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In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie ist Denise überall im Einsatz. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Doch auf Denise ist Verlass. In der Reihe Sophienlust Extra werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg. Denise von Schoenecker verließ das Kinderheim Sophienlust an diesem Tag etwas früher als sonst. Sie wollte sich auf Gut Schoeneich in Ruhe auf den Abend vorbereiten, denn sie und ihr Mann Alexander waren auf dem nahe gelegenen Gut Weidenhof eingeladen. Seit Kurzem hatten sie sich mit der Familie Barwig angefreundet, die aus Norddeutschland gekommen war und das etwas abgewirtschaftete Gut Weidenhof gekauft hatte. Der vierzigjährige Karsten Barwig war ein tüchtiger Landwirt und wurde von Alexander von Schoenecker sehr geschätzt. Die beiden Männer tauschten immer wieder Erfahrungen aus und halfen sich auch gegenseitig, wenn das nötig war. Karsten Barwig hatte gleich mit dem Renovieren des Gutshauses angefangen, einen neuen Stall und zwei große Scheunen bauen lassen. Das Gut warf bereits wieder Ertrag ab. Karstens Frau Vera schien weniger für das Leben auf einem Gut geeignet zu sein. Sie hatte ein gefährliches und teures Hobby, das Autorennfahren. Zwar war sie über mittelmäßige Erfolge noch nicht hinausgekommen, aber ihre Leidenschaft für diesen Sport wurde immer größer. Denise von Schoenecker bedauerte immer wieder, dass zwischen ihr und Vera Barwig nicht dieselbe Freundschaft aufkommen konnte wie zwischen den Männern. Aber sie und Vera waren wirklich grundverschieden. Denise verstand nicht, dass es die Zweiunddreißigjährige immer wieder vom Weidenhof forttrieb, obwohl ihr Mann sie gebraucht hätte, vor allem aber ihr kleiner Sohn Heimo. Der Junge war erst vier Jahre alt, aber meistens musste der Vater ihm die Mutter ersetzen. Darüber sprachen Denise und ihr Mann auch, als sie zu den Nachbarn unterwegs waren. Denise sagte: »Ich kann mich des unguten Gefühls nicht erwehren, dass es mit Vera Barwig noch einmal ein böses Ende nehmen wird. Sie begibt sich doch dauernd in Lebensgefahr. Denkt sie denn gar nicht daran, was aus ihrem Jungen werden soll, wenn ihr einmal etwas passiert?« »Nein, daran scheint sie nicht zu denken«, erwiderte Alexander: »Ihr Mann verriet mir vor Kurzem, dass sie keine Kinder haben wollte.
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Seitenzahl: 147
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Denise von Schoenecker verließ das Kinderheim Sophienlust an diesem Tag etwas früher als sonst. Sie wollte sich auf Gut Schoeneich in Ruhe auf den Abend vorbereiten, denn sie und ihr Mann Alexander waren auf dem nahe gelegenen Gut Weidenhof eingeladen. Seit Kurzem hatten sie sich mit der Familie Barwig angefreundet, die aus Norddeutschland gekommen war und das etwas abgewirtschaftete Gut Weidenhof gekauft hatte. Der vierzigjährige Karsten Barwig war ein tüchtiger Landwirt und wurde von Alexander von Schoenecker sehr geschätzt. Die beiden Männer tauschten immer wieder Erfahrungen aus und halfen sich auch gegenseitig, wenn das nötig war. Karsten Barwig hatte gleich mit dem Renovieren des Gutshauses angefangen, einen neuen Stall und zwei große Scheunen bauen lassen. Das Gut warf bereits wieder Ertrag ab.
Karstens Frau Vera schien weniger für das Leben auf einem Gut geeignet zu sein. Sie hatte ein gefährliches und teures Hobby, das Autorennfahren. Zwar war sie über mittelmäßige Erfolge noch nicht hinausgekommen, aber ihre Leidenschaft für diesen Sport wurde immer größer.
