Ein verlorenes Paradies - Monika Dahlhoff - E-Book

Ein verlorenes Paradies E-Book

Monika Dahlhoff

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Beschreibung

Ein kleines Mädchen mit dem Namen Angelika Charlotte. Ihr Name Charlotte geriet bei manchen Menschen ins Vergessen. So wurde sie meistens nur Angelika gerufen, das ging auch viel schneller. Angelika wurde in einer sehr traurigen Zeit geboren. Es war der Zweite Weltkrieg. Sie verlor Mutter und Vater, doch sie hatte wunderbare Großeltern mit einem wunderschönen Gut bei Königsberg. Auf dem Gut durfte Angelika mit ihrem ersten Freund, leider nur für kurze Zeit, die Liebe entdecken. Angelika verlor traurigerweise ihre Großeltern und ihren ersten Freund durch die russischen Soldaten.Vier lange Jahre musste sie in einem russischen Gulag vegetieren. Sie kam als kleines Monster zurück nach Deutschland. Zuerst in ein Kinderheim, dann zu Pflegeeltern, die ebenfalls wie ihre Großeltern, ein Gut in der damaligen DDR besaßen. Die Pflegeeltern bemerkten sofort, dass in diesem Kind die Liebe zu den Tieren und der Natur steckte. Hier gab es nun für Angelika viele Freunde. Schnell stellte sie fest, dass es nichts Besseres für sie geben konnte.

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Ein verlorenes Paradies

1. Auflage, erschienen 4-2021

Umschlaggestaltung: Romeon Verlag

Text: Monika Dahlhoff

Layout: Romeon Verlag

ISBN (E-Book): 978-3-96229-827-2

www.romeon-verlag.de

Copyright © Romeon Verlag, Jüchen

Das Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung und Vervielfältigung des Werkes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks und der Übersetzung, sind vorbehalten. Ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Verlages darf das Werk, auch nicht Teile daraus, weder reproduziert, übertragen noch kopiert werden. Zuwiderhandlung verpflichtet zu Schadenersatz.

Alle im Buch enthaltenen Angaben, Ergebnisse usw. wurden vom Autor nach bestem Gewissen erstellt. Sie erfolgen ohne jegliche Verpflichtung oder Garantie des Verlages. Er übernimmt deshalb keinerlei Verantwortung und Haftung für etwa vorhandene Unrichtigkeiten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.dnb.de abrufbar.

MONIKA DAHLHOFF

Ein verlorenes Paradies

Autobiografie meiner Freunde

Wie und wo ich sie kennenlernte?

Was uns für Jahre verband?

Wie viele Jahre wir miteinander verbrachten?

Wohin unsere Reisen durch Stadt und Land gingen.

Wie uns unsere Liebe vereinte?

Wie wir Sorgen, Kummer, Freude und das Leid teilten.

Bis dass der Tod uns scheidet.

Vorwort:

Alles begann im Jahr 1940. Man nennt es die Zeit, die alle Menschen und alle Lebewesen, wenn sie das Licht der Welt erblicken, geschenkt bekommen. Manch einer bekommt wenig Zeit geschenkt, ein anderer davon viel.

Hier spricht nun zu euch die Zeit, ich bringe euch schöne, aber auch traurige Zeiten. Somit habe ich jetzt viel zu erzählen.

Es war einmal ein kleines Mädchen, das die Welt an einem kalten Wintertag erblickte. Es war ein Sonntag. Viele Menschen sagen, Sonntagskinder werden ein besonders schönes Leben bekommen. Doch der Mensch irrte in diesem Fall. Aber Gott schenkte diesem Kind einen besonders schönen Namen.

Angelika die Engelsgleiche

Diesen Namen gab mir mein Papa, da mischte sich plötzlich Mama ein, von mir soll sie auch einen Namen bekommen und der heißt Charlotte, sagte sie etwas bestimmend. Natürlich sagte Papa mit sanftem Ton, so soll es sein.

Als ich größer wurde, sagte jeder Angelika zu mir, nur mein Papa nannte mich Engelchen. Als ich diese meine Lebensgeschichte aufschrieb, machte ich ein Gedicht. Welches genau zu mir passte:

An meiner Wiege

eine Fee stand im schwarzen Gewand.

Ihre Worte kalt wie Eis sagten leis:

Ich bin des Krieges Bote,

bring Trauer, Tränen, Leid an deiner Lebenspforte.

Da öffnet plötzlich sich die Tür,

ein Engel weiß wie Schnee,

mit leisen Worten zart und rein, trat ein. Hab keine Angst, mein Kind,

ich bringe Kraft und Schönheit dir,

wenn du mich brauchst, dann ruf nach mir.

