Eine hübsche Witwe mordet nicht, Der Bestrafer und Die unheilbringende Frau - Robin D. Jensen - E-Book
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Eine hübsche Witwe mordet nicht, Der Bestrafer und Die unheilbringende Frau E-Book

Robin D. Jensen

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Beschreibung

Eine hübsche Witwe mordet nicht

Die Kommissare Rainer und Karl ermitteln in einem besonderen Mordfall. Der LKA-Leiter wurde erschossen aufgefunden. Schnell rückt Yvonne, die Frau des Opfers, in den Mittelpunkt der Ermittlungen, denn sie profitiert vom Tod ihres Mannes.

Während Karl sich schnell festlegt und sie zur Hauptverdächtigen erklärt, lässt sich Rainer auf ein gefährliches Spiel mit der Witwe ein. Durch die Nähe zu Yvonne, erfährt er immer mehr Details in Bezug auf die Ermordung ihres Mannes. Details, die ihn darin bestärken, dass die Witwe unschuldig sein muss und weit mehr hinter dem Mord steckt, als Rainer zu Beginn für möglich hielt. Doch kann er Yvonne wirklich trauen? Oder ist auch er nur ein Teil ihres Plans? Schnell stellt sich ihm die Frage: Würde diese hübsche Witwe morden?

Es handelt sich hierbei um eine Neuauflage, die ursprünglich unter dem Titel "Attraktive Mörderin?" erschien.


Der Bestrafer

Kommissar Rainer und sein Kollege Steiner bekommen es mit einem merkwürdigen Fall von Seriendelikten zu tun, bei denen junge Männer hilflos und verängstigt aufgefunden werden. Alle Opfer haben eines gemeinsam: Ihnen wurde gewaltsam ein großes Z in die Stirn oder Brust geritzt. Zudem werden sie verdächtigt, eine Sexualstraftat begangen zu haben. Als dann jedoch eine Leiche auftaucht und auch diese eine eingeritzte Initiale aufweist, müssen die Kommissare schnell handeln, denn der Täter kennt anscheinend keine Grenzen mehr. Ein düsteres Katz-und-Maus-Spiel voller moralischer Abgründe beginnt.

Hierbei handelt es sich um eine Neuauflage von „Brutale Verzweiflung“.


Die unheilbringende Frau

Die Kommissare Rainer und Britta finden sich im Zuge einer Mordermittlung plötzlich als Gejagte wieder. Alles beginnt mit einer verängstigten Frau, die häusliche Gewalt meldet – doch ihre Fassade trügt. Von Obsession getrieben behauptet sie, sich in Rainer verliebt zu haben. Da er ihre Annäherungsversuche ablehnt, bezichtigt sie ihn der Vergewaltigung. Schlagartig wird Rainers Leben auf den Kopf gestellt – er wird suspendiert und gerät ins Visier der Justiz.

Neuauflage von „Tödliche Eifersucht".

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Eine hübsche Witwe mordet nicht
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Der Bestrafer
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Die unheilbringende Frau
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41

Robin D. Jensen

Eine hübsche Witwe mordet nicht, Der Bestrafer, Die unheilbringende Frau

Über den Autor:

 

 

 

Robin D. Jensen wurde 1959 in Nordenham geboren, studierte BWL und arbeitete über 35 Jahre in Hamburg als IT-Berater in größeren Unternehmen. 2016 begann er zu schreiben und bezeichnet sich selbst als »Zufallsautor«, denn von ihm stammt unter anderem die Krimireihe mit dem Hamburger Kommissar Rainer Zufall. Der sympathische, etwas schüchterne Protagonist seiner Krimis löst gemeinsam mit seinem Team die kniffligsten Fälle, aber auch sein Privatleben nimmt in den Büchern einen größeren Raum ein.

 

 

Buchbeschreibung:

 

Eine hübsche Witwe mordet nicht

 

Ein gnadenloser Schuss ins Herz, der andere in den Kopf - die Hinrichtung des LKA-Leiters katapultiert die Kommissare Karl und Rainer in ein tödliches Labyrinth. Ihre Hauptverdächtige: Yvonne Wilhelm, die gefühlskühle Witwe, deren Charme Rainer unwiderstehlich anzieht.

 

In einem Hochspannungsspiel zwischen Pflicht und verbotener Leidenschaft riskiert Rainer alles. Ist er im Begriff, die grausame Wahrheit zu enthüllen, oder ist er nur die nächste Beute einer eiskalten Mörderin?

 

»Eine hübsche Witwe mordet nicht« ist in sich abgeschlossen und kann unabhängig von den anderen gelesen werden. Der Krimi ist eine Neuauflage und erschien ursprünglich unter dem Titel »Attraktive Mörderin«.

 

Der Bestrafer

 

Kommissar Rainer und sein Kollege Steiner bekommen es mit einem merkwürdigen Fall von Seriendelikten zu tun, bei denen junge Männer hilflos und verängstigt aufgefunden werden. Alle Opfer haben eines gemeinsam: Ihnen wurde gewaltsam ein großes Z in die Stirn oder Brust geritzt. Zudem werden sie verdächtigt, eine Sexualstraftat begangen zu haben. Als dann jedoch eine Leiche auftaucht und auch diese eine eingeritzte Initiale aufweist, müssen die Kommissare schnell handeln, denn der Täter kennt anscheinend keine Grenzen mehr. Ein düsteres Katz-und-Maus-Spiel voller moralischer Abgründe beginnt.

