Nie wieder Geheimnisse - Die TikTok Liebesroman Sensation - Lucy Score - E-Book
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Nie wieder Geheimnisse - Die TikTok Liebesroman Sensation E-Book

Lucy Score

5,0

Beschreibung

Von der Autorin des Weltbestsellers "Things we never got over" "Du erhebst also Besitzansprüche auf sie?" "Sie ist eine Frau, nicht das letzte Stück Kuchen. Und ja, ich erhebe Besitzansprüche, also lass die Finger von ihr." Als die New Yorker Modejournalistin Summer Lentz nach Blue Moon reist, um einen Artikel über ökologische Landwirtschaft zu schreiben, glaubt sie zuerst, versehentlich auf einer Modenschau für Männerunterwäsche gelandet zu sein. Carter Pierce sieht überhaupt nicht so aus, wie sie sich einen Farmer vorgestellt hat. Und seine beiden Brüder sind ebenso attraktiv. Kein Wunder, dass die Pierce-Männer die begehrtesten Junggesellen der Kleinstadt sind. Summer hatte eigentlich vor, nur eine Woche in Blue Moon zu verbringen, doch das fällt ihr zunehmend schwer. Denn die drei Brüder haben mehr zu bieten als nur definierte Bauchmuskeln. Sie sind warmherzig und immer füreinander da. Sie zeigen Summer, was echte Gemeinschaft bedeutet - auch wenn es mal den einen oder anderen Streit um eine Frau gibt. Doch Summer weiß, dass sie nicht in Blue Moon bleiben kann. Sie hat nicht nur eine Karriere und ein Leben in New York. Sie hat ein Geheimnis. Eines, das sie niemandem verraten kann. Nicht einmal Carter, der sich mit Geheimnissen gut auskennt. *** Die ganz große Kleinstadt Liebe In der Kleinstadt Blue Moon bleibt niemand lange Single. Dafür sorgt das geheime Komitee für Lebensqualität. Ihr neuestes Verkupplungsprojekt: die drei attraktiven Pierce-Brüder. Nur wissen die noch nichts von ihrem Glück. So unterschiedlich Carter, Beckett und Jack auch sein mögen, eines haben sie gemeinsam: Sie sind überzeugte Junggesellen. Bis die richtige Frau vorbeikommt ... In acht Bänden hat Amazon Nr.1 Autorin Lucy Score mit ihrer Saga über Blue Moon und die Pierce-Brüder eine Welt erschaffen, die Millionen Lesern ein Zuhause wurde.

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Nie wieder Geheimnisse

von Lucy Score

Es ist besser, ein Krieger im Garten zu sein, als ein Gärtner im Krieg.

Japanisches Sprichwort

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

KAPITEL 17

KAPITEL 18

KAPITEL 19

KAPITEL 20

KAPITEL 21

KAPITEL 22

KAPITEL 23

KAPITEL 24

KAPITEL 25

KAPITEL 26

KAPITEL 27

KAPITEL 28

KAPITEL 29

KAPITEL 30

KAPITEL 31

KAPITEL 32

Epilog

Nachwort

Verlosung

Widmung

Für meinen Bruder und meine Schwester, die lustigsten Menschen, die ich kenne.

Zuerst 2016 erschienen unter dem Titel Blue Moon – No More Secrets.

Titel: Nie wieder Geheimnisse

Autorin: Lucy Score

Übersetzung: Josephine Sun und Jenny-Mai Nuyen

Cover: Damonza

Deutsche Erstveröffentlichung: Berlin 2022

© 2022 Von Morgen Verlag, Stettiner Straße 20

13357 Berlin

Alle Rechte vorbehalten.

KAPITEL 1

Summer Lentz hievte ihren Koffer und ihre Laptoptasche in den Kofferraum ihres schicken kleinen Mietwagens. Danach verschnaufte sie einen Moment, froh über den Parkplatz, den sie ganz in der Nähe ihres Apartments in Murray Hill, Manhattan ergattert hatte.

Heute war einer dieser Tage, an denen ihr Körper sie daran erinnerte, dass Genesung ein langer Prozess war. Aber die warme Luft tat gut. Sie atmete noch einmal tief ein. Der Frühling neigte sich langsam dem Ende zu.

Summer klappte den Kofferraum zu und widerstand dem Drang, in ihre Wohnung zurückzukehren und sich zu vergewissern, dass die Tür auch wirklich verschlossen und der Herd – den sie nie benutzte – tatsächlich ausgeschaltet war.

Eine Woche im New Yorker Hinterland stand ihr bevor. Die Zeit würde sicherlich im Flug vergehen, und schon wäre sie zurück in der Zivilisation. Nach ein paar Tagen ohne den Trubel Manhattans würde sie sich vielleicht sogar ein bisschen erholt fühlen. Oder – der Gedanke ließ sie eine Grimasse ziehen – ihre Kollegen hatten sie bis dahin schon längst vergessen. Wenn man bei Indulgence nicht mindestens elf Stunden am Tag im Büro war, konnte man es quasi gleich bleiben lassen. Das elegante Hauptquartier im Westen von Midtown war genauso auf Hochglanz poliert wie die Seiten des Modemagazins selbst. Und in seinen heiligen Hallen ging es kaltschnäuziger zu als in den meisten Reality-TV-Shows.

Summer hatte sich ihre Stelle bei Indulgence hart erkämpft, ohne dabei allzu viel von ihrer Seele zu opfern. Vor neun Monaten war sie endlich in die Redaktion befördert worden, und seitdem fügte sich langsam alles zusammen. Sie war aus ihrem winzigen Schuhkarton von einer Bleibe in eine etwas geräumigere Einzimmerwohnung umgezogen. Ihre Garderobe verbesserte sich Stück für Stück. Ihr Blog, auf den sie so stolz war, wuchs exponentiell.

Von außen gesehen war ihr Leben ein Wirbelwind aus Partys, Vernissagen und feuchtfröhlichen Meetings. Manchmal fiel es ihr schwer, zu sagen, wo die Arbeit aufhörte und ihr Privatleben begann. Aber wenn sie es schaffte, diesen Kurs ohne größere Krisen beizubehalten, wäre irgendwann eine Stelle als Chefredakteurin in Sicht.

Eine Vibration in ihrer cremefarbenen Handtasche von Dooney & Bourke riss Summer aus ihren Gedanken. Sie schlüpfte hinters Lenkrad und kramte ihr Handy hervor.

„Bist du schon auf der Farm?“ Die tiefe, geschmeidige Stimme ihres besten Freundes drang an ihr Ohr.

„Na, wenn das nicht der berühmte Nikolai Vulkov ist. Wie geht es meinem lieben Wolf heute?“

Niko war in Amerika geboren, aber ab und zu – nach dem einen oder anderen Wodka – konnte man seine russischen Wurzeln aus seinem charmanten Tonfall heraushören. Er war nicht nur ein äußerst talentierter Fotograf, sondern vor allem ein Frauenheld, daher der Spitzname. Im Gegensatz zu den meisten ihrer Kolleginnen war Summer ihm nicht innerhalb ihrer ersten Woche beim Magazin verfallen, was zur Grundlage ihrer engen Freundschaft geworden war.

„Du klingst außer Atem. Überanstrengst du dich auch nicht zu sehr?“

Summer rümpfte die Nase. „Wer bist du, mein Vater?“

„Dass du mir ja keine Kühe schubst und Heuballen schleppst, verstanden?“

„Kuhschubsen? Ich glaube, das ist ein Mythos, das macht niemand wirklich.“

Er seufzte. „Immer schön das eigentliche Thema vermeiden, was?“

„Ich verspreche, dass ich auf mich aufpasse. Wahrscheinlich bin ich sowieso jeden Abend um acht im Bett.“ Sie klappte die Sonnenblende herunter, um ihr Augen-Make-up zu begutachten. „Ich glaube kaum, dass es auf dem Land ein Mitternachts-Martini-Special gibt.“

„Wenn du schon mal da bist, schick mir doch ein paar Bilder vom alten MacDonald und seinem Bio-Bauernhof, damit ich das Shooting im Juli planen kann.“

„Wird gemacht. Und du verlieb dich nicht Hals über Kopf in das nächstbeste Model, während ich weg bin.“

„Ich kann nichts versprechen. Komm lieber schnell zurück. Vielleicht brauche ich bei einer meiner brasilianischen Schönheiten deine fachmännische Meinung.“

„Bleib, wie du bist, Niko“, seufzte Summer. „Wir sehen uns in einer Woche.“

Sie legte auf und gab die Adresse ins GPS ein. Nur drei Stunden bis zu der Kleinstadt namens Blue Moon Bend.