Lieber Leser, nun werde ich mit dir durch einige meiner Lebensgeschichten gehen. Wie hatte die Zeit so schön gesagt, in meinem Leben sollte es viele schöne, aber auch sehr traurige Zeiten geben. Diese Prophezeiung wurde wahr.

Kaum berührten meine kleinen Füßchen die Erde, die noch unter mir schwankte, begann schon eine traurige Zeit. Ich verlor meinen Papa im Zweiten Weltkrieg. Und so auch meinen Namen Engelchen. Doch da war sie wieder, die Zeit, sie schenkte mir etwas ganz besonders Wertvolles, die Liebe zu Tieren und der Natur.

Diese Liebe zog sich wie ein buntes Band durch mein ganzes Leben. Ja, der Name Angelika passte gut zu mir. Braune Locken, lieb und freundlich, doch meine junge Mama hielt ich als kleines Mädchen immer ganz schön auf Trab.

Wenn Mama in die Stadt fahren wollte, um mit mir in ihr Lieblingscafé zu gehen, machte sie mich besonders schick. Natürlich erzähle ich dir erst einmal, wo das Lieblingscafé von Mama war. Es war in Königsberg, Ostpreußen.

Im Sommer zog mir Mama immer besonders schöne Kleidchen an, dazu weiße Lackschuhe, weiße Söckchen, an ihrem Rand mit zarten Spitzen. Wenn kein Kuchenessen im kleinen Kaffee in Königsberg angesagt war, gingen wir bei schönem Wetter in den Zoo.

Wenn Mama meinen Cousin Hardy mit in den Zoo nahm, war sie sich nicht mehr sicher, dass mein schönes Kleidchen, welches ich heute anhatte, sauber blieb. Doch schien es Mama egal zu sein, sonst würde sie Hardy nicht mitnehmen.

Im Zoo angekommen freuten wir uns wie immer über die vielen Tiere, besonders über die lustigen Äffchen. Ich konnte nicht genug von ihnen bekommen und wäre am liebsten den ganzen Tag bei ihnen stehen geblieben.

Doch unser Ziel im Zoo war ja hauptsächlich der Sandkasten. Dafür hatten wir unsere Eimerchen und Schaufelchen mitgenommen. Kaum waren wir am Sandkasten angekommen, konnten wir uns so richtig austoben. Jetzt begann ein Wettkampf zwischen Hardy und mir, wer wohl die schönsten Sandkuchen backen kann. Noch waren wir sehr klein, ungefähr 3-1/2 Jahre alt. Sandkuchen backen gelang mir immer besonders gut. Stolz war ich jedes Mal, wenn ich meine Sandkuchen Hardy zeigte, dann benahm er sich aber so tollpatschig, dass er auf meine Kuchen fiel. Sofort war Kampf angesagt, so auch heute.

Ich fiel sofort über meinen Cousin her, es gab eine riesige Schlägerei der winzigen Giganten. Mama versuchte, uns mit netten Worten zu besänftigen. Wir sollten uns doch wieder vertragen, das nächste Mal würde Hardy auch sicher aufpassen, tröstete sie mich. Während Mama so tröstend und versöhnend sprach, sah ich plötzlich an mir herunter. Ich erschrak, denn mein schönes Kleidchen war sehr schmutzig, meine weißen Lackschuhe sahen aus wie Sandschuhe, nun ging bei mir aber doch die Weinerei los. Ich konnte mich einfach nicht beruhigen.

Hardy sah ich für heute nicht mehr an. Auf dem Heimweg tat ich, als wäre er nicht da. Als wir ihn dann endlich zu Mamas Schwester gebracht hatten, gab sich Mama alle Mühe, mich friedlich zu stimmen und sagte: Angelika, weine nicht mehr, gleich gehen wir schwimmen. Nein, das wäre zu viel für ein kleines Mädchen gewesen, nach einem so anstrengenden Zoobesuch noch schwimmen zu gehen. Doch Mama meinte jetzt nicht in die Ostsee, in der ich immer wie ein kleiner Frosch planschte, sie meinte natürlich unsere Badewanne.

Tatsächlich, die tröstenden Worte von Mama taten ihre Wirkung. Ich liebte unsere schöne Badewanne mit den glänzenden Füßen, die aussahen wie Löwenfüße. Endlich hatte ich meine Mama wieder für mich alleine, die Welt war in bester Ordnung.