Denise von Schoenecker bedauerte immer wieder, dass zwischen ihr und Vera Barwig nicht dieselbe Freundschaft aufkommen konnte wie zwischen den Männern. Aber sie und Vera waren wirklich grundverschieden. Denise verstand nicht, dass es die Zweiunddreißigjährige immer wieder vom Weidenhof forttrieb, obwohl ihr Mann sie gebraucht hätte, vor allem aber ihr kleiner Sohn Heimo. Der Junge war erst vier Jahre alt, aber meistens musste der Vater ihm die Mutter ersetzen.
Darüber sprachen Denise und ihr Mann auch, als sie zu den Nachbarn unterwegs waren. Denise sagte: »Ich kann mich des unguten Gefühls nicht erwehren, dass es mit Vera Barwig noch einmal ein böses Ende nehmen wird. Sie begibt sich doch dauernd in Lebensgefahr. Denkt sie denn gar nicht daran, was aus ihrem Jungen werden soll, wenn ihr einmal etwas passiert?«
»Nein, daran scheint sie nicht zu denken«, erwiderte Alexander: »Ihr Mann verriet mir vor Kurzem, dass sie keine Kinder haben wollte. So fehlt es ihr wohl an jedem Gefühl für den kleinen Heimo. Ein Glück, dass sich die alte Antonia so um ihn kümmert. Das würde nicht jede Mamsell tun.«
»Antonia ist eine Seele von Mensch«, meinte Denise. »Sie hat schon bei den Vorgängern der Barwigs viel Gutes getan und liebt wohl Kinder ganz besonders. Mit ihren fünfundsechzig Jahren ist sie noch recht rüstig. Hoffentlich kann sie so lange auf dem Weidenhof bleiben, bis Heimo etwas größer ist.«
»Vielleicht kannst du auf Vera Barwig etwas einwirken, damit sie des Öfteren zu Hause bleibt«, meinte Alexander. »Du würdest damit ein gutes Werk tun, denn manchmal macht Karsten Barwig auf mich einen sehr unglücklichen Eindruck. Ich verstehe gar nicht, dass eine Frau, die aus kleinen Verhältnissen stammen soll, so verschwenderisch werden kann. Ihr Sport kostet doch ein Heidengeld, und Karsten Barwig muss es sich schwer erarbeiten. Er ist zwar von seinem älteren Bruder, der das elterliche Gut Stolpshof in Schleswig-Holstein übernommen hat, ausbezahlt worden, aber dieses Geld hat sicher nur für den Kauf des Weidenhofes gereicht.«
Denise machte ein skeptisches Gesicht. »Ich glaube nicht, dass ich imstande sein werde, auf Vera Barwig Einfluss zu nehmen. Sie kann sehr arrogant sein, und mit solchen Leuten komme ich nur schwer zurecht. Aber jetzt sind wir da, Alexander.«
Die beiden stiegen vor dem großen Gutshaus aus. Es war weiß gestrichen und hatte dunkle Fensterläden. Das Dach war weit heruntergezogen, hohe alte Bäume umstanden es. So bot das Haus einen anheimelnden Eindruck. Jeder, der es sah, musste glauben, dass die Bewohner glückliche Menschen seien.
Denise und Alexander waren noch nicht bis zur Haustür gekommen, als diese geöffnet wurde. Ein großer schlanker Mann kam heraus und begrüßte die Gäste freundlich. Es war der Gutsherr Karsten Barwig. Man sah ihm an, dass seine Freude echt war.
In der großen, mit alten Möbeln eingerichteten Diele stand Vera Barwig. Sie trug ein für diesen Abend zu elegantes Kleid im modischen Blousonstil und dazu besonders hochhackige Schuhe. Sie sah nicht so aus, wie man sich entweder eine Gutsfrau oder eine Autorennfahrerin vorstellte. Eher machte sie den Eindruck, einem Modejournal entstiegen zu sein. Auf ihrem Gesicht lag ein gekonntes Make-up, langes hellblondes Haar fiel ihr in großen Locken bis auf die Schultern. Sie war eine schöne Frau, aber es lag keinerlei Wärme in ihren blauen Augen oder auf ihrem Gesicht. Eher wirkte sie hektisch.
