Kruento - Der Aufräumer - Melissa David - E-Book

Kruento - Der Aufräumer E-Book

Melissa David

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Beschreibung

Zwei verfeindete Gruppierungen, ein gefährliches doppeltes Spiel und eine Liebe, die nicht sein darf.

Die Vampirin und Computerspezialistin Isada hat sich der Splittergruppe Gen Guards angeschlossen, deren erklärtes Ziel es ist, die Inimicus zu bekämpfen. Bei einem misslungenen Einsatz fällt ihr Laptop Pierrick, dem Aufräumer des Clans, in die Hände. Er bittet ausgerechnet Isada um Hilfe, das Sicherheitssystem ihres eigenen Rechners zu knacken.
Je länger sie für Pierrick arbeitet, desto mehr fühlt sie sich zu ihm hingezogen. Auch er scheint Gefühle für sie zu entwickeln, doch er ist bereits verheiratet - mit Isadas Schwester.
Für die junge Vampirin beginnt ein gefährliches Doppelspiel und schon bald ist nicht nur ihr Leben in Gefahr.

Jedes Buch ist in sich abgeschlossen.

Die Reihe im Überblick
Kruento - Heimatlos (Novelle)
Kruento - Der Anführer (Band 1)
Kruento - Der Diplomat (Band 2)
Kruento - Der Aufräumer (Band 3)
Kruento - Der Krieger (Band 4)
Kruento - Der Schleuser (Band 5)
Kruento - Der Informant (Band 6)

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Inhalt

Klappentext

Impressum

Kruento

Vorwort

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Über die Autorin

Weitere Bücher

Kruento

Kruento

Die Chroniken von Usha

Cheetah Manor - Das Erbe

Glossar

Klappentext

Die Vampirin und Computerspezialistin Isada hat sich der Splittergruppe Gen Guards angeschlossen, deren erklärtes Ziel es ist, die Inimicus zu bekämpfen. Bei einem misslungenen Einsatz fällt ihr Laptop Pierrick, dem Aufräumer des Clans, in die Hände. Er bittet ausgerechnet Isada um Hilfe, das Sicherheitssystem ihres eigenen Rechners zu knacken. 

Je länger sie für Pierrick arbeitet, desto mehr fühlt sie sich zu ihm hingezogen. Auch er scheint Gefühle für sie zu entwickeln, doch er ist bereits verheiratet - mit Isadas Schwester.

Für die junge Vampirin beginnt ein gefährliches Doppelspiel und schon bald ist nicht nur ihr Leben in Gefahr.

Impressum

E-Book

1. Auflage September 2016

203-346-01

Melissa David

Mühlweg 48a

90518 Altdorf

Blog: www.mel-david.de 

E-Mail: [email protected] 

Umschlaggestaltung: Juliane Schneeweiss

www.juliane-schneeweiss.de

Bildmaterial: © Depositphotos.com

Lektorat, Korrektorat:

Jana Oltersdorff

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form bedürfen der Einwilligung der Autorin.

Personen und Handlungen sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Ausnahme bildet die Vampirin Bella, die eine Rolle im Buch gewonnen hat.

Kruento

Der Aufräumer

Band 3

von

Melissa David

Vorwort

Lieber Leser,

dieses Buch enthält ein Glossar, das sich im Anschluss der Geschichte befindet. In diesem Glossar werden unbekannte Begriffe erklärt. Wenn du das Glossar vorab lesen möchtest, bitte hier klicken.

Um auch die Vampirbegriffe, die im Buch verwendet werden, zu verstehen habe ich unbekannte Wörter beim ersten Auftauchen direkt zur Erklärung verlinkt. Du musst also nur draufklicken. In der Regel kommst du mit „zurück“ wieder zur aktuellen Textstelle.

Ich hoffe, dir ist das Glossar eine Hilfe, um die Welt der Kruento besser zu verstehen. Solltest du technische Probleme haben, kannst du dich gerne unter [email protected] an mich wenden.

Du möchtest noch tiefer in die Welt von Kruento eintauchen? Auf meinem Blog findest du spannende Artikel mit Hintergrundinformationen über die Kruento.

Nun wünsche ich dir viel Spaß beim lesen. Mache dich bereit und tauche ein in die Welt der Kruento.

Deine Melissa David

Kapitel 1

Ein schwarzer Bus mit getönten Scheiben hielt in einer kleinen Seitenstraße in der Nähe des LDC-Towers.

Isada umklammerte ihren Laptop. Rico, der Fahrer des Busses, blieb sitzen, während die Vampirin nach hinten kletterte und sich zu den zwei Männern setzte. Ihre Mienen zeigten Entschlossenheit. Jeder von ihnen wusste, worum es ging. Isada klappte den Computer auf, und sofort erschien der 3D-Lageplan des Towers. Angespannt konzentrierte sie sich auf den Bildschirm. Jetzt durfte nichts mehr schiefgehen. Die Technik hatte sie so oft überprüft. Erleichtert atmete Isada auf, als zwei blinkende Punkte aufleuchteten, die sich noch ein ganzes Stück vom Tower entfernt befanden. Um genau zu sein, befanden die Punkte sich genau an der Stelle, an der sie ihren Bus geparkt hatten. Isada blickte auf, musterte Rave und Vario, die beide einen Chip bei sich trugen, mit dem sie jeden ihrer Schritte genauestens verfolgen konnte.

„Ihr könnt los.“

Rave und Vario sahen sich an.

„Hast du den Stick?“, fragte Rave.

Vario griff in seine Tasche, zog die wenige Zentimeter große Speicherkarte hervor und verstaute sie sicher.

„Gehen wir.“ Rave zog die Kapuze seiner Trainingsjacke über den Kopf und stieg aus.

Vario folgte ihm. Die Tür des Busses schlug hinter den beiden Vampiren zu. Isada und Rico blieben allein zurück.

Isada verfolgte auf ihrem Bildschirm, wie sich die zwei Punkte dem LDC-Tower näherten.

Es war still im Bus. Nur das unregelmäßige Trommeln von Ricos Fingern auf dem Lenkrad war zu hören.

„Kannst du bitte damit aufhören?“ Isada war genervt. Das Projekt zu begleiten kostete Konzentration.

Ihre Blicke begegneten sich im Rückspiegel. Die Anspannung stand nicht nur ihr ins Gesicht geschrieben. Rico knurrte, nahm seine Hände jedoch vom Lenkrad.

Isada griff nach dem In-Ear-Monitoring und steckte es sich an. Vario und Rave befanden sich nun direkt vor dem Eingang des Towers. Sie überbrückte die Sicherheitskameras und spielte das Video der vergangenen Nacht ein.

„Wir betreten jetzt das Gebäude“, hörte sie Rave sagen.

Isada blickte kurz auf die Uhr. Sie befanden sich perfekt im Zeitplan. Es war weit nach Mitternacht, die Straßen und der LDC-Tower wirkten wie ausgestorben.

„Ich bin im Aufzug“, sagte Vario in diesem Moment.

Isada stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Es lief besser als gedacht. Sie hatten nicht genau gewusst, ob es Vario gelingen würde, mit dem Aufzug nach oben zu fahren. Wäre er über das Treppenhaus gegangen, hätte das beim Wachpersonal, das sich auch zu später Stunde noch im Gebäude befand, Aufmerksamkeit erregt.

Während sich Varios blinkender Punkt in der 3D-Animation in die Höhe erhob, blieb Raves in der Eingangshalle.

Isada hatte sich vor Ort alles genauestens angesehen. Hinter dem großen Tresen an den zwei Schaltern saßen tagsüber zwei Sicherheitsbeamte, nachts nur einer. Einige Grünpflanzen und ein Zeitungsständer schirmten den Wartebereich ein wenig ab. Und genau dort musste sich Rave in diesem Augenblick aufhalten.

Schier endlos schien es zu dauern, bis Vario das oberste Stockwerk erreichte. Zu Fuß wäre er natürlich deutlich schneller gewesen.

„Ich bin da“, kommentierte Vario und fluchte im nächsten Moment. „Ich brauche einen Zugangscode“, erklärte er.

Isada zoomte den Bereich, in dem Vario sich befand, näher heran. „Das kann nicht sein.“ Fieberhaft suchte sie eine Erklärung für die verschlossene Tür, die nicht eingezeichnet war und die es demzufolge nicht geben dürfte.

„Ich kann den Wachmann befragen?“, schlug Rave vor.

„Nein“, entgegnete Isada rasch. Sie wollte nicht, dass das Projekt gefährdet wurde. „In welchem Stockwerk bist du?“

„Im obersten“, antwortete Vario genervt.

„Im wievielten Stockwerk genau?“, wiederholte sie ihre Frage eindringlich. Sie hörte Varios Stöhnen.

„Warte, ich sehe im Aufzug nach.“

Es dauerte etwas. „Siebenundzwanzig“, meinte er dann ungeduldig.

Isada verkleinerte das Bild vor sich, sodass sie das komplette Gebäude betrachten konnte. Sie musste nachdenken – schnell.

Eine Vermutung keimte in ihr auf. Sie zählte noch einmal die Stockwerke und kam wie Vario auf siebenundzwanzig. Entschlossen klappte sie den Laptop zu und schob die Bustür auf.

„Nicht, Isada. Was machst du?“, rief Rico ihr hinterher.

Isada reagierte nicht, sondern schloss geräuschvoll die Bustür. Dann rannte sie auch schon mit dem Computer unter dem Arm in Richtung des Gebäudekomplexes, in dem sich Vario und Rave befanden.

Als der Tower sichtbar wurde, blieb Isada stehen und begann die Stockwerke abermals abzuzählen. Diesmal anhand der Fenster. Sie stutzte und begann noch einmal von Neuem zu zählen. Nun war sie sich ganz sicher.

