Ein Sommer auf der Sanddorninsel - Monika Detering - E-Book
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Ein Sommer auf der Sanddorninsel E-Book

Monika Detering

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Beschreibung

Kommt Zeit, kommt Liebe: Der Feelgood-Ostseeroman »Ein Sommer auf der Sanddorninsel« von Monika Detering und Horst-Dieter Radke als eBook bei dotbooks. Kann diese Insel neues Glück versprechen? Marie will es nicht glauben: Ihre geliebte Berliner Schuh-Boutique ist pleite, die Wohnung verpfändet – und schuld daran ist ihr eigener Freund, der sich mit dem Geld davongemacht hat. Wie gut, dass eine Freundin genau das richtige weiß, um Marie von dem ganzen Elend abzulenken: Ein alter VW-Bus, ein paar Tage Rügen … Aus dem Kurztrip wird jedoch bald schon ein wunderbar langer Inselsommer, als Marie hinter einer Rosenhecke auf ein verstecktes Häuschen stößt und Aurelia kennenlernt, eine alte Dame, die das perfekte Heilmittel für gebrochene Herzen zu kennen scheint. Bei dem Lied der Wellen und dem Duft von Sanddornmarmelade kommt Marie eine pfiffige neue Geschäftsidee – und dann ist da auch noch der charmante Vogelbiologe Wolf, der ihre Gefühle wie im Sommerwind tanzen lässt … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der zauberhafte Urlaubsroman »Ein Sommer auf der Sanddorninsel« von Monika Detering und Horst-Dieter Radke. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 276

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Über dieses Buch:

Kann diese Insel neues Glück versprechen? Marie will es nicht glauben: Ihre geliebte Berliner Schuh-Boutique ist pleite, die Wohnung verpfändet – und schuld daran ist ihr eigener Freund, der sich mit dem Geld davongemacht hat. Wie gut, dass eine Freundin genau das richtige weiß, um Marie von dem ganzen Elend abzulenken: Ein alter VW-Bus, ein paar Tage Rügen … Aus dem Kurztrip wird jedoch bald schon ein wunderbar langer Inselsommer, als Marie hinter einer Rosenhecke auf ein verstecktes Häuschen stößt und Aurelia kennenlernt, eine alte Dame, die das perfekte Heilmittel für gebrochene Herzen zu kennen scheint. Bei dem Lied der Wellen und dem Duft von Sanddornmarmelade kommt Marie eine pfiffige neue Geschäftsidee – und dann ist da auch noch der charmante Vogelbiologe Wolf, der ihre Gefühle wie im Sommerwind tanzen lässt …

Über die Autoren:

Monika Detering wollte Schiffsjunge, Malerin oder Schriftstellerin werden. Die letzteren Wünsche waren den Eltern zu unseriös (vom ersten ahnte niemand etwas). Sie arbeitete viele Jahre als Puppenkünstlerin mit zahlreichen Ausstellungen u. a. in Washington, Philadelphia und New York. Durch weitere lange Aufenthalte an der Nordsee ist das Meer ihr Sehnsuchtsort geworden. Sie war als freie Journalistin tätig und entschied sich später ganz für das belletristische Schreiben. Monika Detering ist verheiratet und hat drei erwachsene Töchter. Sie ist Mitglied bei den »42erAutoren«.

Die Autorin im Internet: www.monikadetering-de.info/

Monika Detering veröffentlicht bei dotbooks auch die drei Fälle von Kommissar Weinbrenner: »Herzfrauen«, »Puppenmann« und »Liebeskind«, die auch im Sammelband »Liebesopfer« erhältlich sind. Außerdem erschienen bei dotbooks ihre Romane »Bernd, der Sarg und ich« und »Venusbrüstchen«.

Horst-Dieter Radke wurde 1953 in Hamm/Westfalen geboren. Er machte eine kaufmännische Ausbildung und studierte Pädagogik an der Universität Landau. Mehrere Jahre arbeitete er als Geschäftsführer und Vorstand in einem mittelständischen Betrieb. Seit zwanzig Jahren ist er freiberuflich als Autor, Lektor und Projektleiter im Fachbuchbereich tätig. Er hat zahlreiche Sach- und Fachbücher veröffentlicht, außerdem Märchen, Erzählungen und einen Novellenband. Zusammen mit seiner Kollegin Monika Detering schreibt er Romane und Krimis. Er ist Mitglied bei den »42erAutoren« und im »Syndikat«. Horst-Dieter Radke ist Vater von drei erwachsenen Kindern und lebt mit seiner Frau in Tauberfranken.

Der Autor im Internet: www.hd-radke.de

Bei dotbooks veröffentlichte Horst-Dieter Radke »Normale Verhältnisse – Ein Dorfkrimi«. Er ist außerdem Co-Autor des mit Peter Dell verfassten Krimis »Alte Sünden und Silvaner«.

Gemeinsam veröffentlichten beide bei dotbooks außerdem ihren zweiten Inselroman »Ein Sommer auf Hiddensee«.

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Überarbeitete eBook-Neuausgabe August 2021

Dieses Buch erschien bereits 2016 unter dem Titel »Ein Meer zum Verlieben« bei books2read.