Der unerträgliche Klingelton, der den Anruf seines Bruders ankündigte, unterbrach Carter Pierce in seiner Arbeit. Er warf seine schmutzigen Handschuhe achtlos auf den Boden. „Was?“

„Ich grüße dich auch sehr herzlich.“ Beckett hatte seine Politikerstimme aufgesetzt, was Carter nur noch mehr reizte.

„Ich bin gerade ziemlich beschäftigt“, sagte Carter und strich sich mit dem Handrücken die dunklen Haare aus dem Gesicht.

„Und was beschäftigt dich so?“

„Ein Feld voller Salatköpfe. Dieses Wochenende werden die ersten Gemüsebestellungen abgeholt.“

„Das ist mir klar. Aber ich dachte, die Ernte sei für morgen angesetzt. Ist das nicht der Grund, warum ich mich einen ganzen Nachmittag lang mit deiner haarigen Visage abgeben soll?“

Beckett machte sich andauernd über Carters Bart lustig. Sein glatt rasierter Bruder verstand nicht, dass Gesichtsbehaarung nach ein paar Jahren beim Militär eine besondere Art von Freiheit bedeutete.

„Ich habe die Bewässerungsanlangen überprüft und weil ich schon mal hier bin …“

Beckett unterbrach ihn: „Du solltest deinen Allerwertesten lieber zurück zum Haus bewegen.“

„Warum?“

„Guck mal auf die Uhr.“

Carter wischte die Erde vom Zifferblatt seiner ledernen Armbanduhr. „Verdammt.“

„Beeil dich lieber, du willst doch keinen schlechten ersten Eindruck hinterlassen.“

Carter drückte das amüsierte Lachen seines Bruders weg, schnappte sich seine Handschuhe und sein Werkzeug und sprintete zum Jeep. Wie immer war ihm die Zeit davongerannt. Knietief in Erde, Pflanzen und Sonnenschein hatte er an manchen Tagen das Gefühl, die Zeit stünde still. Er hätte sich einen verdammten Wecker stellen sollen.

Vielleicht kommt sie ja zu spät?

Er legte hastig den Gang ein und raste den Feldweg hinunter zum Haus.

Es war nicht gerade so, als hätte er wenig zu tun. Aber seine Familie hatte beschlossen, eine Woche lang einer Journalistin die Farm und das Leben auf Pierce Acres zu zeigen. Und natürlich hieß das, dass es am Ende an ihm hängenblieb. Eigentlich hätte seine Mutter diejenige sein sollen, die der Stadtmaus die Hand hielt, während sie Kälber streichelte und frischen Salat pflückte. Oder Beckett, der sowieso viel wortgewandter war. Er hätte ihr die idyllische Ansichtskarten-Tour geben und sie abends zum Dinner bei Kerzenschein ausführen sollen. Das hätte garantiert zu einem schwärmerischen Artikel darüber geführt, wie romantisch es doch in Blue Moon war.

Aber nein. Es war an Carter, ihr das Leben auf der Farm näherzubringen. Und er hatte ganz sicher nicht vor, sie wie einen Ehrengast zu behandeln. Ein zusätzliches Paar Hände war ein zusätzliches Paar Hände. Er würde Summer Lentz hart arbeiten lassen und sie mit einem Einblick in das echte Leben hier auf der Farm zurück nach Manhattan schicken.

Er sah das kleine rote Coupé schon von weitem und brachte seinen Jeep abrupt daneben zum Stehen. Ein plötzliches Gefühl von Dringlichkeit trieb ihn aus dem Geländewagen und über den Schotter der Einfahrt. Die Tür zu seinem Haus war nicht abgeschlossen, wie immer. Vielleicht wartete sie drinnen auf ihn.

Als er sie vor der Veranda stehen sah, blieb er wie vom Donner gerührt stehen. Das marineblaue Hemd mit sorgfältig gestärktem Kragen hatte sie feinsäuberlich in ihre schmal geschnittene, graue Hose gesteckt. Die Hose endete ein paar Zentimeter über ihren schlanken Fesseln, wahrscheinlich, um ihre kurzen Wildlederstiefel mit spitzen Absätzen zur Geltung zu bringen. Das glatte Haar hing ihr in einem silbrig blonden Vorhang bis zu den Schultern.

Ihre großen Augen hatten genau dieselbe Farbe wie die Marienglockenblumen im Blumenbeet hinter ihr. Ihre vollen Lippen schimmerten rosa und waren leicht geöffnet, als ob sie eine Frage stellen wollte. Sie sah aus wie eine lebendig gewordene Porzellanpuppe aus der Sammlung seiner Großmutter. Die kleinen Hände hielt sie ineinander verschränkt und ihre Wirbelsäule war so schnurgerade, dass selbst der strengste Feldwebel nichts über ihre Haltung zu mäkeln gehabt hätte.

Wahrscheinlich hatte er sie mit seinem wilden Aussehen zu Tode erschreckt. Carter blieb, wo er war. „Hallo.“

„Hallo.“ Ihre Stimme war butterweich, mit einer gewissen Heiserkeit, die für ein Ziehen in seiner Magengegend sorgte.

So hatte sich Summer einen Farmer nicht vorgestellt. Der Mann vor ihr hatte volles, rabenschwarzes Haar, an den Seiten rücksichtslos kurz geschoren und oben etwas länger. Bärte waren in Manhattan nicht gerade angesagt und bei seinem Anblick fragte sie sich, warum das eigentlich so war. Sein von Gras und Erde verfärbtes Henley-Shirt streckte sich über eine schier endlos breite Brust, die Ärmel hatte er oberhalb seiner muskulösen Unterarme aufgerollt. Er stand breitbeinig da in seinen abgetragenen Jeans, wie bereit zum Kampf.

Sie verfluchte sich dafür, ihr Handy im Auto gelassen zu haben. So groß, braungebrannt und mysteriös wäre er das perfekte Model für Niko. Seine stürmischen Augen sogen ihren Blick geradezu ein, und die Falte zwischen seinen Brauen ließ ihren Puls in die Höhe schnellen.

Sie war hin und weg, dabei hatte er bisher nur ein einziges Wort gesagt. Diese Geschichte ist gerade verdammt interessant geworden, dachte sie.

Sie ging mit ausgestreckter Hand auf ihn zu. „Sind Sie Mr. Pierce?“

Er hielt eine Sekunde lang inne, bevor er ihre Hand mit seiner umschloss. Sein Griff strahlte Stärke aus, wie alles an ihm. Raue Schwielen trafen auf ihre manikürte, gepflegte Hand. Da war etwas zwischen ihnen. Eine Energie, die ihr das Rückgrat hinaufschoss.

„Carter“, sagte er schließlich. „Auf der Farm duzt man sich für gewöhnlich.“

„Summer“, gab sie zurück und erwiderte seinen kräftigen Händedruck so selbstbewusst, wie sie nur konnte. In ihrem beruflichen Umfeld war jeder ein potenzieller Feind, aber Carter Pierce strahlte eine andere Art von Gefahr aus.

Er ließ ihre Hand nicht los, aber die Falte zwischen seinen Brauen verringerte sich allmählich. „Willkommen in Blue Moon Bend, Summer.“

KAPITEL 2

Im Gegensatz zu seinem Besitzer war das Farmhaus von außen genau das, was Summer erwartet hatte: Einstöckig, mit weißen Brettern verkleidet und von einer Veranda gesäumt, entsprach es dem hübschen Stil der Region. Hölzerne Säulen stützten das ausladende blaue Dach. Hier und da sah sie durch die Fenster einen Ventilator, der sich an der lackierten Decke drehte. An den Dachsparren hingen liebevoll gepflegte Pflanzenkörbe, die vor Farnen überquollen. Die für Farmhäuser typische Veranda-Schaukel fehlte natürlich auch nicht. Sie war so gestellt, dass man über die großzügigen Beete und Felder bis zu den Hügeln in der Ferne blicken konnte.

„Komm. Ich zeige dir das Haus“, sagte Carter und führte sie die Verandastufen hinauf.