„Du musst in den achtundzwanzigsten Stock.“

Schweigen.

„Hast du mich verstanden?“, fragte Isada nach.

„Du sagtest, ich soll ganz nach oben fahren, das habe ich gemacht. In diesem Gebäude gibt es kein weiteres Stockwerk.“

„Doch“, beharrte Isada.

Vario schnaubte: „Ich stehe hier im Aufzug. Es gibt genau siebenundzwanzig Stockwerke, ein Erdgeschoss und zwei Kellergeschosse.“

„Ich stehe hier vor dem Gebäude und habe nachgezählt. Es gibt einen achtundzwanzigsten Stock“, erklärte Isada noch einmal. Die Unruhe in ihr wuchs. Ein Blick auf die Uhr, und sie wusste, dass sie dem Zeitplan mittlerweile um acht Minuten hinterher hinkten.

„Versuch es über das Treppenhaus“, schlug Rave vor.

„Okay.“

Isada sah sich um. Sie brauchte einen Platz, an dem sie ungestört die Operation weiterverfolgen konnte. Sich hier auf der öffentlicher Straße aufzuhalten, war nicht unbedingt klug, die Zeit reichte jedoch nicht, um zurück zum Bus zu laufen. So blieb ihr nichts anderes übrig, als den Einsatz von hier aus zu überwachen.

Nicht weit entfernt entdeckte Isada ein Steakhouse mit einer großzügigen Terrasse. Das Geschäft hatte längst geschlossen, die Sonnenschirme waren eingeklappt und die Stühle zusammengestellt. Isada setzte sich auf die Terrassenbegrenzung. Die Sträucher hinter ihr boten Schutz, dass niemand ihr über die Schulter blicken konnte. Eilig klappte sie den Laptop wieder auf und sah, wie Varios Punkt sich dem Dach näherte. Sie blickte hinauf, konnte von hier unten jedoch nichts sehen.

„Bist du auf dem Dach?“

„Nein. Du hattest recht, es gibt hier noch ein weiteres Stockwerk.“

Erleichtert atmete Isada aus. Wie konnte ihr so etwas während der Vorbereitungen entgangen sein?

„Ich bin jetzt oben. Hier ist eine massive Stahltür mit einem Sicherheitsschloss. Ich brauche eine Chipkarte, um hineinzukommen.“

„Mist!“ Isada lagen noch weit schlimmere Schimpfwörter auf der Zunge, die sie tapfer hinunterschluckte. Ihre Finger bearbeiteten die Tastatur, während sie die gesammelten Dokumente durchsah, um einen Hinweis auf eine Chipkarte oder dergleichen zu bekommen.

„Ich finde einfach nichts.“ Sie klang frustriert. Wenn sie nicht fündig wurde, mussten sie die Operation abbrechen.

„Wie lange braucht die Polizei, bis sie hier sein wird?“, erkundigte sich Vario.

„Denk nicht einmal daran“, entrüstete Isada sich. „Dann wird nicht nur das Wachpersonal mitbekommen, dass etwas nicht stimmt, sondern auch die Ekklesia auf der Matte stehen.“

„Wenn du keinen Weg findest, machen wir es so“, beschloss Vario.

Isada zögerte das Unausweichliche hinaus. Sie wollte nicht klein beigeben, wollte nicht aufgeben, doch schließlich tat sie genau das. „Wir brechen ab.“

„Nein!“, verkündeten Vario und Rave gleichzeitig.

„Wenn ich die Tür aufbreche, müsste bei dem Sicherheitstyp der Alarm losgehen. Kannst du dich um ihn kümmern, damit er keine Verstärkung holen kann?“, fragte Vario.

„Aber klar“, entgegnete Rave.

„Das ist zu gefährlich.“ Isada fühlte sich unwohl dabei. Das, was ihre zwei Freunde da durchziehen wollten, war hirnrissig.

„Isada, wie lange, bis die Polizei da sein wird?“ Vario ließ einfach nicht locker.

Isada schloss kurz die Augen, blickte auf den kaum beleuchteten Tower vor sich und antwortete dann resigniert: „Zehn Minuten.“

Rave fluchte. „Das wird verdammt knapp. Schaffst du das?“

„Kümmere du dich darum, dass der Wachmann niemanden ruft. Alles andere überlass mir. Das wird schon klappen.“

Isada blickte nach links und rechts. Die Straße lag verlassen vor ihnen. Weder ein Fußgänger noch ein Auto waren zu sehen. Dennoch fühlte sie sich unbehaglich.

„Ich habe es gleich“, verkündete Vario.

„Ich auch!“ Rave hörte sich nicht so überzeugt an.

Isada hatte ebenfalls kein gutes Gefühl bei der Sache. Sie zögerte ihre Zustimmung hinaus. Sie hatten geplant, den Stick anzubringen, ohne dass die Polizei – und damit auch die Ekklesia – von ihrem Eindringen erfuhr. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie die einen Zoll große Speicherkarte fanden, war eher gering. Trotzdem hätte sie gerne Aufsehen vermieden.

„Also gut“, stimmte Isada schließlich zögernd zu. „Weißt du, was zu tun ist, wenn du drin bist, Vario?“

„Klar, das haben wir ja schon so oft durchgespielt. Ich bin soweit. Eins, zwei, drei.“

Isada hörte über ihren Ohrstöpsel einen Knall, Tumult brach aus, und sie konnte nicht ganz zuordnen, welche Geräusche von wem kamen. Durch den Knopf in ihrem Ohr hörte sie einen Signalton. Im zweiten Stock ging das Licht an.

„Der Wachmann ist bewusstlos und der Alarm abgeschaltet“, erklärte Rave.

Erleichtert atmete Isada kurz durch. „Beeil dich, Vario.“

Sie behielt die Countdown-Uhr stetig im Blick, ebenso Varios blinkenden Punkt, der sich auf ihrem Modell auf dem Dach befand.

„Ich bin drin“, rief Vario.

„Fuck“, brüllte Rave dazwischen.

„Was ist los?“ Aufgeregt rutschte sie auf der Steinmauer hin und her. Am liebsten hätte sie alles stehen und liegen gelassen und wäre in das Gebäude gerannt. Nur, weil ihr die Vernunft einbläute, dass so eine Aktion völlig sinnlos wäre, ließ sie es bleiben.

„Zwei Wachmänner“, keuchte Rave. „Einer davon ein Inimicus.“

Isada fühlte sich plötzlich schwer wie Blei. Die Polizei und die Ekklesia waren eine Sache, ein Inimicus eine ganz andere.

„Verschwindet!“, rief Isada aufgeregt. „Raus! Sofort!“

„Ich habe es gleich“, hörte sie Vario.

„Rave?“ Es war ihr egal, dass ihre Stimme zitterte. „Rave? Verdammt, sag etwas!“ Sie presste sich schnell eine Hand auf ihrem Mund, damit sie nicht laut aufschrie.

„Der Stick steckt. Ich schau nach Rave“, verkündete Vario.

„Nein“, flüsterte Isada fassungslos. „Schau, dass du rauskommst. Die Polizei ist gleich da.“

„Ich lass Rave nicht allein.“

Isada starrte auf den grünen Punkt, der sich schnell fortbewegte und in übermenschlicher Geschwindigkeit Stockwerk um Stockwerk zurücklegte.

„Rave?“, brüllte Vario, bekam jedoch keine Antwort.

Isadas Kehle war wie zugeschnürt. Warum antwortete Rave nicht? Sie hoffte inständig, dass er nur sein In-Ear-Monitoring verloren hatte und sich deswegen nicht meldete. Ein Inimicus, so ein Mist. Warum musste ausgerechnet ein Inimicus hier sein?

„Ich bin gleich in der Eingangshalle“, vernahm sie Varios Stimme.

Ein Poltern.

„Vario?“

„Wie lange habe ich noch?“

Schnell blickte Isada auf den Countdown. „Weniger als eine Minute.“

„Testa! Haut sofort ab. Hörst du, ihr müsst weg sein, bevor die Polizei kommt! Rave und ich kommen schon irgendwie klar.“

„Was ist mit Rave?“ Isada musste es wissen, brauchte eine Bestätigung. Auf dem Monitor sah sie, dass Vario sich nun im Eingangsbereich befand.

Dass eine Antwort ausblieb, war kein gutes Zeichen. Isada zitterte. Es war ihr unmöglich, sich zu rühren.

„Er ist tot.“

Isada schloss die Augen.

„Ihr müsst sofort losfahren“, keuchte Vario. „Ich versuche, den Inimicus aufzuhalten.“

Begleitet von Varios schweren Atemgeräuschen, dachte Isada nach. Vario vermutete sie immer noch bei Rico im Bus.

Der Countdown näherte sich dem Ende. In zwanzig Sekunden würde es hier von Polizisten wimmeln. Isada schluckte. Was sollte sie tun?

Vario schrie auf, gurgelte. Dann war nichts mehr zu hören.

„Vario?“, flüsterte sie tonlos. Nichts. „Vario?“ Tränen rannen ihr über die Wangen.

Die Eingangstür des Towers öffnete sich. Ein kleiner, aber dafür umso breiter gebauter Muskelprotz trat auf den Gehweg. Er trug eine graue Wachmannuniform. Langsam hob er die rechte Hand ans Ohr.

„Ich werde dich finden“, hörte sie eine kehlige Stimme. Die Härchen auf ihrem Körper stellten sich auf.

Der Inimicus blickte in ihre Richtung und kniff die Augen zusammen.

Es gab nichts, wo sie sich hätte verstecken können und so blieb sie einfach sitzen, tat so, als würde sie ihn nicht bemerken. Erst als er in ihre Richtung losrannte, sprang Isada auf, ließ den Laptop ins Gebüsch gleiten und stürmte los.

