Ein Rückblick aus dem Jahre 2000 auf 1887 - Edward Bellamy - E-Book
SONDERANGEBOT

Ein Rückblick aus dem Jahre 2000 auf 1887 E-Book

Bellamy Edward

0,0
1,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 0,00 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

In 'Ein Rückblick aus dem Jahre 2000 auf 1887' von Edward Bellamy wird der Leser in eine utopische Zukunft versetzt, die als Antwort auf die sozialen Probleme des späten 19. Jahrhunderts dargestellt wird. Bellamy präsentiert eine Gesellschaft, in der Gleichheit und Solidarität herrschen, und zeigt dabei die potenziellen Auswirkungen sozialer Reformen. Der Autor verwendet einen klaren und prägnanten Stil, der es dem Leser ermöglicht, tief in diese fiktive Welt einzutauchen und über die Möglichkeiten einer gerechteren Gesellschaft nachzudenken. Dieses Buch gilt als wegweisend für den utopischen Roman des späten 19. Jahrhunderts und bietet wichtige Einsichten in die sozialen und politischen Herausforderungen dieser Zeit. Edward Bellamy war ein amerikanischer Schriftsteller und Sozialreformer, der durch seine visionären Ideen und sein Engagement für soziale Gerechtigkeit bekannt wurde. Seine Erfahrungen im Kampf gegen soziale Ungleichheit inspirierten ihn, 'Ein Rückblick aus dem Jahre 2000 auf 1887' zu schreiben, um seine Leser zum Nachdenken über alternative Gesellschaftsmodelle anzuregen. Bellamy's Werk wurde von zeitgenössischen Kritikern und Lesern gleichermaßen geschätzt und beeinflusste die politischen Debatten seiner Zeit. Für Leser, die an sozialen Reformen, Utopien und politischer Literatur interessiert sind, ist 'Ein Rückblick aus dem Jahre 2000 auf 1887' ein absoluter Pflichtkauf. Bellamy's visionäre Darstellung einer gerechteren Gesellschaft und die scharfsinnigen Analysen der sozialen Probleme des 19. Jahrhunderts machen dieses Buch zu einem zeitlosen Klassiker, der bis heute relevant ist.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Edward Bellamy

Ein Rückblick aus dem Jahre 2000 auf 1887

Eein utopischer Science-Fiction Roman und eine Vorlage für Autoren wie Aldous Huxley und George Orwell

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-1364-1

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung des Herausgebers.
Vorwort.
Erstes Kapitel.
Zweites Kapitel.
Drittes Kapitel.
Viertes Kapitel.
Fünftes Kapitel.
Sechstes Kapitel.
Siebentes Kapitel.
Achtes Kapitel.
Neuntes Kapitel.
Zehntes Kapitel.
Elftes Kapitel.
Zwölftes Kapitel.
Dreizehntes Kapitel.
Vierzehntes Kapitel.
Fünfzehntes Kapitel.
Sechzehntes Kapitel.
Siebzehntes Kapitel.
Achtzehntes Kapitel.
Neunzehntes Kapitel
Zwanzigstes Kapitel.
Einundzwanzigstes Kapitel.
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Dreiundzwanzigstes Kapitel
Vierundzwanzigstes Kapitel.
Fünfundzwanzigstes Kapitel.
Sechsundzwanzigstes Kapitel.
Siebenundzwanzigstes Kapitel.
Achtundzwanzigstes Kapitel.

Vorbemerkung des Herausgebers.

Inhaltsverzeichnis

Ein Freund sagte mir einmal, heutzutage könnte man keine gute Utopie mehr schreiben. Bald darauf lernte ich Bellamys »Rückblick« (»Looking backward«) kennen, und ich mußte an jenes Wort denken. Mir schien, daß dieses Werk sich den berühmten Utopien der Vergangenheit, wie Thomas Morus »Utopia« (deutsch in der Universal-Bibliothek, Nr. 513, 514), Bacons »Neue Atlantis« und Campanellas »Sonnenstaat« wohl zur Seite stellen lasse. Noch keine derartige Schrift hat einen so erstaunlichen Erfolg gehabt, wie diese: sie ist vor ungefähr zwei Jahren veröffentlicht worden, und bereits liegt das 301. Tausend des amerikanischen Originals und die 21. Auflage des englischen Nachdrucks vor. Da wir bisher nur eine verstümmelte und eine unlesbare deutsche Übersetzung dieses Buches besaßen, erschien es mir wünschenswert, dem deutschen Publikum eine brauchbare zu verschaffen, und ich hoffe, daß die vorliegende eine ist. Von socialistischer sowohl wie von entgegengesetzter Seite sind gegen das Werk viele Einwendungen erhoben worden, und sicherlich unterliegt es nicht wenigen; aber ich glaube, es enthält tiefe ethische Wahrheiten.

Berlin, im Februar 1890.

Georg von Gizycki.

Vorwort.

Inhaltsverzeichnis

Historische Sektion der Shawmut-Universität in Boston, am 26. Dezember 2000.

Für uns, die wir im letzten Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts leben und uns der Segnungen einer socialen Ordnung erfreuen, die so einfach und zugleich so logisch ist, daß sie nur der Triumph des gesunden Menschenverstandes zu sein scheint, ist es sicherlich, sofern wir nicht ausgedehnte geschichtliche Studien getrieben haben, schwer uns vorzustellen, daß die gegenwärtige Ordnung der Gesellschaft in ihrer Vollkommenheit weniger als hundert Jahre alt ist. Keine geschichtliche Thatsache ist jedoch besser bewiesen als die, daß es noch bis fast zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts allgemeiner Glaube war, die alte industrielle Ordnung mit allen ihren schlimmen Folgen sei bestimmt, – möglicherweise mit einigen kleinen Ausbesserungen, – bis ans Ende der Tage zu dauern. Wie seltsam und beinahe unglaublich erscheint es, daß eine so wunderbare moralische und materielle Umwandlung wie die, welche seitdem stattgefunden hat, in einem so kurzen Zeitraum hat vollbracht werden können! Die Leichtigkeit, womit die Leute sich, als an etwas Selbstverständliches, an Verbesserungen ihrer Lage gewöhnen, welche, als man zuerst an sie dachte, nichts zu wünschen übrig zu lassen schienen, hätte nicht schlagender bewiesen werden können. Welche Betrachtung könnte besser geeignet sein als diese, den Enthusiasmus von Weltverbesserern zu dämpfen, welche auf die lebhafte Dankbarkeit künftiger Geschlechter rechnen?

Der Zweck dieses Buches ist, solchen Personen beizustehen, die eine bestimmtere Vorstellung von den socialen Gegensätzen zwischen dem neunzehnten und dem zwanzigsten Jahrhundert zu erlangen wünschen, jedoch vor dem trockenen Anblick der Geschichtsdarstellungen, welche den Gegenstand behandeln, erschrecken. Gewarnt durch seine Erfahrung als Lehrer, daß nüchternes Studium für gar ermüdend gilt, hat der Verfasser den belehrenden Ton des Buches dadurch zu mildern gesucht, daß er dasselbe in die Form eines Romans gebracht hat, welcher, wie er gern glauben möchte, auch an sich selbst nicht ohne jedes Interesse ist.