Copyright © der Originalausgabe 2016 bei books2read

Copyright © der überarbeiteten Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / ThomBal / ParinPix / Rudmer Zwerver / dugdax / Butterfly Hunter

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96655-787-0

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Monika Detering & Horst-Dieter Radke

Ein Sommer auf der Sanddorninsel

Roman

dotbooks.

Kapitel 1

Endlich. Marie Baumgart schaltete den Motor aus. Sie war erleichtert, dass dieser uralte VW-Bus sie bis hierhergebracht hatte. Im Augenblick fühlte sie sich genauso alt wie ihr Gefährt, und war müde und erschöpft. Hier, am äußersten Ende des Parkplatzes in Altefähr, wollte sie die Nacht verbringen. Anders ging es nicht. Die erste Nacht ohne Wohnung. Die erste Nacht auf Rügen.

Es war eine verrückte Idee gewesen, ausgerechnet im August hierherzufahren und anzunehmen, es werde sich schon eine Bleibe finden lassen, wenigstens eine Ferienwohnung für den Übergang. Die gab es, aber sie waren für ihre Verhältnisse unbezahlbar.

Marie stieg aus und ging bis zum Ende des Hafens. Vertäute Boote und Yachten. Ein Fährschiff legte an. Möwen, die auf den Pollern hockten, guckten geradeaus, als käme aus der Richtung gutes Futter angeflogen. Sie sah, dass es eine Toilette und Waschgelegenheiten gab. Wenn auch eher für Schiffseigner, aber das würde sie schon regeln. Von der anderen Seite leuchtete Stralsund herüber. Vielleicht bekomme ich dort eine kleine Wohnung,wenn ich auf Rügen nichts Günstiges finde. Nur obdachlos durfte sie nicht werden.

Wind kam auf. Sie fror und ging zum Auto zurück. Am Heck befanden sich Überbleibsel uralter Prilblumen. Der orange angemalte, von willkürlichen Roststreifen verzierte Bus gehörte ihrer Freundin Sylvia. Sie hatte ihn für Marie neu angemeldet, nachdem er schon länger herumgestanden hatte. Sogar TÜV und Werkstatt hatte sie übernommen. Ein paar Freunde waren ihr nach dem ganzen Desaster noch geblieben. Mit dem Bus war Sylvia vor fast zwanzig Jahren nach Indien gefahren, direkt nach dem Abi. Marie ärgerte sich noch heute, dass sie damals nicht mitgereist war. Dafür hole ich die Fahrt ins Ungewisse jetzt auf meine Weise nach.

Es dämmerte schon. Marie stieg ein, schloss von innen ab, quetschte sich nach hinten. Eine Bank hatte sie freigelassen, vielleicht weil sie geahnt hatte, sie als Schlafplatz nutzen zu müssen. Die anderen Sitze und Fußräume waren mit Koffern, Kisten und losen Sachen zugepackt. In einer Reisetasche suchte sie nach ihrem Trainingsanzug und zog sich um. Dann griff sie nach der Decke, mit der sie ihre Sachen vor den Blicken Neugieriger geschützt hatte, kuschelte sich hinein und legte sich auf den Sitz. Die Beine musste sie anziehen. Nur einschlafen konnte sie nicht. Zu viele Erinnerungen gingen ihr durch den Kopf.

Über Berlin hatte sich ein blauer Augusthimmel gespannt. Die Linde vor dem mächtigen Haus aus der Gründerzeit breitete weit die Äste aus und verdeckte einen Teil der Geschäfte im Erdgeschoss. Marie kam nicht wie sonst, stolz und gerade, ihre Haltung drückte Kummer aus.

Die Markisen wölbten sich schmutzig-weiß. Ein Stück weiter oben, an der hellen Hauswand, stachen die Buchstaben aus stabilem goldbestrahltem Metall hervor. »No 1« und »No 2« über dem Laden in der Knesebeckstraße. Sie sollten ein Leben lang halten, nun würden sie – bereits nach fünf Jahren – in wenigen Tagen abgeschraubt sein. Die Schaufenster waren schmutzig geworden, Papierstreifen mit »Sale« und »Wegen Geschäftsaufgabe geschlossen« verwehrten den Blick ins Innere. An den Kanten der Aufkleber hingen mumifizierte Fliegen.

Das war’s dann wohl. Aufstieg und Fall am Kudamm.

»Morgen, Frau Baumgart.«

Marie zögerte, grüßte dann betont forsch zurück und wandte den Blick von den Fenstern ab. Niemand sollte bemerken, wie sie in das Schaufenster starrte. Sonst betrat sie den Laden ganz selbstverständlich, es war doch ihrer. Seit heute war es vorbei, das Geschäft für immer geschlossen, und sie hatte nicht einmal einen Schlüssel mehr.

Um die Ecke bogen zwei Frauen, blieben vor ihr stehen, blickten erst sie, dann die leeren Auslagen an, lächelten fein und süffisant. »Werden Sie in Berlin bleiben? Wenn Sie ein neues Geschäft aufmachen, sagen Sie bitte Bescheid, unsere Adressen haben Sie ja sicher noch.«

Marie nickte, strich sich durch die Haare.

