Eine hoffnungslose Lady (Das Smaragd-Collier 1) - Melissa David - E-Book

Eine hoffnungslose Lady (Das Smaragd-Collier 1) E-Book

Melissa David

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Beschreibung

Andrew Stone, Marquess of Ashwood, stellt auf die Bitte eines alten Freundes in London Nachforschungen über ein geheimnisvolles Collier an. Zufällig entdeckt er es am Hals der schönen Debütantin Lady Emilia, die durch ihre unverblümte und direkte Art mehr als auf eine Weise sein Interesse weckt. Doch sie ist längst vergeben, und ihr Verlobter, Lord Lastborough, rückt ins Visier seiner Ermittlungen. Als Lady Emilias Verlobter tot aufgefunden wird, liegt ihr Leben in Scherben. Die Hoffnung auf eine standesgemäße Hochzeit rückt in weite Ferne. Unverhofft treffen Andrew und Emilia wieder aufeinander. Zufall oder ein Wink des Schicksals? Und auch das Collier ist mit einem Mal unauffindbar … Ein unterhaltsamer Regency-Romance-Roman im schillernden London des frühen 19. Jahrhunderts.

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Klappentext
Impressum
Das Smaragd-Collier
Vorwort
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Das Smaragd-Collier
Über die Autorin
Die Chroniken von Usha
Cheetah Manor
Kruento
High Society Love

 

Klappentext

 

Andrew Stone, Marquess of Ashwood, stellt auf die Bitte eines alten Freundes in London Nachforschungen über ein geheimnisvolles Collier an. Zufällig entdeckt er es am Hals der schönen Debütantin Lady Emilia, die durch ihre unverblümte und direkte Art mehr als auf eine Weise sein Interesse weckt. Doch sie ist längst vergeben, und ihr Verlobter, Lord Lastborough, rückt ins Visier seiner Ermittlungen.

Als Lady Emilias Verlobter tot aufgefunden wird, liegt ihr Leben in Scherben. Die Hoffnung auf eine standesgemäße Hochzeit rückt in weite Ferne.

Unverhofft treffen Andrew und Emilia wieder aufeinander. Zufall oder ein Wink des Schicksals? Und auch das Collier ist mit einem Mal unauffindbar …

 

Ein unterhaltsamer Regency-Romance-Roman im schillernden London des frühen 19. Jahrhunderts.

Impressum

 

E-Book

1. Auflage Juni 2022

600-665-01

Melissa David

Mühlweg 48 A

90518 Altdorf

Blog: www.mel-david.de

E-Mail: [email protected]

 

 

Umschlaggestaltung: Michael Sopolidis

www.michaelsopolidis.com

www.facebook.com/michaelsopolidisofficial

www.instagram.com/michaelsopolidis

www.bit.ly/michaelsopolidis-youtube

 

Lektorat: Jeanette Lagall

www.lektorat-lagall.de

 

Korrektorat: Jana Oltersdorff

 

 

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form bedürfen der Einwilligung der Autorin.

Personen und Handlungen sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Das Smaragd-Collier

 

Eine hoffnungslose Lady

 

Band 1

 

von

Melissa David

 

 

 

Vorwort

 

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

 

ich bedanke mich herzlich für das Interesse an meiner Regency-Romance Reihe „Das Smaragd-Collier“.

 

Liebhaber der großen englischen Literatur von Jane Austen werden hier ebenso enttäuscht werden wie detailversessene Regency-Liebhaber. Wer aber eine locker, leichte Lektüre fürs Herz mit Charakteren zum Mitfiebern sucht, wird hier fündig werden. Beim Schreiben der Smaragd-Collier-Reihe ging es mir in erster Linie darum, das schillernde, teilweise überromantisierte Bild einer Londoner High Society abzubilden, die es niemals gegeben hat. Alle im Roman genannten Personen sind frei erfunden und haben keine Ähnlichkeit mit verstorbenen oder lebenden Personen. Lediglich Lord Liverpool hat einst gelebt. Politische Gegebenheiten und Entdeckungen sind so ausgewählt, dass sie sich in das Gesamtkonzept gut einfügen, haben aber nicht den Anspruch in dieser zeitlichen Abfolge passiert zu sein.

Alle, die sich nun auf die Geschichte einlassen, wünsche ich zauberhafte Lesemomente.

 

Für dieses Buch habe ich mir etwas sehr spezielles überlegt. Es gibt einen Leseplan, der dich durch alle vier Bücher der Reihe begleitet. Diesen Leseplan gibt es in gedruckter und digitaler Form. Mit diesem Leseplan erhältst du einen exklusiven Blick hinter die Kulissen: selbstgedrehte Videos (und bitte erwartet hier keine Filmqualität), Recherchearbeiten, Verlinkungen zu Blogartikeln, welche die Regency-Zeit aufgreifen, und Lebensgeschichten von Personen über das Buch hinaus. Mehr über den Leseplan erfährst du hier.

Selbstverständlich kann man das Buch auch ohne Leseplan lesen.

 

 

 

Es gibt auch einige Blogartikel zum Thema Regency, wenn du tiefer in die Welt und die Zeitepoche eintauchen möchtest. Eine Übersicht über die Themen findest du hier.

 

Nun wünsche ich dir viel Spaß mit Emilia und Andrew.

 

Melissa David

Kapitel 1

 

Es war bereits weit nach Mitternacht, als Andrew Stone, Marquess of Ashwood, im Londons exklusivstem Herrenclub, dem Letling’s, eintraf. Sein Umhang und der Hut waren tropfnass. Unwillkürlich schüttelte er sich. Natürlich regnete es, wenn er in London war.

„Willkommen im Letling’s, Lord Ashwood.“ Mit unbewegter Miene begrüßte ihn der Butler, der hinter dem Tresen in der Haupthalle stand, und winkte einen Lakaien heran, der wortlos die nassen Sachen entgegennahm.