Der Leser, dem unsere modernen socialen Einrichtungen und deren zu Grunde liegende Prinzipien etwas so Selbstverständliches sind, mag zuweilen Dr. Leetes Erklärungen derselben ziemlich alltäglich finden; aber man muß dessen eingedenk bleiben, daß sie dem Gaste des Dr. Leete nicht selbstverständlich waren, und daß dieses Buch zu dem ausdrücklichen Zwecke geschrieben ist, den Leser für den Augenblick vergessen zu lassen, daß sie es für ihn sind. Noch ein Wort. Das fast allgemeine Thema der Schriftsteller und Redner, welche diese zweitausendjährige Epoche gefeiert haben, ist die Zukunft und nicht die Vergangenheit gewesen; nicht der Fortschritt, der gemacht worden ist, sondern der Fortschritt, der noch zu machen ist, immer vorwärts und aufwärts, bis das Menschengeschlecht seine unbeschreibbare Bestimmung erreicht hat. Das ist gut, ganz gut; aber es scheint mir, daß wir nirgends einen festeren Grund für kühne Ahnungen menschlicher Entwicklung während der nächsten tausend Jahre finden können, als indem wir auf den Fortschritt der letzten hundert einen »Rückblick« werfen.

Daß dieses Buch so glücklich sein möchte, Leser zu finden, deren Interesse an dem Gegenstande sie die Mängel der Behandlung übersehen lassen wird, ist die Hoffnung, mit welcher der Verfasser beiseite tritt und Herrn Julian West überläßt, für sich selbst zu sprechen.

Erstes Kapitel.

Inhaltsverzeichnis

Ich erblickte das Licht der Welt in Boston im Jahre 1857. »Was!« sagt der geehrte Leser, »1857? Das ist ein sonderbarer Fehler, er meint natürlich 1957.« Ich bitte um Entschuldigung, aber es ist kein Irrtum. Es war ungefähr vier Uhr nachmittags am 26. Dezember, einen Tag nach Weihnachten, im Jahre 1857, nicht 1957, als ich zum erstenmale den Ostwind Bostons einatmete, welcher, wie ich dem Leser versichern kann, in jener vergangenen Zeit sich durch die nämliche Ein- und Zudringlichkeit auszeichnete, wie im gegenwärtigen Jahre des Heils 2000.

Diese Auskunft über meine Geburt wird augenscheinlich jedem so verkehrt vorkommen, zumal wenn ich hinzufüge, daß ich dem Anscheine nach ein Mann von ungefähr dreißig Jahren bin, daß niemand getadelt werden kann, wenn er ohne weiteres ein Buch beiseite legt, welches in so hohem Grade seine Leichtgläubigkeit auf die Probe zu stellen verspricht. Nichtsdestoweniger versichere ich dem Leser in vollem Ernste, daß es nicht in meiner Absicht liegt, ihn zu hintergehen, und ich werde versuchen, ihn davon vollständig zu überzeugen, wenn er mir nur noch eine kurze Weile Gehör giebt. Wenn es mir daher erlaubt ist, auf das Versprechen hin, daß ich meine Aussage rechtfertigen werde, anzunehmen, daß ich besser weiß als der Leser, wann ich geboren bin, so will ich meine Erzählung fortsetzen. Jeder Schulknabe weiß, daß gegen das Ende des neunzehnten Jahrhunderts weder eine Civilisation, wie sie heute vorhanden, noch irgend eine ihr ähnliche, existierte, obgleich die Elemente, durch welche sie entwickelt wurde, bereits in Gährung begriffen waren. Nichts jedoch hatte sich ereignet, die seit undenklichen Zeiten vorhandene Spaltung der Gesellschaft in die vier Klassen – oder Nationen, wie sie schicklicher genannt werden können – abzuändern. In der That, die Unterschiede zwischen denselben waren bei weitem größer als diejenigen, welche heut zwischen den Nationen bestehen, die Unterschiede nämlich zwischen den Reichen und den Armen, den Gebildeten und den Unwissenden. Ich selbst war reich und auch gebildet und besaß daher alle Vorbedingungen für das Glück, dessen sich die am meisten vom Schicksal Begünstigten in jenem Zeitalter erfreuten. Ich lebte im Luxus und beschäftigte mich nur mit den Vergnügungen und Annehmlichkeiten des Lebens. Die Mittel zu meinem Unterhalte empfing ich durch die Arbeit anderer, obgleich ich nicht den geringsten Dienst als Äquivalent dafür leistete. Meine Eltern und Großeltern hatten in derselben Weise gelebt, und ich erwartete, daß meine Nachkommen, wenn ich deren hätte, sich einer ähnlichen, leichten Existenz erfreuen würden.

Der Leser fragt, wie ich denn leben konnte, ohne der Welt irgend einen Dienst zu leisten. Warum sollte die Welt jemanden im Nichtsthun unterhalten, der fähig war, Dienste zu leisten? Die Antwort ist, daß mein Urgroßvater eine Summe Geldes aufgespeichert hatte, von welcher seine Nachkommen seitdem stets gelebt hatten. Man wird natürlich schließen, daß diese Summe sehr groß gewesen sein müsse, um nicht durch den Unterhalt dreier nichtsthuender Generationen erschöpft worden zu sein. Dies jedoch war nicht der Fall. Die Summe war anfänglich nicht groß gewesen. Sie war tatsächlich viel größer jetzt, nachdem sie drei Geschlechter in Trägheit erhalten hatte, als sie zuerst gewesen war. Dieses Geheimnis eines Gebrauches ohne Verzehrung, einer Wärme ohne Verbrennung, erscheint fast wie Zauberei; aber es war nichts weiter als eine schlaue Anwendung der Kunst, welche glücklicherweise jetzt verloren gegangen ist, von unsern Vorfahren aber zu großer Vollkommenheit gebracht worden war: der Kunst, die Last des eigenen Unterhalts auf die Schultern anderer zu wälzen. Wer dies erreicht hatte, – und es war das Ziel, nach dem alle strebten, – der lebte, so sagte man, von den Zinsen seines Kapitals. Es würde uns zu sehr aufhalten, hier zu erklären, wie die alte Gesellschaftsordnung dies möglich machte; ich will nur bemerken, daß die Zinsen eines Kapitals eine Art beständiger Steuer waren, welche die Geld besitzenden Personen von der Produktion der gewerbthätigen Arbeiter erhoben. Es muß nicht vorausgesetzt werden, daß eine Einrichtung, die so unnatürlich und absurd nach unseren modernen Anschauungen ist, niemals von unseren Voreltern kritisiert worden sei; im Gegenteil, es war seit den ältesten Zeiten stets das Ziel von Gesetzgebern und Propheten gewesen, den Zins abzuschaffen, oder ihn wenigstens zu dem möglichst geringen Fuße herunterzubringen. Alle diese Bestrebungen waren jedoch ohne Erfolg geblieben, wie sie es natürlicherweise mußten, so lange die alte sociale Organisation herrschte. Zu der Zeit, über welche ich schreibe, am Ende des neunzehnten Jahrhunderts, hatten die Regierungen meistens den Versuch aufgegeben, diesen Gegenstand überhaupt zu regeln.