„Lauf nur, ich finde dich!“, hörte sie ihn in ihrem Ohr.

Eilig riss sie sich den In-Ear-Stecker heraus und schleuderte ihn auf die Straße. Sie musste den Kerl abschütteln. Unbewaffnet wie sie war, hätte sie keine Chance gegen den Inimicus, wenn dieser sie in die Finger bekam.

Isada hastete weiter, die Umgebung flog nur so dahin. Sie stolperte fast, als sie mit dem Absatz der Pumps an einer Unebenheit hängen blieb und verfluchte ihre Entscheidung, sich gegen ihre flachen Demonia-Sneakers entschieden zu haben.

Sie drehte sich vorsichtig um und schnupperte. Ein undefinierbarer Duft stieg ihr in die Nase und verwirrte ihre Sinne. Sie konnte nicht einmal sagen, ob der Inimicus sie noch verfolgte. So hastete Isada weiter. Nach den häufigen Richtungswechseln hatte sie völlig die Orientierung verloren. Erneut lief sie in eine andere Himmelsrichtung und erhaschte im Vorbeirennen einen Blick auf ein Ortsschild. Sie befand sich in South End. Die Straßen wurden kleiner, verwinkelter.

Drei Blocks später verlangsamte sie das Tempo, schnupperte noch einmal. Es roch nach Menschen, Abfall, einer Frittenbude in der Nähe und Meer. Kein Geruch, der sie verwirrte, kein Duft, den sie nicht zuordnen konnte. Sie wurde ruhiger. Der Inimicus befand sich also nicht mehr in ihrer näheren Umgebung. Suchend blickte sie sich um. South End war groß, und sie hatte noch immer keine Ahnung, wo sie genau war und wie sie von dort wieder nach Hause kommen würde.

* * *

Das grelle Blaulicht blendete Pierrick, als er aus seinem SUV stieg. Er setzte seine Sonnenbrille auf und machte sich auf den Weg in das Gebäudeinnere. Seve erwartete ihn bereits im Eingangsbereich.

„Wie ist die Lage?“, wollte er ohne Umschweife wissen und zog sich die Lederhandschuhe über.

„Zwei Tote. Rave Bagués von Soya Gregorio und Vario Karpinski von Soya Lucio. Beides Epheben. Sie haben eine Tür in der achtundzwanzigsten Etage aufgebrochen. Die Spurensicherung hat alles durchsucht, allerdings ebenso wenig gefunden wie Dale und Hadrian.“

Pierrick nickte. Es war immer gut, wenn sich seine Leute noch einmal umsahen. Menschen übersahen so viel. Nicht gut hingegen war allerdings, dass auch die zwei Vampire nichts gefunden hatten.

„FBI?“, wollte Pierrick wissen, als er die zwei ermittelnden Detectives sah, die ihm zunickten und sich dann einen Weg zu ihnen bahnten.

„Ja“, antwortete Seve knapp.

Pierrick wandte sich zu den zwei Detectives um. „Special Agent Legrand“, stellte er sich vor und reichte jedem von ihnen die Hand. „Wir übernehmen den Fall, da es sich um international gesuchte Verbrecher handelt. Mit Ihrem Chief ist bereits alles abgesprochen.“

Überrascht sahen sich die beiden Männer an.

Pierrick ging etwas um die Ecke, winkte die Detectives zu sich. Neugierig folgten sie ihm.

„Sie verstehen, dass wir das überprüfen müssen“, erklärte der Kleinere von ihnen.

„Selbstverständlich.“ Pierrick wartete, bis sie sich außer Sichtweite der anderen Menschen befanden, dann drehte er sich zu ihnen um und drang gleichzeitig in beide Köpfe ein. Er suchte nach Gedankenfetzen, die ihm weiterhelfen konnten. Es war nicht viel, was sie wussten. Im Wesentlichen hatten sie nur die zwei Ephebenleichen gesehen. Mit ihrer Arbeit waren die Detectives noch nicht sehr weit gekommen, dank dem schnellen Eingreifen seiner Männer. Anschließend tilgte er die Bilder der Toten aus den Köpfen und pflanzte dafür unbedeutende Erinnerungen ein. Ihr Chief hatte tatsächlich einen Anruf mit der Information erhalten, dass eine FBI-Sondereinheit aktiv wurde. Der Anrufer war niemand anderes als sein bester Mann, Seve, gewesen.

„Vielen Dank für Ihre Arbeit“, bedankte er sich bei den Detectives und schickte sie fort. Eilig traten sie den Rückzug an, verließen das Gebäude, ohne sich noch einmal umzublicken, stiegen in ihr Auto und brausten davon.

Pierrick ging zu Seve hinüber. Am Boden lagen die zwei Vampire. Beide waren geköpft worden.

„Inimicus?“, fragte er, während er die Epheben eingehend musterte.

„Ja.“

„Dokumentieren und aufräumen. Wissen Gregorio und Lucio schon Bescheid?“

„Noch nicht. Ich wusste nicht, ob du sie informieren möchtest.“

„Das überlasse ich dir. Ich werde Darius und Jendrael informieren.“

Seve nickte knapp und zückte sein Handy, um eine Notiz zu machen.

Gerade kamen Tilford und Sandor herein, zwei weitere Männer seines Teams, die jegliche Spuren vernichten würden.

„Ich werde mich oben umsehen“, erklärte Pierrick.

Seve zögerte kurz und entschied dann: „Ich begleite dich.“

Pierrick steuerte das Treppenhaus an. In vampirischer Geschwindigkeit ließ er Stockwerk um Stockwerk hinter sich. Seve konnte mit seinem Tempo problemlos mithalten. Als sie die oberste Etage erreichten, sah Pierrick die aufgebrochene Tür.

„Dadurch wurde der Alarm ausgelöst“, kommentierte Seve.

„Das hatte ich mir schon gedacht.“ Pierrick schob die Tür auf und betrat den Raum. Ein schmaler Gang war zu sehen. Rechts und links befanden sich deckenhohe Schränke, die mit Glastüren verschlossen waren. Dahinter befand sich das, worauf es die Epheben vermutlich abgesehen hatten.

„Die Firma Orion-Tec Security Inc. hat hier ihren Serverraum.“

Pierrick pfiff anerkennend durch die Zähne. „Nicht schlecht. Da hat wohl jemand Interesse an diesen Daten gehabt?“

Seve zuckte mit den Schultern.

„Weiß man, ob etwas fehlt?“

„Da müssten wir jemanden finden, der sich hier auskennt.“ Seve ließ seinen Blick über die unzähligen Kabel und Steckverbindungen gleiten.

Pierrick tat es ihm gleich. „Ich brauche Virus hier. Er soll sich das ansehen“, erklärte er knapp.

Seve hatte bereits das Telefon am Ohr. Deswegen schätzte er diesen Vampir als Mitarbeiter so ungemein. Er war zuverlässig, er war gründlich und was das Allerwichtigste war: Er war unglaublich schnell.

Über Pierrick schaltete sich ein Gebläse ein. Er blickte nach oben und inspizierte die Lüftung.

„Virus ist bereits auf den Weg.“ Seve steckte sein Handy wieder ein und holte Pierrick ein, der noch immer das Gebläse betrachtete. Beide Männer starrten nun auf das sich drehende Monstrum.

„Ist da etwas?“ Seve trat einen Schritt zur Seite, um einen anderen Blickwinkel auf das Objekt zu haben.

„Nein.“ Pierrick ging weiter und blieb erst stehen, als sich der Weg kreuzte. Er blickte nach rechts, runzelte die Stirn und sah nach links. Jeweils fünfundsechzig Fuß in jede Richtung. Er sah nach vorne. Bis zur Wand waren es nochmal locker dreißig Fuß. Wofür brauchte man so viel Speicherplatz?

„Welche Daten werden hier gesammelt?“, wollte Pierrick wissen.

Seve zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, aber ich werde es herausfinden“, erklärte er und zückte abermals sein Telefon.

Zehn Minuten später hatte Seve im Netz immer noch keine Antwort gefunden.

„Wow!“, stieß jemand begeistert hervor.

Pierrick hatte Virus bereits gerochen und wandte sich langsam zu dem Computergenie um, das inzwischen auf Darius’ Anwesen gezogen war und von dort aus die virtuellen Geschicke des Clans leitete.

„Kannst du mir sagen, was das ist?“ Pierrick machte eine allumfassende Handbewegung und hoffte darauf, dass Virus ihm ein paar Antworten liefern konnte. Sie mussten den Tatort bald räumen, und bis dahin gab es noch viel zu tun.

Virus ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und schritt bedächtig den Korridor entlang. Fasziniert strich er immer mal wieder über eine Glasfront der deckenhohen Schränke. „Unglaublich“, murmelte er ehrfürchtig.

„Was ist das hier?“ Langsam wurde Pierrick ungeduldig.

Virus ging an dem Soya vorbei, grinste dabei wie ein Kleinkind an Weihnachten und machte sich einige Meter von den anderen Vampiren entfernt zu schaffen.

Pierrick kam näher und sah, dass dort, wo Virus stand, etwas im Schrank fehlte. Gerade öffnete Virus die Glastür und stellte seinen Laptop auf den leeren Platz. Er griff nach einem Kabel, steckte es in seinen Laptop und fuhr diesen hoch.