Sie kam nicht umhin zu bemerken, dass seine schmutzigen Jeans ihm von hinten genauso gut passten wie von vorne. Er zog seine Arbeitsstiefel aus und hielt ihr geduldig die Haustür auf, die zum größten Teil aus Glas bestand. Summer schlüpfte aus ihren Peeptoe-Stiefeletten und stellte sie nach einer kurzen Diskussion mit sich selbst gleich hinter der Glastür ab. Sie war sich nicht sicher, wie frei die Tiere hier gehalten wurden und ob eines von ihnen nicht vielleicht einen Schuhfetisch hatte.

Der Anblick des Foyers ließ sie anerkennend mit dem Kopf nicken. Ein wunderschön geölter Boden aus massiver Eiche zog sich vom Eingangsbereich bis in den hinteren Teil des Hauses. Hier vorne war der ursprüngliche Grundriss intakt, mit einer traditionellen Aufteilung in Ess- und Wohnzimmer, die vom Flur aus erreichbar waren. Aber am Ende des heimeligen Korridors konnte Summer einen lichtdurchfluteten Anbau ausmachen, der alles andere als altbacken wirkte.

„Carter, dein Haus ist wunderschön“, sagte sie und ließ ihren Blick zur Treppe mit ihren abgenutzten Stufen und einem Geländer aus Stahlstreben wandern. „Es hält die perfekte Balance zwischen rustikalen und modernen Elementen. So traditionell, wie es von außen aussieht, hätte ich damit nicht gerechnet.“ Sie drehte sich zu ihm um. Ohne ihre Schuhe musste sie den Kopf in den Nacken legen, um ihm in die Augen sehen zu können.

Er lehnte in der Tür und beobachtete sie wortlos, mit verschränkten Armen.

„Was dagegen, wenn ich mir die Küche ansehe?“ Sie hielt inne und lächelte. „Tut mir leid, ich bin eine furchtbare Schnüfflerin.“

Er zuckte mit seinen breiten Schultern. „Nur zu. Schnüffel, so viel du willst.“

„Das wirst du noch bereuen“, sagte sie und zog eine Augenbraue hoch, bevor sie den Flur hinunter in Richtung der taghellen, offenen Küche ging. Carter folgte ihr mit ein paar Schritten Abstand.

Am Ende des Flurs wartete ein riesiger Raum, dessen Herzstück eine einladende Kücheninsel bildete. Sie war so breit, dass die sechs Barhocker aus gebürstetem Stahl mehr als genug Platz fanden. Die großen Fenster über dem leicht vorstehenden Spülstein aus Edelstahl gaben den Blick auf eine steinerne Scheune und einen kilometerlangen Zaun frei.

Auf der linken Seite, gegenüber der Küche, entdeckte Summer gemütliche Ledersofas, hohe Bücherregale und einen riesigen Flachbildfernseher, der über einem spektakulären Kamin angebracht war. Das offene Dach erinnerte mit seinen mächtigen Streben an eine Kathedrale und lenkte den Blick nach oben, wo Dachfenster zusätzliches Licht in den Raum ließen, als wäre es mit den Glastüren und der beidseitigen Fensterfront nicht hell genug.

Summer stieß einen langen Pfiff aus. „Dieser Raum ist doppelt so groß wie meine ganze Wohnung.“ Sie wandte sich wieder der Küche zu. „Und hier wohnst du ganz allein?“

„Ganz allein.“ Carter ging um die Insel herum zum Kühlschrank. Er warf ihr eine Flasche Wasser zu und nahm sich selbst auch eine. Dann sah er ihren fragenden Blick und runzelte wieder die Stirn. „Was?“

„Ich habe jetzt schon so viele Fragen“, gab sie zu und drehte ihre Flasche auf.

„Warum Zeit verschwenden?“, fragte er achselzuckend. „Schieß los.“

Summer nahm die Einladung an. Sie hüpfte auf einen der Barhocker und verschränkte die Hände. „Kochst du gern? Wieso ist dein Haus so sauber? Hast du hier alles selbst entworfen? Wie groß sind deine Ländereien? Hast du Angestellte? Fühlst du dich manchmal einsam?“

Sein Stirnrunzeln wurde wieder tiefer. „Du schreibst über die Farm, dachte ich.“

„Du bist die Farm.“

Carter behielt seine gequälte Miene bei. Also änderte Summer ihre Taktik. Sie winkte ab. „Vergiss das alles. Fangen wir mit etwas Einfachem an. Was baust du hier an?“

„Wir haben eine weitläufige Obstplantage. Die Äpfel ernten wir im Herbst“, begann Carter. „Außerdem bauen wir so ziemlich alles an, was für die Region üblich ist. Salate, Brokkoli, Radieschen, Tomaten, Paprika, Mais ...“

Summer nickte und achtete darauf, sich alles einzuprägen. „Wir?“

Er schien seine Antwort sorgfältig abzuwägen. Er war vorsichtig, stellte sie fest. Und überhaupt nicht daran interessiert, sich selbst darzustellen, was eine erfrischende Abwechslung zu ihren üblichen Interviewpartnern war. Aber das würde nicht ausreichen. Ein Blick auf Carter und sein Haus, und sie wusste, dass es hier mehr gab als Bio-Äpfel und Maisfelder.

„Ich habe Hilfe“, sagte er kurz angebunden.

Sie würde ihn mit Samthandschuhen anfassen müssen. „Klingt trotzdem nach einem Haufen Arbeit. Hast du auch mal einen Tag frei?“

Carters Lippen zuckten leicht. „Nein. Und du?“

Eine Gegenfrage. Sie lächelte. „Nicht wirklich. Wie viele Tiere werden hier gehalten?“ Sie konnte ihm ansehen, wie er im Kopf nachzählte.

„Vierzehn, wenn man die Hühner mitzählt.“

„Ist das viel?“

„Nein. Wie viele Tiere hast du in New York City?“

„Keine.“ Sie hatte noch nie ein Haustier gehabt. Dafür fehlte ihr sowohl der Platz als auch die Zeit. Und die Aufmerksamkeit. „Ich habe eine Pflanze im Büro. Der hauseigene Pflanzenservice kümmert sich darum. Wie viele Stunden am Tag arbeitest du im Schnitt?“

„Je nach Wetter, Störungen und landwirtschaftlichen Katastrophen … zwischen acht und zwanzig Stunden.“

Summer musste lachen. „Was ist eine landwirtschaftliche Katastrophe?“

„Alles, was den normalen Tagesablauf für mehr als ein paar Stunden stören könnte.“ Sein stählerner Blick war geradewegs auf sie gerichtet, und sie wusste, dass das eine subtile Anspielung war.

„Bin ich eine Störung oder eine Katastrophe?“

Carter musterte sie von oben bis unten. „Das bleibt abzuwarten. Ich tippe auf eine Katastrophe.“

„Schön.“ Summer war es gewohnt, falsch eingeschätzt zu werden. Sie würde ihn umstimmen. Sie würde darauf achten, ihm nicht in die Quere zu kommen. Und sie würde Carter Pierce nach und nach all das entlocken, was sie von ihm brauchte. Sie musste nur ein wenig Fingerspitzengefühl an den Tag legen. „Wie würdest du Pierce Acres beschreiben? Mit einem Wort.“ Sie richtete ihren Blick bewusst aus dem Fenster und hielt den Atem an.

„Zufluchtsort“, sagte er unwirsch. Carter stellte die Wasserflasche auf dem Granit der Arbeitsfläche ab, mit so viel Wucht, dass Summer zusammenzuckte.

Sie spürte bis in ihre Knochen, wie wichtig ihm dieser Ort war. Sie wusste nicht genau, was er meinte, aber dieses eine Wort ließ sie begreifen, dass ihr Artikel und diese ganze Woche mehr sein würden, als sie erwartet hatte.

Er umrundete die Insel. „Wenn du mit deinem Fragespiel fertig bist, gib mir deine Schlüssel. Dann hole ich dein Gepäck und zeige dir dein Zimmer.“

Damit war das Kennenlernen wohl beendet. Summer war noch lange nicht fertig, aber sie biss sich auf die Unterlippe, um die unbändige Neugier zurückzuhalten, die er mit seiner schlichten Antwort bei ihr ausgelöst hatte. Stattdessen übergab sie ihm die Schlüssel des Mietwagens. Für den Bruchteil einer Sekunde umschloss seine Hand ihre, und wieder spürte sie dieses Kribbeln von Energie.