Um dem Leser einen allgemeinen Einblick in die Art und Weise zu geben, wie die Menschen in jenen Tagen zusammenlebten und wie im besonderen die Beziehungen der Reichen und der Armen zu einander waren, kann ich vielleicht nichts Besseres thun, als die Gesellschaft, wie sie damals war, mit einer riesenhaften Kutsche zu vergleichen, vor welche die Massen der Menschen gespannt waren, um sie mühselig auf einer sehr hügeligen und sandigen Straße dahin zu schleppen. Der Kutscher war der Hunger, und er verstattete keine Rast; dennoch kam man nur sehr langsam vorwärts. Ungeachtet der Schwierigkeiten, diese Kutsche auf einer so mühseligen Bahn vorwärts zu bringen, war das Verdeck des Wagens mit Passagieren gefüllt, die niemals abstiegen, selbst nicht an den steilsten Stellen. Die Decksitze waren sehr luftig und angenehm. Sie waren außer Bereich des Staubes, und die Inhaber konnten sich mit Muße der Scenerie erfreuen oder über die Verdienste des sich anstrengenden Vorspannes ihre kritischen Bemerkungen machen. Solche Plätze waren natürlicherweise sehr begehrt, und der Mitbewerb um dieselben war sehr hitzig, da jeder es als seine erste Lebensaufgabe betrachtete, einen Sitz auf dem Wagen für sich selbst zu erlangen und ihn seinem Kinde zu hinterlassen. Nach dem Kutschenreglement konnte jeder seinen Sitz überlassen, wem er wollte; aber andererseits gab es manche Zufälle, durch welche ein Sitz jederzeit völlig verloren werden konnte. Denn obschon diese Sitze sehr bequem waren, so waren sie doch sehr unsicher, und bei jedem plötzlichen Stoße der Kutsche flogen Personen aus ihnen und fielen zu Boden, Wo sie sogleich gezwungen wurden, den Strick zu ergreifen und die Kutsche, in welcher sie noch kurz zuvor so angenehm gefahren waren, fortziehen zu helfen. Es wurde natürlich für ein schreckliches Unglück gehalten, seinen Sitz zu verlieren, und die Besorgnis, daß dies ihnen oder den Ihrigen begegnen könnte, lastete stets wie eine Wolke auf dem Glücke derer, welche fuhren.

Aber man fragt: Dachten diese Leute nur allein an sich? Wurde nicht gerade ihr Luxus ihnen dadurch unerträglich gemacht, daß sie ihn mit dem Lose ihrer Brüder und Schwestern verglichen, die an den Wagen gespannt waren, oder durch die Erkenntnis, daß ihr eigenes Gewicht zu deren Beschwerden beitrage? Hatten sie kein Mitleid mit ihren Mitgeschöpfen, von welchen nur der glückliche Zufall sie unterschied? O ja; Mitleid wurde oft gezeigt von denen, welche fuhren, für die, welche den Wagen zu ziehen hatten, besonders, wenn er, was immer wieder geschah, an eine schlimme Stelle in der Straße geriet, oder an einen besonders steilen Hügel gelangte. Zu solchen Zeiten boten die verzweifelten Anstrengungen des Vorspannes, das krampfhafte Springen und Zurückfallen der Ziehenden unter den unbarmherzigen Peitschenhieben des Hungers, die vielen, welche ohnmächtig am Stricke niederstürzten und in den Kot getreten wurden, einen sehr peinlichen Anblick, welcher oft höchst anerkennungswerte Gefühlsäußerungen auf dem Verdecke der Kutsche hervorrief. Zu solchen Zeiten pflegten die Passagiere von oben herab ermutigend den sich am Stricke Mühenden zuzurufen, sie zur Geduld zu ermahnen, ihnen Hoffnungen zu machen auf eine mögliche Entschädigung in einer andern Welt für die Mühsal ihres Loses, während andere zusammenschossen, um Salben und Einreibungen für die Verwundeten und Verstümmelten zu kaufen. Man kam darin überein, daß es sehr zu bedauern wäre, daß der Wagen so schwer zu ziehen sei, und ein Gefühl allgemeiner Erleichterung trat ein, wenn das besonders schlechte Stück Weges überwunden war. Dieses Gefühl der Erleichterung war freilich nicht ganz dem Mitgefühl mit den Ziehenden zuzuschreiben; denn es lag ja stets einige Gefahr vor, daß an solch schlimmen Plätzen der Wagen ganz und gar umgeworfen werden und sie alle ihre Sitze verlieren könnten.

Es muß in Wahrheit zugestanden werden, daß die Hauptwirkung des Anblicks des Elendes der sich am Seile Abmühenden die war, die Passagiere den Wert ihrer Sitze auf dem Wagen noch stärker empfinden zu machen und sie zu veranlassen, sich an dieselben noch verzweifelter festzuklammern. Wenn die Passagiere nur sicher gewesen wären, daß weder sie noch die Ihrigen jemals herunterfallen würden, so ist es wahrscheinlich, daß sie, abgesehen von ihrer Beisteuer zu den Sammlungen für Salben und Bandagen, sich äußerst wenig um die gekümmert haben würden, die den Wagen schleppten.

Ich weiß wohl, daß dies den Männern und Frauen des zwanzigsten Jahrhunderts als eine unerhörte Unmenschlichkeit erscheinen muß; aber es giebt zwei Thatsachen, beide höchst merkwürdig, die diese Abgestumpftheit zum Teil erklären. Erstens wurde fest und aufrichtig geglaubt, daß es keine andere Weise gäbe, in welcher die menschliche Gesellschaft vorwärts kommen könne, als daß die Menge an dem Seile zöge und die Wenigen führen, und nicht nur dies, sondern auch, daß selbst keine sehr radikale Verbesserung möglich wäre, weder in Bezug auf das Geschirr, die Kutsche, die Straße, noch in der Verteilung der Arbeit. Es wäre immer so gewesen, wie es war, und es würde immer so bleiben. Es sei zu beklagen; aber es sei nicht zu ändern, und die Philosophie verbiete, Mitleid zu verschwenden an Dinge, für die es keine Abhilfe giebt.