»Schauen Sie mal, Frau Baumgart!« Eine der Frauen wies auf ihre schwarz-weißen Sneaker mit der Glitzersohle. »Der Ausverkauf hat sich bestimmt für Sie gelohnt! Ich habe ja gesehen, was zuletzt in Ihrem Geschäft los war! Meine Freundin und ich haben auch in den letzten Wochen mindestens zwölf Paar gekauft. Danke auch für den Extrarabatt. Ihnen alles Gute, auch für den Herrn Lang, das ist ja ein Netter …«

Unerträglich, jedes Wort. Unerträglich war das. Marie straffte sich. »Viel Freude an den Schuhen. Ich muss weiter, es gibt noch viel zu tun.«

Schon war sie auf dem Weg zu ihrem ›neuen‹ Auto. Das brauchten die Frauen gar nicht zu sehen. Haltung bewahren. Hinter sich aber fühlte sie beobachtende Blicke und hörte wieder dieses Tuscheln, das sie inzwischen allzu gut kannte.

In den letzten Wochen hatte es viele falsche Freundlichkeiten gegeben. Auch Briefe im Amtsgerichtblau mit den Vollstreckungsbescheiden. Dazu der regelmäßige Besuch des Gerichtsvollziehers. Und am Ende hatte sie keine exklusiven Schuhgeschäfte mehr, sondern wenig exklusive Kuckucksläden. Alles wurde abgeholt, ohne Blick für die Produkte, sogar das ausgefallene Kaffeegeschirr und den chromglänzenden Kaffeeautomaten samt dem unwiderstehlichen Duft nach frisch geröstetem Kaffee wurde lieblos eingesackt. Mitsamt den Reservepackungen ihrer Lieblingssorte ›India Monsooned Malabar‹.

Noch nicht bezahlte Ware hatte Marie an die Händler in Italien zurückgeschickt. Einige Pakete wurden nicht angenommen, kamen wieder zurück, es entstanden teure Frachtrechnungen, dann folgten erst verständnislose, später wütende Anrufe der Lieferanten. Es gab auch Besuche von ihnen, zur besten Verkaufszeit. Beschämend und demütigend. Diese Überraschungsbesuche waren das Grauen gewesen. Angst schlich sich in ihr Leben. Dreimal prüfte Sie abends, ob sie abgeschlossen hatte, fürchtete, dass die Italiener ihr die Mafia auf den Hals gehetzt hatten. Und Marie konnte immer nur Anzahlungen leisten und bat verzweifelt um Aufschub. Einer ihrer Lieferanten hatte ganz absonderliche Vorstellungen davon gehabt, wie sie die Schulden begleichen konnte.

Ihre Mitarbeiterinnen verloren die bisherige Loyalität, forderten Restgehälter und blieben dann weg. Dafür kamen Briefe von Rechtsanwälten. Chaos entstand, Chaos war plötzlich in allem, was Marie tat.

Max hätte ihr helfen können, hatte er sonst auch getan.

Aber er kümmerte sich nicht mehr um sie.

Sie arbeitete jeden Tag bis spät in den Abend, und Erschöpfung zeichnete sich deutlich in ihrem Gesicht ab, sodass manche Kundin sie erst nach einem genaueren Blick erkannte. Natürlich hatte sie diese Blicke bemerkt. Jeder ihrer Gedanken kreiste wie ein Mantra-Abo ums Geld. Jeder eingenommene Euro bekam besonderen Wert. Dennoch versuchte sie die immer gleiche Frage freundlich und zuvorkommend zu beantworten: »Warum wollen Sie schließen? Unverständlich! Bei dieser Lage, wo kriege ich je wieder so göttliche Schuhe her?«

Zumindest lief der Ausverkauf gut. Die ausgefallenen Luxusschuhe von »No 1« und »No 2« waren ein begehrtes Statussymbol. Maries Kundinnen besaßen ansonsten alles, was zum Auffallen notwendig war. Über jedes verkaufte Paar war sie heilfroh, jede Tageseinnahme verringerte einen Teil ihrer Schulden. Jede Tageseinnahme wurde sofort überwiesen. Trotzdem reichte das Geld nicht.

Ein Geschäft zu schließen war das eine, aber eine Insolvenz anmelden zu müssen, war bitter. Vor allem, da sie nicht durch ihr Verschulden verursacht worden war. Und der Insolvenzverwalter – Dr. Rohwisch – behandelte sie nun wie eine Angestellte.

Sie wollte Max nie wiedersehen. Aber das war auch das kleinste Problem. Er war ja verschwunden. Abgetaucht. Freunde hatten ihn mit einer Schwarzhaarigen im Sodom & Gomorra gesehen. Geschmack hatte er ja. Aber seine Prokura, verdammt, die konnte er sich in den Arsch stecken. Dass ich nicht eher was gemerkt habe.

Zu allem Übel meldete sich die Bank mit dringenden Forderungen auf ihre Eigentumswohnung. Immer war genügend Geld da gewesen. Aber Max, der hatte ein anderes Verständnis für Geld entwickelt. Vor allem für ihr Geld. Ihre Gespräche führten ins Leere. Irgendwann gab er ihr kaum noch Antworten auf die vielen Fragen. Max, den sie geliebt, dem sie vertraut hatte.

Die Bank setzte die Zwangsversteigerung an. Marie musste froh sein, dass sich schon beim ersten Termin ein Käufer fand. Der Prenzlauer Berg war beliebt. Wie gern hatte sie in dem Altbau gewohnt, dessen vier Zimmer samt Küche und zwei Bädern sie sogar selbst renoviert hatte. Die Wohnung lag im dritten Stock, und der Blick vom Balkon ging über die Hufelandstraße hinaus. Und dieses Glück sollte nun vorbei sein.