Ohne ein weiteres Wort schlenderte Carter den Flur hinunter und zur Haustür hinaus. Summer seufzte. Normalerweise war sie viel besser darin, Leute bei Interviews zum Auftauen zu bringen. Sein stürmischer Auftritt und das grimmige Stirnrunzeln in diesem unglaublichen Gesicht hatten sie aus der Fassung gebracht. Eines war sicher, im Kopf von Carter Pierce ging eine Menge vor sich. Sie würde abwarten und einen Weg finden, um sein Vertrauen zu gewinnen.

Sie würde ihn knacken. Das tat sie immer.

Carter öffnete den Kofferraum von Summers Auto und stellte den Koffer und die dazugehörige Ledertasche auf der Veranda ab. Wenigstens hatte sie nicht ihre gesamte Garderobe eingepackt. Das gab einen Pluspunkt. Er machte den Kofferraum zu und sah sich um.

Er hatte es ernst gemeint. Die Farm mit ihren sanften Hügeln und den feinsäuberlich eingezäunten Weiden und Feldern war ein Zufluchtsort. Sein Zufluchtsort. Und nun war eine neugierige, attraktive Frau mit tiefblauen Augen eingedrungen. Der Stromstoß, den er beim ersten Händeschütteln verspürt hatte, war direkt auf seine Brust übergesprungen, mitten ins Herz. Er hatte so wenig damit gerechnet, dass er bei der Schlüsselübergabe absichtlich ihre Finger berührt hatte, nur um zu sehen, ob es wieder passieren würde.

Und es war wieder passiert. Er war sich nicht sicher, ob es sich dabei um eine rein körperliche Reaktion handelte oder um etwas anderes. So oder so war es eine Komplikation, für die er keine Zeit hatte. Er hatte hart daran gearbeitet, inneres Gleichgewicht zu finden, und er hatte das Gefühl, dass jemand wie Summer Lentz diese feine Balance mit einem einzigen Lächeln ihrer glänzenden, vollen Lippen zerstören konnte.

Er würde auf Distanz bleiben müssen. Carter beschloss, sich ein wenig mehr Zeit zu nehmen und ihr Auto aus der Einfahrt in die Garage zu versetzen. Er drückte den Startknopf, und zusammen mit dem Motor erwachte auch die Stereoanlage zum Leben. Sie hatte klassische Musik von einer selbst erstellten Wiedergabeliste auf ihrem Handy gehört. Als er erkannte, dass es sich um Beethovens letzte Klaviersonate handelte, war er tief berührt. Es war eines seiner Lieblingsstücke. Als er aus Afghanistan zurückgekommen war, verletzt und gebrochen, hatten die wortlosen Symphonien längst verstorbener Genies seine Seele geheilt, während seine Wunden langsam zu Narben wurden.

Er war ein Mann, der an Zeichen glaubte. Er wusste nur nicht, was er mit diesem hier anfangen sollte.

KAPITEL 3

„Dein Handy lag noch im Auto“, sagte Carter und reichte es Summer, die gerade den von seinem Vater gebauten Esstisch bewunderte. „Ich glaube, du hast allein auf meinem Weg vom Auto hierher fünfzehn Nachrichten und E-Mails bekommen.“

„Danke“, sagte sie und lächelte zu ihm auf. „Das Magazin schläft nie.“ Sie scrollte durch ihre Nachrichten. „Um die kann ich mich später kümmern.“

„Dann zeige ich dir dein Zimmer“, sagte Carter und bedeutete ihr, vor zu gehen. Gemeinsam stiegen sie die altehrwürdige Treppe hinauf. „Es ist die erste Tür rechts.“

Der Raum war einmal sein Kinderzimmer gewesen. Das große Fenster oberhalb des schrägen Verandadachs bot die perfekte Fluchtroute für einen Teenager mit geheimen Plänen. Ein kleineres Seitenfenster gab den Blick auf die gepflegten Weideflächen und die einstöckige Scheune frei. Von Juni bis Oktober scharten sich jeden Samstag Umweltschützer, Bio-Verrückte, Vegetarier und die sonstigen Hippies von Blue Moon um die Scheune, um sich frische Lebensmittel von Pierce Acres zu holen und ein wenig Farmluft zu schnuppern.

Das Doppelbett mit seinem schmiedeeisernen Gestell hatte ihm gehört, genau wie der Schreibtisch unter dem großen Fenster mit Blick auf den Vordergarten. Er legte ihren Koffer auf dem Bett und ihre Laptoptasche auf dem Schreibtisch ab.

„Was für ein bezauberndes Zimmer, Carter. Danke für die Gastfreundschaft“, sagte Summer.

„Glaubst du, dass du ohne die gewohnte Geräuschkulisse aus Verkehr und Sirenen überhaupt einschlafen kannst?“

„Das wird auf jeden Fall eine Herausforderung“, lachte sie.

Er mochte den Klang ihres Lachens und wie es den Raum erfüllte. Erst vor kurzem war ihm aufgefallen, wie still es manchmal in seinem alten Haus war.

„Ich nehme an, du möchtest auch den Rest sehen?“

„Ja, bitte“, sagte sie und riss ihren Blick von dem antiken Bettgestell los.

Er führte sie zurück in den Flur, wo sie ihren Kopf in das gegenüberliegende Zimmer steckte. Es war als Büro eingerichtet, mit einem Schreibtisch, von dem aus man einen fantastischen Blick auf grüne Felder und ein Waldstück hatte.

„Ist das dein Büro?“

„Hauptsächlich. Aber meine Mutter benutzt es auch. Sie bringt uns heute Abend etwas zu essen vorbei, damit sie dich kennenlernen kann.“

„Ich freue mich darauf“, sagte Summer.

„Sie hat aber bestimmt genauso viele Fragen wie du, also sieh dich vor.“

Summer strahlte. „Das merke ich mir.“

„Mom macht die Buchhaltung und die Lohnabrechnungen. Wir denken darüber nach, das obere Stockwerk der Scheune zu renovieren, um dort ein größeres Büro einzurichten. Einen ‚Firmensitz‘, wie sie es nennt.“

„Habt ihr denn viele Mitarbeiter?“, fragte Summer und schlenderte weiter den Flur entlang.

Carter stieß die nächste Tür auf und gab damit den Blick auf ein großzügiges Badezimmer frei. „Joey und ich sind die einzigen, die Vollzeit arbeiten. Sie leitet das Reitprogramm und kümmert sich um die Pferde. Dann haben wir noch ein halbes Dutzend Teilzeitkräfte, die nach Bedarf aushelfen. Mein Bruder Beckett – er kommt heute Abend auch zum Essen – ist ein paar Stunden die Woche da, und meine Mutter packt auch oft mit an.“

„Du hast noch einen dritten Bruder, oder?“

„Jackson“, sagte Carter. „Er ist Drehbuchautor in Los Angeles.“

„Von der Familienfarm nach Hollywood“, murmelte sie und betrachtete den holzgerahmten

Spiegel, der über den zwei Waschbecken hing. „Vermisst er das Landleben?“, fragte sie.

Carter zuckte mit den Schultern. Jackson hatte Blue Moon am Tag vor seinem High-School-Abschluss Hals über Kopf verlassen, um an die Westküste zu fahren. Er hatte bis heute keine Erklärung dafür geliefert, warum. Carter wusste, dass es sie alle noch immer beschäftigte – ihre Mutter, ihn und Beckett, Jacks damalige Freundin Joey. Einige mehr als andere.

Er öffnete eine schmale Tür zu einem Badezimmer, das mit einem Stapel beispielhaft gefalteter Handtücher und allen erdenklichen Kosmetikprodukten gefüllt war. Seine Mutter hatte in Vorbereitung auf Summers Besuch eingekauft. Sie bestand darauf, dass Frauen mehr brauchten als nur Seife und Zahnpasta. „Hier sind die Handtücher und alles andere, was du brauchen könntest.“

Summer beugte sich vor, und er nahm zum ersten Mal ihren dezenten Duft wahr. Etwas Süßes und Leichtes, das seine Sinne reizte. Er trat einen Schritt zurück und führte sie aus dem Bad hinaus.