Die andere Thatsache ist noch merkwürdiger und bestand in einer sonderbaren Einbildung, welche die auf dem Verdecke des Wagens in der Regel hatten: nämlich, daß sie ihren Brüdern und Schwestern, welche an dem Stricke zogen, nicht genau glichen, sondern aus feinerem Thon wären und gewissermaßen zu einer höheren Klasse von Wesen gehörten, welche mit Recht erwarten durfte, gezogen zu werden. Dies erscheint unerklärlich, aber da ich einst selbst in dem nämlichen Wagen gefahren bin und jene Einbildung geteilt habe, so darf man mir schon Glauben schenken. Das sonderbarste bei dieser Einbildung war, daß diejenigen, welche soeben erst vom Boden zu einem Sitze hinaufgeklettert waren, davon ergriffen wurden, bevor noch die Schwielen, die das Seil an ihren Händen verursacht hatte, verschwunden waren. Die Überzeugung derjenigen, deren Eltern und Großeltern bereits so glücklich gewesen waren, ihre Sitze auf dem Wagen zu behaupten, daß ein wesentlicher Unterschied zwischen ihrer Art des Menschentums und dem gemeinen Artikel bestände, war absolut. Es ist ersichtlich, daß das Resultat einer solchen Einbildung dies sein mußte, das Mitgefühl für die Leiden der Masse in ein entferntes philosophisches Mitleid herunterzustimmen. Hierauf berufe ich mich als auf die einzige Entschuldigung, die ich für die Gleichgültigkeit anführen kann, welche in der Periode, über die ich schreibe, meine eigne Stellung zum Elende meiner Brüder kennzeichnete. –

1887 erreichte ich mein dreißigstes Jahr. Ich war noch unverheiratet, jedoch mit Edith Bartlett verlobt. Sie fuhr, wie ich, auf dem Decke des Wagens, oder mit anderen Worten, – damit wir uns nicht länger mit dem Vergleiche aufzuhalten haben, der, wie ich hoffe, seinen Zweck erfüllt hat, dem Leser einen allgemeinen Eindruck zu geben, wie wir damals lebten, – ihre Familie war reich. In jenem Zeitalter, als Geld allein alles gewährte, was angenehm im Leben war und zur Kultur gehörte, war es genug, daß ein Mädchen reich war, um ihr Bewerber zu verschaffen; Edith Bartlett war aber auch zugleich schön und anmutig.

Ich weiß, daß meine Leserinnen dagegen protestieren werden. »Hübsch mag sie wohl gewesen sein,« höre ich sie sagen, »aber anmutig nimmer, in der Kleidung, welche zur damaligen Zeit Mode war, als die Kopfbedeckung ein fußhohes schwindelndes Gebäude war und die beinahe unglaubliche Ausbauschung des Kleides hinten, hergestellt durch eine künstliche Vorrichtung, die Gestalt mehr verunmenschlichte als irgend eine frühere Erfindung der Schneiderinnen. Kann man sich jemanden in einem solchen Kostüm als anmutig vorstellen?« Der Einwand ist sehr gut, und ich kann nur erwidern, daß, während die Damen des zwanzigsten Jahrhunderts holde Beweise der Wirkung schicklicher Gewänder, die weibliche Anmut hervorzuheben, sind, mich dennoch meine Erinnerung an deren Urgroßmütter zu behaupten in den Stand setzt, daß keine Unförmlichkeit der Kleidung das weibliche Geschlecht gänzlich zu entstellen vermag.

Unsere Hochzeit sollte stattfinden, sobald das Haus fertig geworden, welches ich für unseren Gebrauch in einem der gesuchtesten Stadtteile baute, d. i. in einem Stadtteile, der hauptsächlich von reichen Leuten bewohnt war; denn man muß wissen, daß die verschiedenen Stadtteile Bostons damals nicht im Vergleiche zu ihrer natürlichen Umgebung, sondern zu dem Charakter der dort wohnenden Bevölkerung gesucht waren. Jede Klasse oder Nation wohnte für sich, in ihren eigenen Vierteln. Der Reiche, der zwischen den Armen wohnte, oder der Gebildete, der sich unter den Ungebildeten aufhielt, glich einem Menschen, der in Abgeschiedenheit unter einer neidischen und fremden Rasse lebt. Als ich den Bau des Hauses begann, erwartete ich, daß es im Winter 1886 vollendet sein würde; der Frühling des folgenden Jahres fand es jedoch noch unfertig und meine Hochzeit noch als eine Sache der Zukunft. Die Ursache des Verzuges, der einen feurigen Liebhaber besonders aufbringen mußte, war eine Reihe von Streiks oder Ausständen, das heißt, eine vereinbarte Arbeitseinstellung der Maurer, Zimmerleute, Anstreicher, Klempner und anderer Handwerker, die am Bau des Hauses beschäftigt waren. Ich kann mich nicht mehr erinnern, was die Ursachen dieser Streiks waren. Ausstände waren zu jener Zeit so allgemein geworden, daß man sich gar nicht mehr um ihre besonderen Ursachen bekümmerte. In einem oder dem anderen Zweige der Industrie hatten sie seit der großen Geschäftskrisis im Jahre 1873 fast unausgesetzt stattgefunden. Es war in der That so weit gekommen, daß es eine Ausnahme schien, wenn irgend eine Arbeiterklasse ihren Beruf länger als einige wenige Monate hindurch ununterbrochen ausübte.

Der Leser, welcher die angeführten Daten beachtet, wird natürlich in diesen industriellen Störungen die erste und zusammenhangslose Phase der großen Bewegung erkennen, die damit endete, daß das moderne gewerbliche System, mit all seinen socialen Konsequenzen, hergestellt wurde. Dies ist im Rückblick alles so offenbar, daß ein Kind es verstehen kann; aber da wir keine Propheten waren, so hatten wir damals keine klare Idee von dem, was uns zustoßen würde. Wir sahen lediglich, daß hinsichtlich der Industrie das Land in einer höchst schiefen Lage war. Das Verhältnis zwischen dem Arbeiter und dem Unternehmer, zwischen der Arbeit und dem Kapital erschien in unerklärlicher Weise verrenkt zu sein. Die Arbeiterklassen waren ganz plötzlich und beinahe allgemein von einer tiefen Unzufriedenheit mit ihrer Lage angesteckt worden, sowie von der Idee, daß dieselbe verbessert werden könnte, wenn man nur wüßte, wie es recht anzufangen sei. Einstimmig wurde von allen Seiten das Verlangen höheren Lohnes, kürzerer Arbeitszeit, besserer Behausung, besserer Erziehung und eines Anteiles an den Bequemlichkeiten des Lebens gestellt: Forderungen, welche zu erfüllen unmöglich schien, wenn nicht die Welt um ein bedeutendes reicher würde, als sie es damals war. Obgleich sie einigermaßen wußten, was sie wollten, wußten sie doch nicht, wie es zu erreichen wäre, und der Enthusiasmus, mit welchem sie sich um jeden scharten, der ihnen irgendwelche Aufklärung darüber geben zu können schien, lieh manchem, der sich gern als Parteiführer aufspielen wollte, einen plötzlichen Ruf, ob er gleich wenig genug Licht zu geben hatte. Wie chimärisch auch die Bestrebungen des Arbeiterstandes erscheinen mochten, so ließ dennoch die Hingabe, mit welcher sie einander während der Streiks, die ihre Hauptwaffe waren, unterstützten, und die Opfer, die sie brachten, um sie auszuführen, keinen Zweifel an ihrem vollen Ernste aufkommen.

Hinsichtlich des schließlichen Endes der Arbeiterunruhen – welches der Name war, womit man die Bewegung, die ich beschrieben habe, meistens bezeichnete – waren die Meinungen der Leute meiner Klasse sehr verschieden, je nach deren persönlichem Temperament. Der Sanguinische machte sehr kräftig geltend, daß es nach der Natur der Dinge unmöglich sei, daß die neuen Hoffnungen der Arbeiter befriedigt werden könnten, und zwar einfach darum, weil die Welt nicht den Stoff hätte, sie zufrieden zu stellen. Nur deshalb, weil die Massen so schwer arbeiteten und so kärglich lebten, verhungere das Menschengeschlecht nicht ganz und gar, und keine Verbesserung ihrer Lage sei möglich, so lange die Welt als Ganzes so arm bleibe. Es wären nicht die Kapitalisten, gegen welche die Arbeiter sich auflehnten, sagten diese Sanguiniker, sondern sie stritten gegen den eisernen Gürtel der Notwendigkeit, der die Menschheit umschlösse, und die Frage sei nur, wie lange noch ihre Dickköpfigkeit sie verhindern würde, diesen Sachbestand zu entdecken, um dann sich mit dem Gedanken zu beruhigen, daß man das Unabänderliche eben ertragen müsse.