Beiläufig sah Andrew sich um. Auch wenn es Monate her war, seit er das letzte Mal den Club betreten hatte, wirkte es doch so, als wäre er erst gestern hier gewesen. Nichts hatte sich verändert.

Um diese Uhrzeit war im Letling’s nicht viel los – zumindest nicht im Eingangsbereich. In den allgemeinen Gesellschaftsräumen sah es sicher anders aus. Doch Andrew war heute Abend nicht hier, um den üblichen Vergnügungen nachzugehen.

„Ihr Stock, Mylord?“, erkundigte sich der Lakai.

Andrew schüttelte den Kopf. Der Stock war mehr als ein Accessoire, und er behielt ihn stets bei sich. Dezent entfernte sich der Bedienstete.

„Mylord, möchten Sie noch speisen?“, erkundigte sich der Butler und notierte etwas in einem großen ledergebundenen Buch.

„Nein.“ Andrew war nicht hungrig.

„Ihr Gast wartet bereits, Mylord.“

Damit hatte er gerechnet, schließlich war er zu spät. Eigentlich hatte er geplant, schon vor einer halben Stunde hier einzutreffen, dabei hasste er Verspätungen. Doch es war ihm bedauerlicherweise nicht möglich gewesen, seine Ankunft zu beschleunigen.

„Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Mylord?“

Andrew schüttelte den Kopf.

„Dann wünsche ich Mylord einen angenehmen Aufenthalt. Sollten Sie etwas benötigen, zögern Sie nicht zu klingeln.“

Andrew nickte dem Butler zu und wandte sich ab, um die Treppe hinaufzugehen. Sein Bein schmerzte bei jedem Schritt. Die lange Fahrt in der Kutsche hatte ihm nicht gutgetan, und so musste er sich mehr als gewöhnlich auf seinen Stock stützen. Glücklicherweise war er allein, sodass ihn niemand dabei begaffen konnte, wie er sich abmühte, Stufe um Stufe zu erklimmen.

Nach einer viel zu langen Zeit kam er endlich oben an. Ein Flur erstreckte sich zu beiden Seiten der Treppe. Zu seiner Linken lagen Gesellschaftsräume wie beispielsweise das Frühstückszimmer, die Bibliothek, zwei Kartenspielzimmer und diverse andere Räumlichkeiten, die gern für politische Diskussionen genutzt wurden. Allerdings war das Letling’s im Gegensatz zu den meisten Clubs in der Stadt ein neutraler Ort, und Angehörige der Tory waren ebenso willkommen wie Anhänger der Whigs. Von dieser Seite des Flurs drangen gedämpfte Geräusche an sein Ohr.

Andrew blickte nach rechts. Der Gang führte zu einer ganzen Reihe privater Salons, die angemietet werden konnten. Etliche Lords hatten eine dieser Räumlichkeiten – natürlich für das entsprechende Kleingeld - dauerhaft für sich in Anspruch genommen. Andrew war zwar nicht oft in London, doch auch er besaß einen dieser privaten Salons. Auf kleinen Steintafeln an der Tür stand der Name des jeweiligen Mieters. Er betrat den dämmrigen Flur. Sein Ziel war sein privater Salon. Der dicke Teppich verschluckte seine Schritte. Zielstrebig ging er an etlichen Türen vorbei, bis er zu jener Tür kam, auf der sein eigener Name geschrieben stand. Ohne anzuklopfen – schließlich war es sein eigener Raum – drückte er die Türklinke hinunter und trat ein.

„Du kommst spät“, begrüßte ihn der Mann, der mit dem Rücken zu ihm in einem Sessel am brennenden Kamin saß.

„Dafür entschuldige ich mich aufrichtig, Commander.“ Andrew schloss die Tür. Im Raum war es dämmrig, da der große Kronleuchter über ihnen nicht entzündet worden war. Lediglich ein paar Kerzen brannten.

Andrew hatte das Zimmer explizit nach seinen Wünschen gestalten lassen. Im Moment war es zu dunkel, um die satte grüne Farbe der Wände zu erkennen. Die Bilder, die hier hingen, alle von bekannten Malern, hatte er sorgfältig selbst ausgewählt. Direkt am Fenster stand ein größerer Tisch, der jedoch nicht eingedeckt war, da Andrew heute nicht hier zu essen beabsichtigte. Auf einem kleinen Beistelltisch befanden sich diverse Getränke zur Selbstbedienung. Wie er feststellen musste, hatte sich sein Gast nicht bedient. Da es unhöflich wäre, sich jetzt ein Glas Scotch einzuschenken, verzichtete er ebenfalls darauf und hinkte stattdessen zum zweiten Sessel hinüber. Ungelenk ließ er sich nieder und lehnte den Gehstock gegen die Armlehne. Es tat gut, endlich zu sitzen. Vorsichtig zog Andrew sein Bein näher. Es schmerzte.

„Ich habe einen Auftrag für dich“, sagte der Commander, ohne ihn anzublicken.

Davon war er ausgegangen, denn sonst hätte er die Reise nach London nicht auf sich genommen. Andrew war neugierig, worum es ging und warum der Commander ihn in die Hauptstadt bestellt hatte. „Damit habe ich nach deinem Brief gerechnet.“

Er wartete, doch sein Gegenüber fuhr nicht fort, und so sah er sich gezwungen nachzufragen: „Worum geht es?“

„Das Smaragd-Collier soll wiederaufgetaucht sein. Ich möchte, dass du überprüfst, ob die Gerüchte stimmen.“

Deswegen hatte er die Bequemlichkeit seines Landlebens gegen das Londoner Stadtleben getauscht? Andrew hatte mit einem weit spannenderen Auftrag gerechnet. Vielleicht eine politische Verschwörung oder das Aufspüren eines brisanten Informanten. Dass er lediglich wegen eines Schmuckstücks hergekommen war, enttäuschte ihn.

„Hast du schon einmal von diesem Smaragd-Collier gehört?“ Das Gesicht seines Gegenübers lag im Schatten verborgen, sodass er dessen Mimik nicht ergründen konnte.