Erst, als Max seine Möbel und Bilder abholen ließ, hatte sie es verstanden. »Kein Gezeter, das habe ich einmal gekauft und bezahlt.«

Na klar, aber von ihrem Geld. Sie wehrte sich mit Argumenten, mit Vorwürfen. Es war zwar gefühlsmäßig alles ›gemeinsam‹ gewesen, so wie sie eben ein Paar waren. Gewesen waren. Dann rechnete auch sie die Dinge auseinander. Während Stundenarbeiter schleppten, stand Max vor ihr und sah ihr tief in die Augen. Was sollte das? Sie konnte nur die immer so blöde Frage hervorwürgen: »Gibt es eine andere?«

Eine Haarsträhne fiel ihm dabei über die Stirn, das stand ihm gut, und es hatte Marie in den Händen gezuckt, sie zu berühren.

Er blickte woanders hin, sagte eher beiläufig: »Ich lagere die Sachen ein, nicht, dass die auch noch unter den Hammer kommen.«

»Was zum Teufel, hast du mit dem ganzen Geld gemacht? Und warum hast du das getan? Ich verstehe es nicht. Ich hätte nie gedacht, dass wir uns trennen, und dann auch noch so.«

»Ach, Marie. Was denkst du denn nur? Du bist erschöpft. Wir sprechen später über alles, ja?« Er lächelte und drehte sich fast tänzelnd um. Dann war er aus der Tür.

Von oben sah sie ihn mit den Packern scherzen. Lässig, locker, leicht – wie es seine Art war, bot ihnen Zigaretten an, lachte. Wut packte Marie. Sie ging auf den Balkon, packte sich einen Topf mit Männertreu und warf ihn hinunter. Den nächsten auch. »Du Mistkerl! Trau dich ja nicht wieder her!«

Max war den herunter sausenden Blumen geschickt ausgewichen und lachte. »Los, noch einen. Und Geschirr ist auch noch im Schrank.«

Um nicht zur Mörderin zu werden, verließ sie den Balkon, knallte die Tür zu und warf sich in den nächsten Sessel. Nein, sie heulte nicht.

Aber seit jenem Tag hatte sie ihn nicht wiedergesehen.

Ihren fast neuen Caddy hatte der Gerichtsvollzieher erst gepfändet und nach Verstreichen der Zahlungsfristen abholen lassen. In ohnmächtiger Wut hatte sie zusehen müssen, wie der Mann damit wegfuhr, um ihn einzulagern, um ihn bei der nächsten Versteigerung zu verkaufen. Auch wenn der Gerichtsvollzieher bedauernd den Kopf geschüttelt hatte, als sie ihn um Verlängerung der Fristen bat. Sie hätte ihn umbringen können. Eigentlich hatte sie nur ihr Stolz daran gehindert. Sogar angelächelt hatte sie ihn, um ja nicht ihre Gefühle zu zeigen.

Wer in der Branche abstürzte, war tot. Schließlich bestimmten Geld und Erfolg das Leben. Zumindest traf das auf ihr eigenes Leben zu. Bisher.

Mit der Straßenkarte auf dem Beifahrersitz, mit ›Rügen‹ im Blick war sie losgefahren. Ein Navi hatte der Bulli nicht. Die Ortschaft Samtens kam ihr in den Sinn. Irgendwer hatte davon erzählt. Sie fuhr über die E28 und das letzte Stück die E251 und nach drei Stunden war sie da. In der Tourismuszentrale fragte Marie nach einer einfachen Ferienwohnung.

»Es ist Hochsaison! Und für zwanzig Euro gibt es nirgends eine Ferienwohnung.« Marie klingelte in Pensionen, sogar an Häusern mit »Ferienwohnung belegt«. Um ihr weiterzuhelfen, vielleicht aber auch, um sie loszuwerden, denn der bunte Bulli wurde von Vermieterinnen argwöhnisch beguckt, wurde ihr der Ort Putbus empfohlen.

Die genannte Adresse stimmte. Nur das Quartier war belegt. Der Vermieter sagte: »Sie brauchen nicht weiter zu suchen, es sei denn, Sie gehören zu dieser Ärztetagung, die derzeit stattfindet und haben vorher gebucht. Fragen Sie mal in Bergen nach. Haus Nekkepen. Die Pension können Sie nicht verfehlen, ist gleich auf der Straße rechts hinter dem Ortseingangsschild.« Dann näherte der Mann sich dem Auto, blickte hinein. »So viel Gepäck? Ja, wie lange wollen Sie denn Urlaub machen?«

»Vielleicht zwei Wochen.« Irgendetwas musste sie antworten. Dabei wollte sie bleiben. Rügen gefiel ihr jetzt schon, insgeheim war die Insel einer ihrer Sehnsuchtsorte. Sie wollte immer schon mal hin, nur war sie wegen der Arbeit nie dazu gekommen, eher zu Mondänurlauben an der Côte d’Azur, wohin Max so gerne gereist war.

Das der bloß nicht mehr fragt! Das der ihr bloß nicht hinterherkam und auch noch das letzte nahm, was sie hatte. Marie fühlte sich so verunsichert, dass sie jeden Gedanken glaubte. Nach einer eher ziellosen Fahrt landete sie in Altefähr.