Nun werde ich euch aber erzählen, um was es in dieser meiner Geschichte im Moment hauptsächlich geht.

Es war das Jahr 1944. Was ihr jetzt alles lesen werdet, ist kein Märchen, es ist eine von meinen Lebensgeschichten.

Das Leben von Angelika, dem Engelchen, die schon sehr früh ihre Liebe zu Tieren und der Natur entdeckte.

Es war eine schreckliche Zeit, in der ich, Angelika Charlotte von Quitzow, im November in Königsberg, Ostpreußen geboren wurde. Draußen tobte der Krieg, man konnte durch die geschlossenen Fenster das Dröhnen der Bomben hören. Oft verkroch ich mich in einer Ecke meines Zimmers und hielt mir beide Ohren zu.

Meinen Papa gab es schon lange nicht mehr. Mama sagte mir eines Tages, das Flugzeug von Papa wäre abgeschossen worden. Um mich zu trösten, erzählte sie mir, dass Papa im Himmel wäre und immer auf mich aufpasste. Das tröstete mich zwar ein bisschen, aber ich fühlte mich von ihm doch allein gelassen.

Mama versuchte, mich immer wieder zu trösten und wenn es ihr einmal wieder nicht gelang, beschloss sie, dass wir zu Oma und Opa auf ihr gräfliches Landgut in Ostpreußen fahren sollten. Ja, du hast richtig gelesen, meine Großeltern waren adelig und hießen von Quitzow, wie Mama und ich. Leider hatten Mama und mein Papa nicht geheiratet. Sie wollten den Krieg abwarten, denn Mama wünschte sich so sehr ein weißes Kleid. Aber ich konnte die Zeit in Mamas Bauch anscheinend nicht abwarten, ich wurde geboren, als mein Papa im Krieg war.

Nun aber wieder zu unserer Reise zu Oma und Opa. Schnell sagte Mama, bevor wir fuhren, wenn wir unterwegs zu Oma und Opa sind und mich jemand nach meinem Namen fragen würde, solle ich einfach sagen, das weiß ich nicht. Warum das so war, erfuhr ich erst viel, viel später.

Bei Oma und Opa ist kein Krieg, sagte Mama, es fallen dort keine Bomben auf die Straßen, so wie in Königsberg. Das brauchte Mama nur einmal zu sagen, so schnell ich konnte, zog ich mich an und los gings. Auf der langen Fahrt mit dem Zug war ich wie jedes Mal auch heute eingeschlafen.

Plötzlich hörte ich sehr vertraute Stimmen. Los, du Langschläfer steig endlich aus, in unserer Küche steht dein geliebter Apfelkuchen, die Äpfel sind noch warm. Das ließ ich mir nicht noch einmal sagen. Endlich auf dem Gut angekommen, stürzte ich mich sofort auf den Apfelkuchen.

Nein, kleine Angelika Charlotte, so geht das nicht, sagte Opa, hast du nicht etwas vergessen? Vor lauter Aufregung hätte ich fast das Wichtigste und Liebste vergessen.

Da sah ich sie wartend stehen, meine große Freundin Elsa, die mich liebevoll mit ihrer Nase anstieß. Jetzt war nichts wichtiger, als sie in meine Arme zu nehmen, sie zu drücken und ihr ein Küsschen auf ihren großen Kopf zu geben, dabei fuhr sie, wenn ich nicht schnell genug war, mit ihrer Zunge einen nassen Lecker über mein Gesicht.

Schnell wischte ich mit dem Ärmel meines Jäckchens das Gesicht ab, was Oma und Opa jedes Mal zum Lachen brachte.

Du brauchst nicht zu raten, was es für ein Hund war, ich sage es dir, es ist eine große Deutsche Dogge mit silbergrauem, weichem Fell, sie ist meine aller-, allerbeste Freundin.

Als ich noch ein Baby war, hatte sie schon den Auftrag von Oma und Opa, auf mich aufzupassen, was Elsa auch immer brav tat. Mama erzählte mir, aber viel, viel später einmal, wenn ich als Baby mit meinen Windeln im Höschen wegrobben wollte, holte mich Elsa an den Windeln wieder zurück. Eins war Elsa für mich immer, sie war mein Bodyguard. Niemand durfte mich anfassen, der nicht zur Familie gehörte. Darum konnte mich Mama mit ruhigem Gewissen bei Oma und Opa auf dem Gut lassen, wenn sie wieder nach Königsberg fuhr.

