Ein seltsamer Zeuge - Matthias Blank - E-Book

Ein seltsamer Zeuge E-Book

Matthias Blank

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Beschreibung

Neue Deutsche Rechtschreibung Der Amateurfotograf Michael Gebhart schießt auf einem seiner zahlreichen Ausflüge in der Umgebung ein schockierendes Foto. Dieses Foto zeigt einen Mord am offenen Fenster. Als endlich die Polizei informiert ist, liegt das Haus verlassen: keine Leiche – kein Mord? Null Papier Verlag

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Seitenzahl: 122

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Matthias Blank

Ein seltsamer Zeuge

Kriminalroman

Matthias Blank

Ein seltsamer Zeuge

Kriminalroman

Überarbeitung und Korrekturen: Null Papier VerlagHerausgeber: Jürgen Schulze Published by Null Papier Verlag, Deutschland Copyright © 2018 by Null Papier Verlag 1. Auflage, ISBN 978-3-962813-11-6

null-papier.de/565

Das hier veröffentlichte Werk ist eine kommentierte, überarbeitete und digitalisierte Fassung und unterliegt somit dem Urheberrecht. Verstöße werden juristisch verfolgt. Eine Veröffentlichung, Vervielfältigung oder sonstige Verwertung ohne Genehmigung des Verlages ist ausdrücklich untersagt.

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

1. – Der Ama­teur­fo­to­graf.

2. – Die bei­den Kom­pa­gnons.

3. – Un­glück­li­che Lie­be – Der Staats­an­walt.

4. – Der Pri­vat­de­tek­tiv.

5. – Die ge­fun­de­ne Lei­che.

6. – Dienst­mann Nr. 849.

7. – Er­wa­chen­de Lie­be.

8. – In­di­zi­en­be­wei­se.

9. – Der neue Kom­pa­gnon.

10. – Sonthei­mers Ge­heim­nis.

11. – Ein be­tro­ge­ner Be­trü­ger.

12. – Der wah­re Mör­der.

13. – Des De­tek­tivs Tri­umph.

14. – Am Ziel.

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1. – Der Amateurfotograf.

Mi­cha­el Geb­hart war ein be­nei­dens­wer­ter, jun­ger Mann. Er hat­te in der Aus­wahl sei­ner El­tern die nö­ti­ge Sorg­falt wal­ten las­sen und sich eine Wie­ge aus­er­wählt, an der ein El­tern­paar nur dar­auf war­te­te, ih­ren Spröss­ling mit all dem zu über­schüt­ten, was wir als den In­be­griff je­den Glückes an­er­ken­nen. Die rei­chen El­tern hat­ten, so­lan­ge sie leb­ten, nur dar­auf hin­ge­ar­bei­tet, das ein­zi­ge Kind glück­lich zu ma­chen. Und Mi­cha­el Geb­hart war glück­lich. Schon die Na­tur hat­te ihn be­güns­tigt. Er war schön und von ele­gan­ter Er­schei­nung, be­saß da­bei aber ein sehr zu­frie­de­nes Ge­müt, das ihm auch ein Glück un­ter we­ni­ger güns­ti­gen Ver­hält­nis­sen ge­bracht hät­te.

Mi­cha­el war eben ein Schoß­kind der lau­ni­gen Glücks­göt­tin For­tu­na. Sei­ne El­tern wa­ren schon seit meh­re­ren Jah­ren tot. Ganz al­lein leb­te er mit ei­ner tüch­ti­gen Wirt­schaf­te­rin, die er mit dem Erbe sei­ner El­tern über­nom­men hat­te, und ei­nem Haus­bur­schen in ei­ner ele­gan­ten Woh­nung.

Wie es sei­ne Ge­wohn­heit war, hat­te Geb­hart an dem wun­der­vol­len Som­mer­ta­ge schon in der frü­he­s­ten Mor­gen­stun­de, nur mit sei­nem Fo­to­gra­fen­ap­pa­ra­te aus­ge­rüs­tet, al­lein einen Aus­flug un­ter­nom­men. Zur Mit­tags­stun­de war er zu­rück­ge­kehrt, und so­fort nach dem Es­sen war er in der Dun­kel­kam­mer ver­schwun­den, um die Bil­der zu ex­po­nie­ren, die er auf sei­nem Spa­zier­gan­ge auf­ge­nom­men hat­te.

