzelte. „Du willst Reva zum Essen einladen?“

„Ja.“

Ihr Gesicht wurde ein wenig weicher. „Ich habe die Küche bereits darum gebeten, ein paar Sandwiches für sie zusammenzustellen“, gestand sie.

„Nun, Emmaline“, neckte Niko sie mit ihrem vollen Namen. „Das Liebesleben von Angestellten in Ordnung bringen und mysteriöse Fremde füttern? Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du hast ein Herz.“

Ihr Lächeln war umso süßer, da sie es nur widerwillig zeigte. „Wenn ich es nicht besser wüsste, Nikolai, würde ich denken, dass du vielleicht nicht nur ein oberflächlicher Playboy bist.“

Niko lachte. „Geh mit mir aus. Nur einmal, Emma. Ich führe dich in das schönste Lokal in Blue Moon und du darfst mich die ganze Nacht beleidigen.“

„A: Dies ist das schönste Lokal in Blue Moon. Und B: gehe ich nicht mit Masochisten aus“, sagte Emma hochmütig.

Er betrachtete sie einen Moment und genoss die Energie, die zwischen ihnen knisterte, und das herausfordernde Licht in ihren grünen Augen. „Tu mir wenigstens einen Gefallen“, beschwor er sie.

Sie hob eine perfekt geformte Augenbraue.

„Leg ein Stück Apfelkuchen zu den Sandwiches dazu und setz sie auf meine Rechnung.“

„Das kann ich tun.“

„Sieh nur, wie wir uns verstehen.“ Niko versuchte sein Glück und lehnte sich ein wenig näher vor.

Sie wich nicht zurück. Stattdessen beugte sich Emma vor und flüsterte ihm ins Ohr. „Finger weg, großer böser Wolf. Ich bin niemandes Rotkäppchen.“ Und mit diesen Worten entwand sie sich seinem Griff und schlenderte die Treppe hinunter. Ihre Hüften wippten ein wenig mehr, und Niko hoffte, dass sie das nur tat, um ihn zu quälen.

Mit einem Grinsen im Gesicht stieg Niko die Treppe wieder hinauf. Emmaline Merill war eine Herausforderung, und genau das brauchte er im Moment.

Er erblickte Joey und Jack in einer leidenschaftlichen Umarmung vor den Toiletten im zweiten Stock, nun offensichtlich wieder versöhnt, und wandte seinen Blick ab. So oft er auch romantische Szenen fotografiert hatte, nichts kam je an die Realität heran. Es gab keinen Photoshop-Filter, der das Aussehen und das Gefühl von zwei verliebten Menschen nachahmen konnte.

Er kehrte zu seinem Platz zurück und fand sein Essen vor.

„Was sollte das denn?“, erkundigte sich Summer und ließ Jonathan auf ihrem Schoß auf und ab hüpfen.

„Was?“, fragte er, ohne sich die Mühe zu machen, sein Grinsen zu verbergen.

„Du bist Emma hinterher gerannt.“ Summer zerrte eine Haarsträhne aus den gierigen Fingern ihres Sohnes. „Ich habe dich noch nie hinter einer Frau herrennen sehen.“

„Vielleicht habe ich nie eine getroffen, die es wert war, verfolgt zu werden.“ Er hob sein Bier an und lachte. Summers blaue Augen waren vor Schreck geweitet. „Entspann dich. Ich wollte sie nur etwas fragen.“

„Hast du sie um ein Date gebeten?“, zischte Summer.

„Nur um sie zu ärgern“, grinste er. „Sie hat mich abgewiesen.“

„Und hat sie eine Ahnung, dass das so ist, als würde man vor Clementine mit einem Keks herumwedeln?“

„Deine Metaphern haben gelitten, seit du hierher gezogen bist.“

Summer schnaubte. „Morgen gebe ich dir einen Keks, mit dem du der Ziege vor dem Gesicht herumwedeln kannst, und dann wirst du genau sehen, was ich meine“, versprach sie.