 

Jeder Krimi ist in sich abgeschlossen und kann unabhängig von den anderen gelesen werden. Hierbei handelt es sich um eine Neuauflage von »Brutale Verzweiflung«.

 

Die unheilbringende Frau

 

Die Kommissare Rainer und Britta finden sich im Zuge einer Mordermittlung plötzlich als Gejagte wieder. Alles beginnt mit einer verängstigten Frau, die häusliche Gewalt meldet – doch ihre Fassade trügt. Von Obsession getrieben behauptet sie, sich in Rainer verliebt zu haben. Da er ihre Annäherungsversuche ablehnt, bezichtigt sie ihn der Vergewaltigung. Schlagartig wird Rainers Leben auf den Kopf gestellt – er wird suspendiert und gerät ins Visier der Justiz.

 

Doch damit nicht genug. Kaum ist die erschütternde Anschuldigung bekannt, wird die Frau ermordet aufgefunden und alle Beweise führen zu Rainer. Er und Britta beschließen, auf eigene Faust zu ermitteln und die Intrigen der unheilbringenden Frau aufzudecken, die mehr zu verbergen hatte, als sie zuzugeben bereit war.

 

»Die unheilbringende Frau« ist der dritte Fall der Reihe Mörderisches Hamburg. Alle Teile können unabhängig voneinander gelesen werden. Hierbei handelt es sich um eine Neuauflage von »Tödliche Eifersucht«.

 

Robin D. Jensen

Eine hübsche Witwe mordet nicht, Der Bestrafer, Die unheilbringende Frau

 

Mörderisches Hamburg 1-3

 

 

Sammelband

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind

im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 

© Januar 2024 Empire-Verlag

Empire-Verlag OG, Lofer 416, 5090 Lofer

 

Lektorat: Petra Bülow

Korrektorat: Jasmin Schulte – http://www.zeilenstark.de/

 

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise –

nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

 

Cover: Chris Gilcher

http://buchcoverdesign.de/

 

 

Robin D. Jensen

Eine hübsche Witwe mordet nicht

 

Mörderisches Hamburg 1

 

 

 

Kriminalroman

Prolog

 

Er dachte nicht eine Minute daran, dass er in Gefahr schweben könnte. Nach seinem geheimen Treffen war er zurück zu seinem Auto gegangen. Müde, aber zufrieden lächelnd kramte Peter Wilhelm in seiner Jackentasche nach seinem Autoschlüssel.

Das Treffen mit seinem Informanten an den Hamburger Landungsbrücken war überaus erfolgreich verlaufen. In seinem Kampf gegen die Bande, die mehr und mehr Einfluss in der Stadt gewann, hatte er heute einen entscheidenden Durchbruch erzielt – dachte er zumindest.

In der Ferne hörte er die Wellen rauschen. Der Hamburger Hafen war auch um diese späte Uhrzeit nicht still. Am Parkplatz in der Straße Kehrwieder drehte er sich um und besah sich noch einmal das alte Gebäude, in dem das Hamburg Dungeon und das Miniaturwunderland untergebracht waren. Tagsüber war hier reichlich Betrieb, aber so spät am Abend wurde es doch langsam ruhiger. Er kramte in seiner Tasche und sein Blick fiel in der Ferne auf die Kirche St. Katharinen, die zwischen den Häusern hindurchlugte. Die U-Bahn rumpelte zum Bahnhof Baumwall. Der Verlauf der U-Bahn schlängelte sich parallel zu Kehrwieder vom Rödingsmarkt bis zum Baumwall. Gedankenverloren verfolgten seine Augen die Fahrt der U-Bahnlinie 3. Ansonsten war nicht mehr viel Verkehr. Morgen würde er einen entscheidenden Schritt weiterkommen, ging es ihm durch den Kopf. Er durchsuchte seine Taschen und bekam endlich den Schlüssel zu fassen. Er zog ihn aus der Tasche und wollte ihn gerade ins Schlüsselloch seines Wagens stecken, als er plötzlich etwas Hartes im Rücken spürte. Peter Wilhelm erstarrte in der Bewegung.

»Was wollen Sie?«, presste er hervor. Der Druck in seinem Rücken verstärkte sich.

»Maul halten und umdrehen«, befahl die Stimme.

Peter Wilhelm drehte sich zögernd um und spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Der Mann, der vor ihm stand, kam ihm bekannt vor. Fieberhaft überlegte er, wo er ihn schon mal gesehen hatte. Doch das Gefühl, dass sein letztes Stündchen möglicherweise geschlagen hatte, verhinderte klares Denken.

»Sie wollen mich doch nicht hier in aller Öffentlichkeit erschießen?« In ihm keimte Hoffnung auf, bis er den Schalldämpfer bemerkte, der auf ihn gerichtet war.

»Genau das«, erwiderte sein Gegenüber und lächelte. Der Mann drückte die Waffe auf die Brust seines Opfers. Ein fieses Grinsen durchzog sein Gesicht.

»Schöne Grüße von …«, setzte er hinzu, ohne den Satz zu beenden.

In dem Moment, als er abdrückte, zeichnete sich Wiedererkennen auf dem Gesicht von Peter Wilhelm ab. Es gab ein kurzes Plop, bevor Wilhelm langsam in sich zusammensackte. Sein Mörder beugte sich über ihn, legte die Waffe an der Stirn des Toten an und drückte noch einmal ab.