Er war ein lei­den­schaft­li­cher Ama­teur­fo­to­graf und hat­te sich als sol­cher schon vie­le Prei­se er­wor­ben. Sei­ne Auf­nah­men wa­ren stets mit pein­li­cher Ex­akt­heit aus­ge­führt. Die Schöns­ten und am bes­ten ge­lun­ge­nen sei­ner Auf­nah­men pfleg­te er zu ver­grö­ßern und in pas­sen­der Um­rah­mung als Zim­mer­schmuck zu ver­wen­den.

Auch an dem Vor­mit­tag war ihm das Glück güns­tig ge­we­sen. In ei­ner Tal­mul­de der Glonn hat­te er zwi­schen sanft an­stei­gen­den Hü­geln ein re­ben­umspon­ne­nes Häu­schen ent­deckt, das so ein­sam in dem Land­schafts­bil­de lag, als wohn­te dar­in das Mär­chen. In dem Mor­gen­son­nen­licht leuch­te­te das wei­ße Mau­er­werk noch­mals so hell, von dem dunklen Laub­werk der Re­ben, die an den Mau­ern em­por­klet­ter­ten, kon­tras­tier­te wir­kungs­voll das hel­le Grün der Fens­ter­lä­den. Im Hin­ter­grun­de stie­gen die Hü­gel an mit den lich­ten Baum­grup­pen. Dar­über lag ein flim­mern­der, blass­grau­er Him­mel, an dem eben eine mäch­ti­ge, wei­ße, silb­rig glän­zen­de Wol­ke em­por­stieg.

So sah er noch im Geis­te das Bild; es soll­te eine sei­ner bes­ten Auf­nah­men wer­den.

Die Dun­kel­kam­mer war nur durch ein ro­tes Am­pel­licht spär­lich er­hellt. Mi­cha­el Geb­hart hat­te schon das Fi­xier­bad be­reit­ge­stellt; dann kam die Plat­te aus der Kas­set­te in das Bad. Un­ter gleich­mä­ßi­gem Schau­keln plät­scher­te die Flüs­sig­keit über die Glas­p­lat­te, die sich all­mäh­lich dunk­ler färb­te. Hel­le und dunkle Stel­len präg­ten sich ab, das Bild ent­wi­ckel­te sich. Der Him­mel, der Wald, das Häu­schen selbst, al­les war schon zu se­hen. So­viel konn­te er jetzt schon er­ken­nen, dass die­se Auf­nah­me zu sei­nen glück­lichs­ten ge­hör­te. Jetzt war die Plat­te ganz ent­wi­ckelt.

Er hielt sie ge­gen das röt­li­che Am­pel­licht, um das Bild noch­mals in al­len Ein­zel­hei­ten zu prü­fen.

»Gut!«, mur­mel­te er da­bei be­frie­digt vor sich hin. »Man sieht fast Blatt für Blatt der Re­ben, die das Haus um­spin­nen.«

Dann schwieg er, aber wie ei­ner, der über eine plötz­li­che Ent­de­ckung über­rascht ist; er sah auf­merk­sa­mer auf das Ne­ga­tiv­bild der Plat­te und fast wäre sie sei­ner Hand ent­fal­len.

Da­bei kam kein Wort über sei­ne Lip­pen, das ver­ra­ten hät­te, was ihn so er­schreckt hat­te. Nur eine et­was fie­ber­haf­te Hast hat­te ihn ge­packt, als er in ei­nem zwei­ten Bade die fer­tig ent­wi­ckel­te Plat­te un­emp­find­lich ge­gen Licht mach­te.

Und es muss­te et­was ganz Be­deut­sa­mes sein, was ihn fest­ge­bannt hat­te, denn er küm­mer­te sich um die an­de­ren Auf­nah­men, die er sonst noch ge­macht hat­te, wei­ter nicht mehr. Das eine Bild hielt ihn ge­fes­selt. End­lich war die Plat­te so­weit fer­tig, dass er da­von Ab­zü­ge her­stel­len konn­te.