Manchmal fragte sich Pierrick, ob diese ganze Technik nicht doch ein Fluch für sie alle war. Er mochte den Fortschritt und hatte sich ihm nie entzogen. Weder auf sein Mobiltelefon noch auf den Flatscreen in seinem Haus wollte er verzichten. Doch er kannte auch die Zeit, in der die Menschen mit Öfen heizten, Kerzen Licht spendeten und die ersten Tonaufnahmen noch in ferner Zukunft lagen. Er wünschte sich weiß Gott nicht in diese Zeit zurück, aber manchmal vermisste er die Ruhe und Gelassenheit, wie sie zu dieser Epoche geherrscht hatten.

„Wow!“, entfuhr es Virus, als er die ersten Daten auf seinem Bildschirm sah. „Das System kenne ich.“ Plötzlich war er sehr aufgeregt.

„Was ist das?“

„Hier werden sämtliche Überwachungsdaten aus ganz Boston gespeichert“, verkündete er freudestrahlend. „Ich habe mich schon öfter in ihr Netz gehackt.“

„Was wollten die Epheben hier?“, fragte Seve, der nun neben Pierrick stand.

„Woher soll ich das wissen?“ Virus konzentrierte sich auf die Daten, die über seinen Bildschirm huschten. „Den Serverraum vielleicht lahmlegen? Daten löschen? Keine Ahnung.“

„Was hätten sie davon?“, überlegte Seve laut.

Virus verfolgte die Datensätze, die sein Bildschirm ausspuckte. „Soweit ich feststellen kann, wurde das Programm weder gehackt, noch wurden Daten aus dem Speicher gelöscht.“

„Dann haben sie also ihre Aufgabe nicht zu Ende bringen können.“ Pierrick sah sich noch einmal um. Er fühlte sich hier drinnen nicht wohl. „Wenn du nichts Auffälliges feststellen kannst, gehen wir. Mach fertig.“

Seve schloss sich ihm an.

„Kümmern wir uns um die Wachleute.“

Der Vampir nickte Pierrick zu und ging voran. Während sie die Treppen ins Erdgeschoss hinabstiegen, blieb Seve stehen und drehte sich zu ihm um: „Glaubst du, die Epheben gehören den Gen Guards an?“

„Wie kommst du zu der Annahme?“

„Du hast die Gruppe heute noch kein einziges Mal erwähnt.“

Pierrick schwieg, dachte einen Moment nach und ging dann an Seve vorbei. „Das mag vielleicht daran liegen, dass mir diese Gruppierung zutiefst zuwider ist. Natürlich gehörten die Epheben den Gen Guards an. Was sonst sollten sie hier zu tun gehabt haben, als die blödsinnigen Befehle einiger irrer Vampire auszuführen, denen es egal ist, wenn sie unsere Kinder in den Tod schicken?“ Er biss die Zähne fest zusammen und versuchte damit zu verhindern, dass seine Fänge hervorschossen.

Endlich erreichten sie den Eingangsbereich. Tilford und Sandor hatten schnell und zuverlässig gearbeitet. Nichts deutete mehr auf die blutige Auseinandersetzung hin. Sämtliches Beweismaterial würde in Kürze in Flammen aufgehen und die Tat der jungen Vampire für immer verschleiern.

„Wir sind fertig“, erklärte Sandor.

Zur gleichen Zeit trat Dale durch die Tür. Während Hadrian vor der Tür Wache hielt und den Gebäudeeigentümer sowie den Direktor der Orion-Tec Security Inc. davon abhielt, das Haus zu betreten, hatte Dale die Umgebung abgesucht. Er hielt einen schwarzen Gegenstand in der Hand.

„Den Laptop habe ich gegenüber in einem Gebüsch gefunden“, erklärte er.

„Mal sehen, was Virus dazu sagt“, meinte Pierrick abweisend und machte eine ausladende Handbewegung.

„Ich bin schon da“, erklärte der blonde Vampir, schob sich an Pierrick vorbei und nahm das Gerät in Empfang.

„Ich habe die Gebäudeüberwachung der letzten Stunden heruntergeladen und gelöscht“, erklärte er freudestrahlend an Pierrick gewandt.

Dieser nickte anerkennend. Virus mochte jung sein und noch ordentlich Flausen im Kopf haben. Für einen Vampir war er gerade einen Wimpernschlag alt und hatte noch nicht einmal sein erstes halbes Jahrhundert hinter sich gebracht, aber auf dem Gebiet der modernen Technik war er unschlagbar.

„Wie lange wirst du noch brauchen?“, fragte Dale mit einem stirnrunzelnden Blick auf Hadrian, der sich vor der Tür noch immer abmühte, die zwei Männer in ihren grauen Anzügen abzuwimmeln.

„Was ist mit den Wachleuten?“, wandte sich Pierrick an Seve.

„Die warten in ihrem Pausenraum auf uns. Sind alle etwas durcheinander. Einer von ihnen hat einen ordentlichen Schlag auf den Hinterkopf bekommen und war daraufhin einige Zeit bewusstlos.“

„Ich rede kurz mit ihnen, dann sind wir hier fertig“, sagte Pierrick in Dales Richtung, der nickte und seinem Kollegen Hadrian zu Hilfe eilte.

Seve führte Pierrick in einen Raum, der sich hinter dem Empfang befand. Fünf Männer, alle in der einheitlichen grauen Uniform, warteten dort.

„Sind Sie vom FBI?“, wollte ein großer, bulliger Kerl wissen und verschränkte die Arme vor der Brust. Pierrick blieb vor dem Wachmann stehen, legte den Kopf schief und sah ihn einfach nur an. Der Kerl wurde unruhig und hielt das Blickduell nur wenige Sekunden aus, ehe er den Kopf neigte.

„Wer von Ihnen hat den Schlag auf den Hinterkopf bekommen?“ Pierrick blickte fragend in die Runde.

Ein etwas dünnerer, aber dafür umso größerer Mann trat vor. An den Schläfen war er bereits leicht ergraut. „Ich“, meinte der Mann unsicher und fuhr sich über den Nacken. „Es geht aber schon wieder.“

Pierrick drang in den Kopf des Wachmannes, durchstöberte die Erinnerungen und stellte zufrieden fest, dass Rave zumindest so umsichtig gewesen war, sich nicht sehen zu lassen. Vario, der zweite Ephebe, dagegen schon. Er hatte den Aufzug betreten. Pierrick ließ die Gedankenfetzen verblassen und nahm sich den nächsten Wachmann vor. Dieser hatte allerdings nur den Alarm mitbekommen und die toten Epheben gesehen. Auch diese Erinnerung nahm Pierrick mit, ehe er zum nächsten Mann ging. Einen nach dem anderen nahm er sie sich vor, reinigte ihr Gedächtnis.

Bei dem vorletzten Wachmann hielt Pierrick einen Moment inne, verweilte ungewöhnlich lange in seinen Gedanken. Mit einem Mal war ihm der Sinn der Erinnerung klar. Der Mann vermisste seinen Kollegen. Als der Alarm ausgebrochen war, war dieser ins Erdgeschoss gegangen und seitdem nicht mehr aufgetaucht. Er grub etwas tiefer und erhaschte einen Blick auf den vermissten Kollegen. Es überraschte Pierrick nicht, dass der Kerl ungewöhnlich klein war, dafür aber äußerst stämmig. Die fliehende Stirn und die breite Boxernase bestätigten Pierricks Vermutung. Es handelte sich um einen Inimicus: Acer Petterson. Den Namen würde er sich merken und alles, was es über ihn zu wissen gab, herausfinden. Pierrick wandte sich dem letzten Wachmann zu, dem Bulligen, der ihn dumm angeredet hatte. In seine Gedanken zu gelangen, war ein Spaziergang. Er war sehr einfach gestrickt und besaß kaum Abwehrmechanismen. In Kürze war er mit seiner Arbeit fertig.

Pierrick gab Seve das Zeichen zum Aufbruch und verschwand. Mit großen Schritten durchquerte er die Eingangshalle und trat in die dunkle Nacht hinaus. Sofort wurde er von dem Direktor bestürmt: „Special Agent, können Sie schon etwas sagen?“

„Soweit wir es bis jetzt beurteilen können, ist nichts passiert. Ihr Datenraum ist unversehrt. Das kaputte Türschloss kann man ersetzen. Lassen Sie Ihre Leute morgen alles überprüfen. Special Agent Nagana“, er wies auf Seve, „wird mit Ihnen in Kontakt bleiben.“

„Und das Wachpersonal?“, ereiferte sich der Gebäudebesitzer.

„Sie sind nach der Nacht erschöpft, aber außer einer Beule und Kopfschmerzen geht es ihnen gut.“

Er verabschiedete sich flüchtig von den Anzugträgern, die darauf warteten, dass die restlichen Männer das Gebäude verließen, ehe sie selbst hineinkonnten.

„Soll ich dich fahren?“, fragte Pierrick und blickte sich nach Virus um. Seine Leute waren mit einem SUV und dem geräumigen Bus gekommen.

„Nein, das ist nicht notwendig. Ich bin mit dem Auto da“, erklärte Virus und deutete auf einen dunkelroten Dodge Charger.

Während seine Leute in ihre Fahrzeuge stiegen und davonfuhren, blickte Pierrick die verlassene Straße entlang.

Er konnte sich nicht erklären, was die Epheben hier gewollt hatten, und er war sich diesmal auch nicht so sicher, dass die Gen Guards dahintersteckten. Aber das hatte er Seve gegenüber so nicht äußern wollen. Diese Aktion schien im Gegensatz zu dem bisherigen Vorgehen der Gruppe äußerst genau geplant zu sein. Wenn dieser Inimicus nicht erschienen wäre, hätte das Vorhaben ein voller Erfolg werden können.