Diejenigen, welche weniger sanguinisch waren, gestanden alles dieses zu. Die Hoffnungen der Arbeiter könnten selbstverständlich aus natürlichen Gründen nicht verwirklicht werden; es sei jedoch zu befürchten, daß sie diese Thatsache nicht eher entdecken würden, als bis sie aus der Gesellschaft einen argen Mischmasch gemacht haben würden. Sie hätten das Stimmrecht und die Macht, es zu thun, wenn es ihnen gefiele, und ihre Führer meinten, sie sollten es thun. Einige dieser schwarzsehenden Beobachter gingen so weit, daß sie einen totalen Umsturz aller socialen Zustände als nahe bevorstehend prophezeiten. Die Menschheit, sagten sie, wäre auf der höchsten Sprosse der Civilisation angelangt und jetzt im Begriffe, Hals über Kopf sich ins Chaos hinabzustürzen; wonach sie sich dann zweifellos wieder erholen und aufs neue zu klettern anfangen würde. Wiederholte Versuche dieser Art in geschichtlichen und vorgeschichtlichen Zeiten erklärten möglicherweise die rätselhaften Beulen am menschlichen Schädel. Die Geschichte der Menschheit, wie alle großen Bewegungen, drehe sich im Kreise und kehre immer wieder zum Anfangspunkte zurück. Die Idee eines unendlichen Fortschrittes in gerader Linie sei ein Gespinst der Einbildung, durch keine Analogie in der Natur begründet. Die Bahn eines Kometen sei vielleicht eine bessere Illustration der menschlichen Laufbahn. Aufwärts und der Sonne entgegen strebend, steige das Menschengeschlecht von der Nacht der Barbarei zur Sonnenhöhe der Civilisation, um alsdann wieder zum entgegengesetzten Ende, in die untersten Regionen des Chaos, niederzusteigen.

Dieses war selbstverständlich eine extreme Ansicht; aber ich erinnere mich, daß ernste Männer meiner Bekanntschaft, wenn sie über die Zeichen der Zeit sprachen, einen ähnlichen Ton anschlugen. Ohne Zweifel war es die Meinung aller denkenden Leute, daß die Gesellschaft sich einer kritischen Periode nähere, welche zu großen Veränderungen führen könne. Die Arbeiterunruhen, ihre Ursachen, Richtung und Heilung waren der Hauptgegenstand der Erörterungen in der Presse wie der ernsthaften Unterredungen.

Die nervöse Spannung der öffentlichen Meinung hätte durch nichts schlagender bewiesen werden können, als durch die Aufregung, welche durch das müßige Geschwätz einer kleinen Anzahl Leute, die sich Anarchisten nannten, entstand. Diese hatten es versucht, das amerikanische Volk zu terrorisieren und ihnen ihre Ideen durch Androhung von Gewaltthätigkeiten aufzudrängen, – als wenn eine mächtige Nation, die erst kürzlich eine Rebellion der Hälfte ihrer Bürger niedergeschlagen hatte, um ihr politisches System aufrecht zu erhalten, aus bloßer Furcht eine neue sociale Ordnung einführen werde.

Als einer der Reichen, der ein großes Interesse an der bestehenden Ordnung hatte, teilte ich natürlich die Befürchtungen der Klasse, der ich angehörte. Die persönliche Klage, welche ich zu der Zeit, von welcher ich schreibe, gegen die Arbeiterklasse hatte, weil ihre Streiks einen Aufschub meines Eheglückes verursachten, lieh ohne Zweifel meinen Gefühlen gegen dieselbe eine besondere Feindseligkeit.

Zweites Kapitel.

Inhaltsverzeichnis

Der dreißigste Mai 1887 fiel auf einen Montag. Dieser Tag war im letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts einer der nationalen Feiertage, nämlich der sogenannte »Dekorationstag«, an welchem das Andenken der Soldaten der Nordstaaten geehrt wurde, welche an dem Kriege für die Erhaltung der Union teilgenommen hatten. Die Veteranen pflegten an diesem Tage unter militärischem und bürgerlichem Geleit, Musikcorps an der Spitze, nach den Kirchhöfen zu ziehen und auf die Gräber ihrer gefallenen Kameraden Blumenkränze zu legen, eine Ceremonie, die sehr feierlich und ergreifend war. Der älteste Bruder Edith Bartletts war im Kriege gefallen, und die Familie war gewohnt, am Dekorationstage seine Ruhestätte in Mount Auburn zu besuchen.

Ich hatte mir die Erlaubnis erbeten, sie zu begleiten, und blieb, als wir gegen Abend in die Stadt zurückkehrten, bei der Familie meiner Verlobten zur Mahlzeit. Im Gesellschaftszimmer nahm ich nach dem Essen eine Abendzeitung zur Hand und las von einem neuen Streik der Bauarbeiter, welcher wahrscheinlich die Vollendung meines unglücklichen Hauses noch weiter hinausschieben würde. Ich erinnere mich deutlich, wie aufgebracht ich darüber war. Ich verwünschte in so kräftigen Ausdrücken, wie es die Gegenwart von Damen nur gestattete, die Arbeiter im allgemeinen und diese Streikenden im besondern.

Die Anwesenden stimmten mir völlig bei, und die Bemerkungen, welche in der Unterhaltung, die darauf folgte, von allen über das sittenlose Verhalten der Volksverführer gemacht wurden, waren so, daß jenen Herren die Ohren davon geklungen haben müssen. Man war darüber einig, daß es mit jedem Tage schlimmer würde, und daß man kaum mehr wisse, wie das alles noch enden solle. »Das schlimmste dabei ist,« sagte Frau Bartlett, »daß die Arbeiterklasse der ganzen Welt gleichzeitig verrückt geworden zu sein scheinen. In Europa ist es sogar noch schlimmer als hier. Dort möchte ich überhaupt nicht zu leben wagen. Ich fragte neulich meinen Mann, wohin wir auswandern sollten, wenn alle die schrecklichen Dinge sich ereigneten, welche diese Socialisten androhen. Er sagte, er kenne jetzt keinen Ort, wo sichere gesellschaftliche Zustände herrschten, außer Grönland, Patagonien und dem chinesischen Reich.« »Diese Chinesen wußten sehr gut, was sie wollten,« fügte jemand hinzu, »als sie die westliche Civilisation nicht einlassen wollten. Sie wußten es besser, wozu sie führen würde, als wir. Sie sahen, daß sie nichts anderes sei als verkappter Dynamit.«

Ich erinnere mich, wie ich darauf Edith beiseite zog und sie zu überreden suchte, daß es besser wäre, wenn wir uns sogleich heirateten, ohne auf die Vollendung des Hauses zu warten, und daß wir ja eine Zeitlang reisen könnten, bis unser Heim in Ordnung sei. Sie war an jenem Abend besonders schön; das schwarze Kleid, welches sie in Anbetracht des Tages trug, hob die Reinheit ihres Teints sehr vorteilhaft hervor. Ich sehe sie noch im Geiste, wie sie an jenem Abende aussah. Als ich mich empfahl, folgte sie mir in die Vorhalle, und ich küßte sie wie gewöhnlich zum Abschied. Kein außergewöhnlicher Umstand unterschied diesen Abschied von anderen Gelegenheiten, wo wir für den Abend oder für einen Tag einander Lebewohl gesagt hatten. Nicht die leiseste Vorahnung, daß dies mehr als ein gewöhnlicher Abschied sei, bedrückte meinen Geist oder den ihren.