„Dort drüben ist ein weiteres Schlafzimmer“, sagte er und zeigte auf die letzte Tür auf der rechten Seite. „Und das ist meins.“

Er hatte einen Großteil der Renovierungsarbeiten auf diesen Raum konzentriert. Das restaurierte Giebeldach ging fließend in den Anbau über. Zwei der ursprünglichen Fenster hatte er durch Glastüren ersetzt, die auf einen kleinen Balkon führten. Von hier aus konnte man den Sonnenuntergang beobachten. Das große Bett mit seinem wuchtigen hölzernen Kopfteil war so ausgerichtet, dass man beim Aufwachen den Ausblick genießen konnte.

Der begehbare Kleiderschrank war praktisch leer. Die meisten seiner Jeans und T-Shirts bewahrte er in einer mittig platzierten Kommode auf.

„Ich habe noch nie einen so leeren Kleiderschrank gesehen“, bemerkte Summer. „Und überhaupt. Das ist das sauberste Junggesellen-Schlafzimmer, das mir je untergekommen ist. Du hast nicht einmal schmutzige Socken auf dem Boden. Liegt das am militärischen Drill?“

Carter nickte und tat so, als hätte er ihre Bemerkung über die Schlafzimmer anderer Männer nicht gehört. Er zeigte auf das angrenzende Badezimmer. „Mein Bad ist da drüben.“

„Hat deine Zeit beim Militär deine Einstellung zu Hausarbeit beeinflusst?“

„Das und die Tatsache, dass ich mit einer Mutter aufgewachsen bin, die uns am Samstag nicht vor die Tür gelassen hat, bevor unsere Zimmer picobello waren. Ich habe sehr schnell gelernt, dass ich nicht stundenlang schmutziges Geschirr und Wäsche einsammeln muss, wenn ich unter der Woche Ordnung halte. Man sollte das, was einem gehört, pflegen. Ansonsten kann es vorkommen, dass man Kaugummi von seiner Hockeyausrüstung kratzen muss.“

Summer lachte. „Beckett oder Jackson?“

„Jackson.“

„Eure Mutter hat sicher einige Geschichten zu erzählen, wie es war, euch drei großzuziehen.“

„Wahrscheinlich wirst du heute Abend jede einzelne davon hören“, seufzte Carter.

„Ich kann’s kaum erwarten.“

Carter ließ sie im Haus allein, damit er vor dem Abendessen noch ein paar Dinge erledigen konnte, aber nicht ohne ihr für morgen eine ausführliche Führung durch Felder, Weiden und Stallungen zu versprechen. Summer nutzte die Gelegenheit, um ihren Laptop aufzuklappen und sich E-Mails und Blog-Kommentaren zu widmen.

Zuerst kümmerte sie sich um die beruflichen Nachrichten. Sie bestätigte einem Freiberufler in Rom den Termin für ein Shooting im Rahmen der Oktober-Ausgabe und warf einen letzten Blick auf die Korrekturfahnen eines Artikels über eine junge europäische Designerin, die einen großen transatlantischen Coup plante.

Dann schickte sie Niko eine Nachricht, um ihm mitzuteilen, dass sie gut angekommen und nicht von einem Traktor oder ähnlichem von der Straße gedrängt worden war. Den Blog hob sie sich für den Schluss auf. Seit heute Morgen hatte sie ein gutes Dutzend Follower gewonnen. Außerdem waren einige neue Kommentare dazugekommen. Ihre Chefin, Katherine Ackerman, war skeptisch gewesen, ob es sich lohnen würde, mit ihrem Blog einen Blick hinter die Kulissen von Indulgence zu werfen. Aber der Erfolg beim Publikum sprach für sich. Ihr Blog war das einzige Projekt, bei dem sie ihre eigene Sichtweise formulieren und Dinge ansprechen konnte, die ihr persönlich wichtig waren. Vorausgesetzt, sie hielt sich an die strengen Richtlinien des Magazins in Bezug auf Werbekunden und Designer.

Summer verfasste einen kurzen Beitrag über den Besuch auf Pierce Acres. Es fehlte nur noch eine bildliche Untermalung. Sie stellte sich in den Eingang ihres Zimmers und schoss ein Foto mit ihrem Handy. Im Erdgeschoss hielt sie die Küche und das angrenzende Wohnzimmer in ihrer ganzen malerischen Pracht aus Sonnenschein und Edelstahl fest. Von der Einfahrt aus lichtete sie die Vorderseite des Hauses aus verschiedenen Blickwinkeln ab. Die Schatten wurden allmählich länger, der Nachmittag wich dem Abend. Das sanfte Licht verlieh dem Haus eine gemütliche Atmosphäre.

Zurück an ihrem Schreibtisch legte sie Filter über die Fotos und lud sie dann im Entwurf für den Post hoch. Ein Bild fehlte noch immer. Ihre Follower hatten es verdient, Carter Pierces markantes Gesicht zu sehen. Ein Schnappschuss von ihm würde genügen, um für fieberhaftes Interesse an der Story zu sorgen, dachte sie lächelnd.

Wenn man vom Teufel sprach … Sie hörte ihn auf der Treppe. Einen Moment später stand er auch schon in der Tür. Mit einem Arm stützte er sich am Rahmen ab, mit dem anderen strich er sich den Schmutz von der Stirn.

„Hey. Ich gehe jetzt duschen. Meine Mutter wird bald hier sein und mit den Vorbereitungen fürs Abendessen anfangen. Ich sollte fertig sein, bevor sie da ist, aber sie kommt oft genug zu früh.“

Summer hob kommentarlos ihr Handy und machte ein Foto von ihm.

„Ich werde also nach ihr Ausschau halten“, sagte sie.

„Hast du gerade ein Foto von mir gemacht?“

Summer lächelte unschuldig. „Für den Blog.“

Er stieß sich von der Tür ab und ging. Sie hörte ihn etwas über Blogs und Artikel murmeln.

Während sie gedämpft das Rauschen der Dusche hörte, zog Summer sich schwarze Skinnyjeans und eine weiche graue Tunika mit einem schmeichelhaften Rundhalsausschnitt an. Zufälligerweise passte ihr Oberteil perfekt zu Carters Augen. Ihre Haare fasste sie zu einem unordentlichen Dutt zusammen und schlüpfte in bequeme Ballerinas. Dann legte sie einen dezenten Lidschatten auf und erneuerte ihr Rouge. Der perfekte Look für ein zwangsloses Familienessen.

Summer war auf halbem Weg die Treppe hinunter, als die Haustür aufschwang.

„Hallöchen!“, hörte sie eine fröhliche Stimme rufen.

Carters Mutter kämpfte sich damit ab, einen riesigen Suppentopf durch die Tür zu bugsieren, als Summer bei ihr ankam.

„Kann ich helfen?“

„Das schaffe ich schon, aber du könntest mir die Einkaufstasche vom Rücksitz holen“, sagte die Frau mit einem Grinsen. „Vorstellen können wir uns dann in der Küche.“

Summer eilte nach draußen und fischte die Stofftasche aus der neuwertigen Limousine. Als sie in die Küche kam, war Carters Mutter bereits über den Topf auf dem Herd gebeugt. Sie trug eine grobe Strickjacke und Jeans und hatte eine Brille mit dunklem Rand auf der Nase. Ihr ovales Gesicht wurde von einem geradlinigen Bob mit silbernen Strähnen umrahmt. Sie wirkte fit und modisch, und sie kannte sich offensichtlich gut aus in Carters Küche.

Summer legt die Einkaufstasche auf der Kücheninsel ab.

„Ah! Danke“, sagte Carters Mutter, stattete den Topf noch schnell mit einem Deckel aus und drehte sich dann wieder zu ihr um. „Du musst also Summer Lentz sein.“ Sie streckte ihr eine Hand entgegen, wobei ein Trio von Armbändern klirrte.

Summer nahm ihre Hand. „Das bin ich.“

„Willkommen in Blue Moon Bend. Ich bin Phoebe Pierce. Carters Mutter.“ Ihr Händedruck war genau wie ihr Gesichtsausdruck freundlich und selbstbewusst.