Gedankenverloren ging er auf seinen Mercedes zu und hatte bereits die Tür geöffnet, als ihn etwas innehalten ließ. Ein vertrauter Geruch stieg ihm in die Nase. Honig und reife Birne. Der Duft war sehr feminin und gehörte einer jungen Vampirin, der er in letzter Zeit gekonnt aus dem Weg gegangen war. Er atmete noch einmal tief ein und schüttelte den Kopf. Seine überreizten Sinne mussten ihm einen Streich gespielt haben, denn jetzt roch es nach Boston: Abgase, Menschen und der verwesende Gestank von Speiseresten in einer Mülltonne hinter dem Steakhouse. Er hatte bereits die Jacke ausgezogen und auf den Beifahrersitz geworfen, als er abermals den süßlichen Geruch wahrnahm und seine Umgebung taxierte. Bildete er sich ihre Anwesenheit nur ein, oder hielt sie sich tatsächlich in der Nähe auf? Wenn sie hier war, befand sie sich in Gefahr. Er musste sicher gehen, sich vergewissern, dass er sich getäuscht hatte, sonst würde er keine ruhige Minute finden. Also schlug er die Autotür wieder zu und lief zu Fuß los, immer der Duftspur nach.

Kapitel 2

Isada wusste nicht mehr, wie lange sie durch die Nacht gestolpert war. Sie war vollkommen erledigt und konnte einfach keinen Fuß mehr vor den anderen setzen. Wo sie sich befand, wusste sie noch immer nicht genau. Ein unbändiger Hunger war der Furcht gewichen. Sie musste sich nähren, musste einen Blutwirt finden. Verzweifelt sah sie sich um. Eine Straße sah wie die andere aus; düster und verlassen. Ehe sie den Heimweg einschlug, musste sie erst einmal Nahrung finden.

Sie schleppte sich weiter und beobachtete, wie zwei Jugendliche einige Meter vor ihr vorbeispazierten. Isada überlegte, ob sie es wagen sollte, die beiden anzugreifen, entschied sich jedoch dagegen. Beeinflussung von Menschengehirnen war noch nie ihre Stärke gewesen. Darüber hinaus sahen die Kerle kräftig aus, und in ihrem jetzigen geschwächten Zustand würde sie bei einer Auseinandersetzung womöglich den Kürzeren ziehen.

Sie wartete einen Moment, bis die jungen Männer vorbeigegangen waren, dann schlich sie aus der Gasse. Ein Auto fuhr an ihr vorbei. Ihr schwindelte, sie musste sich an der Mauer abstützen. Sie musste trinken, und dann würde sie zu ihrem Laptop zurückkehren und ihn in Sicherheit bringen. Die Daten waren geschützt, und es bedurfte einer ganzen Ecke Know-how, das Sicherheitssystem, das sie darauf installiert hatte, zu knacken. Dennoch würde sie sich besser fühlen, wenn sie den Computer in ihrer Nähe wusste. Zuerst brauchte sie jedoch eine Nahrungsquelle. Es musste nur ein Mensch vorbeikommen, der alleine war und der ihr in die Dunkelheit folgen würde. Ihr wurde kurz schwarz vor Augen, und sie lehnte sich mit dem Rücken an die Hausfassade.

Ihre Gedanken schweiften ab. Ein Inimicus. Wie hatte das nur passieren können? Die Operation war gut durchdacht gewesen. Sie hoffte, dass Rico entkommen war. Diese Inimicus waren Raubtiere. Einmal mehr hatten sie bewiesen, welche hinterhältigen Kreaturen sie waren. Sie hatten Vario und Rave auf dem Gewissen. Diese Wesen würden immer weiter morden, wenn man sie nicht aufhielt. Deshalb hatte sie sich den Gen Guards angeschlossen. Man musste diese Monster bekämpfen, ihnen Einhalt gebieten. Und wenn der Rat dazu nicht in der Lage war, dann musste sie es tun. Diese Einstellung hatte nicht nur sie, sondern etliche andere junge Vampire ebenfalls. Deshalb hatten sie sich unter dem Namen Gen Guards zusammengeschlossen.

Isada richtete sich auf und verdrängte die Angst, die noch immer durch ihre Adern pulsierte. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so sehr gefürchtet, noch nie war sie so nah daran gewesen, einem Inimicus gegenüberzustehen. Sie hätte nichts gehabt, um sich gegen ihn zur Wehr zu setzen. Ihre Waffe war ihr Laptop. Den Umgang mit einem Schwert hatte sie nie gelernt. Ihr Vater hatte befunden, dass eine Frau sich mit dem schmutzigen Kriegshandwerk nicht zu befassen brauchte, schon gar nicht als Vampirin. Isada hatte diese Einstellung immer geteilt, aber nun wünschte sie sich doch zu wissen, wie man eine Waffe benutzte. Sie wollte sich verteidigen können, wollte so unabhängig sein wie Sam, die Samera ihres Anführers. Ihr Homen, der Soya Darius, hatte ihr erlaubt, mit ihm in den Krieg gegen die New Yorker Vampire zu ziehen und an seiner Seite zu kämpfen. Isada seufzte. Sam war ihr großes Vorbild. Sie war hübsch, intelligent und unabhängig. Neben den männlichen Vampiren leitete sie die Geschicke des Clans. Schon öfter hatte sie gehört, dass die junge Vampirin an jeder Ekklesia-Sitzung teilnahm. Auf die Idee wäre ihre Schwester Caren nie gekommen. Sie begnügte sich damit, die Frau eines Soyas zu sein und ihren Platz in der Gesellschaft einzunehmen. Die Leitung des Clans überließ sie ihrem Mann.

Schritte ließen Isada aus ihren Gedanken aufschrecken. Eine junge Frau kam auf sie zu. Sie trug eine rote Strickmütze und hatte die Hände in ihren Manteltaschen vergraben. Sie lief zügig und nahm ihre Umgebung kaum wahr.

Fieberhaft dachte Isada nach, wie sie die Frau ansprechen konnte, damit sie ihr in die dunkle Gasse folgte.

„Entschuldigung“, begann sie unsicher.

Die Frau hielt an, musterte Isada kurz und blickte sich unruhig um. Es war, als spürte sie die nahende Gefahr.

„Tut mir leid, ich habe keine Zeit“, meinte sie kurz angebunden und schob sich an Isada vorbei. Ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, eilte die Frau weiter.

Frustriert blickte Isada zu Boden und betrachtete ihre schwarzen Pumps mit den lila Schleifen. „Na super“, murmelte sie. Die Schleife auf der linken Seite fehlte. Sie musste sie bei ihrer Flucht verloren haben. „Auch das noch“, stieß sie frustriert hervor und spähte suchend in die dunkle Gasse.

„Etwas verloren?“

Isada zuckte zusammen und fuhr herum. Sie starrte eine Frau an, die plötzlich vor ihr stand. Wo war sie nur hergekommen? Waren ihre Sinne inzwischen so benommen, dass dieser Mensch vollkommen ihrer Aufmerksamkeit entgangen war? Isada atmete tief durch und nahm den Duft eines süßen, blumigen Parfüms wahr. Die Frau vor ihr war vielmehr ein Mädchen, noch viel zu jung, um mitten in der Nacht allein unterwegs zu sein.

„Ich glaube, ich habe in der Gasse eine Schleife meines Schuhs verloren. Es sind meine Lieblingsschuhe.“ Das war nicht einmal gelogen, und Isada beglückwünschte sich zu dieser Idee. „Es ist nur so dunkel. Mein Handy-Akku ist leer, und eine Taschenlampe habe ich nicht dabei.“

Das Mädchen grinste unter seiner Kapuze und zog aus der Manteltasche ein Mobiltelefon. „Aber ich habe Licht“, erklärte es und zog seinen Handschuh aus, um das Telefon zu bedienen.

„Das ist wirklich sehr nett“, bedankte sich Isada erfreut. Ihr lief bereits das Wasser im Mund zusammen. Am liebsten hätte sie sich augenblicklich auf das Mädchen gestürzt. Nur noch ein klein wenig, ermahnte sie sich. Sie kämpfte gegen das Herausschieben ihrer Fänge an und wandte den Blick ab. Wenn das Mädchen Isadas glühende Augen zu früh entdeckte, würde es fliehen, und all ihre Mühe wäre vergebens.

Das Mädchen hielt sein Handy so, dass der weiße Bildschirm in die Gasse leuchtete. Ohne Scheu, ohne Bedenken, ging sie voran in die Dunkelheit. Isada folgte ihr. Noch immer riss sie sich zusammen. Es kostete sie schier übermenschliche Willenskraft zu warten, bis das Mädchen weit genug in die Gasse hineingegangen war. Dann griff sie nach dessen Schulter, wirbelte es herum und drückte es an die Wand. Ihr Mund öffnete sich zu einem stummen Schrei, und ihre Augen weiteten sich entsetzt, als sie Isada anblickte. Die Kapuze rutschte dabei vom Kopf und entblößte einen Schopf dunkler Haare.

Isada handelte nun nur noch instinktiv. Sie riss an dem Mantel des Mädchens, zerrte den Schal herunter und entblößte endlich ihren Hals. Mit Vorfreude auf das, was sie erwartete, leckte sie sich über die Lippen und schlug ihre Zähne in das weiche Fleisch. Gleich darauf spürte sie das Blut, das ihr entgegen quoll. Gierig presste Isada ihren Mund auf die Haut und trank. Es fühlte sich großartig an, wie das berauschende Lebenselixier in sie floss und durch ihren Körper gepumpt wurde, bis jede Zelle davon durchdrungen war. Sie konnte nicht genug davon bekommen, genoss jede Sekunde. Sie spürte, wie das Mädchen in ihren Armen immer mehr in sich zusammensackte, doch das störte sie nicht. Sie wollte immer weiter trinken, sich an ihr laben, bis dieses berauschende Gefühl abklang. In ihren Ohren begann es zu rauschen, und ihre Glieder wurden seltsam steif, was von der zu großen Menge Blut in ihrem Körper kam. Sie konnte und wollte sich nicht von dem Mädchen lösen, wollte keinen Tropfen des köstlichen Lebenssafts verschwenden. Sie musste mehr haben.