Heute war irgendwie alles anders als sonst, denn Mama wollte nicht nach Königsberg, sondern nach Berlin fahren, ihre Schwester besuchen. Schnell bestellte ich noch Grüße an Hardy. Da fiel mir plötzlich ein, dass Hardy mit seiner Familie vor einiger Zeit nach Berlin gezogen war. Ach, das war mir jetzt auch nicht so wichtig. Hauptsache meine Grüße an Hardy kamen an.

Es wurde eine schöne Zeit mit Opa und Oma, keine Bomben, kein Knallen, nur Tiere und die Kinder, die auf unserem Hof wohnten und mit mir spielten.

Der Sommer war für mich wieder einmal viel zu kurz. Und leider war es viel zu schnell Winter geworden. Wir spielten nur noch selten draußen auf unserem Hof. Doch etwas hatte ich in diesem Sommer wieder gelernt. Was all unsere Tiere im Sommer fressen. Ich kannte alle Kräuter, jede Pflanze, alle Gräser und Blumen. Sogar der Klee, den man essen konnte, war lecker, er schmeckte etwas sauer, aber wenn die Tiere ihn essen, so kann ich es auch, dachte ich mir. Eins wusste ich damals noch nicht, dass mir diese Lehre oft mein Leben retten sollte.

Aber das ist eine andere Geschichte.

Bei Oma und Opa in der Wohnküche war es sehr gemütlich. Ein großer Ofen, der eine schöne Wärme ausstrahlte, stand in der Küche neben unserem Esstisch. Der Esstisch stand in der Nähe vom Küchenfenster, sodass wir die dicken Schneeflocken draußen beobachten konnten, wie sie langsam zur Erde fielen und wie weiße Sterne auf den Steinen liegen blieben. Ja es war sehr, sehr kalt geworden.

Elsa lag faul auf ihrer Decke neben meinem Stuhl, wir konnten sie hin und wieder schnarchen hören. Wenn ich das hörte, fing ich laut an zu lachen, sodass sie wieder wach wurde. Wir saßen mal wieder gemütlich am Esstisch neben dem Fenster und aßen meinen geliebten Apfelkuchen. Dabei schaute ich den dicken Schneeflocken zu, wie sie an unserem Fenster wie Eisblumen kleben blieben. Die Wärme, die aus unserem Kachelofen kam, machte es sehr gemütlich.

So könnte es ewig bleiben, sagte Opa, doch in seinen Worten klang ein bisschen Traurigkeit. Als ich das bemerkte, sprudelten meine Worte aus mir heraus, Opa was ist ewig? Ach mein Kind, ich meine doch so gemütlich wie jetzt. Ich setzte mich auf Opas Schoß, streichelte seine Wange und sagte: Opa sei nicht traurig, du hast doch mich. Ja, mein Kind, du hast recht, lass uns erst einmal den Kuchen essen, dann sind alle traurigen Gedanken wieder weg.

Plötzlich wurde Opa unruhig, er ging zum Fenster und sagte nachdenklich, was ist das nur für ein Motorengeräusch? Wir haben doch keinen Wagen mit Heu bestellt, wir brauchen kein Heu mehr, wir haben den Stall voll davon und Futter für die Tiere brauchen wir auch nicht.

Da, plötzlich drehte sich Opa mit einem Ruck zu mir um, los, kleine Angelika, gehorche, was ich dir jetzt sage. Oh, was war denn das, solche Worte hatte ich von meinem Opa noch nie gehört.

Aber was er jetzt sagte, ließ mich tun, was er wollte. Schnell lauf in dein Zimmer, zieh dich warm an, vergiss deinen Muff nicht umzuhängen. Zieh dir auch die warmen Stiefel an, rief er mir auf dem Weg zur Treppe nach oben noch nach. Für ein paar Minuten hielt ich inne, denn jetzt fühlte ich in mir etwas, was ich noch nicht kannte, ich fing an zu zittern.

Mit dem Anziehen beeilte ich mich sehr, denn Opas ernste Worte klangen noch in meinen Ohren. Als ich unten in der Küche ankam, waren Oma und Opa auch schon warm angezogen. Da sah ich Elsa, die von ihrer Decke aufgestanden war, neben Opa stehen. Sie schien sehr aufgeregt zu sein, so hatte ich meine Freundin noch nie gesehen.