»Sicher ist sicher«, flüsterte der Mörder. Anschließend schraubte er den Schalldämpfer von der Waffe, ließ beides in einer Kühltasche verschwinden und schlenderte langsam zu seinem Wagen. Ein Pärchen kam ihm eng umschlungen entgegen, war aber zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um ihn auch nur wahrzunehmen. Auch aus den umliegenden Gebäuden hatte ihn anscheinend niemand beobachtet. Zufrieden stieg er in seinen Wagen, ließ den Motor an und fuhr in Richtung Niederbaumbrücke.

15 Minuten später hielt der Mann mit seinem Wagen am Dammtorbahnhof. Um diese Zeit war hier nicht mehr viel los. Selbst die in der Nähe liegende Shell-Tankstelle war menschenleer. Um diese Zeit fuhren kaum Autos. Lediglich eine S-Bahn erzeugte ein wenig Leben. Der Killer zog sein Handy aus der Tasche, schaltete es ein und wählte eine Nummer. Nach dem zweiten Klingeln meldete sich sein Gesprächspartner.

»Vollzug!«, war das Einzige, was der Mörder ins Telefon sprach. Ein zufriedenes »Jepp« kam aus der Leitung. Der Killer beendete den Anruf, nahm den Akku aus dem Telefon, zog die Speicherkarte heraus, stieg aus, legte Handy und Akku vor seinen Vorderreifen auf die Straße und fuhr los.

Zufrieden verließ er die Stadt in Richtung Norden. An der Anschlussstelle Stellingen fuhr er auf die ebenfalls leere A7. Sein Lohn war zum Greifen nah. An der Raststätte Holmmoor wartete die Restzahlung auf ihn.

Zeit, sich aus dem Geschäft zurückzuziehen, dachte er und trat aufs Gaspedal, als er die Ausfahrt Schnelsen passierte. Mit dem Geld kann ich ab jetzt sorgenfrei leben.

Kapitel 1

 

Als er morgens ins Bad torkelte und ihn im Spiegel ein Gesicht anstarrte, das ihm nur wenig bekannt vorkam, fühlte Rainer Zufall sich, als ob er nicht gerade die dreißig Jahre erreicht hatte, sondern eher wie jemand, der gerade auf das Rentenalter zustrebte.

»Mann, oh Mann, Rainer, du sahst auch schon mal frischer aus«, brummte er sich selbst an. Der Alkohol am gestrigen Abend bei der Feier war anscheinend doch etwas zu viel gewesen, und an diesem Morgen fühlte er sich sterbenselend. Dabei hatte es schon schlimmere Zeiten in seinem Leben gegeben, vor allem damals in der Schule, als er immer wieder gehänselt wurde. Wie kann man auch Rainer Zufall heißen? Das ist fast wie Axel Schweiß oder Hans Wurst.

Man könnte meinen, dass seine Eltern angetrunken waren, als sie ihm den Vornamen Rainer gaben. Aber so war es nicht. Geboren wurde er als Rainer Müller und so hieß er, bis seine Mutter zum zweiten Mal heiratete und sein Stiefvater, Kurt Zufall, den kleinen Rainer adoptierte. Sein neuer Vater und seine Mutter meinten, es wäre doch gut, wenn sie alle drei den gleichen Nachnamen hätten und muteten dem Sprössling diese Umbenennung zu.

Als er dann wegen des Umzugs die Schule wechseln musste, ging das ganze Theater los. Tolle Witze prasselten auf ihn ein: »Das war Rainer Zufall« war noch das Harmloseste dabei. Er versuchte, das zu ertragen, was ihm nicht leichtfiel, ihn aber sicher auch abhärtete. Er war zwar nicht besonders stark, wurde dafür aber immer schlagfertiger.

Und dann hatte der heranwachsende Rainer den wahnwitzigen Einfall, Polizist zu werden. Das wollte er schon immer. Sein Lieblingsspiel als Kind war Räuber und Gendarm, wobei er natürlich immer der Gendarm war. Und so ging der junge Mann zur Polizei, wurde Kommissar und das setzte dem Ganzen natürlich noch die Krone auf: Kommissar Zufall!

Als Erwachsener ertrug er diese Witze inzwischen besser, wenn sie ihn auch nach wie vor nervten. »Kommissar Zufall hat den Fall gelöst!« Hahaha!

Nach zwei Bechern Kaffee, schön stark, schön schwarz, kam er langsam zu sich. Würde heute wieder so ein ruhiger Tag werden wie in den letzten Wochen? Momentan schien das Verbrechen in Hamburg Herbstferien zu haben. So kam er endlich dazu, seinen Schreibkram zu erledigen, was er normalerweise hasste wie die Pest.

Bevor er losfuhr, warf er noch schnell einen Blick in den Spiegel. Er sah immer noch ziemlich fertig aus. Seine verspätete Abschiedsparty bei der Drogenfahndung gestern Abend hatte deutliche Spuren auf seinem Gesicht hinterlassen. Mindestens ein Jahr trinke ich keinen Alkohol mehr, schwor er sich. Aber gut, vielleicht war heute wieder ein entspannter Tag, und er könnte ein wenig kürzertreten.