Andrew schüttelte fassungslos den Kopf. „Du hast mich nicht allen Ernstes wegen einer Kette nach London bestellt?“

„Das Smaragd-Collier stammt aus dem Hause Stuart.“

Damit war Andrews Interesse immerhin ein klein wenig geweckt. Auch wenn er von dem Schmuckstück noch nie gehört hatte, den Namen Stuart kannte er selbstverständlich, schließlich handelte es sich um die einstige Monarchenfamilie.

„Das Collier hat Königin Anne gehört“, erklärte der Commander. „Einst wurde es benutzt, um einen Mordanschlag auf unseren König zu finanzieren. Danach war es rund sechzig Jahren lang spurlos verschwunden.“

„Und ich bin hier, um das einstige Verbrechen aufzuklären?“ Ein Funke Hoffnung glomm in ihm, den der Commander mit seinen nächsten Worten leider im Keim erstickte.

„Die Männer, die den Anschlag auf Georg II. verüben wollten, wurden rechtzeitig gefasst und aufgehängt.“

Andrew starrte übellaunig in die Flammen. Also war er hier, um ein belangloses Collier aufzustöbern. In der Hoffnung auf einen interessanten Auftrag war er hergekommen und nun das.

Allerdings ließ er sich seine schlechte Laune vor dem Commander nicht anmerken, wechselte die Sitzposition und brachte vorsichtig sein Bein in eine angenehmere Stellung.

„Der Smaragd ist von unschätzbarem Wert.“ Der Commander beugte sich vor und überreichte Andrew ein gefaltetes Stück Papier.

Noch immer missmutig, nahm er es entgegen und faltete es auseinander. Es handelte sich um eine Skizze des Schmuckstücks, und Andrew musste zugeben, dass das Collier durchaus einer Königin würdig war. Doch noch immer empfand er den Auftrag als lächerlich und ärgerte sich, dass er sich dafür überhaupt herbemüht hatte.

„Damals konnten zwar die Täter gefasst werden, doch die Hintermänner sind bis heute im Dunkeln geblieben.“

Andrew runzelte die Stirn. „Wem gehört das Collier?“

Der Commander schüttelte den Kopf. „Die rechtmäßigen Besitzer haben nichts damit zu tun. Aber vermutlich jene Leute, die das Collier in den letzten sechzig Jahren versteckt haben.“

Jetzt war Andrews Interesse geweckt. Solche Aussagen traf der Commander nicht leichtfertig, dazu kannte er ihn zu gut. „Aus welchen Quellen beziehst du dein Wissen?“

„Aus verlässlichen Quellen.“ Damit war das Thema für den Commander beendet, und Andrew wusste aus Erfahrung, dass weiteres Nachbohren zwecklos war. Daher sparte er sich seine Kräfte.

„Du vermutest, dass das Collier erneut zur Bezahlung für einen Anschlag benutzt werden soll?“

Der Commander zuckte kaum merklich mit den Schultern. „Das sollst du herausfinden. Es kann ein Zufall sein, dass das Schmuckstück aufgetaucht ist, oder auch nicht. Ich möchte, dass du jeden überprüfst, der mit dem Collier in Berührung gekommen ist.“

Andrew nickte, gleichwohl war er ein wenig enttäuscht über die Banalität des Auftrags.

„Jedoch kann ich nicht ausschließen, dass mächtige Männer in die Sache verwickelt sind“, ergänzte der Commander.

Davor fürchtete Andrew sich nicht. Als Marquess verkehrte er in den besten Kreisen. Allerdings verfügte auch der Commander über hervorragende Verbindungen, daher erkundigte er sich vorsichtig: „Politische Motive?“

„Das kann ich nicht ausschließen.“ Die Einsilbigkeit des Commanders konnte nur daher rühren, dass er selbst nicht mehr Informationen besaß.

„Ich soll das Collier also ausfindig machen und herausfinden, ob ein weiterer Anschlag geplant ist?“, schlussfolgerte Andrew. Der Auftrag könnte durchaus interessant werden.

„Spüre es zunächst auf und benachrichtige mich.“ Der Commander beugte sich vor, und seine Silhouette, vom Feuer angestrahlt, warf unwirkliche Schatten auf den Teppichboden.

„Soll ich das Collier in Gewahrsam nehmen?“, vergewisserte sich Andrew.

„Nein.“

Damit hatte er gerechnet. Er warf noch einen letzten Blick auf die Skizze, faltete sie zusammen und reichte sie dem Commander zurück.

„Behalte sie.“

Wortlos steckte Andrew das Papier in seine Westentasche. „Kannst du mir sagen, wo das Collier aufgetaucht ist?“

Lange zögerte der Commander mit einer Antwort, dann meinte er bedächtig: „Höre dich unauffällig um.“

Das war zwar nicht ganz das, was er sich erhofft hatte, aber dann würde er eben genau das tun. „Wirst du hier in London bleiben?“

„Nein.“ Der Commander ließ weder eine Begründung noch eine Erklärung erfolgen.

„Kann ich dich auf die übliche Weise kontaktieren?“

Bedächtig nickte der Commander. „Das kannst du.“

„London mitten in der Frühlingssaison.“ Andrew schüttelte den Kopf, ungläubig über sich selbst. Er hatte sich vorgenommen, nie wieder einer Ballsaison beizuwohnen. Die Letzte hatte in einem Desaster geendet, und dafür war er nicht noch einmal bereit. Aber da er den Auftrag nun angenommen hatte, würde ihm nichts anderes übrigbleiben, als jene verhassten Veranstaltungen zu besuchen. Wenn ein so kostbares Collier wieder aus der Versenkung aufgetaucht war, würde es zu diesen Anlässen getragen werden. „Einen unpassenderen Zeitpunkt hättest du dir nicht aussuchen können.“

„Du wirst es überleben. Ein wenig Kultur und ein wenig Vergnügen schaden auch dir nicht.“ Es war zu dunkel, um das Gesicht des Commanders zu sehen, doch der Spott in seinen Worten kam deutlich zum Ausdruck.