Ach ja!

Es war noch ziemlich früh für einen Liebenden, als ich meine Braut verließ; aber dieser Umstand hatte mit meiner Liebe zu ihr nichts zu thun. Ich litt vielmehr fortdauernd an Schlaflosigkeit, und obwohl ich sonst ganz gesund war, fühlte ich mich doch an diesem Tage völlig ermattet, weil ich in den beiden vorangegangenen Nächten fast gar nicht geschlafen hatte. Edith wußte dies und hatte darauf bestanden, mich um neun Uhr nach Hause zu schicken mit dem strengen Befehl, sofort zu Bett zu gehen.

Das Haus, in welchem ich wohnte, hatte seit drei Generationen meiner Familie gehört, deren letzter und alleiniger Repräsentant ich nunmehr war. Es war ein großes, altes, hölzernes Gebäude; im Innern mit altmodischer Eleganz ausgestattet, aber in einem Viertel gelegen, welches wegen des Eindringens von Mietshäusern und Fabriken schon längst aufgehört hatte, eine begehrenswerte Gegend zu sein. Es war kein Haus, in welches ich eine junge Frau einzuführen denken konnte, am allerwenigsten ein so feines Wesen wie Edith Bartlett. Ich hatte es zum Verkauf ausgeboten und benutzte es inzwischen nur zum Schlafen; meine Mahlzeiten nahm ich im Klub ein. Mein Diener, ein treuer Neger Namens Sawyer, wohnte bei mir und sorgte für meine geringen Bedürfnisse.

Eine Eigentümlichkeit des Hauses fürchtete ich sehr zu vermissen, wenn ich es verlassen würde, und dies war das Schlafzimmer, welches ich mir unter den Grundmauern hatte bauen lassen. Ich hätte in der Stadt mit ihrem nimmer aufhörenden nächtlichen Lärm überhaupt nicht schlafen können, wenn ich ein Zimmer in einem oberen Stocke hätte benutzen müssen. Aber in dies unterirdische Gemach drang kein Laut der Oberwelt. Sobald ich es betreten und die Thür geschlossen hatte, empfing mich Grabesstille. Um die Feuchtigkeit des Bodens von diesem Zimmer abzuhalten, waren die dicken Wände sowohl wie der Boden mit hydraulischem Cement belegt worden. Damit das Zimmer auch der Gewalt von Dieben und der des Feuers widerstehen und als Aufbewahrungsort für Wertsachen dienen könne, hatte ich es mit Steinplatten, die hermetisch aneinander schlossen, decken lassen, ebenso war die äußere eiserne Thür mit einer dicken Lage von Asbest überzogen worden. Eine dünne Röhre, die mit einem Windrade auf dem Dache des Hauses in Verbindung stand, sicherte den Luftwechsel.

Man hätte erwarten sollen, daß der Bewohner einer solchen Kammer sich eines gesunden Schlafes hätte erfreuen müssen; es war jedoch selbst da selten der Fall, daß ich zwei Nächte hintereinander gut schlief. Ich war so an das Wachen gewöhnt, daß mich der Verlust einer Nachtruhe wenig kümmerte. Wenn ich dagegen eine zweite Nacht lesend im Stuhle statt schlafend im Bette verbrachte, ward ich so erschöpft, daß ich eine Nervenkrankheit befürchten mußte. Ich griff daher als letzte Aushilfe zu künstlichen Mitteln. Wenn ich nach zwei durchwachten Nächten fand, daß auch in der dritten der Schlaf sich nicht einstellen wollte, so ließ ich Dr. Pillsbury rufen.

Er wurde nur aus Höflichkeit Doktor genannt, denn er war, was man in jenen Tagen einen »Naturarzt« oder »Quacksalber« nannte. Er selbst nannte sich »Professor des tierischen Magnetismus«. Ich war mit ihm bei Gelegenheit einiger dilettantischer Forschungen in betreff der Erscheinungen des tierischen Magnetismus bekannt geworden. Ich glaube nicht, daß er irgend etwas von Medizin verstand; aber sicherlich war er ein vorzüglicher Magnetiseur. Wenn ich daher eine dritte schlaflose Nacht erwartete, pflegte ich zu ihm zu senden, damit er mich durch seine Manipulationen einschläfere. Mochte meine nervöse Aufregung auch noch so groß sein, so verfehlte doch Dr. Pillsbury nie, mich nach einer kurzen Zeit im tiefsten Schlummer zurückzulassen, welcher anhielt, bis ich durch die Umkehrung der hypnotischen Prozedur wieder aufgeweckt wurde. Das Verfahren, den Schlafenden aufzuwecken, war viel einfacher als das, Schlaf herbeizuführen, und der Bequemlichkeit wegen hatte ich Dr. Pillsbury es Sawyer lehren lassen, wie es zu machen sei.

Niemand als mein treuer Diener wußte, warum Dr. Pillsbury mich besuchte, oder daß er überhaupt zu mir kam. Natürlich war es meine Absicht, Edith mein Geheimnis mitzuteilen, nachdem sie meine Frau geworden sei. Bisher hatte ich ihr noch nichts davon gesagt, weil unfraglich mit dem magnetischen Schlafe eine kleine Gefahr verbunden war und ich wußte, daß sie gegen meine Gewohnheit Einspruch erheben würde. Die Gefahr war natürlich die, daß der Schlaf zu tief werden und in einen Starrkrampf übergehen könnte, den die Gewalt des Magnetiseurs nicht zu brechen vermöchte, und der deshalb mit dem Tode endigen würde. Wiederholte Versuche hatten mich völlig überzeugt, daß die Gefahr außerordentlich gering sei, wenn die nötigen Vorsichtsmaßregeln getroffen wurden, und ich hoffte, obwohl nicht ganz zuversichtlich, auch Edith davon zu überzeugen. Nachdem ich sie verlassen hatte, ging ich direkt nach Hause und sandte Sawyer sofort zum Dr. Pillsbury. Inzwischen begab ich mich in mein unterirdisches Schlafgemach, vertauschte meinen Anzug mit einem bequemen Schlafrock und begann die Briefe zu lesen, welche die Abendpost gebracht und Sawyer auf meinen Lesetisch gelegt hatte.