»Es ist gut, dass Sie heute noch kommen konnten«, sagte sie, während sie die Gäste ins Wohnzimmer führte. »Morgen hätten Sie mich nicht mehr angetroffen. Ich erhielt heute die Mitteilung, dass das Training für die nächsten Rennen in Oberitalien schon übermorgen beginnt. Meinem Mann ist es zwar nicht recht, dass ich schon wieder wegfahren muss, aber ich kann es leider nicht verhindern.«
Karsten Barwig rückte seinen Besuchern die Sessel zurecht. Als er sich aufrichtete, strich er sich über das braune Haar. Seinen grauen Augen war anzumerken, dass er seinen Ärger hinunterzuschlucken versuchte.
Kaum saßen alle, wurde die Tür vorsichtig geöffnet. Ein kleiner friesenblonder Junge schlich ins Zimmer.
Denise sah ihn zuerst. »Heimo, du schläfst noch nicht?«, fragte sie. Sie stand auf, ging zu dem Jungen, strich ihm über den Kopf und lachte. »Bist du eigens noch einmal aus deinem Bett gestiegen, um uns zu begrüßen?« Sie blickte auf den Schlafanzug, den der Junge trug. »Aber du solltest etwas an die Füße anziehen, sonst erkältest du dich.«
Vera stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus. Dann sagte sie: »Solche Worte sind doch bei unserem Sohn in den Wind geredet. Er hört einfach nicht. Er sollte ja auch im Bett bleiben, aber nein, er musste herunterkommen. Immer diese Neugierde.«
Heimo sah seinen Vater mit ängstlichen Blicken an, als erwarte er Hilfe von ihm.
Die bekam er auch. Karsten Barwig hob seinen Jungen auf seinen Schoß und drückte ihn an sich. »Ein paar Minuten kannst du bleiben, Heimo, aber dann bringe ich dich ins Bett zurück. Die Kinder von Sophienlust schlafen sicher inzwischen schon.«
»Dort ist ja auch kein Kind allein im Zimmer – wie ich«, erwiderte Heimo. Seine graublauen Augen sahen klagend drein. »Und immer, wenn Mutti zu Hause ist, muss ich ganz früh ins Bett gehen. Ich kann dann immer so lange nicht einschlafen.«
»Wenn du nur etwas zu klagen hast«, meinte Vera ohne jedes wärmere Gefühl in der Stimme. »Dein Vater verwöhnt dich viel zu sehr. Wenn ich zurückkehre, bekomme ich das immer zu spüren. Bitte, Karsten, bringe Heimo jetzt in sein Zimmer zurück. Er soll nicht immer seinen Kopf durchsetzen können.«
Karsten Barwig stand auf. Es war ihm unangenehm, dass seine Frau ihn vor dem Ehepaar von Schoenecker so herumkommandierte, aber er wollte sie nicht reizen. Immer wieder versuchte er, mit ihr auszukommen, aber das gelang ihm nur selten. Sie hatten sich längst auseinandergelebt, weil ein jeder anderen Interessen nachging und seine Frau weder für ihn noch für Heimo Verständnis hatte.
Als sich Heimo verabschiedete, fragte er: »Darf ich wieder einmal nach Sophienlust kommen? Alle Kinder dort sind immer so lieb zu mir, und wenn Mutti morgen wieder wegfährt, wird sich nur Antonia um mich kümmern.«
Denise strich ihm über die Wangen. »Natürlich darfst du nach Sophienlust kommen, sooft es deinem Vater möglich ist, dich hinzubringen. Wir alle freuen uns doch auf deine Besuche.«
Karsten Barwig verließ mit dem Jungen auf den Armen das Wohnzimmer.