„Isada?“ Sie hörte die sich nähernde Stimme kaum, konnte auch nicht aufblicken, weil sie am Hals des Mädchens hing.

„Isada!“ Sie wurde brutal zurückgezogen. Das Mädchen entglitt ihren Fingern und sank zu Boden.

„Nein!“, schrie sie und reckte sich der Blutwirtin entgegen. Feste Arme, die sich wie ein Schraubstock um sie schlossen, verhinderten dies. Isada kämpfte dagegen an. Sie musste mehr von dem köstlichen Blut haben.

„Isada!“, hörte sie noch einmal die beschwörende Stimme, die in aller Bestimmtheit ihren Namen rief. Sie blinzelte und sah in die bernsteinfarbenen Augen des Vampirs, den sie hier am allerwenigsten sehen wollte. Pierrick Legrand, ein Soya, ihr Renovator und der Mann ihrer Schwester. Sie schluckte, als er sie bestimmt zur Seite schob und auf das leblose Mädchen zutrat. Er hob sie hoch, legte einen Finger auf ihre Halsschlagader und suchte nach einem Puls.

Isada starrte wie gebannt auf das leblose Ding, und die Erkenntnis überrollte sie wie eine Welle. Was hatte sie getan? Was war in sie gefahren? Sie hatte noch nie einen Menschen umgebracht! Blutrausch war etwas, was nur männliche Epheben überfiel, aber doch nicht sie. Sie hielt den Atem am, während Pierrick schier endlos seine Hand an den Hals des Mädchens hielt. Erleichtert stieß sie die Luft aus den Lungen, als der Vampir schließlich sagte: „Sie lebt. Der Puls ist schwach, aber wenn sie sofort ärztliche Hilfe bekommt, wird sie überleben.“

Sorgfältig bettete er das Mädchen auf dem Boden, achtete darauf, dass sie sich nirgends stieß. Dann schloss er ihre Jacke, damit sie nicht so schnell auskühlte. Während er aufstand, wählte er bereits den Notruf. Isada musste zwei Mal hinblicken, ehe sie registrierte, dass er sich das Telefon des Mädchens ans Ohr hielt. Er nannte den genauen Ort, fügte ein paar Daten über die Verletzte hinzu und legte auf. Pierrick ließ das Handy fallen. Es landete auf der Jacke des Mädchens, ehe es langsam zu Boden rutschte.

Plötzlich war Pierrick neben ihr. „Wir müssen hier weg! Sofort!“

Isada konnte sich nicht rühren. Mit großen Augen blickte sie ihn an, als ob sie ihn das erste Mal sah. Was er sagte, kam in ihrem Gehirn nicht an.

Er stieß sie an. „Komm, los!“

Noch immer war sie unfähig, sich zu bewegen. Der Schock saß zu tief in ihren Gliedern.

Isada quiekte erschrocken auf, als Pierrick sie einfach hochhob. Sie musste sich an ihm festhalten, als er mit ihr durch die dunkle Nacht rannte.

Pierrick kannte den Weg, und es dauerte nicht lange, da kamen auch ihr die Straßenzüge wieder bekannter vor. Sie waren nicht mehr weit vom LDC-Tower entfernt. Unmerklich verspannte sie sich. Er wusste doch nicht, dass sie bei dieser Aktion beteiligt gewesen war, oder? Sie krallte ihre Finger fester in Pierricks Hemd und wenn sie ein kleines bisschen religiös gewesen wäre, hätte sie unablässig gebetet, dass der Soya nichts von ihrer geheimen Mission wusste.

„Lass mich runter!“, bat sie schließlich. Zu ihrer Überraschung gehorchte Pierrick sofort.

„Ich bin wieder in Ordnung“, sagte sie und konnte ihn nicht ansehen, ohne dabei vor Scham im Boden zu versinken. „Ich komme schon allein nach Hause.“

„Mach keine Dummheiten, Isada. Sich allein in dieser Gegend aufzuhalten, ist gefährlich. Du solltest überhaupt nicht hier sein.“

Isada verschränkte die Arme vor der Brust. „Das geht dich überhaupt nichts an. Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig.“

Sie sah, wie Pierrick sie einen Moment nachdenklich musterte und dabei die Stirn in Falten legte. „Du hast keine Ahnung, was hier heute Nacht geschehen ist“, murmelte er, umfasste ihr Handgelenk und zog sie mit sich. Ihr blieb nichts anderes übrig, als mit ihm zu gehen.

„Hör damit auf. Du bist nicht mein Vater“, protestierte sie und versuchte ihre Hand freizubekommen.

Pierricks Griff war unnachgiebig. „Aber ich bin dein Soya.“

Isada schluckte. Sie spürte die übermächtige Präsenz, die ihn umgab und die sie niederzwingen würde, wenn sie sich weiter gegen ihn auflehnte.

„Was hast du hier überhaupt gemacht? Allein? So weit fort von zu Hause?“ Er ließ sie los, und Isada hielt ihr schmerzendes Handgelenk.

Demonstrativ blickte sie fort. Sie mochte es nicht, wenn jemand so mit ihr redete. Sie war schließlich kein kleines Kind mehr und mit ihren achtundsiebzig Jahren schon fast erwachsen.

„Das geht dich nichts an.“ Nie durfte er erfahren, dass sie etwas mit dem Überfall auf die Sicherheitsfirma zu tun hatte. Wenn das herauskam, war ihr Schicksal besiegelt. Der Rat fackelte nicht lange mit Angehörigen der Gen Guards und griff unbarmherzig durch. Entweder wurden Mitglieder der Gruppierung von ihrem Familienoberhaupt unter Hausarrest gesetzt, oder sie verschwanden in Soya Darius’ Haus, wo sie vermutlich ein weit schlimmeres Schicksal ereilte. Isada würde es nicht überleben, zu Hause eingesperrt zu werden. Es würde sie verrückt machen.

Da Pierrick ein Mitglied des Ekklesia-Rats war, waren sie in diesem Kampf Feinde, auch wenn er das nie erfahren durfte.

„Komm mit, ich bringe dich nach Hause“, sagte Pierrick nachsichtiger.

Isada zögerte und befand, es würde ihr momentan nichts nützen, sich gegen Pierrick aufzulehnen. Wortlos stapfte sie hinter ihm her. Sie spähte an seinem breiten Rücken vorbei und versuchte, einen Blick auf das Steakhouse und den Platz davor zu erhaschen, dort, wo sie ihren Computer zurückgelassen hatte. Doch Pierrick ließ ihr absolut keine Chance und dirigierte sie zu seinem schwarzen Mercedes, der direkt vor dem Tower parkte.

Nachdenklich musterte sie das hell erleuchtete Gebäude, in dem nun ihr Stick im Serverraum der Sicherheitsfirma steckte und ihr mit ihrem Laptop uneingeschränkten Zugang zu allen Überwachungssystemen geben würde, ohne sich einhacken zu müssen. Ihr Plan war brillant gewesen. Nur mit einem Inimicus hatte sie nicht gerechnet. Sie biss sich auf die Lippe, um vor Wut nicht laut aufzuschreien.

„Steig ein!“, forderte Pierrick sie auf und hielt ihr die Beifahrertür auf.

Pierricks Handy klingelte. Er zog es aus der Tasche, warf einen kurzen Blick auf das Display und nahm den Anruf entgegen. „Was gibt es, Seve?“

„Ich wollte dir nur sagen, dass die Leute von Orion-Tec nichts in ihren Systemen gefunden haben.“

Problemlos konnte sie das Telefongespräch mithören.

„Danke dir“, murmelte Pierrick und legte auf.

Isada zog interessiert eine Augenbraue nach oben, als sie an ihm vorbeiging und sich in den bequemen Autositz fallen ließ. Pierrick ignorierte ihre unausgesprochene Frage, warf die Tür hinter ihr zu und umrundete das Auto.

Er fädelte sich in den nächtlichen Verkehr ein und nahm die Straße Richtung Readville. Dort lebte Isada bei ihrem Vater, eine Straße vom Franklin Park entfernt.

Gerne hätte Isada die Beine unter sich angezogen, doch mit ihrem kurzen Tüllrock war sie dazu nicht passend gekleidet. Somit begnügte sie sich damit, aus dem Fenster zu starren und die nächtliche Ruhe in sich einzusaugen. Pierrick ignorierte sie, so gut es ihr möglich war.

„Was hast du dort gemacht?“, fragte der Soya in die Stille hinein.

Er hatte die Frage an diesem Abend schon einmal gestellt, und Isada hatte sie in voller Absicht unbeantwortet gelassen. Sie wusste jedoch, wenn sie ihm keine zufriedenstellende Story auftischte, würde er nachfragen und irgendwann hinter ihr Geheimnis kommen.

„In der Nähe ist ein Goth-Club“, meinte Isada leichthin. „Ich war mit ein paar Freunden dort.“

Sie sah Pierricks Stirnrunzeln und hoffte inständig, dass er ihr die Lüge abkaufte.

„Du weißt, dass die ungeschützten Clubs gefährlich sind“, tadelte er sie sanft, und Isada war erleichtert, dass er keinen Verdacht zu schöpfen schien.

„Es gibt keine sicheren Goth-Clubs, wie du sicher weißt. Außerdem war ich nicht allein, sondern mit ein paar Freunden unterwegs.“

„Von denen habe ich keinen zu Gesicht bekommen. Es war keiner da, der dich davon abgehalten hätte, dem Blutrausch zu verfallen.“ Seine Stimme wurde schärfer.