Einer derselben war von dem Baumeister meines neuen Hauses, und bestätigte, was ich aus den Zeitungsnachrichten bereits geschlossen hatte. Die neuen Streiks, sagte er, würden die Erfüllung seiner kontraktlichen Verpflichtungen auf unbestimmte Zeit hinausschieben, da weder die Meister noch die Arbeiter ohne langen Kampf nachgeben würden. Caligula wünschte dem römischen Volke nur einen einzigen Kopf, damit er ihn abschlagen könne, und ich fürchte, daß, als ich diesen Brief las, ich für einen Augenblick in betreff der Arbeiterklasse Amerikas desselben Wunsches fähig war. Die Rückkehr Sawyers mit dem Doktor unterbrach meine düsteren Gedanken.

Er hatte Schwierigkeit gehabt, sich die Dienste des Doktors zu sichern, da dieser im Begriffe stand, noch in derselben Nacht die Stadt zu verlassen. Pillsbury erklärte mir, daß er, seit er mich zum letztenmale gesehen, von einer einträglichen Vakanz in einer entfernten Stadt gehört und sich entschlossen habe, die Gelegenheit schleunigst wahrzunehmen. Als ich ihn erschreckt fragte, was ich denn ohne ihn beginnen solle, gab er mir die Adressen einiger Magnetiseure in Boston, die, wie er versicherte, die gleichen Kräfte besäßen wie er.

Über diesen Punkt einigermaßen beruhigt, wies ich Sawyer an, mich am nächsten Morgen um neun Uhr zu wecken, legte mich, wie ich war, auf das Bett und überließ mich den Hantierungen des Magnetiseurs. Mein ungewöhnlich nervöser Zustand war vielleicht schuld daran, daß ich langsamer als gewöhnlich das Bewußtsein verlor, aber schließlich überkam mich eine köstliche Schläfrigkeit.

Drittes Kapitel.

Inhaltsverzeichnis

»Er wird gleich die Augen öffnen. Es ist besser, wenn er zuerst nur einen von uns sieht.«

»Versprich mir also, daß du ihm nichts sagen wirst.« Die erste Stimme war die eines Mannes, die zweite die einer Frau, und beide sprachen im Flüsterton.

»Ich will sehen, wie es ihm geht,« erwiderte der Mann. »Nein, nein, versprich es mir,« verlangte die andere Stimme. »Laß ihr den Willen,« flüsterte eine dritte, ebenfalls weibliche Stimme.

»Gut, gut, ich verspreche es also,« antwortete der Mann. »Geht schnell! Er kommt zu sich.«

Kleider rauschten, und ich öffnete die Augen. Ein stattlich aussehender Mann von etwa sechzig Jahren beugte sich über mich, mit einem Ausdrucke großen Wohlwollens, gemischt mit starker Neugierde, in seinen Zügen. Er war mir völlig unbekannt. Ich stützte mich auf den Ellbogen und sah mich um. Das Zimmer war leer. Ich war sicherlich nie darin gewesen, auch in keinem, welches ähnlich möbliert gewesen wäre. Ich sah wieder meinen Gefährten an. Er lächelte.

»Wie befinden Sie sich?« forschte er.

»Wo bin ich?« fragte ich.

»Sie sind in meinem Hause,« war die Antwort.

»Wie kam ich hierher?«

»Wir werden darüber sprechen, wenn Sie kräftiger sind. Inzwischen, bitte ich, seien Sie unbesorgt. Sie sind unter Freunden und in guten Händen. Wie befinden Sie sich?«

»Etwas seltsam,« erwiderte ich, »aber ich glaube, ich bin ganz wohl. Wollen Sie mir sagen, wie ich dazu komme, Ihre Gastfreundschaft zu genießen? Was ist mir zugestoßen? Wie kam ich hierher? Ich war in meinem eigenen Hause, als ich einschlief.«

»Zu Erklärungen werden wir später Zeit genug haben,« erwiderte mein unbekannter Wirt mit einem beruhigenden Lächeln. »Es ist besser, aufregende Gespräche zu vermeiden, bis Sie sich etwas erholt haben werden. Thun Sie mir den Gefallen und nehmen Sie einen Schluck von dieser Medizin. Sie wird Ihnen gut thun. Ich bin Arzt.«

Ich stieß das Glas mit der Hand zurück und setzte mich auf meinem Lager aufrecht, jedoch mit Anstrengung; denn mir war sonderbar schwindlig zu Mute.

»Ich bestehe darauf, sofort zu erfahren, wo ich bin und was Sie mit mir gemacht haben,« sagte ich.

»Mein lieber Herr,« erwiderte mein Gefährte, »ich bitte Sie, regen Sie sich nicht auf. Es wäre mir lieber, wenn Sie nicht so bald Auskunft verlangten; aber, wenn Sie darauf bestehen, will ich es versuchen, Sie zufrieden zu stellen. Zuerst jedoch müssen Sie diesen Trank nehmen, der Sie etwas stärken wird.«

Ich trank, was er mir anbot. Dann sagte er: »Es ist nicht so einfach, wie Sie augenscheinlich meinen, Ihnen zu sagen, wie Sie hierher gekommen sind. Sie können mir eben so viel darüber erzählen, als ich Ihnen berichten kann. Sie sind soeben aus einem tiefen Schlaf oder vielmehr aus einem Starrkrampf erwacht. Soviel kann ich Ihnen mitteilen. Sie sagen, daß Sie in Ihrem eigenen Hause waren, als Sie in jenen Schlaf verfielen. Darf ich fragen, wann das war?«

»Wann?« erwiderte ich, »wann? Nun, gestern Abend, etwa um zehn Uhr. Ich gab meinem Diener Sawyer den Auftrag, mich um neun Uhr zu wecken. Was ist aus Sawyer geworden?«

»Das kann ich Ihnen nicht genau sagen,« erwiderte mein Gefährte, indem er mich dabei ganz merkwürdig ansah, »aber ich bin sicher, daß seine Abwesenheit genügend entschuldigt ist. Und können Sie mir nun nicht etwas bestimmter angeben, wann es war, als Sie in jenen Schlaf verfielen, ich meine das Datum.«

»Wie? gestern Abend natürlich, wie ich schon sagte, – das heißt, wenn ich nicht etwa gar einen ganzen Tag verschlafen habe. Himmel! das kann gar nicht sein; und doch habe ich ein seltsames Gefühl, als ob ich sehr lange geschlafen hätte. Es war am Dekorationstage, als ich schlafen ging.«

»Dekorationstag?«

»Ja, Montag den dreißigsten.«

»Verzeihung, welchen dreißigsten?«

»Nun, dieses Monats, wenn ich nicht etwa bis in den Juni hinein geschlafen habe; aber das kann doch nicht sein.«

»Wir befinden uns im September.«

»September! Sie wollen doch nicht etwa sagen, daß ich seit Mai geschlafen habe! Herr im Himmel! Das ist ja unglaublich!«

»Wir werden sehen,« erwiderte mein Gefährte. »Sie sagen, daß es am 30. Mai war, als Sie schlafen gingen?«

»Ja.«

»Darf ich fragen, in welchem Jahre?«

Ich starrte ihn einige Augenblicke sprachlos an.

»In welchem Jahre?« wiederholte ich endlich mit schwacher Stimme.