Vera steckte sich eine Zigarette an und sagte: »Ich wundere mich immer wieder darüber, Frau von Schoenecker, dass Sie sich diese Last mit dem Kinderheim aufgebürdet haben.«
Denise lächelte. »Das ist keine Last für mich, sondern eine Aufgabe, die mein Leben bereichert. Meine ganze Familie nimmt daran teil.«
»Aber Sie könnten sich doch das Leben viel angenehmer machen«, meinte Vera. »Eine Frau in Ihren Jahren kann doch noch nicht alle Vergnügen abgeschrieben haben. Zu mehr, als einem Nachbarschaftsbesuch scheinen Sie nicht zu kommen.«
»So ist es auch wieder nicht«, sagte Denise. »Mein Mann und ich leisten uns immer wieder ein paar Urlaubstage, mal mit unseren Kindern, mal allein. Das ist immer eine herrliche Zeit, weil wir dann nur füreinander da sind und versuchen, die Pflichten unseres Alltags zu vergessen.«
Vera zuckte die Schultern. »Mir wäre das zu wenig. Mit meinem Mann und Heimo kann ich hier auf dem Weidenhof beisammen sein. Im Urlaub will ich mich frei fühlen. Sobald die wichtigsten Rennen vorbei sind, werde ich an die Riviera fahren und mich dort erholen.«
Das hörte Karsten Barwig gerade noch, als er zurückkam. Er sah seine Frau erschrocken an. »Ist das dein Ernst, Vera?«, fragte er. »Wenn das so weitergeht, bis du bald das ganze Jahr auf Reisen. Heimo braucht dich hier so nötig, und ich möchte dich auch gern bei mir haben.« Er entkorkte eine Flasche Wein und füllte die Gläser.
»Eines Tages wirst du noch von mir verlangen, dass ich mit dir auf die Felder hinausreite und mich ebenfalls um die Arbeit kümmere«, sagte Vera spöttisch. »Dabei hasse ich dieses eintönige Landleben und die triste Umgebung hier.«
Alexander von Schoenecker konnte das, was ihm auf der Zunge brannte, nicht zurückhalten. »Trist ist es bei uns nun wirklich nicht, Frau Barwig. Nicht umsonst kommen so viele Urlauber in diese Gegend. Ich möchte an keinem anderen Ort leben als hier. Sicher geht es Ihrem Mann genauso, auch wenn er nicht mehr in seiner Heimat ist.«
Karsten Barwig nickte. »Ja, ich habe mich hier sehr gut eingelebt, aber meine Frau hat es immer mehr in die Stadt gezogen. Das war schon in Schleswig-Holstein so. Ich weiß gar nicht, was werden soll, wenn sie jetzt über viele Wochen hinweg unterwegs ist.« Sein Gesicht wurde kummervoll. Plötzlich legte er seine Hand auf Veras Arm und sah sie bittend an. »Willst du nicht doch noch einmal darüber nachdenken, ob du auf dieses Training verzichten könntest? Ich würde wieder nur immerzu Angst um dich haben und könnte mich zu wenig um Heimo kümmern.«
Vera lehnte sich zurück. Sie schien weder die Worte ihres Mannes gehört zu haben, noch seine bittenden Blicke zu sehen. »Ich muss das tun, was für mich wichtig ist«, erklärte sie.
»Wichtig wäre es vor allem, dass du dich um den Jungen kümmerst. Du weißt, wie ausgelastet ich bin. Noch kann ich mir keinen Verwalter leisten. Dadurch ruht die ganze Arbeit auf mir.«
»Heimo ist vier Jahre alt. Er kann sich allein beschäftigen. Das wird für ihn nur nützlich sein. Ich sagte ja schon, dass du ihn viel zu sehr verwöhnst.«
»Ein Kind braucht die Mutter«, machte Karsten noch einmal einen Vorstoß. »Und du bist nun einmal Heimos Mutter.«
Veras Gesicht rötete sich. Ohne daran zu denken, dass sie Gäste hatte, sagte sie mit giftiger Stimme. »Zu diesem Mutterdasein hast du mich gezwungen. Ich wollte kein Kind haben.«
Karsten erschrak und sah verlegen, zu Denise und Alexander von Schoenecker. »Meine Frau meint das nicht so«, sagte er mit entschuldigender Stimme.