„Vergnügen“, schnaubte Andrew. Als würde ihm das gesellschaftliche Leben Vergnügen bereiten. Für ihn war es eine Last, aber er hatte einen Auftrag erhalten, und diesen würde er erfüllen.

Der Commander erhob sich, doch als Andrew es ihm gleichtun wollte, legte dieser ihm eine Hand auf die Schulter und zeigte ihm auf diese Weise wortlos, dass er sitzen bleiben sollte. „Ich wünsche dir einen angenehmen Aufenthalt in London, Ashwood. Auf bald.“ Damit verließ er den Raum.

Andrew lehnte sich im Sessel zurück und schloss erschöpft die Augen. Er war in London und verdammt, sein Aufenthalt würde anstrengender werden als befürchtet. Wohl oder übel würde er eine Weile bleiben müssen, bevor er sich wieder aufs Land zurückziehen konnte. Stattdessen musste er nun am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, bis er dieses Collier fand. Gierige Lords, herausgeputzte Dandys, heiratswillige junge Damen und übereifrige Mütter, die jeden seiner Schritte mit Argusaugen verfolgen würden. Allein die Vorstellung war grauenhaft.

Der Tag war lang gewesen, und die Erschöpfung drückte ihn nieder, daher beschloss er zu gehen. Zwar hätte der Anstand es geboten, dass er im großen Gemeinschaftssalon des Clubs vorbeisah und sein Eintreffen in London kundtat, doch die Londoner Etiketten waren ihm herzlich egal. Er würde den Club morgen wieder aufsuchen, wenn er mehr Muße für Gesellschaft hatte.

Andrew griff nach seinem Gehstock und stand umständlich auf. Das rechte Bein pochte unangenehm. Nach der langen Kutschfahrt und der beschwerlichen Reise war dies auch kein Wunder. Zumindest würde er heute Nacht in einem ordentlichen Bett schlafen und so machte er sich in sein Stadthaus auf.

Kapitel 2

 

Die Sonne stand hoch am Himmel und sorgte für angenehm warme Temperaturen an diesem Frühlingstag. Lady Emilia Colby kam mit ihrer Mutter, Lady Hardstaff, gerade von einem Besuch bei der Schneiderin. Dort hatten sie letzte Änderungen für ein Ballkleid in Auftrag gegeben, und Emilia hatte den Aufenthalt im Geschäft ebenfalls genutzt, um sich neue Haarbänder zu kaufen. Eines davon wollte sie bereits morgen auf dem Ball von Lord und Lady Flowerskin tragen.

Da das Wetter so angenehm war, hatte Emilia ihre Mutter gebeten, nicht mit der Kutsche zurückzufahren, sondern einen Spaziergang zu machen. Zuerst war Lady Hardstaff nicht begeistert gewesen, hatte aber schließlich zugestimmt. Letztendlich hatten sie ziemlich lange gebraucht, bis sie über die Piccadilly Street promeniert und dann Richtung Berkeley Square abgebogen waren. Von dort aus waren es nur noch ein paar Straßen bis zum Stadthaus der Familie. Da Lady Hardstaff allerdings viele Bekannte getroffen hatte, waren sie mehr als einmal stehengeblieben, um mit Freunden zu plaudern. Inzwischen bereute Emilia es fast ein wenig, auf den Spaziergang bestanden zu haben. Mit der Kutsche wären sie längst Zuhause angekommen. Endlich erreichten sie den Berkeley Square, und Emilia warf einen sehnsüchtigen Blick in den eingezäunten Garden, der überaus einladend aussah.

Auf der anderen Straßenseite herrschte hingegen großer Tumult. Etliche Wagen standen vor einem der herrschaftlichen Häuser, und eifrige Bedienstete luden Unmengen von Kisten ab.

„Sieh nur, das Haus wird bezogen.“ Aufgeregt rüttelte Lady Hardstaff am Arm ihrer Tochter.

Eher gelangweilt warf Emilia einen Blick auf das Aufgebot vor dem prunkvollen Herrenhaus und wandte sich dann wieder der Grünfläche zu, die sie deutlich mehr interessierte. „Anscheinend ein Zuzug“, stellte sie gleichgültig fest.

Lady Hardstaff schnaubte entrüstet. „Hast du eine Ahnung, wer hier wohnt?“

Berkeley Square war eine der gefragtesten und teuersten Adressen in London, zweifelsohne. Wer im Einzelnen hier wohnte, wusste Emilia nicht, und es interessierte sie auch nicht sonderlich. So schüttelte sie den Kopf und überprüfte mit ein paar schnellen Handgriffen, ob ihre Haube verrutscht war. Glücklicherweise saß sie noch an Ort und Stelle, sonst hätte sie sich erneut eine Rüge ihrer Mutter eingehandelt.

Lady Hardstaff deutete auf das erste Gebäude in der Reihe. „Hier wohnt der Earl of Clainwood. Daneben liegt das Haus des Marquess of Crowbright. Dieses hier“, die Countess deutete auf eine unscheinbare graue Fassade, „steht derzeit zum Verkauf, nachdem die Besitzerin verstorben ist und der Neffe keine Verwendung dafür hat.“ Ihre Hand wanderte weiter und deutete nun auf ein Gebäude mit ungewöhnlich üppiger Vegetation im Vorgarten. „Dort wohnt der Marquess of Toothright, daneben Lady Suttersspear, die Mutter der verstorbenen Duchess of Speakshed. Dann folgt das Haus der Dowager Duchess of Lampsburry und schließlich Ashwood-House, das Stadthaus des Marquess of Ashwood. Wie es aussieht, ist er wieder in London“, flüsterte Lady Hardstaff ehrfürchtig. Alle Fenster waren zum Durchlüften aufgerissen, und etliche Bedienstete trugen Koffer und Schachteln in das Innere.