Isada schnaubte. „Ich bin kein Kleinkind mehr.“

„Das habe ich auch nicht behauptet.“ Sein Blick war starr nach vorne gerichtet, seine Hände umklammerten das Lenkrad. „Ich mache mir nur Sorgen um dich. Heute Nacht hat ein Inimicus zwei Epheben umgebracht.“

Eine eiskalte Hand griff nach Isadas Herz. Pierrick musste das Entsetzen von ihrem Gesicht abgelesen haben.

„Mitglieder der Gen Guards“, schob er entschärfend nach. „Sie bringen sich selbstverschuldet in gefährliche Situationen.“

Isada lag bereits eine Antwort auf der Zunge, die sie in Anbetracht der Situation hinunterschluckte. „Wie kann man nur so dumm sein“, sagte sie stattdessen kopfschüttelnd.

„Was hast du über die Gen Guards gehört?“

Isada zögerte und wählte ihre Antwort mit Bedacht: „Die Meinungen sind sehr geteilt. Manche heißen es gut, was sie für den Clan tun, andere halten ihre Aktionen für lebensmüde und dumm.“

„Und was hältst du von ihnen?“, hakte Pierrick nach.

Isada wagte nicht, ihn anzublicken, sonst würde er in ihren Augen die Wahrheit lesen. Ihr Hals war wie zugeschnürt, und so zuckte sie nur hilflos mit den Schultern.

„Die zwei Vampire waren in etwa so alt wie du“, fuhr Pierrick unbeirrt fort.

Isada fragte sich, warum er ihr das erzählte. Wollte er sie prüfen? Hatte er einen Verdacht?

„Wer?“, fragte sie vorsichtig und kannte die Antwort schon.

„Vario und Rave. Kennst du die zwei?“

Isada schlug sich die Hände vor den Mund und riss die Augen auf. Eine Welle der Übelkeit ergriff sie. Sie hatte gedacht, dagegen gewappnet zu sein, aber als Pierrick die Namen nannte, realisierte sie zum ersten Mal in voller Härte, dass die beiden wirklich tot waren. Ihr Magen rebellierte.

„Halt an!“, keuchte sie, und Pierrick trat auf die Bremse. Mit quietschenden Reifen und schlingernd kam der Mercedes zum Stehen. Isada öffnete die Tür und erbrach sich auf den Bordstein. Ihr Körper bäumte sich immer wieder auf und entledigte sich eines Schwalls Blutes. Sie würgte und erbrach sich erneut. Magensaft und der Geschmack des Blutes mischten sich in ihrem Mund. Angeekelt schluckte sie.

Pierrick reichte ihr ein Papiertaschentuch. Isada nahm es wortlos entgegen und säuberte sich damit notdürftig.

„Alles in Ordnung mit dir?“

„Ja, geht schon“, nuschelte sie in das Taschentuch. Sie schämte sich vor ihm. Sie wollte auf Pierrick nicht schwach und verletzlich wirken. Sie wollte ihm zeigen, dass sie eine starke und unabhängige Vampirin war. So wie ihr großes Vorbild, Sam Wesley, die sicher nicht auf den Bordstein gekotzt hätte.

„Du kanntest also die zwei?“, stellte Pierrick tonlos fest, ehe er sich abwandte.

Isada schluchzte. Natürlich kannte sie Vario und Rave. Sie gehörten zu ihrem Freundeskreis. Seit sie gemeinsam den Gen Guards beigetreten waren, hatten sie noch engeren Kontakt als zuvor. Sie hatte die zwei Vampire in den Tower geschickt und damit war sie für ihren Tod verantwortlich. Undamenhaft schniefte sie in ein sauberes Taschentuch, das Pierrick ihr reichte, und wischte sich über die tränennassen Wangen.

Den aufmerksamen bernsteinfarbenen Augen des Soyas entging keine ihrer Regungen. Sie musste sich zusammenreißen, sonst würde er alles erfahren.

„Was weißt du über sie?“

Noch immer kneteten ihre Finger das Taschentuch. „Gar nichts“, log sie. „Wir kennen uns halt, hängen ab und an zusammen herum. In letzter Zeit war ich aber meist mit anderen Leuten in Goth-Clubs unterwegs.“

„Mach die Tür zu, wir fahren weiter!“

„Aber das ganze Blut.“

Pierrick zückte sein Handy, drückte eine Kurzwahltaste und hielt sich das Mobiltelefon ans Ohr. „Seve, ich habe noch einen Job für dich. Etwas Blut am Straßenrand.“ Er nannte die Straße, wartete auf eine Bestätigung und verabschiedete sich.

„Mein Team kümmert sich darum. Tür zu!“, wies er sie an, ohne Widerspruch zu dulden. Isada gehorchte. Normalerweise gehörte es nicht zum Job des Aufräumerteams, Erbrochenes von der Straße zu kratzen. Dafür war jeder Vampir selbst verantwortlich. Aber wenn Pierrick seinen Männern den Auftrag gab, würde sie es tunlichst vermeiden, daran etwas ändern zu wollen. Isada konnte sich durchaus schönere Dinge vorstellen, als die Straße zu putzen.

Kaum, dass ihre Tür zuschlug, fuhr Pierrick weiter. Es war nicht mehr weit bis zum Haus, in dem sie wohnte.

„Kannst du mich hier rauslassen?“

Pierrick schüttelte den Kopf. „Ich werde dich persönlich bis zur Haustür begleiten.“

Sie verkniff sich einen Kommentar, wusste aber schon, dass es mit ihrem Vater mal wieder Streit geben würde. Sie seufzte und ließ sich im Sitz zurückfallen. Die Arme vor der Brust verschränkt, starrte sie auf die Straße. Wenn ihr Vater mitbekam, wo sie sich herumgetrieben hatte, würde sie heute Nacht nicht mehr loskönnen, um den Laptop zu holen. Sie betete inständig, dass ihn in der Zwischenzeit niemand gefunden hatte und ergab sich ihrem Schicksal. Pierrick hielt direkt vor dem Grundstück an.

Kapitel 3

Erschöpft ließ Acer sich auf einer Steintreppe nieder. Sein Herz pochte laut vor Anstrengung. Er hatte alles gegeben, um die Vampirin zu verfolgen, aber dennoch war es der Kleinen gelungen, ihm zu entwischen. Als er zurück zum Tower gegangen war, hatte es dort von Vampiren gewimmelt. Er war schließlich nicht verrückt, und so war er wieder fortgegangen.

Er stützte die Ellenbogen auf den Knien ab und legte seinen Kopf in die Hände. Wie sollte es jetzt nur mit ihm weitergehen? Es war unmöglich, in sein Leben zurückzukehren. Die Vampire hatten in der Zwischenzeit sicher schon längst seinen Namen herausgefunden. Auf vampirischen Besuch in seinen eigenen vier Wänden konnte er gut und gerne verzichten.

Frustriert stöhnte er auf. Acer war zwar seit einem Jahr hier in Boston zu Hause, hatte jedoch kein Interesse gehabt, andere Personen kennenzulernen. Das bereute er jetzt. Denn er hatte niemanden, bei dem er unterschlüpfen, niemanden, bei dem er zumindest ein paar Tage wohnen konnte.

Er dachte an sein Leben in Bangor zurück. Das Entsetzen, das ihn ergriffen hatte, als er zu dem wurde, was er nun war. Der Ekel, mit dem ihn Marie, seine Freundin, angesehen hatte, als er einem lebenden Huhn den Kopf abgebissen und es in seinem Wahn roh verspeist hatte. Sie war gegangen und nie wiedergekommen. Acer hatte es in ihrer gemeinsamen Wohnung nicht ausgehalten, und so hatte er alle Zelte abgebrochen, um neu zu beginnen. Als er dann das erste Mal hier auf einen Vampir getroffen war, hatte er es nur knapp überlebt. Seitdem war er immer bewaffnet und ging diesen Wesen, so gut es ging, aus dem Weg.

Wo sollte er jetzt nur hingehen? Er wagte nicht, seine Wohnung aufzusuchen und seine Sachen zu packen. Die Angst, dass dort die Vampire bereits auf ihn warteten, war einfach zu groß. Sie waren überall, diese verdammten Blutsauger.

Warum nur musste er ausgerechnet bei seiner Arbeit diesen Vampiren über den Weg laufen? Glücklicherweise waren die Zwei im Kampf nicht ausgebildet gewesen. Da hatte er aus sicherer Entfernung schon andere Vampire sehen dürfen. Wäre auch nur einer seiner Gegner ein älterer Vampir gewesen, hätte sein letztes Stündlein geschlagen.

Acer nahm eine Veränderung der Umgebung wahr und hob den Kopf. Angespannt blickte er sich um. Weder sah noch hörte er etwas. Dennoch war er nicht mehr allein. Es war nicht unbedingt Gefahr, die auf ihn zukam, sonst hätten sich sämtliche Haare seines Körpers aufgestellt. Unruhig stand er auf, zupfte sein Hemd zurecht und blickte sich suchend um.

„Wer ist da?“, rief er in die Dunkelheit.

Niemand antwortete ihm. Er zückte sein Messer, das noch immer vom Blut des Epheben bedeckt war, und ging ein paar Schritte weiter die Straße hinab. Das Einzige, was er hörte, war sein Atem.

„Ich weiß, dass ihr da seid“, rief er erneut und hoffte, dass diesmal eine Reaktion kam.

Er fuhr herum, als er hinter sich Schritte vernahm. Aus der Schwärze trat ein Mann auf ihn zu. Er war ein wenig größer als er selbst, was bei einer Körpergröße von einem Meter sechzig nicht verwunderlich war. Der Fremde trat näher und schob seine Baseballkappe, auf der das Logo der Red Sox prangte, weiter nach hinten. Acer sah eine breite Boxernase, einen leicht vorgeschobenen Mund und hohe, markante Wangenknochen.