„Es geht doch nichts über Spaß auf dem Bauernhof“, scherzte er. „Und jetzt erzähl mir alles, was du über Emma weißt.“

Gia, die Beckett gerade eine frisch gewickelte Lydia übergab, hörte ihn. „Du und Emma?“ Sie lehnte sich zwischen die beiden und schnappte sich eine Pommes von Nikos Teller.

„Was denkst du?“, fragte Summer.

Gia biss die Hälfte der Pommes ab. „So viel Spaß meine Schwester auch mit dir haben würde, lieber Niko, das wird nie passieren.“

„Wirklich?“ Die Art und Weise, wie Summer das Wort in die Länge zog, verriet Niko, dass sie auf seiner Seite stand. „Ich glaube, du unterschätzt die Anziehungskraft meines russischen Kumpels hier. Er ist mehr als nur ein hübsches Gesicht.“

„Das ist das Problem“, sagte Gia, als ob er nicht da wäre. „Er ist das genaue Gegenteil von ihrem Typ. Ein sexy Playboy, der nur flüchtige Affären hat? Sie steht auf golferprobte Typen mit langweiligen Jobs. Emma wird auf keinen Fall ihre Vorstellung von Mr. Perfekt für eine heiße Nummer mit Niko hier aufgeben.“

Summer runzelte die Stirn und überlegte. „Willst du das Ganze etwas interessanter machen?“

Gias Grinsen war schnell und scharf, ein Raubtier, das leichte Beute wittert. „Oh, verdammt ja. Wetten wir um eine Einheit?“

„Ich glaube, das Glück ist heute auf meiner Seite. Lass uns zwei daraus machen.“

Gia pfiff. „Da hat jemand sehr viel Vertrauen in deine Flirtfähigkeiten, Niko“, neckte sie.

„Oh, gut. Dir ist aufgefallen, dass ich auch noch hier bin.“

Sie ignorierten ihn und schüttelten sich, Babys jonglierend, die Hände, um die Wette zu besiegeln.

„Was ist eine Einheit?“, fragte er.

Emma trat durch die Vordertür und zog ihre Schuhe aus, wobei sie erleichtert seufzte. Sie hätte sie zum Abschließen ausziehen können. Aber nach Nikos Kommentar hatte sie sich gern eine zusätzliche Stunde gequält, nur um zu beweisen, dass sie es konnte. Ihre Schwestern nannten sie dickköpfig. Emma zog es vor, sich als willensstark zu bezeichnen.

Meine Füße sind hart im Nehmen, dachte sie, als sie ihre Tasche auf dem kleinen Tisch im Foyer abstellte, den sie zur Einrichtung des Hauses hinzugefügt hatte.

Während ihrer selbst auferlegten einjährigen Probezeit in der Brauerei wohnte sie im Gästehaus von Gia und Beckett. Und sie war sich offiziell sicher, dass es an der Zeit war, sich nach einer eigenen Wohnung in dieser süßen Stadt umzusehen.

Emma humpelte in die winzige Küche, wo sie sich ein Glas Merlot einschenkte. Sie hatte sich Sorgen gemacht, dass der Kulturschock, von L.A. nach Blue Moon zu ziehen, ihr den Verstand rauben würde.

Es hatte eine Weile gedauert, bis sie sich an die kleine Stadt und ihre ... Eigenheiten gewöhnt hatte. Aber Blue Moon hatte sie mit seiner unverblümten Schrägheit, seiner Bescheidenheit und seinem Stolz auf seine Eigenartigkeit für sich gewonnen. Jeder war hier willkommen, wurde in die Gemeinschaft aufgenommen, ohne dass man von ihm verlangte, sich zu assimilieren. In Blue Moon war man gut genug, einfach weil man existierte.

Das hieß nicht, dass es nicht trotzdem ein schwieriger Übergang gewesen war. In L.A. war sie nach Ladenschluss oft noch mit Freunden etwas trinken gegangen. Die Nacht hatte dann gerade erst begonnen. Wenn in Blue Moon die Brauerei um Mitternacht schloss, war der Rest der verschlafenen Stadt schon seit Stunden wie ausgestorben.