Alles war so schnell gegangen, dass mir keine Zeit geblieben war, darüber weiter nachzudenken, warum dieses alles geschah. Vorsichtig hörte ich nach draußen und erschrak, es wurde geschossen. Das verstand ich jetzt nicht, hatte Mama nicht, als sie zu ihrer Schwester gefahren war, gesagt, bei Oma und Opa gibt es keinen Krieg. Jetzt aber darüber weiter nachzudenken, war keine Zeit. Plötzlich wurde unsere Türe aufgestoßen. Vor Schreck versteckte ich mich hinter Opa und hielt mich an seinem Bein ganz fest. Da waren sie, die Soldaten mit ihren hässlichen Gewehren, die sie auf uns hielten und wie die Wilden damit herumfuchtelten. Elsa hatte sich plötzlich schützend vor uns gestellt und zeigte böse ihre Zähne. Ein Knurren war sogar von ihr zu hören.

Was nun geschah, ging alles sehr schnell, ich hörte noch einen Knall und sah meine Freundin Elsa mit einem großen Bums zur Erde fallen.

Ich stürzte hinter Opa hervor, an dem ich mich noch immer festgehalten hatte, schmiss mich auf Elsa, schrie und weinte. Ich sah aus ihrem Kopf das Blut auf den Boden fließen und hielt sie fest umklammert, doch fühlte ich, dass ich meine Freundin Elsa nun für immer verloren hatte. Während ich so weinte, Elsa immer wieder streichelte, hörte ich aus weiter Ferne Opas Stimme: „Nein, das Kind nicht, nehmt mich mit.“ Doch in diesem Moment fielen zwei Schüsse, Oma und Opa fielen neben mir und Elsa blutend auf den Boden. Meine Rufe nach ihnen konnten sie nicht mehr hören, sie waren tot.

Lange konnte es nicht gedauert haben, dass ich so über meinen geliebten Großeltern und meiner Freundin Elsa gelegen hatte. Denn plötzlich wurde ich grob von einem Soldaten heruntergerissen, auf einen Lastwagen geworfen, auf dem schon viele Kinder waren, die verzweifelt nach ihren Eltern riefen. Bevor mich die Soldaten auf den Lkw zu den Kindern warfen, sah ich noch unser geliebtes Gut in Flammen stehen.

Dieses war leider eine sehr traurige Geschichte, von der ich dir, lieber Leser, heute aber nichts mehr erzählen möchte. Doch die Liebe zu meinen Großeltern und meiner Freundin Elsa vergaß ich bis heute nicht. Sie blieben für immer in meinem Herzen und in der Erinnerung.

Wie sagt man, Erinnerungen sind wie die Wellen des Meeres. Wenn mir manchmal Zeit zu einem Gebet bleibt, bitte ich den lieben Gott, dass es Oma, Opa und Elsa im Himmel gut haben und bei meinem Papa sind, der am Himmel als der hellste Stern leuchtet.

Inzwischen war sehr viel Zeit vergangen. Ja, die russischen Soldaten hatten mich und viele Kinder auf ihren Lastwagen auf eine lange Reise bei Eis, bösem Sturm und Schnee, nach Sibirien mitgenommen. Vier lange Jahre hatte ich in einem Gefangenenlager ohne Eltern in Sibirien leben müssen.

Doch von dieser traurigen Zeit erzähle ich euch ein andermal. Als ich endlich wieder in Deutschland war, begann eine neue Zeit. Ach, was ich aber noch kurz erwähnen möchte, Doktor Konrad Adenauer hatte uns aus dem Gefangenenlager befreit.

Es war das Jahr 1949

Es waren inzwischen vier lange, traurige Jahre vergangen. Ich hatte eine neue Familie bekommen, Pflegeeltern und einen Bruder. Meine Mama hatte ich verloren, sie war damals, als sie mich bei meinen Großeltern ließ, nicht mehr zurückgekommen, warum wusste ich damals nicht, so sehr ich mich auch nach ihr sehnte, sie kam nicht wieder.

Meine Gedanken an meinen Papa und die Mama hielten mich am Leben. Ich wusste immer, dass meine Mama noch lebt.

Nun durfte ich wieder auf einem Gutshof leben. Neun Jahre war ich ungefähr alt, doch immer noch ein sehr kleines Mädchen. In den Jahren der Gefangenschaft bin ich nicht gewachsen, wegen der großen Hungersnot.

Meine neuen Eltern, Ilse und Carl Voith, mein neuer Bruder Albrecht, der zwei Jahre älter war als ich, wollten mir ein neues Zuhause geben. Sie hatten großes Mitleid mit mir. Schnell hatten sie bei mir die Liebe zu Tieren und der Natur entdeckt. Sie wollten dafür sorgen, dass ich wieder glücklich werde und die schlimme Zeit vergesse.

Und ich auch meine große Traurigkeit schnell verlieren sollte. Da bekam ich eines Tages sechs kleine, gelbe Entlein geschenkt, auf die ich aufpassen sollte.