Beschwichtigend hob der Mann die Hände. „Wir wollen dir nichts tun. Du bist einer von uns.“

Irritierte starrte Acer den Mann an. „Wer seid ihr?“, wollte er wissen und kam einen Schritt näher, das Messer immer noch griffbereit in seiner Hand.

„Ich bin Younes Sawall.“

Ein Geräusch ließ Acer herumfahren. Hinter ihm tauchten zwei weitere Männer auf.

„Ethan und Kayden“, sagte Younes und deutete auf die Kerle hinter ihm. „Wir sind wie du.“

„Sag ihnen, sie sollen stehen bleiben“, fuhr Acer ihn panisch an.

Younes hob die Hand und gab seinen Leuten ein Zeichen zu gehorchen.

„Ich kann mir vorstellen, was du durchmachst.“

„Nichts kannst du!“, brüllte Acer. Er umklammerte das Messer fester. Tränen schossen ihm in die Augen. „Ich habe zwei Jungen getötet. An meinen Händen klebt Blut.“ Als Beweis hob er die Waffe.

„Du hast nur der Gerechtigkeit Genüge getan. Das waren keine Jungen, das waren keine Menschen. Das waren Kruento“, entgegnete Younes unbeirrt.

Acer erstarrte. „Kruento?“, fragte er unsicher nach. Den Begriff hatte er noch nie gehört.

„Vampire“, stieß einer der Kerle hinter ihm angewidert hervor.

„Ihr wisst von ihnen?“ Acer ließ es zu, dass Younes immer näher kam und ihm schließlich das Messer aus der Hand nahm.

„Ich habe dir schon erzählt, dass wir wie du sind. Dein Hunger auf rohes Fleisch, die Veränderungen, die in deinem Körper stattgefunden haben.“

„Woher weißt du davon?“, stammelte Acer.

„Uns erging es ebenso wie dir. Wir sind anders. Wir sind extrem stark, springen aus dem Stand mehrere Meter weit. Unsere Schnelligkeit und Wendigkeit ermöglichen es uns, ernsthafte Gegner der Kruento zu sein und sie aufzuhalten. Wir sind keine Menschen.“

Acers Augen wurden immer größer. „Was sind wir dann?“

„Die Kruento nennen uns Inimicus, den Feind. Die Menschen haben uns den Namen Neandertaler gegeben, weil wir aus direkter Linie von ihm abstammen.“

Acer stand immer noch wie angewurzelt am selben Fleck.

„Der Name ist egal. Wichtig ist, was wir tun. Wir wurden geboren, um die Welt von den Kruento zu säubern. Heute Nacht hast du deine Bestimmung gefunden, mein Freund.“ Younes schlug Acer kameradschaftlich auf die Schulter. „Du kannst nicht zurück in dein altes Leben, nicht, nachdem die Kruento von deiner Existenz wissen. Schließe dich mir an, und ich werde dir alles zeigen, was ich weiß. An meiner Seite wirst du überleben, und wir werden Boston von den Monstern säubern, bis niemand von ihnen mehr übrig ist.“

Es war das erste Mal seit langem, dass Acer wieder Mut schöpfte. Er glaubte dem Fremden. Dieser wusste Dinge, die er nie gewagt hatte, einer Menschenseele anzuvertrauen. Die Gier nach rohem Fleisch war ihm peinlich, und er hielt sich für nicht ganz normal im Kopf. Younes hatte ihn weder als abnormal noch als seltsam hingestellt. Er hatte ihn akzeptiert, wie er war, ja, ihm sogar gesagt, dass es andere gab, die wie er waren.

Zögernd blickte er sich zu den zwei anderen Männern um. Sie mochten harmlos wirken, doch er wusste, dass sie gefährlich waren. Ihre grimmigen Mienen zeugten von Entschlossenheit. Würden sie ihn lebend gehen lassen? Hatte er überhaupt eine Wahl? Wohin sollte er gehen? Younes hatte ihm einen Ausweg angeboten, ein Ziel gegeben. Er würde sich nicht länger einsam fühlen, sich nicht länger vor aller Welt verstecken müssen. Wenn er sich Younes anschloss, dann wären vielleicht all seine Probleme vom Tisch.

„Was muss ich dafür tun?“ Noch immer skeptisch musterte Acer den Mann vor sich.

Hinter ihm hörte er ein kehliges Lachen und fuhr herum. Der Kerl mit der braunen Lederjacke hielt sich vor Lachen den Bauch, während auch der andere breit grinste. Acer verstand nicht, was so lustig an seiner Frage war.

„Mitkommen“, erwiderte Younes ernst, gab den Männern ein Handzeichen, und sie verschwanden. Gleichzeitig drehte Younes sich um und entfernte sich langsam.

Acer stand da, zögerte noch.

Schließlich drehte Younes sich noch einmal um. „Kommst du nun?“, fragte er.

Acer eilte los. Er würde mit Younes gehen. Etwas anderes blieb ihm nicht übrig, wenn er diese Nacht nicht auf der Straße verbringen wollte. Und wenn das, was Younes ihm anbot, nichts für ihn war, dann konnte er immer noch die Stadt verlassen.

* * *

Ohne Abschiedsgruß stieg Isada aus Pierricks Mercedes und nahm aus dem Augenwinkel wahr, dass der Soya ihr zur Eingangstür folgte.

Noch ehe sie die Tür aufsperren konnte, wurde sie von innen geöffnet. Isadas Vater stand mit angespannter Miene vor ihr.

„Isada?“, fragte er besorgt.

„Alles okay“, beschwichtigte Isada ihn und schob sich an ihm vorbei.

Mori Alexio straffte die Schultern und richtete die Aufmerksamkeit auf seinen Schwiegersohn, der soeben die Stufen vor dem Haus erklomm.

„Alexio“, grüßte dieser seinen Schwiegervater.

„Pierrick.“ Er machte eine einladende Handbewegung, und Isada verfluchte Pierrick im Stillen, als er die Einladung annahm.

Flehend sah sie ihn an und bat stumm darum, dass er ihrem Vater nichts erzählte. Pierrick ließ sich nicht anmerken, ob er ihre wortlose Botschaft verstanden hatte.

„Ist etwas passiert?“, fragte Alexio neugierig, als er hinter Pierrick die Tür schloss.

„Du solltest darauf achten, dass Isada sich nicht alleine in der Stadt herumtreibt. Die Nächte sind gefährlich geworden. Erst heute wieder sind zwei Epheben einem Inimicus zum Opfer gefallen.“

Wütend riss sich Isada den Mantel von den Schultern und hängte ihn auf. Wenn Pierrick so weitermachte, würde sie das Haus überhaupt nicht mehr verlassen dürfen. Sie wusste nur zu gut, wie wichtig ihrem Vater die Meinung des hoch angesehenen Soyas war.

„Ich war nicht in Gefahr“, log Isada und hoffte, dass Pierrick sie nicht korrigierte.

Ihr Vater schien zu spüren, dass sie nicht ganz bei der Wahrheit blieb. Zweifelnd sah er sie an und blickte schließlich zu Pierrick.

„Ich bin keinem Inimicus begegnet.“ Isada reckte das Kinn.

„Ich habe sie nach Hause gebracht, um sicher zu gehen, dass ihr auf dem Weg nichts passiert.“

Isada funkelte Pierrick an. „Ich danke dir sehr dafür. Ich weiß, dass du als Soya viel zu tun hast.“ Sie versuchte, ihre Stimme zuckersüß klingen zu lassen. Innerlich kochte sie jedoch. Er mochte viel zu tun haben, was aber eher der Tatsache geschuldet war, dass er der Aufräumer der Clans war und sie ihr Projekt in den Sand gesetzt hatte.

„Ich bin dann in meinem Zimmer“, erklärte Isada und war bereits auf der zweiten Stufe, als ihr Vater sie zurückpfiff: „Hast du nicht etwas vergessen? Du kannst doch deinen Soya nicht grußlos stehen lassen.“

Isada blieb mit dem Rücken zu den Männern auf der Treppe stehen und überlegte einen Augenblick lang, die Anweisung ihres Vaters zu ignorieren. Dann beschloss sie, es nicht zu tun. Den Ärger, den dies heraufbeschwören würde, wäre es einfach nicht wert. So drehte sie sich um und befand sich mit Pierrick, der fast zwei Meter maß, in etwa auf Augenhöhe. Während sie in seine bernsteinfarbenen Augen blickte, ging sie zurück in die Eingangshalle. Vor ihm blieb sie stehen. Jetzt musste sie den Kopf weit in den Nacken legen, um zu ihm aufzublicken.

„Ich danke dir sehr, dass du mich nach Hause gebracht hast. Minola.“

Er nickte ihr zu und signalisierte ihr, dass er sie entließ. Isada wandte sich ihrem Vater zu und wartete darauf, dass er sein Einverständnis gab und sie auf ihr Zimmer gehen konnte.

„Du kannst gehen“, sagte er zufrieden.

Ohne Pierrick noch einmal anzuschauen, ging Isada die Treppe hoch. Sie musste sich zusammenreißen, damit ihr Hochgehen nicht wie eine Flucht aussah. Oben angekommen, ging sie in ihr Zimmer, ließ jedoch die Tür offen. So konnte sie problemlos das Gespräch der Männer einen Stock tiefer verfolgen.

„Muss ich mir um sie Sorgen machen?“, wollte ihr Vater wissen.

„Ich denke nicht. Sie ist eine vernünftige junge Vampirin“, entgegnete Pierrick.