In der Bahn zum Präsidium war auch nicht viel los. Herbstferien eben. Rentner, die mit ihren kleinen Einkaufstaschen auf dem Weg zum Wochenmarkt waren, Obdachlose, die allen einen schönen Tag wünschten und gleichzeitig um eine kleine Spende für unverschuldet in Not geratene Bedürftige und ihre Hunde baten und Berufstätige, die entweder vor sich hindösten, in zu großen Zeitungen blätterten, lautstark in ihre Handys brüllten oder emsig auf ihren Smartphones herumtippten.

Er erreichte seine Dienststelle in Alsterdorf um kurz vor 9 Uhr. Punktlandung! Rainer wollte gerade auf seinen Schreibtisch zusteuern, als er von seinem Kollegen abgefangen wurde.

»Hallo Rainer. Wir haben per Zufall mal wieder einen neuen Fall!«

Wie witzig! Sein neuer Partner könnte sich neue Späße überlegen, die alten kannte Rainer schon zur Genüge. Er lächelte gequält.

»Okay, du Spaßvogel. Und hast du auch noch ein paar Details für mich?«, fragte er einerseits etwas angesäuert, andererseits doch ganz froh bei der Aussicht, sich heute nicht wieder am Schreibtisch den Hintern breitsitzen zu müssen. Die Übelkeit wich langsam und ein wenig frische Luft würde ihm sicher guttun.

»Leichenfund im Hamburger Hafen«, verkündete Karl Steiner.

Rainer schaute seinen Kollegen überrascht an. Nachdem er erst vor wenigen Wochen von der Drogenfahndung zur Kripo gewechselt war, hatte er bisher nur mit kleineren Delikten zu tun gehabt, die mehr Schreibkram als alles andere verursachten. Und nun sein erster Toter, ein Leichenfund und, da die Kripo benachrichtigt wurde, sehr wahrscheinlich ein Tötungsdelikt. Rainer setzte sein coolstes Gesicht auf und versuchte, möglichst abgeklärt zu sagen: »Na, dann mal los!«

Auf einmal war er ganz wach, freute sich fast auf einen spannenden Tag. Seine Müdigkeit und auch die Übelkeit waren wie weggeblasen. Endlich erlebte er seinen ersten richtigen Fall bei der Kripo.

»Gibt es schon irgendwelche Hinweise auf den Toten und darauf, ob es sich um ein Gewaltverbrechen handelt?«, fragte er Karl, als sie auf dem Weg zum Hafen waren.

»Also, alles, was ich bisher von der Einsatzzentrale gehört habe, ist, dass der Tote vornehm gekleidet ist und zwei Schusswunden hat«, antwortete Karl, sein neuer Kollege und Kaffeejunkie. »Hört sich für mich also nicht nach einer natürlichen Todesursache an«, fügte er hinzu und grinste. Sie arbeiteten sich durch den üblich zähen Hamburger Verkehr.

»Ich dachte, es sind Ferien. Wieso ist um diese Zeit denn so viel los auf den Straßen?« Rainer schüttelte den Kopf. Zeitweise ging es nur im Schritttempo voran.

Endlich erreichten sie den Tatort, wo sie schon ein großes Aufgebot an Fahrzeugen erwartete. Blaue Einsatzfahrzeuge der Polizei, ein Leichenwagen und natürlich die Presse. Wo haben die diese Information schon wieder her, wunderte sich Rainer.

Sie bahnten sich den Weg durch das dichte Gedränge zu den Kollegen, die den Tatort sicherten. Die gesamte Straße Kehrwieder war abgesperrt, selbst die Besucher des Hamburg Dungeon und des Miniaturwunderlands waren weggeschickt worden. Einige schauten aus sicherer Entfernung auf das Geschehen.

»Moin, Kollegen!«, begrüßte Karl die Polizisten vor Ort. »Das ist mein neuer Kollege, Kommissar Zufall!« Karl deutete auf seinen Partner. Die Köpfe der Kollegen zuckten zur Seite, schauten Rainer an, grinsten kurz, wandten sich dann aber wieder dem Tatort zu.

Ein Glück, zu viele dumme Sprüche hätte er an diesem Morgen nicht ertragen können.

»Und könnt ihr schon etwas sagen?«, fragte Karl einen der Kollegen, einen großen Blonden, der hier anscheinend das Sagen hatte.

»Ja, das sieht hier quasi wie eine Hinrichtung aus. Ein Schuss ganz genau ins Herz. Der Mann muss sofort tot gewesen sein. Ein weiterer in den Kopf. Der Täter wollte sichergehen.«

»Wissen wir schon, wer der Tote ist?«, fragte Rainer, um auch etwas zu sagen und nicht wie ein unprofessioneller Depp danebenzustehen. Er schaute sich das Gesicht an und hatte das Gefühl, den Mann zu kennen.

»Also Papiere hatte er keine dabei. Seine Brieftasche war leer. In seiner Geldbörse waren noch genau 7,77 Euro.«

»Hm, ungewöhnlich! Wer nimmt denn nur ein paar Münzen mit, wenn er unterwegs ist? Arm sieht er nicht gerade aus. Ist das irgendwie ein Symbol?« Die beiden Kommissare sahen sich fragend an.

»Erstaunlich, dass er erst heute Morgen gefunden worden ist. Aber gut, er lag natürlich auch einigermaßen versteckt neben seinem Wagen«, sprach Rainer beinahe zu sich selbst.