Sie kramte nach einer angebrochenen Wasserflasche und trank sie leer. Belegte Brote und Obst hatte sie eingepackt. Am liebsten hätte sie den ganzen Proviant vertilgt. Vorsicht!, ermahnte sie sich. Wer weiß, was noch kommen würde. Marie kaute langsam, um schneller satt zu werden.

Müdigkeit überfiel sie. In der Nacht wurde sie wach und wusste im ersten Moment nicht, wo sie sich befand. Es war halb eins. Sie öffnete die Seitentür und ließ die kühle Nachtluft herein, rutschte von ihrem engen Lager ins Freie und reckte sich ausgiebig. Gerne hätte sie geduscht, um das hinter sich gelassene Leben abzuspülen. Sie vertrat sich die Beine, sah in den Häusern vereinzelte Lichter, ging weiter, hörte das Plätschern der Wellen und das Schaukeln der Boote, sah hinüber nach Stralsund, und der Himmel über der Ostsee leuchtete gelb und tiefblau. Die Anspannung der letzten Stunden fiel von Marie ab.

Marie spazierte zum Bulli, öffnete das Seitenfenster, legte sich auf den Rücksitz und wickelte sich in die Decke.

Am Morgen erwachte sie verknautscht und die Halswirbel schmerzten. Die öffentlichen Duschen waren belegt, so einfach war es doch nicht, eine davon zu benutzen. Zumindest konnte sie auf einer freien Toilette frische Kleidung und Wäsche anziehen, am Waschbecken die Zähne putzen und Gesicht und Hände waschen. Im Café am Yachthafen fand sie ein Tischchen für sich allein, bestellte ein belegtes Brötchen, trank zwei Tassen Kaffee und spazierte anschließend durch den Ort, suchte nach einem Aushang: »Ferienwohnung frei«. Klingelte an Häusern, wo keine Gardinen in den Fenstern hingen. Wenn überhaupt jemand öffnete, hörte sie nur ein »Nein« auf ihre Frage nach einer Wohnung.

Die Enttäuschung machte den schönen Morgen kaputt. Sie ging zum Bulli und fuhr weiter, die E251 Richtung Bergen. Auf der Strecke werde ich etwas finden, und wenn nicht, fahre ich einfach weiter, bis ich ins Meer falle. Sie lachte verzweifelt auf.

Auch in Rambin war jede Frage nach einer Unterkunft vergeblich. Mitten in Samtens wechselte sie auf die L30 Richtung Dreschvitz, verfranste sich in Nebenstraßen, wusste nicht weiter und hielt vor einem Haus, das durch eine wild wuchernde Hecke von der Straße wie abgeschlossen schien. Dornröschen könnte dort schlafen. Bilder aus der Kindheit kamen in ihr hoch, Großmutters Garten … Sie drückte sie weg, versagte sich ein Schluchzen, wollte sofort weiterfahren – und tat es doch nicht.

Marie stieg aus und suchte die dichte Hecke nach einem Eingang ab. Versteckt, fast zugewachsen, entdeckte sie ein Törchen, das schief in den Angeln hing. Sie stieß mit dem Fuß gegen morsches Holz. Schon schwang es mit intensivem Quietschen auf. Das schien auch die Hausklingel zu sein, denn bevor Marie an die Eingangstür kam, wurde sie geöffnet.

»Sie wünschen?«, kam eine leise Stimme aus dem dämmerigen Dunkel des Hauses. Die Person konnte sie nur als dunklen Umriss wahrnehmen. Marie dachte sofort an Märchen, an verzauberte Prinzessinnen, an verwunschene Gebäude. Mit einem Schritt sprang sie die wenigen Stufen hinauf und sah im Türrahmen eine alte Frau stehen, die sich auf einen Gehstock stützte. Marie starrte auf den auffälligen Griff, einen silbrig glänzenden Drachenkopf. »Guten Tag. Entschuldigen Sie, dass ich einfach zu Ihnen komme, ich wollte klingeln, aber Sie haben mich wohl längst gesehen. Ich komme aus Berlin und suche eine kleine Wohnung.«

»Und da kommen Sie zu mir? Warum, bitte schön, denn das? Meine Liebe, ich glaube, Sie haben sich verirrt! Wollen Sie Urlaub machen?«

»Ich sah hinter der Hecke ihr verwunschenes Häuschen … dachte, fragen kannst du ja.«

»Aber ich habe doch nirgends einen Aushang mit Ferienwohnung frei oder ähnliches. Wer hat Sie geschickt?«

»Niemand. Es war ein Zufall.«

»Zufälle, meine Liebe, die gibt es nicht. Na, und deshalb … kommen Sie erstmal herein«, sagte die Frau, drehte sich um und ging durch einen engen und düsteren Flur. Der Stock klackte hart auf dem Fußboden. Marie traute sich nicht, die Haustür zu schließen, aus einer tiefsitzenden Furcht heraus, plötzlich im totalen Dunkeln zu stehen. Schon öffnete die Frau eine Tür und Licht erhellte die Umgebung. Marie atmete auf. Jetzt erst merkte sie, dass sie den Atem angehalten hatte.