„Mrs. Pierce, es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen. Ich bin so dankbar, hier sein zu dürfen.“

„Nenn mich Phoebe. Die Freude ist ganz unsererseits“, sagte sie und kramte in den Schubladen, bis sie einen Holzlöffel gefunden hatte. „Sind Spaghetti zum Abendessen okay? Carter kriegt nie genug davon.“

„Es riecht jetzt schon unglaublich.“

„Pierce-Familienrezept und Pierce-Familiengemüse. Und, wo ist mein hübscher Ältester?“

„Carter ist oben und duscht.“

„Gut. Dann lernen wir uns kennen, bevor er runterkommt. Wein?“

Summer grinste. Im Gegensatz zu Phoebes Sohn würde es ein Leichtes sein, Informationen aus ihr herauszubekommen. „Gern. Kann ich bei irgendetwas helfen?“

„Wie wär’s, wenn du anfängst, Gemüse für den Salat zu schnippeln? So ziemlich alles, was du im Kühlschrank findest, kommt dafür infrage“, sagte Phoebe und gestikulierte mit einem Laib Knoblauchbrot in Richtung des Ungetüms aus Edelstahl.

Als Carter frisch geduscht die Treppe hinunterkam, fand er seine Mutter und seinen Hausgast lachend und plaudernd in der Küche vor.

„Da ist ja endlich mein Lieblingssohn“, sagte Phoebe und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn auf die Wange zu küssen.

„So nennt sie uns, wenn sie sich gerade nicht an unsere Namen erinnern kann“, erklärte Carter.

Summer war ganz auf das Massaker konzentriert, das sie gerade mit einem seiner schönsten Messer an einer Möhre verübte. Der Anblick ließ ihn eine Grimasse ziehen.

Er ging zu ihr hinüber und legte eine Hand auf ihre verkrampften Finger. „Ich mach das schon. Warum setzt du dich nicht und fängst damit an, meine Mutter zu verhören?“

Ihre langen Wimpern zuckten, ihre Augen wurden noch größer. Er wusste, dass sie es auch spürte. Diesen Stromstoß, der ihn jedes Mal durchfuhr, wenn sich ihre Hände trafen. Sie hatte sich umgezogen und ihre Haare hochgesteckt, so dass die zierliche Kurve ihres Nackens zum Vorschein kam. Ihre vollen Lippen waren mit einem verführerischen, kirschroten Lipgloss betont. Das runde Dekolleté ihres Pullovers wäre jedem, der kleiner war, züchtig erschienen. Aber mit seiner Körpergröße von einem Meter neunzig hatte Carter einen spektakulären … Einblick.

Er runzelte die Stirn. Er war dreißig. Nicht siebzehn. Einen Hausgast anzugaffen, egal wie umwerfend er oder sie auch aussah, war weder akzeptabel noch respektvoll. Doch sie erinnerte ihn daran, dass er sich nicht erinnern konnte, wann er das letzte Mal Sex gehabt hatte. Und das bedeutete, dass es schon viel zu lange her war. Er war beschäftigt gewesen, hatte andere Dinge im Kopf gehabt. Aber seit Summer aufgetaucht war, hatte er nurnochan das Eine gedacht.

Sie übergab ihm das Messer und schubste in ihrer Eile, ihm aus dem Weg zu gehen, beinahe ihr Weinglas um. Carter sah aus dem Augenwinkel das selbstgefällige Lächeln seiner Mutter. Er wusste, dass sie nichts glücklicher machen würde, als ihn bis über beide Ohren verliebt zu sehen. Aber eine bedeutungslose Affäre mit einer Journalistin, die er nie wiedersehen würde? Das kam nicht infrage. Er konzentrierte sich darauf, zu retten, was von der Karotte übrig war, während Summer seine Mutter über die bescheidenen Anfänge der Farm löcherte. Stillschweigend schnippelte er Paprika, Zwiebeln und Rettich.

„Du kannst gut mit dem Messer umgehen“, bemerkte Summer. Sie stibitzte ein Stück Paprika und steckte es sich in den Mund. „Hast du auch das beim Militär gelernt?“

Das laute „Hallo!“ seines Bruders ersparte Carter die Mühe, zu antworten. Beckett schlenderte mit einem Sechserpack Bier in die Küche. Seine frisch geputzten Budapester klapperten auf dem Parkett.

„Hatten wir uns nicht auf einen legeren Dresscode geeinigt?“ Carter musterte Becketts Nadelstreifenhose und sein makelloses Hemd. Sein Bruder war der einzige Mensch, den er kannte, der ein frisch gestärktes weißes Hemd zum Spaghetti-Essen tragen würde. ‚Leger‘ war er wohl dadurch, dass er die Krawatte abgenommen und den obersten Knopf geöffnet hatte. Carter und sein jüngster Bruder Jackson hegten den Verdacht, dass Beckett auch im Bett einen Anzug trug.

„Mach mal halblang“, brummte Beckett. „Mein letzter Klient hat länger gedauert. Hatte ich meine Spaghetti nicht ohne Barthaare bestellt?“

„Jungs!“, sagte Phoebe mit gespieltem Unmut. „Wir haben Gesellschaft.“

Carter konnte auf die Sekunde genau feststellen, wann Beckett Summers Attraktivität registrierte. Seine Augen weiteten sich, und er schaltete sofort in seinen Politiker-Modus um.

„Du musst Summer sein“, sagte er und umschloss galant ihre Hand mit beiden Pranken.

„Und du musst Phoebes Lieblingssohn sein“, witzelte Summer.

„Du hast offenbar eine scharfe Beobachtungsgabe“, grinste er.

„Das soll bei Journalistinnen öfter vorkommen“, murmelte Carter und warf Beckett hinter Summers Rücken einen bösen Blick zu. Sein Bruder starrte sie immer noch an und hielt immer noch ihre Hand.

Carter legte das Messer etwas lauter als nötig auf dem Schneidebrett ab. „Was hast du uns mitgebracht?“

Beckett ließ endlich von Summer ab und stolzierte mit dem Bier um die Insel. „Eine exklusive Auswahl der besten BPs.“

Carter kam ihm am Kühlschrank entgegen und öffnete die Türen.

„Warum hast du mir nicht gesagt, dass sie so umwerfend aussieht?“, zischte Beckett und stieß seinem großen Bruder einen Ellbogen in den Bauch.

„Vergiss es“, murmelte Carter und drängte ihn mit der Schulter zur Seite.

„Du erhebst also Besitzansprüche?“, raunte Beckett.

„Sie ist eine Frau, nicht das letzte Stück Kuchen. Und ja, ich erhebe Besitzansprüche, also lass die Finger von ihr.“

„Hat jemand Kuchen gesagt?“, fragte Summer hoffnungsvoll von der anderen Seite der Kücheninsel.

„Wenn ihr beide mit eurer kleinen Konferenz fertig seid, brauche ich jemanden, der das Knoblauchbrot schneidet.“ In Phoebes Stimme schwang Belustigung mit.

„Das kann ich doch übernehmen“, bot Summer an.

„Nein!“, zischte Carter etwas zu scharf. „Ich mach das schon.“

Er holte einen Behälter mit frischem Spinat aus dem Kühlschrank und gab Beckett noch einen letzten Schubs, bevor er sich wieder der Insel zuwandte.

„Wo ist es?“, rief Beckett, der beinahe in den Tiefen des Kühlschranks untergegangen war. „Wo ist was?“, wollte Summer wissen.

„Jungs und ihr Bier“, seufzte Phoebe und schenkte erst Summer und dann sich selbst Wein nach. „Meine Söhne sind davon besessen, in Eigenregie zu brauen.“

Beckett zog triumphierend eine Flasche ohne Etikett aus dem Gemüsefach. „Du dachtest wohl, du könntest dieses hübsche blonde CP vor mir verstecken.“ Er nahm sich noch zusätzlich ein Bier aus dem Sixpack, das er mitgebracht hatte. Dann öffnete er beide Flaschen und ließ eine von ihnen über den Granit Richtung Carter schlittern.

Beckett nahm einen tiefen Schluck aus seiner Flasche und seufzte. „Fast so gut wie mein IPA.“

„Fast so gut? Dass ich nicht lache.“

„Offensichtlich hat der Bart dir die Geschmacksnerven ruiniert.“

Phoebe zwinkerte Summer zu. „Wenn wir sie nicht irgendwie ablenken, dann geht das den ganzen Abend so.“

„CP und BP? Carter Pierce und Beckett Pierce?“, fragte Summer.