Karl, der sich bis hierhin einige Notizen gemacht hatte, sah jetzt zum ersten Mal das Gesicht des Toten an und erblasste.

Sein Kollege merkte dessen Farbveränderung und stieß ihn an.

»Hey, Karl, was ist los?«

Karl schnappte nach Luft. Mühsam presste er ein paar Worte heraus: »Ich kenne den Mann!«

»Ja, mir kam das Gesicht auch gleich bekannt vor, aber ich weiß nicht woher.«

»Kann ich dir sagen«, krächzte Karl. »Das ist unser Leiter des LKA, Peter Wilhelm.«

Rainer atmete geräuschvoll aus. Sein erster Fall würde vermutlich gleich ein besonders brisanter werden. Er sah Karl an, dass die Ermittlungen bei diesem Tötungsdelikt auch für seinen Kollegen alles andere als Routine werden dürften. Mit einem Mal waren Rainers Kopfschmerzen wieder da.

 

 

Kapitel 2

 

Karl drückte Rainer einen Becher Kaffee in die Hand. »Hier, Rainer, du siehst so aus, als ob du einen gebrauchen könntest.« Er nahm selbst einen Schluck aus seinem Becher.

»Danke!« Der Kollege kann ja richtig nett sein, dachte Rainer. So richtig waren sie bisher noch nicht miteinander warm geworden. Die Kommissare schauten sich das Szenario aus der Entfernung an. Rechtsmediziner und Spurensicherung waren emsig bei der Arbeit. Rainer ließ seinen Blick über den Hafen gleiten, links von ihnen konnte man die Landungsbrücken erahnen. Davor entlang des Wassers befand sich die Station Baumwall, von der aus man zur Elbphilharmonie laufen konnte. Rainer atmete tief durch. Hamburg zeigte sich mal wieder von seiner sonnigen Seite. Nur leider war der Tag durch diesen Mord getrübt.

»Der LKA-Leiter!« Karl schüttelte den Kopf und starrte in die Richtung, in der der Tote lag. Schweigend tranken sie ihren Kaffee.

»Ich denke, das wird eine schwierige Ermittlung. Es sieht wirklich wie eine Hinrichtung aus«, unterbrach Karl die Stille. »Wenn du mich fragst, dann hatte jemand eine Rechnung mit ihm offen. Vielleicht sogar jemand vom organisierten Verbrechen. Darum hat Wilhelm sich, glaube ich, in der letzten Zeit persönlich gekümmert.« Karl sah seinen Partner von der Seite an. »Dein erster Mordfall bei uns hätte auch etwas Einfacheres sein können, oder?« Er grinste überlegen.

Rainer runzelte die Stirn. Das hörte sich an, als wenn er ein sechzehnjähriger Azubi wäre. Karl klopfte ihm gönnerhaft auf die Schulter. »Aber mit mir zusammen bekommst du das schon hin.«

Hatte Rainer eben noch gedacht, dass Karl ganz nett sein könnte? Arroganter Kerl, fand er jetzt. Behandelt mich von oben herab, aber ich werde es ihm beweisen.

Mittlerweile waren der Rechtsmediziner und die Spurensicherung offensichtlich weitergekommen. Während Karl sich noch tief in Gedanken versunken an seinem Kaffeebecher festhielt, ging der angebliche Anfänger, also Rainer, auf den Rechtsmediziner zu.

»Moin, Herr Doktor.« Selbstbewusst baute er sich vor dem knienden Mann auf und schaute ihn erwartungsvoll an. Der musterte ihn kurz kritisch, widmete sich dann wieder der Leiche.

»Guten Morgen«, antwortete er zögerlich. »Was kann ich für Sie tun?« Dann sah er wieder zu Rainer und blickte ihn misstrauisch an, als wenn er von der Presse käme.

»Ich bin Rainer, der neue Kollege von Karl.« Er grinste ihn an und streckte ihm seine Hand entgegen. Der Rechtsmediziner stutzte und zeigte dem Kommissar seine Hände, die in Handschuhen steckten. Blöd von mir, dachte Rainer.

»War ein Scherz«, ruderte er zurück und hoffte, keinen roten Kopf zu bekommen, was er aber leider nicht verhindern konnte. »Kannst du schon was sagen?« Der Kommissar hatte beschlossen, ihn einfach zu duzen, um keine Distanz aufkommen zu lassen.

»Ich muss ihn erst mal intensiver in der Gerichtsmedizin untersuchen, bevor ich Ihnen mehr sagen kann«, erwiderte dieser distanziert und erhob sich. Rainer schluckte bei der Zurückweisung. Beidbeinig ins Fettnäpfchen, dachte Rainer frustriert. Neben ihm tauchte Karl auf und begrüßte den Rechtsmediziner.

»Na, Herr Doktor, haben Sie schon unseren neuen Kollegen kennengelernt?« Wieder klopfte er seinem Kollegen gönnerhaft auf die Schulter. Dieser Lackaffe, dachte Rainer.

»Ja, aber ich habe Ihrem jungen Kollegen schon mitgeteilt, dass ich noch nicht viel sagen kann.« Er packte seine Sachen zusammen und wandte sich ab, um zu gehen. »Dann bis später, meine Herren.« Er zog ab und beeilte sich, davonzukommen.