»Und ob ich es so meine.« Vera sah ihn mit zornigen Blicken an. »Wir brauchen vor anderen gar nicht zu vertuschen, dass mir die Mutterrolle nicht liegt. Jede Frau ist eben anders. Bitte, versuche nicht, mich umzustimmen. Ich reise morgen ab und werde so lange bleiben, wie es für mich nötig ist. Du hast deine Arbeit, die dich ganz ausfüllt, und Heimo wird auch ohne mich zurechtkommen. Schließlich ist ja noch Antonia da.«
»Sie hat ebenfalls viel Arbeit und ist außerdem eine ältere Frau. Bei all ihrem guten Willen kann sie dem Jungen nicht das geben, was er braucht.« Karsten sah immer hilfloser aus.
Denise hatte schon einige Male zum Sprechen angesetzt, war aber unsicher gewesen. Doch jetzt konnte sie nicht mehr schweigen.
»Heimo könnte doch für einige Zeit ganz nach Sophienlust kommen. Er fühlt sich dort sehr wohl und hätte dann Spielgefährten.«
Karsten sah sie erschrocken an und fragte: »Ich soll mich von dem Jungen trennen? Es ist doch mein ganzes Glück, ihn im Gutshaus anzutreffen, wenn ich von draußen zurückkomme.«
»Sie könnten ihn oft besuchen«, meinte Denise, »und ihn vielleicht am Wochenende nach Hause holen, wenn Sie Zeit für ihn haben.«
Bevor Karsten darauf etwas erwidern konnte, meinte Vera: »Das wäre eine wunderbare Lösung. Natürlich, wieso haben wir noch nicht daran gedacht? Frau von Schoenecker kommt es doch gar nicht darauf an, ob sie ein Kind mehr oder weniger in Sophienlust hat.«
»Aber Vera!« Karsten schüttelte den Kopf. »Du scheinst ganz zu vergessen, was für Kinder in Sophienlust sind. Meistens haben sie keine Eltern mehr, oder ihre Mütter können sich nicht um sie kümmern, weil sie schwer krank sind.«
»Ich kann mich eben aus einem anderen Grund nicht um Heimo kümmern. Deine Klagen würden endlich ein Ende haben, wenn der Junge in Sophienlust wäre, ich nehme Frau von Schoeneckers Angebot an, und du solltest es auch tun, wenn du vernünftig bist.« Vera sah ihren Mann auffordernd an. Für sie war dieser Fall bereits gelöst.
»Ich will es mir überlegen«, sagte Karsten. »Danke, Frau von Schoenecker. Ich weiß die Hilfe zu schätzen, die Sie Heimo und mir zukommen lassen wollen.«
Vera schlug ein anderes Thema an, weil ihr dieses längst lästig war. Bald drehte sich bei ihr alles um die nächsten Rennen. Sie rückte sich ganz in den Mittelpunkt, sodass es zu keinem anderen Gespräch mehr kam.
Für das Ehepaar von Schoenecker war dieser Abend dadurch nicht sehr erfreulich. Sie hatten sich ihn anders vorgestellt. So fuhren sie etwas niedergeschlagen nach Schoeneich zurück. Beide dachten an den Mann und das Kind, die auf dem schönen Gut hätten glücklich sein können, stattdessen aber allmählich vereinsamten.
*
Es verging eine ganze Woche, ohne dass Denise von Schoenecker etwas vom Weidenhof hörte. Doch dann stand Karsten Barwig mit seinem kleinen Jungen vor ihr und sagte: »Ich trenne mich schwer von Heimo, aber nun will ich Ihr Angebot doch annehmen. Ich kann, nicht mehr mitansehen, dass der Junge sich fast den ganzen Tag mit sich selbst beschäftigen muss. Immer wieder spricht er von Sophienlust und den Kindern hier, mit denen er spielen könnte. Meine Frau hat mich wissen lassen, dass sie über viele Wochen hinweg nicht nach Hause zurückkehren wird.«
Heimo sah seinen Vater an und dann Denise. Mit trauriger Stimme sagte er: »Mutti mag Vati und mich nicht, sonst würde sie bei uns bleiben.«
»Das solltest du nicht sagen, Heimo«, tadelte Karsten Barwig barscher, als es sonst seine Art war. Er hatte wohl schon oft solche Vorwürfe hören müssen.
Er denkt aber genauso, ging es Denise durch den Sinn.