Carter nickte. „Es ist ein ständiger Wettstreit.“

„Darf ich probieren?“, fragte Summer.

War es überhaupt möglich, diesen blauen Augen eine Bitte abzuschlagen? Carter schob ihr seine Flasche zu. „Becketts berühmtes India Pale Ale. Gar nicht mal so schlecht.“

Summer führte die Flasche zum Mund und Carter beobachtete, wie sich ihre Lippen um die gläserne Öffnung legten. Nicht gut. Er bemerkte seinen Fehler sofort und widmete sich pflichtbewusst der Zubereitung des Salats.

Phoebe war inzwischen mit ihrem Teil der Vorbereitungen fertig geworden und setzte sich neben Summer. Dann erzählte sie ihr von der Zeit, in der sie ihren Abschluss in nachhaltiger Landwirtschaft und Ökotrophologie erworben hatte. Den Vater ihrer Jungs hatte sie bei der Recherche für ihre Masterarbeit kennengelernt.

„John Pierce hat nur einen Blick auf mich geworfen und direkt versucht, sich aus dem Staub zu machen. Aber da hatte er die Rechnung ohne mich gemacht.“

„Du wusstest, was du wolltest“, sagte Summer.

„Er hatte diese gefühlvollen, grauen Augen, immer verwuscheltes Haar und die meiste Zeit über ein Stirnrunzeln im Gesicht. Ich habe mich Hals über Kopf verliebt. Und die Mission, die er hier verfolgte, zog mich genauso in ihren Bann wie er. Das, was wir heute unser Zuhause nennen, war damals ein Brachland mit ein paar verrottenden Holzhütten.“

Carter griff zwischen ihnen hindurch, schnappte sich einen Korb für das Knoblauchbrot und begann es aufzuschneiden. „Mom und Dad haben einen jahrhundertealten, dysfunktionalen Milchbetrieb zu dem gemacht, was wir heute Pierce Acres nennen.“

„Und welche Tiere haltet ihr jetzt?“

„Eigentlich betreiben wir keine Tierhaltung im engeren Sinne“, sagte Phoebe. „Wir haben Freilandhühner für Eier und Pferde für das Reitprogramm. Aber alle anderen sind reine Haustiere, und die meisten von ihnen hat Carter vor einem schlimmen Schicksal bewahrt.“

„Mr. Vegetarier hier kann als klassischer Gutmensch keinem hilfebedürftigen kleinen Wesen den Rücken kehren“, sagte Beckett und schnappte sich ein Stück dampfendes Brot.

Carter warf einen Blick auf Summer. Er konnte ihr regelrecht ansehen, wie sie die Informationen innerlich abspeicherte. Das gefiel ihm überhaupt nicht. Letzten Endes würde jedes Gespräch mit ihr darauf hinauslaufen, ihm private Details zu entlocken. Er nahm noch einen Schluck Bier.

„Ich finde immer noch, dass Spaghetti ohne Fleischbällchen ein Sakrileg sind“, seufzte Beckett.

Carter warf ein Stück Brot nach ihm. „Du wirst schon drüber hinwegkommen.“

Es klopfte an der Seitentür und die drei Pierces riefen gleichzeitig ein herzliches „Hereinspaziert!“

Die Tür schwang auf.

Carter verschränkte die Arme. „Joey, wie oft muss ich dir noch sagen, dass du nicht zu klopfen brauchst?“

Die Frau, die die Fliegengittertür hinter sich zu schlagen ließ, hatte die Körpergröße und den stolzen Gang eines Laufstegmodels. Sie trug eine marineblaue Reithose und hohe Stiefel, die ihre ellenlangen Beine betonten. Ihr langärmeliges Polohemd fiel locker über ihre schmalen Hüften und ihr kastanienbraunes Haar war tief im Nacken zu einem strengen, eleganten Pferdeschwanz zurückgebunden. Summer hatte plötzlich das Gefühl, am Set einer Kampagne für Ralph Lauren zu sein.

„Im Gegensatz zu euch, meine Herren, bin ich nicht in einer Scheune aufgewachsen. Außerdem möchte ich bei keinem von euch den Eindruck erwecken, dass ihr ohne Voranmeldung bei mir hereinplatzen könnt“, sagte sie mit einer Stimme, die Summer an eine Jazzsängerin denken ließ.

„Du hättest sie auch in die Scheune gesteckt, wenn du ihre Mutter wärst“, scherzte Phoebe vom Herd aus.

„Kommst du gerade aus der Scheune?“, fragte Carter, scheinbar ohne zu bemerken, dass gerade eine umwerfend schöne Frau sein Haus betreten hatte.

„Ja. Ich bin nach der letzten Reitstunde geblieben, um nach Gonzo zu sehen. Er hat heute ein Vorderbein geschont und ich wollte sichergehen, dass es nichts Ernstes ist. Es geht ihm gut. Er ist einfach nur ein Sensibelchen.“

Joey begrüßte die Familienmitglieder nacheinander. Für Carter und Beckett gab es je einen Kuss auf die Wange und für Phoebe eine feste Umarmung.

„Joey, das ist Summer. Sie schreibt den Artikel über die Farm. Joey ist unsere hauseigene Pferdeflüsterin“, sagte Carter.

Summer reichte ihr die Hand.

Joeys braune Augen wirkten reserviert. „Hi.“

„Es ist schön, dich kennenzulernen“, sagte Summer und hoffte, dass ein freundliches Lächeln sie entwaffnen würde.

Joey ließ ihre Hand los und richtete ihre Aufmerksamkeit auf Phoebe. „Danke für die Einladung.“

Sie war offenbar keine junge Frau der Sorte Bussi-Bussi. Das konnte Summer respektieren.

„Jederzeit, meine Liebe. Ich freue mich immer, wenn du mir hilfst, das Testosteron auszugleichen“, gluckste Phoebe, deren Brille vom dampfenden Topf beschlagen war.

Joey stellte eine abgenutzte Stofftasche auf den Tresen und Beckett stürzte sich auf sie. „Bitte sag mir, dass du Nachtisch mitgebracht hast. Apfelkuchen?“, fragte er hoffnungsvoll.

„Erdnussbuttertorte“, korrigierte sie.

„Die mit den zerbröselten Pralinen obendrauf?“

„Natürlich.“

„Wann hörst du endlich damit auf, deine ganze Zeit mit Pferden zu verbringen, damit du mich heiraten und mir jeden Tag Desserts machen kannst?“, seufzte Beckett.

Joey verdrehte die Augen. „Träum weiter, Herr Bürgermeister. Ich wäre lieber für immer Single als First Lady von Blue Moon.“

„Du bist hier Bürgermeister?“, fragte Summer mit hochgezogenen Augenbrauen. Wenn das kein interessantes kleines Detail war … Beckett musste ein oder zwei Jahre jünger sein als Carter.

Carter grinste. „Bürgermeister und Anwalt. Merkt man das denn nicht an dem Blödsinn, der andauernd aus seinem Mund kommt?“

„Carter Pierce, pass auf, was du sagst“, warnte Phoebe und machte eine Drohgebärde mit dem Salatbesteck.

„Ja, Ma’am“, antwortete Carter zerknirscht.

Beckett zeigte ihm den Stinkefinger, fuhr sich aber schnell mit der Hand durch sein dichtes, dunkles Haar, als Phoebes wachsamer Blick ihn streifte.

„Steck den Finger weg, bevor ich ihn dir breche, Beckett“, bellte sie.

„Ja, Ma’am.“ Er wandte sich wieder an Summer. „Ich bin seit zwei Jahren im Amt.“

Joey zeigte beiläufig mit dem Daumen auf ihn. „Wir hatten die Wahl zwischen unserem Beckett hier und Crazy Fitz aus dem Buchladen. Was man dazu sagen muss: Fitz wollte den Bau eines Atombunkers für alle Einwohner zur Pflicht machen.“ Sie beugte sich vor und fischte ein Stückchen Gurke aus dem Salat.