»Ist der immer so?«, fragte Rainer Karl, als der Rechtsmediziner weg war.

»Jepp, Doktor Diekmeier. Wir nennen ihn alle Doktor Distanz, abgekürzt Doktor Di. Er ist immer reserviert und der Einzige, der mit niemandem per Du ist. Gerüchteweise müssen ihn sogar seine Frau und seine Kinder siezen.«

»Na, da bin ich ja schön ins Fettnäpfchen getreten.« Anscheinend bin ich wohl doch ein Anfänger, dachte Rainer.

»Mach dir nichts draus, Rainer. Wir haben alle mal klein angefangen.«

Komischerweise fiel Rainer erst jetzt auf, dass Karl einen Kopf kleiner war als er. Gönnerhaft klopfte Rainer Karl auf die Schulter.

»Ja, und manche sind dann auch klein geblieben«, erwiderte er. Karl sah ihn an, als ob er auf eine Zitrone gebissen hätte. Wer austeilen kann, muss auch einstecken können, dachte Rainer und grinste in sich hinein. »Dann komm mal, mein Kleiner. Fahren wir erst mal ins Büro und überlegen, wie wir loslegen.« Er genoss das Oberwasser, das er momentan hatte. Karl machte den Mund auf und gleich wieder zu. Offenbar hatte Rainer den richtigen Punkt getroffen. Nun waren sie erst mal quitt.

Schweigend fuhren sie zurück zum Präsidium. Beide hingen ihren Gedanken nach. Bei Rainer wurden die Kopfschmerzen heftiger, vermutlich immer noch die Nachwirkungen des gestrigen Abends, aber auch der Mord an ihrem Chef. Er wusste schon, warum er normalerweise keinen Alkohol trank. Das gestern war sein erster Tropfen Alkohol seit fast einem Jahr. Und er schwor sich erneut, mindestens ein Jahr lang keinen mehr zu trinken.

Im Büro angekommen mixte sich Rainer eine Apfelschorle, sein Lieblingsgetränk. Er schluckte ein Aspirin und spülte es mit viel Flüssigkeit nach. Karl trank einen Becher Kaffee. Er schüttet bestimmt an die dreißig Tassen pro Tag in sich hinein, dachte Rainer. Morgen würde er mal mitzählen, nahm er sich vor. Wenn er so viel Kaffee trinken würde, bekäme er mit Sicherheit einen Herzkasper, aber Karl trank das schwarze Zeug wie Mineralwasser.

Noch immer schwieg Karl. Habe ich ihn so sehr beleidigt oder überlegt er, wie er mir den Spruch heimzahlen kann, fragte sich Rainer. Nach einigen Minuten fand Karl seine Sprache wieder.

»Weißt du, was wir jetzt machen?«, fragte er seinen Kollegen. Ein Quiz, dachte Rainer. Will er wieder den Überlegenen herauskehren?

»Ich denke, es wäre sinnvoll, wenn wir erst mal zu der Witwe fahren«, schlug Rainer vor.

Erstaunen zeigte sich auf Karls Gesicht. »Kompliment, genau das wollte ich vorschlagen. Du bist ja doch zu etwas zu gebrauchen.« Er grinste breit. Aha, es geht wieder los, dachte Rainer.

»Naturtalent«, konterte Rainer.

»Ich trink noch meinen Kaffee aus und dann los.« Karl griff nach seinem Becher und stürzte den Rest herunter. Wie kann man solche Mengen Kaffee bewältigen, fragte sich Rainer noch einmal. Er nippte an seiner Apfelschorle und spürte, dass seine Kopfschmerzen zum Glück allmählich nachließen.

Kapitel 3

 

Karl und Rainer arbeiteten sich ein weiteres Mal durch den dichten Hamburger Verkehr. Die Ohlsdorfer Straße war eine einzige Baustelle und damit ein absolutes Verkehrshindernis.

»Diese ewigen Baustellen nerven«, stöhnte Karl auf. Sie hielten gefühlt an der zwanzigsten Ampel, seit sie in Alsterdorf losgefahren waren. »Ist in Hamburg mittlerweile ganztägig Rush Hour?«

Rainer grinste seinen Kollegen an. »Bleib doch locker, Kollege. Wir kommen noch früh genug, um der Witwe die traurige Nachricht zu überbringen.« Auf diesen Job konnte Rainer gut verzichten. Eine Frau über den Tod ihres Ehemannes zu informieren, gehörte zu den unangenehmsten Aufgaben.

Die Ampel sprang auf Grün und Karl trat das Gaspedal durch.

»Ich bin auf die Witwe gespannt. Die ist zwanzig Jahre jünger als ihr Mann und soll ziemlich gut aussehen«, sagte Karl bedeutungsvoll und sah seinen Kollegen von der Seite an.

»Na und? So etwas kommt vor«, erwiderte Rainer und zuckte mit den Schultern. »Was willst du damit andeuten?«

»Nichts, fiel mir nur gerade ein.« Karl musste sich wieder auf den Verkehr konzentrieren. Der nächste Stau in der Dorotheenstraße wartete schon auf sie.