»Ach bitte, es zieht. Gehen Sie doch grad zurück und schließen Sie die Haustüre.«

Es roch nach Omas Sonntagnachmittag. Marie schloss die Tür, ging auf das Licht zu und kam in eine Küche. Zu ihrer Verblüffung entdeckte sie Buffetschränke aus den 50er Jahren, einen alten Herd, der wohl noch mit Kohle geheizt werden musste, so sah er zumindest aus. An Kohlen konnte sich Marie erinnern, ihre Oma hatte auch noch so einen ähnlichen Ofen gehabt. Unter einem Fenster stand ein Tisch, gedeckt mit einer Tasse und einem Teller, und in der Mitte prangte ein Marmorkuchen, aus dem Rosinen herauslugten. Mit einem kleinen Lächeln stellte die Frau eine zweite Tasse und einen zweiten Teller dazu.

»Setzen Sie sich doch. Sie haben Hunger, nicht wahr?«

Marie saß kaum, da goss die Frau Tee in beide Tassen. Marie schaute sich um. Wenn der Herd aus ist, wie hat sie dann das Teewasser gekocht? Dann sah sie den Wasserkocher auf der Anrichte stehen. Modern, aus Edelstahl. Ein Stilbruch in dieser Küche aus dem vergangenen Jahrhundert. Vielleicht ist das hier kein Zauber, kein Traum. Aber warum eigentlich nicht? Ein verwunschenes Heim könnte mir gefallen.

»Sie wollen bei mir einziehen?«

Marie bewunderte einen Augenblick lang die sanften, blauen Augen der Frau. »Zu gerne, wenn es möglich und bezahlbar ist.«

»Möglich ist es. Ich komme nur noch selten nach oben. Die Treppen, wissen Sie! Die Treppen! Oben ist genügend Platz. Über die Miete sprechen wir noch. Aber Sie werden sie bezahlen können. Da bin ich sicher. Was mich jedoch brennend interessiert, ist: warum wollen Sie in dieses kleine Nest ziehen? Sie wollen doch sicher keinen Urlaub machen? Und hier leben? Berlin ist doch weiß Gott um vieles interessanter für eine junge Frau.«

»Muss ich darüber sprechen?«

»Na ja, ein wenig möchte ich schon über Sie erfahren. Wie heißen Sie überhaupt? Meines Erachtens haben Sie sich noch nicht vorgestellt.«

Hastig und zuvor sich entschuldigend holte Marie dieses Versäumnis nach. Dann atmete sie ein paar Mal durch und sah der alten Frau in die Augen. Sie wollte genau sehen, welche Reaktion ihre Mitteilungen bewirkten. »Sagen wir mal, ich habe in Berlin Schiffbruch erlitten, geschäftlich und persönlich. Nichts ist mir geblieben. Deshalb habe ich meine Sachen gepackt und bin in Richtung Rügen gefahren.«

»Und Ihre Möbel?«

»Damit ist mein Freund abgehauen.«

In den Augen der alten Dame änderte sich nichts. Marie konnte kein Erschrecken erkennen und auch kein aufkeimendes Misstrauen. Allenfalls Neugierde.

»Soso. Das lässt sich eine moderne Frau gefallen? Sind Sie so schnell einzuschüchtern?« Sie blickte Marie forschend an.

»Ich möchte lieber nicht die ganze Geschichte erzählen«, wehrte sich Marie unbehaglich und verlegen. »Noch kann ich das nicht. Hätten Sie dafür Verständnis? Bitte!«

»Wenn zwei Frauen unter einem Dach leben wollen, also – zumindest möchte ich in ein paar Tagen ein wenig mehr wissen, Marie! Ich darf Sie doch mit Vornamen nennen? Ich selbst heiße Aurelia Charlotte Stuckenschmitt – den Namen müssen Sie allerdings nie ganz aussprechen. Viel zu umständlich. Aurelia reicht.«

»Das heißt …«, stotterte Marie mit wildem Herzklopfen.

»Das heißt, Sie gehen jetzt ins Obergeschoss, schauen sich die Zimmerchen an, entscheiden sich. Von mir aus bekommen sie die Wohnung.«

Nach der Besichtigung besiegelten die beiden Frauen den Mietvertrag per Handschlag. Zwar musste Marie die Räume erst gründlich putzen, aber dafür konnte sie zwei Monate lang mietfrei wohnen. An die schweren Möbel, die in beiden Räumen standen, würde sie sich gewöhnen müssen. Marie lud den Bulli aus, rannte hin und her. Abends hatte sie die Zimmer so umgeräumt und eingerichtet, dass sie das Gefühl hatte, schon lange Zeit in diesem Haus zu leben.

Das Bad musste sie sich mit Aurelia teilen. Es bestand aus einer auf geschwungenen Füßen stehenden Wanne, bei der reichlich Emaille abgeplatzt war, einem wuchtigen und trotzdem zu kleinen Waschbecken, einer Toilette mit Holzsitz und einem Wasserkasten, der fast unter der Decke angebracht und mit einem Abzug mit Kette und Keramikgriff ausgestattet war. Bestimmt schon ein Jahrhundert alt oder mehr, aber gepflegt und sauber, dachte Marie anerkennend.

Auf die Frage nach einer Putzfrau wurde sie bedeutungsschwer angeschaut. Marie begriff. Die alte Frau putzte selbst. Marie verstand, warum sie die Zimmer bekommen hatte. Das Haus allein in Ordnung zu halten war Aurelia zu viel geworden.