Wie du hörst, hatten wir einen richtigen Bauernhof mit vielen Tieren, fast so wie bei meinen Großeltern. Es sollte, außer die Entchen zu versorgen, noch viel mehr Aufgaben auf mich zukommen. Wenn die Entchen abends in ihren Stall von mir gebracht wurden und ich sie am nächsten Morgen wieder auf die Wiese bringen wollte, ach du liebe Güte, war ihr Ställchen schmutzig. Das frische Gras, das ich tagsüber hineingelegt hatte, lag nun zertrampelt in ihren Ställchen, es war voller Kakak.

Ja, sagte Vati, das ist auch deine neue Aufgabe. Abends muss der Stall von den Entchen immer sauber sein, sonst sind sie bald nicht mehr gelb, sondern schmutzig und stinken. Es muss über Nacht nur Stroh in ihr Ställchen. Gefüttert werden sie am nächsten Morgen.

Von nun an machte ich den Stall immer besonders sauber, denn ich hatte Angst, dass Vati mir die Entchen wieder wegnahm. Das wollte ich auf keinen Fall, ich hatte die Entchen längst liebgewonnen. Sogar Vati hatte Spaß daran, wie ich mich mit ihnen beschäftigte, er sah mir oft zu, wenn ich mit ihnen spielte.

Zur Belohnung gab mir Vati eines Tages eine große Waschschüssel mit lauwarmem Wasser. Was sollte das werden, gingen mir Gedanken durch den Kopf, aber ich wagte nicht zu fragen. Heute Morgen hatte ich mich doch schon gewaschen, dachte ich. Ich beobachtete bei dem Gedanken Vati, als er die Schüssel auf den Boden stellte. So, sagte er mit einem verschmitzten Lächeln, nun kannst du deinen Entchen das Schwimmen beibringen. Ängstlich sagte ich, Vati, ich kann doch gar nicht schwimmen und die Schüssel ist auch viel zu klein für mich. Nun konnte Vati sein Lächeln nicht mehr verstecken. Das sollte etwas heißen, dass er lächelte, denn er war immer sehr ernst.

Nein, Angelika, nicht du sollst schwimmen lernen, sagte Vati freundlich, sondern nimm einmal ein kleines Entchen, setze es in die Schüssel, dann wirst du staunen. Tatsächlich, ich staunte, das Entchen konnte schwimmen. Es freute sich sehr, in dem Wasser zu planschen. Als ich das sah, nahm ich eins nach dem anderen und setzte sie in die Schüssel. Ein fröhliches Geschnatter, ein Untertauchen mit ihren Köpfchen begann, es war eine große Freude, ihnen zuzusehen.

Es sollte aber auch wirklich noch eine wichtigere Arbeit auf mich zukommen, denn kleine Entchen müssen auch Futter bekommen, sonst werden sie verhungern, sagte Mutti und erklärte mir sofort, wie das Futter gemacht wird.

Solange die Entchen so klein sind, musst du kleine Brennnesseln pflücken, waren ihre Worte, dann die Brennnesseln auf einem Brett kleinhacken, wenn du das geschafft hast, bringe ich dir noch gekochte Eier und Haferflocken.

Eier und Brennnesseln musst du kleinhacken, dann mit den Haferflocken vermischen. Ach du liebe Güte, das war nun wirklich eine schwere Aufgabe. Denn Brennnesseln brennen, besonders wenn sie klein sind. Mutti erklärte mir, dass ich Handschuhe anziehen sollte, die Brennnesseln möglichst weit unten am Stiel abpflücken müsse, da brennen sie am wenigsten. Obwohl ich ihren Rat befolgte, wurde ich immer wieder verbrannt. Ich gewöhnte mich langsam daran, auch wenn es noch so weh tat. Denn meine kleinen Entchen freuten sich immer über ihr Futter. Wenn dann ein Badetag mit gutem Futter vergangen war, lagen die Entchen zusammengekuschelt in ihrem Ställchen und schliefen. Am liebsten hätte ich mich zu ihnen gelegt, denn so ein Tag war auch für mich sehr anstrengend. Doch leider war das Entenställchen für mich viel zu klein, ich hätte wirklich keinen Platz darin gehabt. Wie hatte Mutti gesagt, Menschenkinder gehören nicht in ein Entenställchen und auch nicht in ein Kükenställchen.