Endlich erreichten sie die Villa des Toten im schönen Stadtteil Harvestehude. Sie parkten in der Einfahrt und stiegen die fünf Stufen zum Eingang hoch. Karl drückte den Klingelknopf, und sie warteten, dass die Dame des Hauses ihnen öffnen würde. Mehrere Minuten vergingen, ohne dass etwas passierte. Karl drückte noch einmal auf die Klingel. Im gleichen Moment wurde die Tür geöffnet und eine Frau in einem weißen Bademantel stand vor ihnen. Um den Kopf hatte sie ein Handtuch geschlungen. Sie blickte die beiden Besucher aus ihren tiefbraunen Augen erwartungsvoll an.

Was für Augen, dachte Rainer, und war beeindruckt.

»Entschuldigen Sie, meine Herren. Ich war gerade in der Wanne, daher hat es etwas gedauert. Was kann ich für Sie tun?« Ihre Stimme war überraschend rauchig und klang richtig sexy, wie Rainer sofort bemerkte.

»Sind sie Frau Wilhelm?« Karl war offensichtlich von ihrem Anblick nicht so beeindruckt wie Rainer.

»Ja«, antwortete sie zögerlich. »Ich bin Yvonne Wilhelm. Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?« Sie lächelte die beiden Männer an und blickte von einem zum anderen.

»Karl Steiner und mein Kollege Rainer Zufall.« Die beiden zeigten ihre Dienstmarken und Karl deutete kurz auf Rainer. »Wir sind von der Polizei, Kriminalpolizei, um es genau zu sagen.« Er zögerte.

»Kriminalpolizei? Ist etwas passiert?« Ein Anflug von Beunruhigung überzog ihr Gesicht.

»Könnten wir das vielleicht drinnen besprechen?« Karl machte einen Schritt auf sie zu. Wortlos trat sie zur Seite und ließ die beiden Kommissare hinein. Dann ging sie vor ins Wohnzimmer. Die Männer waren beeindruckt von der Ausstattung. Edle Möbel und an den Wänden Gemälde, die wertvoll aussahen. An Geld schien es dem LKA-Leiter und seiner reizenden Gattin nicht zu mangeln.

Frau Wilhelm bat die Gäste, Platz zu nehmen. Rainer hatte beinahe Bedenken, sich in seiner nicht mehr ganz neuen Jeans auf dem Sofa niederzulassen. Aber das freundliche Nicken der Frau war Aufforderung genug. Sie setzte sich ihnen gegenüber und schlug die Beine übereinander.

Rainer betrachtete sie und konnte den Blick nicht von ihr losreißen. Unter dem Bademantel schauten überaus wohlgeformte Beine heraus. Du bist hier im Dienst, versuchte er sich zur Ordnung zu rufen. Karl, der Rainers Verwirrung bemerkt hatte, warf ihm von der Seite einen leicht genervten Blick zu.

Yvonne Wilhelm schaute die Besucher erwartungsvoll an. »Nun, meine Herren, was kann ich für Sie tun?«

Karl sah wieder zu Rainer hinüber, dem es offensichtlich die Sprache verschlagen hatte.

»Frau Wilhelm, wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass Ihr Mann heute tot aufgefunden worden ist. Unser Beileid.«

Besonderes Feingefühl scheint Karl nicht zu haben, dachte sein Kollege. Er wirft der armen Frau diese Nachricht einfach so an den Kopf. Dennoch nickte Rainer dazu und murmelte ebenfalls: »Mein Beileid.«

Yvonne Wilhelm sah Karl Steiner erstaunt an. »Tot? Wie ist das passiert?« Sie stellte die Beine parallel nebeneinander, wobei sich der Bademantel leicht öffnete. Rainer konnte seine Augen kaum von dem Anblick lösen.

»Er ist ganz offensichtlich Opfer eines Gewaltverbrechens geworden.« Karl ließ den Satz im Raum stehen.

»Ermordet?« Die junge Frau schaute entsetzt erst Karl an, dann wandte sie sich Rainer zu, der sie regelrecht anstarrte.

»Wir haben ihn heute tot im Hafenbecken gefunden«, erläuterte Karl.

»Im Hafenbecken«, fügte Rainer überflüssigerweise hinzu. Er fühlte sich mittlerweile wie ein Idiot. Diese Frau sah einfach atemberaubend aus.

»Wie ist das möglich? Wer …?« Sie brachte den Satz nicht zu Ende.

»Wir stehen ganz am Anfang unserer Ermittlungen.« Wieder blickte Karl seinen Kollegen streng an. Dieser bekam sich so langsam in den Griff.

»Wann haben Sie Ihren Mann das letzte Mal gesehen?«, fragte Rainer, der um Professionalität bemüht war.

Sie überlegte. »Gestern am späten Nachmittag. Er kam kurz nach Hause, um sich umzuziehen, da er noch zu einer Veranstaltung wollte.« Sie sah Rainer tief in die Augen und versuchte ein Lächeln.

»Hat es Sie nicht gewundert, dass er heute Morgen nicht zuhause war?«, fragte Karl.

Sie sah erst Karl an, dann wieder Rainer. »Ich dachte, er wäre schon wieder zur Arbeit. Wir haben getrennte Schlafzimmer, müssen Sie wissen.« Wieder die Andeutung eines Lächelns in Rainers Richtung.

»Aha«, antwortete Karl, leicht gereizt über seinen Kollegen, der ganz offensichtlich von dieser Frau fasziniert war und kaum den Mund aufbekam.