»Uns ist Heimo sehr willkommen«, sagte sie. »Er wird sich in Sophienlust sicher wohlfühlen. Die Kinder sprechen oft von ihm. Es passt auch gut, dass ich gerade einen Platz für ihn frei habe. Er kann in Jans Zimmer schlafen, dann hat er einen sehr lieben Freund, der zwei Jahre älter ist als er und ein sehr vernünftiger Junge.«
»Warum ist er in Sophienlust?«, fragte Karsten.
»Er ist eines jener armen Kinder, die nach dem Tod der Eltern von einem Verwandten zum anderen abgeschoben werden, schließlich wollte ihn niemand mehr haben. Wir haben ihn vollkommen vernachlässigt aufgenommen, aber in den drei Monaten, die er nun schon bei uns ist, hat er sich prächtig erholt. Er wird nicht mehr lange bei uns sein. Ich habe ein junges Ehepaar gefunden, das keine Kinder bekommen kann. Es will ihn aufnehmen, aber zuerst steht noch ein Umzug von Stuttgart nach München bevor.«
»Mein Junge hat noch Eltern«, sagte Karsten mit verbitterter Stimme, riss sich aber gleich wieder zusammen. »Ich werde Heimo besuchen, sooft es mir möglich ist, Frau von Schoenecker. Aber Sie wissen ja durch das Gut Ihres Mannes, wie sehr wir gerade in der Arbeit stecken. Selbst die Sonn- und Feiertage sind jetzt mit Arbeit ausgefüllt.«
Karsten machte einen erschöpften Eindruck. Denise wusste, dass er sich viel zu viel zumutete. Die Schuldgefühle gegenüber seinem Jungen, um den er sich zu wenig kümmern konnte, mochten das Ihre dazu beitragen, dass er so mitgenommen aussah.
Denise schlug einen heiteren Ton an, um es Karsten leichter zu machen, sich von Heimo zu trennen. Sie gingen miteinander durchs Haus. Schon bald folgten ihnen einige Kinder, als sie merkten, dass Heimo bei ihnen bleiben sollte. Alle bemühten sich um den kleinen Jungen und nahmen ihn schließlich mit in den Park zum Spielen.
Karsten trank mit Denise noch eine Tasse Kaffee. Am liebsten hätte er sich den Gram über das Verhalten seiner Frau vom Herzen gesprochen, aber noch immer wollte er sie schonen. Er meinte, mit seiner Enttäuschung über das fehlende Familienleben selbst fertig werden zu müssen. Oft stieg auch etwas Hoffnung in ihm auf, dass seine Frau sich noch eines Besseren besinnen würde.
Denise hatte diese Hoffnung nicht. Sie fürchtete, dass die Ehe Barwig eines Tages ganz in die Brüche gehen würde. Aber das ließ sie Karsten Barwig nicht erkennen. Sie sah ihre Aufgabe darin, dem kleinen Heimo jetzt Geborgenheit zu geben und ihn von dem Kummer abzulenken, dass ihm Mutterliebe vorenthalten wurde.
*
Karsten Barwig hätte all seine Hoffnungen aufgegeben, wenn er Zeuge des Lebens geworden wäre, das seine Frau führte, wenn sie nicht auf dem Weidenhof war.
Schon lange nahm sie es mit der ehelichen Treue nicht genau. Ihr war jeder Mann recht, der sie bewunderte und der so leicht in den Tag hineinlebte wie sie.
Ihr abwechslungsreiches Leben verschaffte ihr viele Gelegenheiten, sich in den Mittelpunkt zu stellen. Sie war eine schöne und interessante Frau für andere Männer, und sie sparte nicht mit dem Geld. Wenn es ihr ausging, rief sie einfach bei ihrem Mann an. Bis jetzt hatte sie es noch immer geschafft, dass er für Nachschub gesorgt hatte. Dabei fragte sie sich nicht, ob ihm das leicht- oder schwerfiel. Für sie war Karsten der wohlhabende Mann, der dazu verpflichtet wär, seiner Frau ein standesgemäßes Leben zu bieten. Hätte sie sich das nicht vor ihrer Heirat erhofft, wäre sie nicht seine Frau geworden.