Als er jene vor­her noch­mals ge­gen das Licht hielt, da zit­ter­ten sei­ne Fin­ger und sei­ne Lip­pen mur­mel­ten fast un­hör­bar:

»Das ist ja furcht­bar!«

Al­les ließ er in der Dun­kel­kam­mer lie­gen, ganz ge­gen sei­ne Ge­wohn­heit, da er ein Freund pein­lichs­ter Ord­nung war, und ging nach sei­nem Zim­mer, wo er so­fort die Plat­te in den Rah­men stell­te, um eine ers­te Ko­pie des Bil­des zu er­hal­ten.

Wäh­rend die­se zur Be­lich­tung in der Son­ne lag, schritt er in ner­vö­ser Un­ru­he auf und nie­der; da­bei hat­te er die Hän­de auf den Rücken ge­legt und sein Blick irr­te im­mer wie­der dort­hin, wo sich das ers­te Bild vollen­de­te.

End­lich!

Er nahm es aus dem Rah­men! Fer­tig. Sei­ne bes­te Auf­nah­me. Doch sei­ne Au­gen such­ten et­was an­de­res. Die re­ben­umspon­ne­ne Vil­la zeich­ne­te sich scharf und deut­lich ab. Ein Fens­ter im ers­ten Stock­werk stand of­fen. Deut­lich er­kenn­bar war es auf dem Bil­de. Aber das Bild ver­riet noch mehr.

In dem of­fe­nen Fens­ter stan­den zwei Ge­stal­ten, eine war nur mit dem Rücken zu er­ken­nen, die zwei­te aber – ein Mann mit lan­gem Bar­te – hielt in er­ho­be­ner Hand ein blan­kes Beil, das dro­hend über der ers­ten Ge­stalt schweb­te und auf die­se in glei­cher Se­kun­de nie­der­sau­sen muss­te.

Dies zeig­te das Bild.

So war der Fo­to­gra­fen­ap­pa­rat Zeu­ge ei­ner Mord­tat ge­we­sen, die sonst nie­mand ge­se­hen ha­ben moch­te. Und der Ap­pa­rat hat­te die Tat fest­ge­hal­ten, so­dass er bes­ser Zeug­nis ge­ben konn­te wie ei­nes Men­schen Wor­te.

Nur noch kur­ze Zeit muss­te Mi­cha­el auf das Bild ver­wen­den, um auch das Pa­pier ge­gen Licht un­emp­find­lich zu ma­chen.

Dann aber ver­ließ er sei­ne Woh­nung in ei­li­ger Hast und be­stieg die ers­te Drosch­ke, die sei­nen Weg kreuz­te.

Das Po­li­zei­ge­bäu­de war das Ziel sei­ner Fahrt.

Kom­missar St­ein­herz saß in sei­nem Büro und ließ die Fe­der für einen Au­gen­blick ru­hen, als Geb­hart durch die Tür her­ein­stürm­te, fast atem­los, und an­stel­le jeg­li­cher Be­grü­ßung sei­ne fo­to­gra­fi­sche Auf­nah­me auf dem Ti­sche des Kom­missars nie­der­leg­te, der ver­wun­dert bald das Bild, bald den Über­brin­ger an­starr­te.

St­ein­herz war ein mit­tel­großer Mann mit kah­lem Kop­fe und schwar­zem Spitz­bar­te, der aber schon man­che wei­ße Fä­den auf­wies; er galt als ein sehr tüch­ti­ger Be­am­ter, dem stets die schwie­rigs­ten Fäl­le zu­ge­wie­sen wur­den.