Heute war mal wieder ein schöner, sonniger Tag, die Entchen waren mit mir auf ihrer Wiese. Damit sie nicht so alleine im Gras sitzen sollten, hatte ich mich zu ihnen gesetzt. Heute war ein besonderer Tag. Es war ein Sonntag.

Ein schönes Kleidchen mit passendem Schürzchen hatte mir Mutti angezogen, mach dich aber heute nicht mehr schmutzig, wir wollen noch in die Kirche, sagte sie. So saß ich neben meinen Entchen im Gras, passte auf, dass mir keines von ihnen auf meinen Schoß hopste. Die Sonne schien so schön warm, dass ich die Augen schloss. Am liebsten wäre ich im Sitzen eingeschlafen.

Doch plötzlich hörte ich vorne auf dem Hof einen Hund bellen. Der kann sich nur verlaufen haben, dachte ich, wir haben keinen Hund. Da dieses Bellen aber immer kräftiger wurde, konnte es nur ein sehr großer Hund sein. Kaum hatte ich zu Ende gedacht, kam das Gebell näher. Schnell sprang ich auf, vor lauter Schreck fand ich das Kästchen von meinen Entchen nicht und sammelte sie, so schnell ich konnte, in mein Schürzchen. Wie hatte Mutti und Vati gesagt? Pass schön auf die Entchen auf.

Da erklang plötzlich ein Pfiff, ich konnte es nicht glauben, der Hund lief in die Richtung, aus der der Pfiff gekommen war. Weg war er.

Nun hatte ich es aber eilig, in den Stall zu kommen, denn ich hörte Mutti rufen, wir wollen in die Kirche. Schnell wollte ich alle Entchen in ihren Stall setzen, oh Schreck, wie sah mein Schürzchen aus? Es war schmutzig geworden, voller Entenkacke.

Mir schien, dass die kleinen Entchen das nur aus Angst vor dem großen Hund getan hatten, so konnte ich ihnen nicht böse sein. Ich sah schrecklich aus, als ich so vor Mutti stand. Die Tränen kullerten über mein Gesicht. Bevor Vati schimpfen konnte, sagte Mutti, na daraus hast du sicher gelernt, dass man Entchen nicht in ein Schürzchen setzen darf. Mutti machte mir mit einem Lächeln mein Schürzchen ab, legte es in eine Schüssel mit warmem Wasser und sagte, das muss jetzt warten, bis wir aus der Kirche kommen. Sie band mir noch schnell ein neues Schürzchen um, das zu meinem schönen Kleidchen passte. Schnellen Schrittes ging es in die Kirche. Das war noch mal gut gegangen, keine Schimpfe oder Haue. Ich wollte ja auch nur meine Entchen schützen.

Es sollten wieder neue Erlebnisse auf mich zukommen.

Wie du hören wirst, hatten wir noch mehr Tiere auf unserem Hof, dazu gehörte eine große, weiße Ziege, die manches Mal kleine Zicklein bekommen sollte.

Mit dieser Ziege sollte eine neue Aufgabe auf mich zukommen. Vati wollte mir das Melken beibringen.

Ich staunte sehr, dass aus unserer Ziege die Milch kommt, die ich so gerne trank. Vati band heute die Ziege im Stall mit einem Strick an einer Wand fest.

Ich hatte doch keine Angst vor der Ziege, er brauchte sie nicht festzubinden, ging es mir durch den Kopf. Und ich wunderte mich, was das jetzt sollte, denn noch nie war die Ziege angebunden worden.

Schon oft hatte ich sie gestreichelt, das tat ich auch jetzt. Vati hatte sich entfernt, als er die Ziege angebunden hatte. Aber da kam er schon wieder. Er hatte etwas aus dem Stall geholt, einen kleinen Hocker mit nur einem Bein hielt er in der einen Hand, einen kleinen Eimer in der anderen. Einen solchen Hocker hatte ich noch nie gesehen. Wollte sich Vati etwa da draufsetzen? Ich wagte nicht zu fragen, denn sonst hätte ich bestimmt gelacht, weil ich mir das Bild vorstellte, dass er mit dem Hocker umkippte und neben der Ziege liegen würde.

Das wollte ich auf keinen Fall erleben. Es kam anders als gedacht. Vati setzte sich auf diesen einbeinigen Hocker, als wäre es überhaupt kein Problem, auf ihm zu sitzen.

Er stellte den Eimer unter die Ziege, die noch immer ganz still stand. Ich sah, wie Vati unter der Ziege an ihren Zitzen drückte und hörte auch schon wie die Milch in den Eimer spritzte. Komm, gib mir mal deine Hand, sagte Vati, ich zeige dir, wie man das macht.