Emilia legte die Stirn in Falten und fragte sich, welche dieser Menschen mit ihrer Mutter bekannt waren. Ihr verstorbener Vater und die Countess hatten ein sehr zurückgezogenes Leben auf dem Land geführt, sehr zum Missfallen von Lady Hardstaff. Als Emilia nun alt genug war, um an der Londoner Saison teilzunehmen, hatte die Countess sie freudig in die Hauptstadt begleitet. Emilia gefiel das Londoner Leben sehr, und sie genoss es in vollen Zügen. Schnell hatte sie Freundschaften geschlossen, beispielsweise zu der etwas schüchternen Lady Isabella Laud, der eigensinnigen Miss Anne Harriet und der stillen Lady Louisa Bell.

„Er ist unverheiratet.“ Lady Hardstaffs Augen leuchteten.

Amüsiert betrachtete Emilia ihre Mutter. Ein unvermählter Marquess würde viel Unruhe in die Londoner Gesellschaft bringen und sicher der begehrteste Junggeselle des ton sein. Vollkommen einerlei, wie alt er sein mochte. Emilia wusste nichts über ihn, vermutete jedoch, dass der Marquess entweder bereits Witwer war oder überaus hässlich sein musste. Welchen Grund sollte es sonst geben, dass er unverheiratet war?

„Wir werden ihm ein paar Tage Zeit lassen und ihm dann einen Besuch abstatten“, verkündete Lady Hardstaff überschwänglich.

Emilia blinzelte. Waren ihre Mutter und der Marquess alte Bekannte? Vermutlich, denn sonst ließ es sich kaum erklären, dass die Countess sich derart aufführte. Vielleicht war sie selbst auf der Suche nach einem Ehemann. Seit ihr Vater gestorben war, war ihre Mutter regelrecht aufgeblüht. Bisher hatte Emilia jedoch nicht den Eindruck gehabt, dass Lady Hardstaff gedachte, sich noch einmal zu vermählen.

„Bist du mit ihm bekannt?“, erkundigte Emilia sich beiläufig.

Entrüstet riss Lady Hardstaff die Augen auf. „Kindchen, wo denkst du hin?“ Gleichzeitig spiegelte sich verletzter Stolz in ihrem Blick.

„Es wäre unerhört, ihn ohne Einladung zu überraschen, noch dazu, wenn er unverheiratet ist.“ Nachdenklich betrachtete Emilia das herrschaftliche Haus und überlegte, wie es ihr dennoch gelingen konnte, den Marquess und ihre Mutter zusammenzubringen.

Lady Hardstaff blinzelte. „Du hast recht.“ Sie warf einen bedauernden Blick auf das Haus. „Ich werde Alexander fragen, ob er mit dem Marquess bekannt ist.“

Emilia biss sich auf die Lippe und unterdrückte eine unangebrachte Bemerkung. Sie liebte ihren Bruder über alles, aber Alexander interessierte sich nicht für den ton. Sie wusste nicht einmal, ob er in einem der Herrenclubs verkehrte. Seine ganze Aufmerksamkeit galt den Pferden, und er verbrachte wesentlich mehr Zeit in den Ställen und auf der Rennbahn als zu Hause. Sollte der Marquess nicht ebenfalls ein Pferdenarr sein, standen die Chancen schlecht, dass Alexander ihn kannte.

„Vielleicht treffen wir ihn auf einem der Bälle. Wenn er derzeit in London weilt, wird er gewiss mit Einladungen überschüttet“, überlegte Emilia laut und schmiedete bereits Pläne. Sicher würde eine ihrer Freundinnen mit dem Marquess of Ashwood bekannt sein. Isabellas Mutter war die Tochter eines Marquess. Da standen die Chancen ziemlich gut, dass sie ihm bereits begegnet war und sie vorstellen konnten.

Lady Hardstaffs Augen funkelten vor Begeisterung. „Natürlich wird er die Bälle besuchen, und irgendeiner unserer Freunde wird sicherlich mit ihm bekannt sein und uns vorstellen. Meine Güte, vielleicht tanzt er sogar mit dir.“

Verwirrt hielt Emilia mitten in der Bewegung inne. Sie sollte mit dem Marquess tanzen? Wo dachte Ihre Mutter hin? Sie hatte keinerlei Interesse an einem Tanz mit ihm. „Aber Mutter!“ Entrüstet schüttelte Emilia den Kopf. „Ich bin doch bereits verlobt. Was will ich mit einem Marquess? Ich bin davon ausgegangen, dass er in deinem Alter ist.“

Der vorwurfsvolle Blick ihrer Mutter sprach Bände. Unwillkürlich schoss die Röte in Emilias Wangen, und sie senkte den Kopf.

„Meine Güte, Kindchen, wovon redest du?“ Aufgebracht stemmte die Countess beide Hände in die Seiten. „Ich werde mich nie wieder in die Abhängigkeit eines Mannes begeben.“ Als würde ihr in diesem Moment bewusstwerden, was sie gerade gesagt hatte, verstummte sie abrupt. „Heiraten ist wunderschön, Liebes.“

Davon musste Emilia nicht überzeugt werden. Sie sehnte sich den Tag ihrer Hochzeit mit Edward von Herzen herbei. In Gedanken versunken lächelte sie vor sich hin.

Ein weiterer Wagen fuhr vor, und die beiden Damen waren dankbar für die Ablenkung. Staunend sahen sie zu, wie die Plane abgezogen wurde und ein Pianoforte zum Vorschein kam.

„Wie entzückend“, seufzte Emilia und dachte mit Bedauern an das Cembalo zu Hause, auf dem sie häufig spielte.

„Ein wundervolles Instrument“, pflichtete Lady Hardstaff ihr bei. „Vielleicht kommen wir in den Genuss, es zu hören.“

Emilia stellte resigniert fest, dass die Countess ihr Vorhaben offenbar noch nicht aufgegeben hatte. Möglicherweise lag es daran, überlegte Emilia, dass ihre Mutter die Tochter eines verarmten Barons war. Es war ihr seinerzeit zwar gelungen, einen Earl und damit über ihrem Stand zu heiraten, dennoch war ihr Edward anfänglich nicht gut genug gewesen. Emilia hatte zwar gedacht, dass sie ihre Mutter vom Gegenteil überzeugt hatte, jedoch träumte sie augenscheinlich noch immer von einer höhergestellten Verbindung.