»Was soll ich mit dem Bil­de?«

Noch im­mer keu­chend, denn Geb­hart war in großen Sprün­gen die Trep­pe zum Büro em­por­ge­stürmt, gab er in ab­ge­ris­se­nen Sät­zen zur Ant­wort:

»Die­sen Mor­gen auf­ge­nom­men. Auf ei­nem Spa­zier­gan­ge. Nichts ge­se­hen! Nur das Bild.«

Durch die­se Wor­te wur­de der Kom­missar nicht kla­rer. Was soll­te das Bild? Schließ­lich war ein Po­li­zei­kom­missar doch kein Sach­ver­stän­di­ger für die Güte fo­to­gra­fi­scher Auf­nah­men. Nur um et­was zu sa­gen, er­klär­te er, wo­bei er das Bild an Geb­hart wie­der zu­rück­ge­ben woll­te:

»Die Auf­nah­me scheint ja sehr gut ge­lun­gen zu sein! Aber wes­halb brin­gen Sie mir das Bild? Ich ver­ste­he nicht viel da­von.«

»Aber das Fens­ter im ers­ten Stock, das Zwei­te von rechts, steht of­fen.«

Der Kom­missar war noch mehr ver­wun­dert. Wes­halb soll­te ihn das in­ter­es­sie­ren? Er blick­te wie­der auf das Bild und be­merk­te in gleich­gül­ti­gem Tone:

»Rich­tig, das Fens­ter steht – –«

Aber er vollen­de­te den Satz nicht; er war auf­ge­sprun­gen, zum Fens­ter hin­ge­eilt und be­sah im Lich­te ge­nau­er das Bild. So klein sich auch al­les zeig­te, so war die Sze­ne, die sich durch das of­fe­ne Fens­ter bot, doch deut­lich zu er­ken­nen.

Ein Mann mit Voll­bart drang mit hoch­ge­schwun­ge­nem Beil auf einen an­de­ren ein, der ihm den Rücken zu­wand­te.

Das hat­te die fo­to­gra­fi­sche Lin­se in ei­ner Mo­ment­auf­nah­me fest­ge­hal­ten.

Has­tig wand­te sich St­ein­herz um.

»Da ist ein Mord ge­sche­hen!«

»So kann es nur sein«, ant­wor­te­te Geb­hart.

»Wo wa­ren Sie ge­we­sen, wo ha­ben Sie die­se Auf­nah­me ge­macht?«

»Im Glonn­ta­le. Wo der Weg von Au­hof nach Ma­x­kron führt.«

»Wann?«

»Die­sen Mor­gen, es wird ge­gen zehn Uhr ge­we­sen sein.«

»Ha­ben Sie da­bei die Sze­ne an je­nem Fens­ter nicht selbst be­ob­ach­tet?«

»Nein! Erst als ich in mei­ner Dun­kel­kam­mer das Bild ent­wi­ckel­te, wur­de ich dar­auf auf­merk­sam.«

»Ha­ben Sie Zeit?«

»Na­tür­lich!«

»Dann wer­den Sie mich nach dem Orte der Mord­tat be­glei­ten!«

Es war kaum eine Vier­tel­stun­de ver­stri­chen, da fuhr ein Au­to­mo­bil im schärfs­ten Tem­po auf der Land­stra­ße nach Au­hof.

In dem Au­to­mo­bil sa­ßen Mi­cha­el Geb­hart, Kom­missar St­ein­herz und noch zwei Kri­mi­nal­be­am­te. Es wur­de nur we­nig ge­spro­chen, denn alle hin­gen ih­ren ei­ge­nen Ge­dan­ken nach, die sich aus­schließ­lich da­mit be­schäf­tig­ten, was wohl in dem re­be­num­rank­ten Häu­schen ge­fun­den wür­de.

»Wenn wir die Höhe die­ser Stra­ße er­reicht ha­ben wer­den, kön­nen wir die Vil­la se­hen«, sag­te end­lich Mi­cha­el Geb­hart und wies mit aus­ge­streck­ter Hand auf den leicht an­stei­gen­den Hü­gel, den das Au­to­mo­bil in ra­sen­dem Tem­po er­klomm.

Nun lag das Land­schafts­bild auch schon so vor ih­nen, wie es die fo­to­gra­fi­sche Auf­nah­me ge­zeigt hat­te.