Marie mochte ihre neue Vermieterin und war glücklich, so schnell eine Unterkunft bekommen zu haben. Das Haus schien eine gute Vergangenheit zu haben. Trotzdem vermutete Marie, dass Aurelia auch ihre Geheimnisse hatte. Und wenn ich schon mit meinen herausrücken soll, dann muss sie das auch.

Kapitel 2

Je länger sie in diesem Haus lebte, desto mehr Abstand glaubte Marie von ihrem bisherigen Leben zu haben. An manchen Tagen schien ihr, als hätte es überhaupt nicht stattgefunden. Alles Lüge, wusste sie und dachte oft genug, meine Vergangenheit ist ein Arschloch. Immer wieder wurde sie von einer Unruhe erfasst, in der sie alles tun wollte und am Ende doch nichts tat. Stundenlang saß sie auf ihrem Bett. Es war aus Holz gefertigt, mit hohen Kopf- und Fußteilen versehen, die sie einengten. Nachts ließ sie die Beine seitlich heraushängen. Oft genug wachte sie auf, erschrak, versuchte sich zu orientieren. In diesen Momenten wähnte sie sich in ihrer Wohnung am Prenzlauer Berg, tastete sogar einige Male neben sich, glaubte schlaftrunken, Max sei da und griff ins Leere. Dann sprang sie hoch, hatte im Herzen Verwirrung und im Kopf ein ungutes Durcheinander. Bis sie begriff, wo sie sich befand. Sie versuchte, die Geschäfte und auch Max zu vergessen, ein Vorhaben, das ihr tagsüber ganz gut gelang.

Auch in dieser Nacht stand sie auf, ging leise nach draußen und hoffte, Aurelia nicht geweckt zu haben. Sie verließ das Grundstück durch den Garten, schlenderte über den Wiesenring, kam an abgemähten Feldern vorbei und roch Erde, spürte dabei die Sehnsucht nach etwas, das sie ›Heimat‹ nennen konnte.

Berlin schob sie weit von sich, kam mit klarem Kopf zurück – und dann konnte sie einschlafen.

Jeden Tag putzte sie das Haus. Was sollte sie sonst tun? Sie war fremd in diesem Ort. Sie müsste einiges regeln, ihre neue Adresse angeben, aber zuforderst war ihr das alles zu viel. Aurelia sah dem Treiben ein paar Tage zu. Dann platzte ihr der Kragen. »Nun ist es aber gut. Nun gönnen Sie sich selbst etwas. Gehen Sie raus, fahren Sie ans Meer. Sie sind ziemlich blass geworden. Schminken Sie sich nicht? Mein Gott, ihr jungen Frauen. Es gibt Schlimmeres als geschlossene Geschäfte und einen verlorenen Liebhaber.«

Was soll ich mir schon gönnen? Selbst simple Dinge wie Einkaufen wurden mehr zu einer Rechenaufgabe, als dass es Spaß machen würde. Aurelia sollte nicht merken, wie wenig Geld ihr zur Verfügung stand. Gottseidank war aus dem Verkauf der Wohnung ein kleiner Überschuss geblieben, nachdem der Insolvenzverwalter daraus die Forderungen der Gläubiger vollständig hatte erfüllen können.

Das Vermögen, das ihre Eltern hinterlassen und mit dem sie die Läden finanziert hatte, war allerdings futsch. Was der Insolvenzverwalter allerdings nicht wusste, war, dass sie noch ihr altes Postsparbuch hatte, das noch auf ihren Mädchennahmen lief und auf dem sich immerhin fast dreitausend Euro befanden. Sie hatte es immer unangetastet gelassen, weil sie sich einen »Notgroschen« aufheben wollte. Deshalb hatte sie es auch nie angerührt, selbst als alles ganz schlimm kam. Selbst Max wusste nichts davon. Wenn es irgendwie möglich war, wollte sie es auch jetzt nicht anrühren. Marie erstellte einen Sparplan, sie musste wissen, wie lange sie ungefähr mit dem Verbliebenen hinkommen würde. Bei großer Sparsamkeit ginge es vier oder fünf Monate. Vielleicht auch sechs.

Trotzdem. Es wurde Zeit, sich nach einem Job umzusehen.

Mit ihrem Abschluss als Modedesignerin würde sie hier nicht weit kommen. Wer brauchte schon eine Modedesignerin auf der Insel? Trotz des Zeitdrucks wusste sie, dass sie noch nicht dazu in der Lage war, nachzufragen und sich umzuhören. Einfach machen und anpacken – das ging nur theoretisch. Sie fühlte sich so kraftlos. Es war schon eine Überwindung, das Haus zu verlassen und die Gegend zu erkunden. Das Auto nahm sie nicht. Benzin war teuer. Ge- oder besser beschützt fühlte sie sich nur in Aurelias Haus. Und bei jedem Blick, den die Leute ihr zuwarfen, kam sie sich wie eine Versagerin vor. Bin ich ja auch! Erst in ihrer Wohnung hielt sie den Rücken und den Kopf wieder gerade.

An solch einem Tag klopfte Aurelia mit ihrem Stock gegen Maries Zimmertür. »Haben Sie einen Moment Zeit für mich? Kommen Sie doch mal eben in die Küche!«

Marie erschrak. Will sie mir kündigen? Das halte ich nicht aus.