„Vielleicht ist Edward mit dem Marquess bekannt?“, überlegte Emilia. Womöglich war ihr Verlobter, Edward Preston, der Earl of Lastborough, sogar ein Freund des Marquess. Edward verkehrte in weit gehobeneren Kreisen als ihre Familie, und das war auch der Grund, warum ihre Mutter der Verbindung zwischen ihnen letztendlich doch zugestimmt hatte.

„Gehen wir weiter.“ Sanft zog Emilia am Arm der Countess, die ihr widerwillig folgte. Lady Hardstaff schien ganz in Gedanken zu sein, und so konnte auch Emilia ihren Tagträumen nachhängen.

Sie freute sich auf den Ball, denn dort würde sie Edward wiedersehen. Allein wenn sie an ihn dachte, trieb es ihr die Röte in die Wangen. Sie war überglücklich, einen Mann wie ihn gefunden zu haben. Ein angesehener Gentleman, jung und überaus gutaussehend. Noch dazu liebte er sie, und sie liebte ihn. An seiner Seite sah sie einer glücklichen Zukunft entgegen.

Es war nicht mehr weit. Sie mussten nur zwei Mal abbiegen, dann würden sie die Straße erreichen, in der sie lebten. Die Häuser dort waren zwar nicht so herrschaftlich wie die am Berkeley Square, dennoch war es eine durchaus akzeptable Gegend. Das geräumige Haus bot genügend Luxus, um sich wohlzufühlen. Lang würde Emilia dort ohnehin nicht mehr wohnen. Nach ihrer Hochzeit würde sie zu Edward ziehen und als seine Frau die Herrin von Lastborough House sein.

„Werte Damen“, grüßte Lord Hetherford, ein direkter Nachbar, der in diesem Moment aus seinem Haus trat und lächelte, sodass seine schiefen Zähne zu sehen waren. Was für ein abstoßender Anblick.

„Lord Hetherford.“ Lady Hardstaff hob die Hand und winkte dem Viscount zu. „Wie schön, Sie zu sehen.“

Emilia setzte ein höfliches Lächeln auf, zumindest bemühte sie sich. Der Viscount hatte sich ihr gegenüber stets freundlich verhalten, doch in manchen Momenten, wenn er sich unbeobachtet fühlte, hatte sie seine verlangenden Blicke auf sich gespürt. Dieses Betragen war nicht nur ungeheuerlich, sondern regelrecht ungebührlich. Lord Hetherford war Ende vierzig, mit schütterem Haupthaar und einem enormen Bauchumfang, wodurch seine Beine extrem kurz wirkten. Ihre Mutter hatte erzählt, dass der arme Viscount nach dem Tod seiner zweiten Frau noch immer keine Kinder hatte und sich erneut in der Londoner Saison nach einer Braut umsah. Er mochte nicht zu den begehrtesten Gentlemen gehören, doch es sollte für ihn nicht schwer sein, eine mittellose Frau zu finden, die sich glücklich schätzte, eine Viscountess zu werden. Emilia bedauerte das arme Geschöpf schon jetzt.

„Lady Hardstaff. Lady Emilia. Welch ein schöner sonniger Tag“, bestätigte Lord Hetherford. „Fast zu schön, um in den Club zu gehen.“

Lady Hardstaff zog Emilia über die Straße direkt auf Lord Hetherford zu.

„In der Tat. Deshalb haben wir bei einem kleinen Spaziergang die frische Luft genossen. Emilia hat darauf bestanden.“ Sie beugte sich leicht vor und setzte eine verschwörerische Miene auf. „Haben Sie schon gehört, Lord Ashwood ist in London.“

Die Augen des Viscounts weiteten sich kurz. „Welch angenehme Überraschung“, pflichtete er dann bei.

„Kennen Sie den Lord?“ Begierig wartete Lady Hardstaff auf eine Antwort.

„Ich war mit seinem älteren Bruder bekannt“, erklärte der Baron. „Dem jetzigen Marquess bin ich nie vorgestellt worden. Während der letzten Saison, die ich in London verbracht habe, war er noch im Krieg.“

„Einer unserer siegreichen Helden“, seufzte Lady Hardstaff ein wenig zu theatralisch.

Emilia musste an sich halten, um nicht die Augen zu verdrehen. Der Krieg gegen Napoleon lag nun schon ein paar Jahre zurück, und die siegreichen Helden waren gebührend gefeiert worden.

Als Emilia ein Rattern hinter sich wahrnahm, drehte sie den Kopf und stellte erleichtert fest, dass Lord Hetherfords opulente Kutsche vorfuhr. Kein Vergleich zu den leicht muffig riechenden Droschken, die ihre Familie nehmen musste, wenn sie niemand abholte. Sie zog ihre Mutter auf die Seite, damit das Gespann sie nicht überfuhr.

„Es war mir eine Freude, mit Ihnen zu plaudern, Lady Hardstaff, Lady Emilia.“ Abermals zog er seinen Hut. Die Damen knicksten. Lord Hetherford ging an ihnen vorbei und stieg ein.

„Gehen wir ins Haus“, bemerkte Lady Hardstaff und hängte sich bei Emilia ein. Es wäre ungebührend, dem Viscount nachzublicken. Weder war er ein Verwandter noch ein enger Freund der Familie, sondern lediglich ein Nachbar.

Emilia machte sich vom Arm ihrer Mutter los, atmete noch einmal die herrliche Frühlingsluft ein und folgte Lady Hardstaff in das Innere des kühlen und dunklen Stadthauses.