»Ja, in welchem Jahre, wenn ich bitten darf? Dann werde ich im stande sein, Ihnen zu sagen, wie lange Sie geschlafen haben.«

»Es war im Jahre 1887,« sagte ich. Mein Gefährte nötigte mir noch einen Schluck von der Flüssigkeit aus dem Glase auf und fühlte mir den Puls.

»Mein werter Herr,« sagte er, »Ihr Benehmen zeigt mir, daß Sie ein Mann von Bildung sind, – welche, wie ich weiß, zu Ihrer Zeit keineswegs etwas Selbstverständliches war, wie sie es jetzt ist. Sie werden deshalb ohne Zweifel schon selbst die Bemerkung gemacht haben, daß in dieser Welt eigentlich keine Sache wunderbarer genannt werden kann als irgend eine andere. Alle Erscheinungen haben gleicherweise ihre zureichenden Ursachen, und die Wirkungen sind gleicherweise natürlich. Daß Sie über das, was ich Ihnen zu sagen habe, staunen werden, ist zu erwarten; aber ich hege die Zuversicht, daß Sie sich dadurch Ihre Gemütsruhe nicht allzusehr stören lassen werden. Ihr Äußeres ist das eines jungen Mannes von kaum dreißig Jahren, und Ihr körperlicher Zustand scheint von dem einer Person, die soeben von einem etwas zu langen und tiefen Schlafe erwacht ist, nicht sehr verschieden zu sein; und doch ist heute der zehnte Tag des September in dem Jahre Zweitausend, und Sie haben genau einhundertunddreizehn Jahre, drei Monate und elf Tage geschlafen.«

Ich fühlte mich wie betäubt, trank auf meines Gefährten Zureden eine Tasse von einer Art Brühe, wurde unmittelbar darauf sehr schläfrig und verfiel von neuem in tiefen Schlummer.

Als ich erwachte, war es heller Tag im Zimmer, das, als ich zuvor erwacht war, künstliche Beleuchtung gehabt hatte. Mein geheimnisvoller Wirt saß in meiner Nähe. Er sah mich nicht an, als ich die Augen öffnete, und ich hatte eine gute Gelegenheit, ihn zu beobachten und meine ungewöhnliche Lage zu überdenken, bevor er bemerkte, daß ich wach sei. Mein Schwindel war ganz verschwunden und mein Geist vollkommen klar. Die Geschichte, daß ich einhundertunddreizehn Jahre lang geschlafen habe, welche ich in meinem früheren Zustande der Schwäche und Verwirrung ohne weiteres hingenommen hatte, fiel mir jetzt wieder ein, um sofort als ein alberner Versuch mich zu täuschen, verworfen zu werden, obgleich ich nicht im entferntesten im stande war, das Motiv desselben zu erraten.

Etwas Außerordentliches war sicherlich vorgefallen, denn ich war in einem fremden Hause bei diesem unbekannten Genossen erwacht; aber meine Einbildungskraft war völlig unvermögend, mehr als die wildesten Vermutungen zu hegen, was dieses Etwas wohl gewesen sein möge. Sollte ich das Opfer irgend einer Verschwörung geworden sein? Es hatte ganz den Anschein; und doch, wenn menschlichen Gesichtszügen jemals zu trauen war, so war es sicher, daß dieser Mann an meiner Seite mit einem so edlen und geistvollen Antlitz an keinem verbrecherischen Plane Anteil haben konnte. Dann stieß mir die Frage auf, ob ich nicht vielleicht die Zielscheibe eines Plumpen Scherzes meiner Freunde geworden sei, die irgendwie das Geheimnis meines unterirdischen Gemachs erfahren und dieses Mittel ergriffen hatten, mir die Gefahr solcher magnetischer Experimente eindringlich zu machen. Aber auch diese Hypothese war unwahrscheinlich: Sawyer würde mich nie verraten haben, auch hatte ich keinen einzigen Freund, dem ich ein solches Unternehmen zutrauen konnte. Nichtsdestoweniger schien die Annahme, daß ich das Opfer eines plumpen Scherzes sei, alles in allem die einzig haltbare zu sein. Indem ich so halb und halb erwartete, irgend ein bekanntes Gesicht lachend hinter einem Stuhle oder einer Gardine auftauchen zu sehen, blickte ich aufmerksam im Zimmer umher. Als meine Augen wieder auf meinen Gefährten fielen, war sein Blick auf mich gerichtet.

»Sie haben ein schönes Schläfchen von zwölf Stunden gehabt«, sagte er munter, »und ich kann sehen, daß es Ihnen recht gut bekommen ist. Sie sehen viel wohler aus. Ihre Gesichtsfarbe ist gut und Ihre Augen sind klar. Wie befinden Sie sich?«

»Ich habe mich nie wohler befunden,« sagte ich, indem ich mich aufrichtete.

»Sie erinnern sich ohne Zweifel Ihres ersten Erwachens,« fuhr er fort, »und Ihres Erstaunens, als ich Ihnen sagte, wie lange Sie geschlafen hätten!«

»Ich glaube, Sie sagten, ich hätte hundertunddreizehn Jahre lang geschlafen.«

»Ganz recht.«

»Sie werden zugeben,« sagte ich mit einem ironischen Lächeln, »daß die Geschichte etwas unwahrscheinlich war.«

»Merkwürdig ist sie, das gebe ich zu,« antwortete er, »aber wenn die nötigen Bedingungen gegeben sind, ist sie weder unwahrscheinlich, noch widerspricht sie dem, was wir über den Starrkrampf wissen. Wenn derselbe, wie in Ihrem Falle, ein vollständiger ist, so sind die Funktionen des Lebens absolut aufgehoben und es findet kein Verbrauch der Gewebe statt. Auch giebt es keine Grenze für die mögliche Dauer eines Starrkrampfes, wenn die äußeren Bedingungen den Körper vor Physischen Verletzungen schützen. Ihr Scheintod ist freilich der längste, von dem eine positive Nachricht vorhanden ist; aber es giebt keinen bekannten Grund, weshalb, wenn Sie nicht entdeckt worden wären und das Zimmer, in welchem wir Sie fanden, unversehrt geblieben wäre, Sie nicht noch zahllose Jahrhunderte in jenem Zustande unterbrochener Lebensthätigkeit hätten bleiben können, bis die allmähliche Erkaltung der Erde die Gewebe des Körpers zerstört und die Seele in Freiheit gesetzt hätte.«

Ich mußte zugestehen, daß, wenn ich wirklich das Opfer eines Scherzes war, die Urheber desselben einen Mann gefunden hatten, der es bewundernswert verstand, den Betrug durchzuführen. Die eindringliche und sogar beredte Weise dieses Mannes würde selbst der Behauptung, daß der Mond aus Käse bestehe, Würde verliehen haben. Das Lächeln, mit dem ich ihn angesehen hatte, als er die Hypothese des Starrkrampfes vorbrachte, schien ihn nicht im geringsten zu stören.

»Vielleicht,« sagte ich, »werden Sie so freundlich sein, fortzufahren und mir einige Einzelheiten zu erzählen hinsichtlich der Umstände, unter denen Sie dies Gemach, von dem Sie sprechen, und dessen Inhalt entdeckten. Ich höre gute Märchen gern.«