»Ja?«, fragte sie vorsichtig, als sie die Küche betrat. »Gibt’s was Besonderes?«

»Nun gucken Sie mal nicht so bedröppelt. Setzen Sie sich doch.«

Es duftete nach Gebratenem, und der Geruch erschien Marie so köstlich, dass sie am liebsten den Duft gegessen hätte, wenn sie davon satt geworden wäre.

»So geht’s nun wirklich nicht weiter.« Aurelia guckte grimmig und verbarg so ihr Mitgefühl für ihre Mieterin. Da Marie nur panisch guckte, sagte sie: »Holen Sie da aus dem Schrank die geblümten flachen Teller. Decken Sie einfach den Tisch und dann wird erst gegessen. Danach reden wir. Nun seien Sie nicht so zaghaft. Ich glaube nicht, dass Sie immer so waren. Passt einfach nicht zu Ihnen. Marie, essen Sie sich erst einmal satt.«

Marie nahm den schweren gusseisernen Deckel von der Kasserolle, hob mit einer Fleischgabel das Stück Fleisch heraus, während die Soße abtropfte. Lamm. Köstliches Lamm. Nachdem sie einige Scheiben abgeschnitten hatte, legte sie diese auf eine ovale Platte, garnierte Böhnchen darum, die sich in einem anderen Topf befanden, schüttete die Kartoffeln in eine Schüssel und lächelte Aurelia an. »So in Ordnung?«

»Schon besser. Lassen Sie es sich schmecken. Sie haben abgenommen, meine Liebe, das steht Ihnen nicht. Hungerhaken waren die Frauen meiner Generation nach dem Krieg, aber sie wollen doch nicht behaupten, dass das heute der letzte Schrei ist?«

Marie wusste schon jetzt, dass sie diese Mahlzeit nie vergessen würde. Die Köstlichkeit besänftigte und stärkte sie gleichzeitig.

»Ich weiß, dass Sie Geldsorgen haben«, begann nach dem Abräumen Aurelia. »Durch das Hocken im Haus und die Grübeleien werden Sie das Problem nicht lösen können. Und vernünftig essen müssen Sie trotz allem dennoch.«

Sie winkte ab, als Marie zu einer Antwort ansetzte. »Hören Sie mir einfach nur zu. Mein Haus haben Sie inzwischen von links auf rechts und umgekehrt gedreht, also gesäubert. Jetzt atmen Sie tief durch und geben sich einen Ruck! Sie müssen raus, unter die Leute. Auch, damit die anderen Sie kennenlernen. Wenn Sie Benzin sparen wollen, nehmen Sie mein Rad. Steht im Keller. Bringen Sie es in Ordnung, und dann radeln Sie jeden Tag los. Gucken Sie sich Samtens an – und dann: ab zum Meer. Am besten über die Strandstraße. Gehen Sie am Wasser entlang. Hören Sie auf die Geräusche, die das Meer Ihnen schenkt. Schauen Sie auf das, was vor Ihnen im Sand liegt – Sie werden immer etwas finden. Eine Muschel, ein ungewöhnliches Stück Holz … Übermorgen melden Sie sich im letzten Haus auf der Strandstraße. Meine Freundin ist krank und sie bekommt in den nächsten Tagen Feriengäste. Das Reinigen und Herrichten der Zimmer schafft sie nicht alleine. Sie werden ihr helfen und verdienen schon mal etwas. Damit haben Sie Arbeit! Das leidende Gesicht lassen Sie dafür am besten hier.«

Aurelia erhob sich, und unterdrückte ein kurzes Lächeln, das ihr über das wettergegerbte Gesicht huschte. »Wie ist das eigentlich mit Ihrer Familie? Den Freunden? Kümmern Sie sich drum, beides muss gepflegt werden.«

Über Aurelias Predigt war Marie verschnupft, wie sie es gewesen war, wenn ihre Mutter sie ausgeschimpft hatte. Dabei stieg der Wunsch in ihr hoch, selbstbewusst und schick den Kudamm entlang zu schlendern, vorbei an allen Bekannten, die sie im Geist dort aufgereiht hatte. Es war, als trüge sie Zeit und Geld mit sich herum und brauchte nur mit dem Finger zu schnippen, um sich zumindest einige Wünsche zu erfüllen.

Aber dieser Tagtraum brachte nicht das sinnliche Vergnügen, das sie erhofft hatte, und führte sie auch nicht von Rügen weg. Übelkeit stieg in ihr hoch, und eine innere Stimme erinnerte sie lakonisch daran, wie idiotisch sie sich verhielt.

Marie griff nach ihrem Anorak und ging zur Tür, um spazieren zu gehen. Gleich morgen repariere ich Aurelias Rad.

Dass es so schwer sein konnte, einfach nur ohne Ziel herumzulaufen, damit hätte sie nicht gerechnet. Nach einer halben Stunde hatte sich ihr Gehen auf ein stetiges Tempo eingependelt, sie ging langsam, nicht mehr so hastend und vor sich hin stolpernd.

Sie achtete weder auf die Uhrzeit noch auf ihre Gedanken, nur auf das, was sie sah und roch. Wenn ich weitergehe, komme ich ans Meer.

Aber sie kam nicht zum Meer. Dazu hätte sie bis nach Rambin laufen müssen. Als ihr das eine Frau, die sie fragte, erklärte, schnitt Marie eine Grimasse. Das ist mir für heute zu weit.