Kapitel 3

 

Andrew betrat das Letling’s. Er war froh, dem regen Treiben in seinem Stadthaus entkommen zu können. An diesem Nachmittag war das restliche Personal mit allerhand Gepäck in London eingetroffen, während das Stammpersonal von Ahswood House das Haus von oben bis unten durchlüftete und jeden Winkel putzte. So war Andrew in den Herrenclub geflüchtet. Diesmal zu einer Tageszeit, an der in der Eingangshalle des renommierten Clubs einiger Trubel herrschte. Die edlen Lords fanden sich ein, um den Nachmittag und den frühen Abend miteinander zu verbringen. Mit voller Absicht hatte Andrew sein Eintreffen auf diese beliebte Zeit gelegt. Jeder sollte mitbekommen, dass Andrew Stone, der 2. Marquess of Ashwood, zurück in London war. Er würde sich in den Gemeinschaftssalon setzen und mit jedem Lord sprechen, der ihn begrüßen wollte. Das würde ihm später eine ganze Reihe an unangenehmen Besuchen ersparen.

„Ashwood.“ Kaum hatte er seinen Umhang und den Hut einem Lakaien übergeben, wurde er bereits begrüßt. Auf seinen Stock gestützt drehte er sich um und erblickte David Milton, den Zweitgeborenen eines Earls. Andrew war zusammen mit dem jungen Mann der Armee beigetreten. Im Krieg gegen Napoleon hatte es sie dann allerdings an unterschiedliche Standorte verschlagen.

„Milton.“ Andrew freute sich aufrichtig, ihn wiederzusehen.

„Ich muss dich enttäuschen, alter Freund“, entgegnete der hochgewachsene junge Mann, der aufgrund seiner spanischen Mutter einen ungewöhnlich dunklen Hauttyp besaß und das rabenschwarze Haar derselben geerbt hatte.

„Blankers“, korrigierte Milton ihn. „Seit den Tod meines Bruders trage ich den Ehrentitel Viscount Blankers.“

Andrew stutzte kurz, doch dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. „Blankers“, erwiderte er und neigte den Kopf leicht. „Dann darf ich dich dazu beglückwünschen. Ich hoffe, ich kann mich daran gewöhnen.“

„Danke. Für dich tut es zur Not auch David“, wies er den ehemaligen Weggefährten mit einem Zwinkern auf ihr einstiges inniges Verhältnis zurück.

Andrew erinnerte sich nur zu gut, wie sie gemeinsam während der Kadettenausbildung in der Schlafbaracke gelegen und sich gefragt hatten, was sie hier eigentlich machten. Damals hatte es weder Konventionen noch Geheimnisse zwischen ihnen gegeben. Sie waren beide als zweitgeborene Söhne in den Krieg geschickt worden, weil sie als entbehrlich galten. Das Schicksal hatte jedoch etwas anderes mit ihnen vorgehabt. Nun standen sie hier, hatten Napoleon überlebt und während Andrew bereits den Familientitel geerbt hatte, wartete sein Freund noch darauf.

„Kommst du mit in den Salon?“, erkundigte Blankers sich höflich.

Andrew nickte. „Das war meine Absicht.“

Gemeinsam begaben die Männer sich in den ersten Stock. Blankers ignorierte sein unbeholfenes Treppensteigen und erkundigte sich beiläufig: „Bist du verabredet?“

Ein scharfer Schmerz fuhr Andrew ins Bein, und er musste notgedrungen sein Tempo verlangsamen. Nachdem er mehrmals tief durchgeatmet hatte, war er in der Lage, die Frage seines Freundes zu beantworten, und schüttelte den Kopf. Zwei Gentlemen schoben sich an ihnen vorbei und warfen ihm verstohlene Blicke zu. Andrew presste fest die Lippen aufeinander, um sie nicht anzufahren. „Du?“, fragte er den Freund.

„Keine Verabredung“, erklärte Blankers gutgelaunt.

Endlich hatten sie das erste Stockwerk erreicht. Andrews Bein pochte unangenehm, und er humpelte deutlich, während er sich schwer auf seinen Stock stützte. Automatisch passte sich Blankers seiner Geschwindigkeit an.

„Ich hoffe, du erzählst mir, was es bei dir Neues gibt. Bist du in London, um eine Frau zu finden?“ Die Gradlinigkeit des früheren Weggefährten gefiel ihm. Längst hatte er beschlossen, die einstige Freundschaft wieder aufleben zu lassen.

„Geschäfte“, murmelte Andrew ausweichend und bedauerte es, keine Details nennen zu können.

„Wie bedauerlich“, erklärte Blankers. Inzwischen hatten sie den Aufenthaltsraum erreicht, in dem sich viele einzelne Sitzgruppen befanden. Etliche Tische waren bereits besetzt, aber sie fanden dennoch ein hübsches Plätzchen. Andrew setzte sich mit dem Rücken zur Wand und hatte so einen guten Blick auf die anwesenden Gentlemen.

„Vielleicht überlegst du es dir noch anders. Es gibt dieses Jahr durchaus ein paar interessante Debütantinnen.“

Andrew beobachtete einen Herrn am anderen Ende des Raumes, während er Blankers antwortete. „Das hört sich so an, als ob du bereits fündig geworden bist. Ist es deine erste Saison?“

„Die zweite und ja, es gibt durchaus eine junge Dame, der ich den Hof mache.“

Es war reine Höflichkeit, dass Andrew nachfragte. Im Grunde interessierte es ihn nicht. „Kennt man sie oder ihre Familie?“

„Lady Victoria Regenton-Miller. Ihr Vater, Baron Hampel, könnte dir womöglich ein Begriff sein.“

Abwesend nickte Andrew. Das war er in der Tat.

„Wird man dich morgen auf dem Ball von Lord und Lady Flowerskin antreffen?“, erkundigte sich Blankers.

Andrew hatte am Vormittag eine Einladung erhalten, ebenso wie zahlreiche andere zu diversen Festivitäten, Gesellschaften und privaten Beisammensein. Es hatte sich schnell herumgesprochen, dass er wieder in der Stadt war.