Phoebe seufzte. „Um Himmels willen – wenn sich hier jeder bedient, können wir genauso gut mit dem Essen anfangen.“

Das gemeinsame Abendessen bot Summer einen genauso unterhaltsamen wie informativen Einblick in das Leben der Familie Pierce. Alle drei – und Joey stand ihnen dabei in nichts nach – unterhielten einander mit einem chaotischen Durcheinander aus Neckereien und Witzen, die teilweise auch auf eigene Kosten gingen. Es war eine rasante Dynamik, die sich daraus ergab, dass sie seit Jahren ihr Leben miteinander teilten und alles übereinander wussten. Man fiel sich prustend ins Wort, wagte Gegenangriffe und steckte Niederlagen mit noch mehr Gelächter ein. Erst beim Dessert achtete Summer wieder darauf, was sie da gerade eigentlich aß.

Sie lehnte sich genüsslich in ihrem bequemen Stuhl zurück und versuchte, all die Vertrautheit, die von dieser kleinen Gruppe Menschen ausging, in sich aufzunehmen. Den Moment festzuhalten. Ihre eigene Familie hatte seit Jahren kein annähernd so ungezwungenes Verhältnis mehr. Es war erfrischend zu beobachten, wie frei und liebevoll die Pierces miteinander umgingen. Wie sehr sie darauf vertrauten, dass die anderen nur ihr Bestes im Sinn hatten.

Summer versuchte, allen gleich viel Aufmerksamkeit zu schenken, aber ihre Augen wanderten wie von allein alle paar Sekunden zu Carter. Nach der Dusche hatte er eine saubere Jeans angezogen und sich ein langärmeliges Shirt übergestreift, unter dem sich jede Muskelgruppe definiert abzeichnete. Aber sein Gesicht war mindestens genauso faszinierend. Seine linke Augenbraue war von einer Narbe gespalten, die sich über seine gesamte Schläfe erstreckte, beinahe bis hin zum Haaransatz. Er sah aus wie ein Krieger. Wo Beckett glatt und höflich war, war Carter ungeschliffen und rau. Er hatte etwas an sich, das sie fesselte. Ging das über sein attraktives Äußeres und ihren Wunsch, seine Geschichte zu erfahren, hinaus? Sie sah ihn gern an, lauschte gern dem durchdringenden Bass seiner Stimme. Und im Moment würde sie es dabei belassen. Sie war hier, um eine Story zu schreiben, eine Story über Farm und Familie. Nicht, um sich ihm an den Hals zu werfen.

Nachdem die Küche wieder auf Vordermann gebracht worden war – woran sich jeder ungefragt beteiligte –, türmte Phoebe einen beträchtlichen Stapel an Fotoalben auf dem Esstisch auf. „Ich dachte mir, du würdest bestimmt gern sehen, wie alles angefangen hat“, sagte sie und ließ sich auf den Stuhl neben Summer fallen.

Die Fotos waren mit der Zeit verblasst, manche waren verwackelt. Aber Summer hatte keine Probleme, die hoffnungsvollen, beschwingten Anfänge eines Lebens auf dem Land aus ihnen herauszulesen.

John Pierce war eine Erscheinung, groß und eindrucksvoll. Phoebe beschrieb ihn als hingebungsvollen Ehemann und Vater, der eine ruhige, geduldige Art gehabt hatte, mit dem Land und den Tieren umzugehen. Sie beteuerte, dass es nichts gegeben hätte, das unter seinen Händen nicht aufgeblüht wäre.

„Ihr Jungs seht eurem Vater so ähnlich“, seufzte Phoebe und legte jedem ihrer Söhne eine Hand an die Wange. Die beiden hatten sich über ihre Schultern gebeugt, um das Album besser sehen zu können. „Er wäre so stolz auf euch.“

Carter küsste ihr die Hand. „Ich glaube, du hattest genug Wein. Er macht dich rührselig“, stichelte er.

Joey schenkte ihr gleich noch mehr ein.

„Oh, seht mal, hier seid ihr alle drei“, sagte Phoebe und zeigte auf ein Bild von drei kleinen Jungs mit tiefschwarzem Haar. Sie waren von blauen Flecken und Grasflecken in allen Größen und Schattierungen übersät. „Und hier ist eins von dir und Jack, Joey.“

Joey sah nicht hin, aber Summer prägte sich die Szene genau ein. Im Vordergrund stand ein kleiner Junge, quasi eine Miniaturversion von Carter, der die Leine eines Ponys hielt. Auf dessen Rücken saß ein kleines Mädchen. Sie hatte ein breites Grinsen im Gesicht.

„Ich hatte ganz vergessen, wie gut er mit Pferden umgehen kann“, sagte Phoebe und strich mit dem Finger über das Bild.

Joey schob völlig unvermittelt ihren Stuhl zurück und stand auf. „Danke für das Abendessen, Leute. Ich muss morgen früh raus.“ Damit stolzierte sie aus dem Zimmer. Die Tür fiel ins Schloss.

Phoebe seufzte.

„Es ist jetzt acht Jahre her“, sagte Beckett. „Sollte es nicht irgendwann aufhören, wehzutun?“

„Die Zeit heilt nicht alle Wunden“, sagte Carter, nahm einen tiefen Schluck von seinem Bier und legte seiner Mutter eine Hand auf die Schulter.

Phoebe hielt sich an seinem Unterarm fest. „Das tut mir leid, Summer. Jack und Joey waren ihre gesamte Schulzeit hindurch zusammen, weißt du? Aber ihre Beziehung nahm, wie das so oft der Fall ist, leider kein Happy End … Er ist mitten in der Nacht abgehauen. Ohne Erklärung. ‚Ich gehe nach Kalifornien’, mehr hat er nicht gesagt. Wir haben ihn erst im darauffolgenden Jahr wiedergesehen, zu Weihnachten. Joey ist er bis heute nicht unter die Augen getreten.“

„Mom, ich glaube nicht, dass Summer diese ganzen Hintergrundinformationen braucht“, protestierte Carter.

„Und Joey würde es gar nicht gefallen, wennwir hier rumsitzen und sie bemitleiden“, fügte Beckett hinzu.

Phoebe klappte das Fotoalbum zu. „Wenigstens weißt du jetzt, dass bei Joey Fragen über den dritten Pierce-Bruder tabu sind. Wenn Nummer eins und zwei mir helfen, meine Sachen zum Auto zu tragen, gehe ich jetzt nach Hause, um mir eine besonders weite Schlafanzughose anzuziehen.“

KAPITEL 4

Carter rechnete es Summer hoch an, dass sie pünktlich um sechs Uhr morgens aus den Federn kroch. In Manhattan war das ganz sicher nicht gang und gäbe. Das strahlende Lächeln auf ihrem ungeschminkten Gesicht verstärkte den positiven Eindruck noch.

„Guten Morgen.“ Ihre Stimme klang noch etwas heiser, aber ihre Augen leuchteten.

„Morgen“, sagte er und holte eine zweite Tasse aus dem Schrank. „Kaffee?“

„Alles, was du hast, und noch mehr“, sagte sie und streckte ihre Finger sehnsüchtig nach der Tasse aus.

Carter schenkte ihr ein. „Milch und Sahne findest du im Kühlschrank, der Zucker steht auf der Theke.“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich arbeite für ein Modemagazin. Wenn man schon flüssige Kalorien zu sich nimmt, dann in Form von Schnaps, nicht Sahne und Zucker.“

Sie hatte ihr silbrig-blondes Haar zu einem sportlichen Pferdeschwanz zusammengebunden. Ihre Designerjeans steckten in nagelneuen Wanderstiefeln. Viel zu adrett für einen Arbeitstag auf der Farm.

„Wie lange hast du diese Stiefel schon?“, fragte er.

„Die sind ganz neu. Gefallen sie dir?“

Carter schüttelte den Kopf. „Du wirst den ganzen Tag auf den Beinen sein, in brandneuen Schuhen.“

Sie winkte ab. „Wenn ich täglich dreizehn Stunden in Stöckelschuhen aushalte, dann wird das hier ein Klacks.“

Er zog eine Augenbraue hoch. „Sag hinterher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.“

„Bist du morgens immer so auf Krawall gebürstet?“, fragte sie und warf ihm über ihre Tasse hinweg einen herausfordernden Blick zu.

Nicht immer, dachte er. Aber wenn man sich die ganze Nacht hin und her gewälzt und versucht hatte, nicht an ein gewisses blondes Püppchen am Ende des Flurs zu denken, dann war es tatsächlich schwer, den richtigen Ton zu treffen.

„Wie magst du deine Eier?“, fragte er, ohne ihrer Frage weitere Beachtung zu schenken.