Kom­missar St­ein­herz warf einen prü­fen­den Blick auf das Bild des Frie­dens. Eine fast fei­er­tä­gi­ge Ruhe lag über der Land­schaft. Die Nach­mit­tags­son­ne war hin­ter einen Hü­gel ver­kro­chen und nur schwa­che Strah­len sand­te sie durch die dich­ten Baum­stäm­me des hoch auf­ra­gen­den Wal­des; aber kei­ner da­von drang in die Tal­sen­kung hin­un­ter, in der das re­ben­umspon­ne­ne Land­häus­chen stand. Wie ein Mär­chen, in tie­fen Schlaf ver­sun­ken, sin­nend und träu­mend lag das Land­häus­chen in sei­ner Aben­dru­he. Die Tü­ren wa­ren ge­schlos­sen, nichts reg­te sich, nichts ließ auf Le­ben dort un­ten schlie­ßen.

»Wis­sen Sie, wer der Be­sit­zer da­von ist?«, frag­te der Kom­missar.

»Nein.«

»Als Sie die­sen Mor­gen die Auf­nah­me ge­macht hat­ten, hat­ten Sie da­bei auch kei­ne Beo­b­ach­tung ge­macht, ob die­ses Häu­schen be­wohnt ist?«

»Nein! Ich dach­te, es sei un­be­wohnt.«

Kom­missar St­ein­herz hat­te, um Ver­glei­che an­stel­len zu kön­nen, die Fo­to­gra­fie in der Hand.

»Das Bild zeigt mit wun­der­ba­rer Schär­fe das of­fe­ne Fens­ter, lässt die Sze­ne ge­nau er­ken­nen: Der Mann mit dem Voll­bart schwingt dro­hend das Beil über dem Ah­nungs­lo­sen, der ihm den Rücken zu­wen­det. Ge­nau­er ist aber die­ser mut­maß­li­che Mör­der auch nicht zu er­ken­nen. Ein Mann mit Voll­bart! Wer sein Op­fer war, dar­über wer­den wir bald Ge­wiss­heit er­lan­gen.«

Das Au­to­mo­bil saus­te den Berg hin­ab, der Vil­la zu.

»Von dem Bau­me dort habe ich die Auf­nah­me ge­macht.«

»Rich­tig! Das Bild lässt es er­ken­nen. Aber das auf dem Bil­de of­fe­ne Fens­ter ist jetzt ge­schlos­sen wie die an­de­ren.«

»Wirk­lich!«

»Das hat nach­träg­lich der Mör­der ge­tan«, er­klär­te der Kom­missar. »Nur ist es zu spät ge­sche­hen, denn der fo­to­gra­fi­sche Ap­pa­rat war schon Zeu­ge sei­ner Tat.«

Das Au­to­mo­bil hielt vor dem klei­nen Land­hau­se an. Mit er­war­tungs­vol­ler Auf­re­gung und be­klem­men­den Ge­füh­len schritt Geb­hart mit dem Kom­missar der Tür zu.

Ein Mes­sing­schild wies den Na­men:

H. Sonthei­mer.

Ehe der Kom­missar die Glo­cke läu­te­te, wand­te er sich fra­gend an Mi­cha­el Geb­hart:

»Soll­te dies der be­kann­te Hans Sonthei­mer, der Be­grün­der der Fir­ma Sonthei­mer-Esdea­le sein?«

»Mir un­be­kannt.«

Ein schril­les Läu­ten folg­te.

Dann aber atem­lo­se Stil­le. Nichts reg­te sich. Im Hau­se schi­en kein Mensch zu sein.

Noch­mals ver­such­te es der Kom­missar. Län­ger und stär­ker war sein Läu­ten.

Aber der Er­folg war der glei­che. Kein frem­der Laut kam aus die­ser ein­sa­men Vil­la, nur Wi­der­hall des Läu­tens tön­te zu­rück.

Stumm und tot!

»Wir müs­sen die Tür auf­bre­chen!«

Kaum hat­te der Kom­missar die Wei­sung ge­ge­ben, da ar­bei­te­ten die bei­den Kri­mi­nal­be­am­ten mit Brechwerk­zeug auch schon an der Tür, die ih­ren An­stren­gun­gen nur sehr ge­rin­gen Wi­der­stand ent­ge­gen­setz­te. Bald krach­te das Holz und die Tür war of­fen.