„Lady Joanna ist durchaus lieblich zu betrachten.“ Blankers' Augen blitzen vor Vergnügen. „Aber ich vergaß, du suchst keine Ehefrau.“

Andrew verzog den Mund zu einem spöttischen Lächeln. „Ich werde den Ball besuchen, wenn auch nicht, um Lady Joanna zum Tanz aufzufordern.“

Noch ehe Blankers antworten konnte, wurde die Tür aufgerissen, und ein hochgewachsener junger Mann stürmte herein.

„Am Spieltisch wird um hohe Einsätze gespielt. Lord Dummer hat ein hübsches Sümmchen gesetzt, Lord Lastborough sein Stadthaus, und Mr. Cartmar hält mit exquisitem Schmuck dagegen.“

Andrew und Blankers sahen sich einen Moment an, dann erhoben sie sich gleichzeitig, ebenso wie etliche weitere Gentlemen. Der Raum leerte sich. Alle strömten in den Nebenraum, in dem eine spannende Partie erwartet wurde. Da sich viele neugierige Zuschauer hineindrängten, war es im Spielzimmer zwar eng, doch Andrew und sein Freund fanden einen Platz, von dem aus sie das Geschehen gut verfolgen konnten. Die Einsätze – die Besitzurkunde des Stadthauses, ein Schuldschein und das Schmuckstück – lagen auf dem Tisch. Verblüfft starrte er darauf und hatte Mühe, sich seine Überraschung, den Grund seines Hierseins vor sich liegen zu sehen, nicht anmerken zu lassen. Es war zweifelsfrei das Smaragd-Collier, wegen dem er hergekommen war. Der große Smaragd war in natura noch wesentlich eindrucksvoller als auf der Skizze und wahrlich einer Königin würdig. Das Collier würde sich hervorragend am Hals jeder Dame machen, weswegen es ein trefflicher Spieleinsatz war. Andrews Aufmerksamkeit war so auf das Schmuckstück gerichtet, dass er nur am Rande mitbekam, wie Lord Dummer nach den Würfeln griff und die Partie eröffnete. Unter den wachsamen Augen der anwesenden Gentlemen würfelten die Kontrahenten ein ums andere Mal. Es war durchaus üblich, dass im Letling’s um Geld gespielt wurde. Derart hohe Einsätze wie bei dieser Partie waren jedoch eher selten.

Zuerst stieg Lord Dummer aus und fuhr sich enttäuscht über das schüttere schlohweiße Haar. Lord Lastborough, ein perfekt gekleideter junger Dandy, und Mr. Cartmar, der das blonde Haar akkurat geschnitten trug, maßen sich mit grimmigen Blicken. Vom Alter mochten sie ähnlich sein. Der Lord mit den hellbraunen Haaren war modisch-elegant gekleidet, doch auch sein Gegenüber trug Kleidung eines namhaften Londoner Schneiders, der nur die edelsten und teuersten Stoffe nutzte, und machte damit seine finanzielle Lage deutlich. Die Krägen beider Männer standen, die Halstücher waren sorgfältig und nach der neuesten Mode mit einem komplizierten Knoten gebunden.

„Oh!“, ging ein Raunen durch die Menge der Zuschauer, als Mr. Cartmars zwei Würfel auf den Tisch fielen und sieben Augen anzeigten. Er hatte verloren. Sehr zur Freude des jungen Earls, der breit grinsend seinen Gewinn einstrich.

„Herzlichen Glückwunsch, Lastborough“, beglückwünschte der Verlierer ihn gelassen, als mache ihm der Verlust des erlesenen Schmuckstücks absolut nichts aus.

„Danke, Cartmar. Ich freue mich auf eine Revanche, aber nicht mehr heute Abend.“ Der Earl erhob sich und strich seine Weste glatt.

„Meine Herren“, er grüßte zu beiden Seiten. „Ich freue mich, dass ich zu Ihrer Unterhaltung beitragen konnte. Doch nun gestatten Sie mir, mich zu verabschieden.“

Die Menge löste sich auf, und mit ihnen verschwand auch Lord Lastborough.

„Kehren wir zu unserem Tisch zurück.“ Blankers schlug Andrew freundschaftlich auf die Schulter.

„Kennst du Lastborough oder Cartmar?“, erkundigte Andrew sich möglichst beiläufig bei seinem Freund und erhob sich. Wieder schmerzte sein Bein, und er rieb sich unauffällig über den Oberschenkel.

„Lastborough nur flüchtig, aber wir sind uns einige Male in London begegnet. Er wird ebenfalls sehr aktiv an der Saison teilnehmen.“

„Du meinst, er sucht eine Gattin?“, hakte Andrew nach und sah den Lords hinterher, die den Raum verließen.

„Ich glaube“, Blankers Lächeln vertiefte sich, „er hat sie bereits gefunden. Seit Kurzem ist er mit Lady Emilia Colby verlobt.“

Der Name sagte ihm nichts, aber er nickte.

„Komm zum Ball bei den Flowerkins, dann stelle ich dir Lastborough vor. Seine Verlobte ist wirklich eine reizende junge Dame. Wenn ich mich nicht für Victoria entschieden hätte, wäre sie tatsächlich eine Überlegung wert gewesen“, schwärmte Blankers.

„Und Cartmar?“

Bedauernd schüttelte sein Freund den Kopf. „Es wird aber kein Problem sein, Bekanntschaft mit ihm zu machen.“

Daran hatte Andrew auch keine Zweifel. Mit einem Mal hatte er es eilig, sich zu verabschieden. Er musste dringend den Commander kontaktieren, aber auf der Stelle zu verschwinden, würde kein gutes Licht auf die neu geknüpfte Freundschaft zu Blankers werfen. Gerade wollte er sich abwenden, um sich den anderen Gentlemen anzuschließen, als er im Augenwinkel den Duke of Smartburn sah, der mit grimmiger Miene am Rand des Geschehens stand und keine Anstalten machte, den Raum zu verlassen.

---ENDE DER LESEPROBE---