Er zog mich zwischen seine Beine, nahm meine Hand in seine und führte sie an die Zitzen der Ziege. Da diese schön warm waren, hatte ich keine Angst vor dieser Berührung. Vati drückte plötzlich meine Hand etwas fester zu, tatsächlich, die Milch floss in den Eimer.

Nun stand Vati von dem einbeinigen Hocker mit den Worten auf, versuche es einmal alleine, Angelika. Ich war stolz, dass er so etwas zu mir sagte, setzte mich wie er auf den Hocker, doch so schnell ich mich draufgesetzt hatte, so schnell lag ich wieder unten. Nun war es Vati, der lachte. Ich wurde ärgerlich, versuchte es immer und immer wieder, bis es mir tatsächlich gelang.

Es war zwar alles ein wenig wackelig, aber ich blieb drauf sitzen. Mit dem Melken sollte es aber doch nicht so einfach gehen. Es kam einfach keine Milch aus den Zitzen. Vati erklärte, dass ich an der Zitze oben etwas drücken müsse, um die Milch nach unten rauszuschieben. Na ja, das war alles nicht so einfach, aber es klappte nach einiger Zeit dann doch. Vati ließ mich mit der Ziege allein.

Es machte mir sogar Spaß, als ich sah, wie die viele Milch in den Eimer floss. Für einen Moment passte ich nicht auf, die Ziege muss wohl die Nase von meiner Ungeschicktheit voll gehabt haben, sie wollte nicht mehr stillhalten. Plötzlich hob sie ihr Hinterbein, platsch hatte sie in den Eimer getreten. Das war totale Absicht von ihr, das wusste ich. Der Eimer mit der guten Milch kippte um, ich flog vom Hocker und hatte bei dem ganzen Geschehen nicht bemerkt, dass Vati hinter mir stand.

Nein, er schimpfte nicht, sondern er lachte. Er hob den Eimer hoch, schaute hinein und sagte, da wird Mutti aber traurig sein, dass wir heute keine Milch haben, aber was hatte sie gesagt, sprach Vati weiter, als dein Schürzchen von den Entchen schmutzig war?

Aus all dem kann man nur lernen. Das nächste Mal wird es besser gehen, mein Kind.

Ich versprach es mit Tränen in den Augen.

Eines Tages sagte Vati zu mir, eigentlich sollten wir mal wieder kleine Zicklein bekommen, doch in dieser Zeit werden wir keine Milch von der Ziege haben, die wird sie für die kleinen Zicklein brauchen.

Oder möchtest du keine Zicklein haben?

Vati wartete nicht auf meine Antwort, denn er hatte schon längst beschlossen, dass wir Zicklein haben werden.

Jetzt brauchen wir die Milch noch ein Weilchen für uns, sagte Vati. Denn du musst Mutti noch helfen, Butter, Dickmilch und Quark zu machen.

Ich freute mich über die neuen Aufgaben und wollte alles so gut wie Mutti machen.

Am meisten Arbeit machte das Butter zubereiten. Von der Milch wurde die fette Sahne abgeschöpft, sie kam in eine Rührschüssel. Weil ich so klein war, setzte mich Mutti auf einen Stuhl, die Rührschüssel bekam ich auf meinen Schoß zwischen meine Beine geschoben, so konnte ich sie beim Drehen mit der Kurbel besser festhalten. Nach einiger Zeit wurde es Schlagsahne, die wir zum Kuchen essen brauchten. Wenn ich dann weiter rührte, entstand endlich die Butter. Wenn es aber nur Sahne sein sollte, musste ich sehr aufpassen, dass ich nicht zu lange rührte, sonst wäre es tatsächlich wieder Butter geworden.

Nun hatte ich alles gelernt, was man aus Milch machen konnte. Die dicke Milch mit Zimt und Zucker schmeckte mir besonders gut. Das war das Einfachste an der Sache, ich ließ einfach eine Schüssel Milch in der Küche auf dem Arbeitstisch zugedeckt stehen, am nächsten Tag war die Milch dick geworden.

Nun kam die Zeit, dass Vati sagte, jetzt ist aber Schluss mit dem Butterrühren und Sahnelecken, jetzt muss die Ziege vorbereitet werden, damit sie uns Zicklein schenken kann.

Wir müssen heute mit der Ziege zu einem Bauern am Ende des Dorfes gehen, sagte Vati, so als wäre es selbstverständlich. Doch ich verstand nicht, was er damit sagen wollte. Jetzt eine Frage stellen, fühlte ich, wäre nicht richtig.