Der Kom­missar und Geb­hart be­tra­ten als die Ers­ten das ein­sa­me Haus, in dem die Mord­tat be­gan­gen sein muss­te.

Bald wa­ren sie durch alle Zim­mer im Erd­ge­schoss ge­kom­men, die zwar sämt­lich mit ele­gan­tem Lu­xus mö­bliert wa­ren, aber doch ver­rie­ten, dass sie in der letz­ten Zeit nicht be­wohnt wor­den wa­ren. Die Pols­ter­mö­bel hat­ten alle Schutz­be­zü­ge, die Käs­ten und Schrän­ke wa­ren leer.

Dann stie­gen sie die Trep­pe em­por, die un­ter ih­ren Schrit­ten ganz lei­se knarr­te; und das klang wie ein stöh­nen­des Äch­zen, wie das Jam­mern ei­nes Tod­wun­den. Die ers­ten Zim­mer leer.

»Das Haus scheint nicht be­wohnt ge­we­sen zu sein!«

Mi­cha­el Geb­hart, des­sen Auf­re­gung sich um­so­mehr stei­ger­te, je nä­her sie dem Zim­mer ka­men, in dem der Mord ge­sche­hen sein muss­te, nick­te nur mit dem Kop­fe. Er fühl­te, dass sei­ne Füße zit­ter­ten.

»Dort! In dem Zim­mer muss die Tat be­gan­gen wor­den sein.«

Kom­missar St­ein­herz stand vor der Tür; sei­ne Hand hat­te die Klin­ke ge­fasst. Die Tür war nicht ver­sperrt. Lang­sam öff­ne­te er sie und die bei­den konn­ten in das Zim­mer hin­ein­ge­hen.

Aber was sie sa­hen, war von so über­ra­schen­der Wir­kung, wie es der grau­en­volls­te An­blick nicht hät­te her­vor­ru­fen kön­nen. Was sich ih­ren Au­gen zeig­te, war das, was sie am al­ler­we­nigs­ten ver­mu­ten konn­ten, was am al­ler­we­nigs­ten wahr­schein­lich war.

So muss­te es auch kom­men, dass sich bei­de in fas­sungs­lo­sem Er­stau­nen an­starr­ten und kei­ner zu­nächst ein Wort spre­chen konn­te.

Dort das Fens­ter!

Durch die­ses hat­te der Fo­to­gra­fen­ap­pa­rat die Mord­tat fest­ge­bannt.

Kom­missar St­ein­herz fand zu­erst Wor­te der Über­ra­schung und des Er­stau­nens.

»Leer! Kei­ne Lei­che, kein Mord! Nir­gends Blut, nir­gends die Spu­ren ei­ner Mord­tat.«

Mi­cha­el Geb­hart nick­te erst zu­stim­mend, dann sag­te er lang­sam und nach­denk­lich, als müss­te er je­des Wort erst prü­fen und ab­wä­gen:

»Aber der Ap­pa­rat kann doch nicht lü­gen.«

»Hier zeigt sich aber auch nicht die min­des­te Spur!«, er­klär­te der Kom­missar wie­der­um.

So war es auch.

Das Zim­mer war of­fen­bar die Biblio­thek. In großen Schrank­fä­chern stan­den Bü­cher, hohe und klei­ne, meist Han­dels­li­te­ra­tur. In an­de­ren Re­ga­len wa­ren schön­wis­sen­schaft­li­che Wer­ke, dar­un­ter alle Klas­si­ker und vie­le mo­der­ne Au­to­ren. Ei­nen be­vor­zug­ten Platz nah­men die Wer­ke Nietz­sches ein und das Exem­plar von »Also sprach Za­ra­thustra« war viel ab­ge­grif­fen. Dies muss­te be­son­ders be­vor­zugt wor­den sein.

Ne­ben dem Fens­ter war ein klei­ner Schreib­tisch. Auf dem großen Bo­den­tep­pich stand ein ecki­ges Rauch­tisch­chen, um das vier Fau­teuils grup­piert wa­ren.

Auf den Bü­cher­re­ga­len und Stän­dern wa­ren die Büs­ten be­kann­ter Dich­ter.

Sonst wies das Zim­mer nichts auf.