Ein Verbrechen und andere Geschichten - Heinrich Mann - E-Book

Ein Verbrechen und andere Geschichten E-Book

Heinrich Mann

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Beschreibung

Drei nachdenklich stimmende Novellen sind in dieser Sammlung vereint: Heinrich Mann geht in "Ist sie's?" der Frage nach Wiedergeburt nach; "Ein Verbrechen" handelt von einer Affäre, bei der die ehebrecherische Frau ihrem Mann ein Verbrechen in die Schuhe schieben möchte; und in "Das gestohlene Dokument" geht es um Schuld und das scheinbar unmögliche Entkommen.-

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Seitenzahl: 42

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Heinrich Mann

Ein Verbrechen und andere Geschichten

 

Saga

Ein Verbrechen und andere Geschichten

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1898, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788726885415

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com

Ein Verbrechen

»Glaubt mir, ihr jungen Leute, und begnügt euch in der Liebe mit Kleinigkeiten! Nehmt von den Frauen das Gute an, das sie euch zu geben vermögen, aber im übrigen –.«

Der Rittmeister a.D. von Hecht machte die seinen Gästen bekannte Handbewegung: »Reden wir nicht davon.« Er nahm einen Schluck Punsch und fuhr fort:

»Was die große Leidenschaft anbetrifft, so liegt das Übel darin, daß sie sich niemals auf beiden Seiten gleich groß findet. Ist sie nun auf eurer Seite größer, so ist das ein Unglück, aber hier kann man sagen: gegen Leiden hilft Tätigkeit, manchmal wenigstens. Wächst euch dagegen die Leidenschaft der Frau über den Kopf, so ruht ihr am Fuß eines Vulkans aus, der Schwefelregen wird euch begraben. Ich werde vielleicht zu tief, das wäre schade; also will ich euch lieber gleich die Geschichte erzählen, der ich meine Philosophie verdanke.

Als ich im Jahre 82 nach M. versetzt wurde, war ich an eine großstädtische Lebensweise gewöhnt und fand das Dasein in dem Neste etwas kärglich. Die Leute aßen recht gut, aber in ihren Sitten waren es Kleinbürger. Das einzige Haus, wo man sich mitunter gut unterhielt, war das eines reichen Kaufmannes Namens Starke, der mit Fellen, Pelzen oder so etwas Ähnlichem handelte. Er hatte eine Frau, die ich, als ein Kamerad mich ihr vorstellte, wiedererkannte; ich hatte sie auf der Straße zwar nur von hinten gesehen, aber sie übertrieb beim Gehen das Wiegen ihrer Hüften. Sie hatte eine zu kurze, doch vollkommen runde Taille und auffallend schweres braunes Haar. Außerdem war ihre Nase von entzückender Feinheit, mit leicht beweglichen Flügeln. Wenn sie lächelte, biß sie mit den spitzen weißen Zähnen in ihre blutroten Lippen wie in einen Pfirsich, und ihre grauen Augen blickten dazu voll träumerisch versteckter Neugierde. Später habe ich in großen Momenten silberne Schlangen darin aufzüngeln gesehen.

Um Frau Starke und mich legte sich vom ersten Tage an eine eigene Atmosphäre. Sie wollte nicht zu dem Kreise gehören, in dem sie lebte, sie sprach von Berlin, wo sie nie mehr als vier Wochen im Jahre zugebracht hatte, als sei sie dort zu Hause. Sie kannte dem Namen nach ein paar meiner Freunde, und von meinem zweiten Besuche an behandelte sie mich wie einen intimen Bekannten von früher, den sie endlich wiedergefunden hätte. Am Ende war sie ja nicht zu verachten in ihrer dreißigjährigen Schönheit, in ihrer Toilette, die sorgfältig auf der Höhe des Berliner Geschmacks erhalten wurde, und inmitten ihrer häufig erneuerten Einrichtung, die, etwas in M. Unerhörtes, ganz und gar als Umrahmung ihrer eigenen Erscheinung gedacht schien und nichts stickluftig Familienmäßiges hatte. Wenn aber ich, der ich immerhin dem Familienglück anderer ein paarmal im Leben zu nahe getreten bin, in diesem Falle mein Gewissen befrage, so darf ich sagen, es hat mir nur wenig vorzuwerfen. Alles kam scheinbar von selbst, und es war mir übrigens bekannt, daß ich Vorgänger gehabt hatte. Frau Annemarie hatte ihren Mann niemals leiden mögen. Starke, der sie ohne einen Pfennig Mitgift geheiratet hatte, betete sie an. Der arme Mensch mit dem runden Allerweltsgesicht, dem breiten Bürgerbauch unter seiner weißen Weste und den großen roten Händen erschöpfte sich im Dienst ihrer Schönheit, ihres Luxusbedürfnisses, ihrer Launen, aber er erntete nichts als Haß und Abscheu. In der Stadt flüsterte man sich in die Ohren, Annemarie habe ihm niemals seine ehelichen Rechte eingeräumt. Die Kameraden, von denen ich diesen Zug erfuhr, fanden, daß er für eine Bürgersfrau großartig sei und von Rasse zeuge.