»Nicht, dass Sie denken, wir hätten Eheprobleme gehabt. Sie müssen wissen«, versuchte Frau Wilhelm zu erklären, »mein Mann schläft sehr unruhig. Schlief«, verbesserte sie sich sofort. »Und da er oft nachts angerufen wurde, haben wir uns auf getrennte Schlafzimmer geeinigt.«

Sie wirkt nicht besonders betroffen über den Tod ihres Mannes, dachte Karl.

»Verstehe. Haben Sie eine Idee, wer das getan haben könnte?« Karl beugte sich vor und blickte die Frau durchdringend an. Ihr Gesicht wirkte jetzt ernst.

»Von seiner Arbeit habe ich praktisch nichts mitbekommen. Ich denke, da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen.« Erneut lächelte sie Rainer an. Der schüttelte den Kopf.

»Ich glaube, ich brauche jetzt auf den Schrecken erst einmal etwas zu trinken. Darf ich Ihnen auch etwas anbieten? Kaffee, Tee, Wasser? Alkohol sicher nicht, oder?« Wieder dieses gewinnende Lächeln.

»Nein, danke«, kam von Karl.

»Gern einen Kaffee«, gleichzeitig von Rainer. Karl sah ihn böse und gleichzeitig erstaunt an. Wieso trinkt der Knabe plötzlich Kaffee? Im Büro schlürft er doch nur Apfelsaft!

»Einen Moment.« Sie erhob sich, nahm das Handtuch vom Kopf und schüttelte ihre langen Haare aus. Der Anblick war atemberaubend, zumindest für Rainer.

Als sie in Richtung Küche ging, blickten die beiden Männer ihr nach.

»Vergiss nicht, dass du im Dienst bist«, zischte Karl seinen Kollegen an.

»Ich weiß. Aber die sieht schon verdammt gut aus«, raunte Rainer in der Hoffnung, dass sie es nicht hören würde.

»Ja, aber wir sind hier, um zu ermitteln, also reiß dich zusammen.« Karl wirkte richtig böse auf seinen Kollegen.

»Ich weiß«, erwiderte Rainer kleinlaut. Bisher hatte er hauptsächlich mit finsteren Typen zu tun gehabt. Da war so eine attraktive Frau eine ungewohnte Ablenkung.

Sie hörten die Witwe minutenlang in der Küche herumwerkeln. Nach etwa fünf Minuten kam Frau Wilhelm mit einem Tablett zurück. Sie reichte Rainer den Kaffee. Mit einem Lächeln stellte sie ein Glas Wasser zu Karl.

»Falls Sie doch Durst bekommen.« Wieder dieses Lächeln.

Anschließend ließ sie sich mit einem Cognac-Glas nieder und nippte daran.

»Was haben Sie jetzt vor?« Sie warf erneut ihre langen Haare zurück und sah die beiden Besucher erwartungsvoll an.

Rainer sah sich genötigt, nach dem Anraunzer seines Kollegen etwas mehr zum Gespräch beizutragen.

»Wir werden das Umfeld Ihres Gatten beleuchten. Gab es irgendwelche Drohungen? Womit hatte er zuletzt zu tun? Und … leider müssen wir uns auch mit seinem privaten Umfeld beschäftigen.«

»Verstehe.« Sie nickte und nippte wieder an ihrem Glas. »Wenn ich irgendwie helfen kann, können Sie selbstverständlich jederzeit auf mich zukommen.«

Die letzten Worte hatte sie ausschließlich an Rainer gerichtet. Sie lächelte wieder und zeigte ihre blendend weißen Zähne.

»Das machen wir bestimmt«, meldete sich Karl. »Wir müssten Sie leider noch bitten, Ihren Mann zu identifizieren, auch wenn wir sicher sind, dass es sich bei dem Toten um Ihren Gatten handelt. Wir könnten Ihnen Fotos zeigen, die allerdings nicht besonders schön sind.«

»Natürlich, aber ich würde ihn gern noch einmal sehen, um Abschied zu nehmen.« Yvonne nippte erneut an ihrem Cognac.

»Und wir möchten Sie bitten, sich jederzeit zu unserer Verfügung zu halten«, fügte Karl hinzu.

»Gern.« Wieder schenkte sie Rainer ein herzliches Lächeln. »Jederzeit.«

Karl stand auf. »Vielen Dank. Wir hoffen, dass wir den Fall schnell lösen können.«

Sie nickte. »Ja, ich auch«, hauchte sie.

Die beiden Männer übergaben der Frau ihre Visitenkarten und verabschiedeten sich. Karl gab sie kurz die Hand, der Händedruck mit Rainer dauerte deutlich länger.

Vor ihrem Auto blieb Karl einen kleinen Moment stehen und blickte zum Haus zurück.

»Also eins kann ich dir sagen: Eine trauernde Witwe sieht anders aus.« Er stieg in den Wagen.

»Bei dem Altersunterschied kein Wunder«, antwortete Rainer.

»Ich glaube, wir haben unsere erste Verdächtige.« Karl sah Rainer lauernd an. »Oder was meinst du?«

Sein Kollege war verlegen. »Ich weiß nicht. Auf mich machte sie einen harmlosen Eindruck.«

»Distanz, Kollege.« Karl boxte ihn in die Seite. »Die Harmlosen und Attraktiven sind meistens die Schlimmsten.«

Rainer sah ihn zweifelnd an. Karl ließ den Motor an. Schweigend fuhren sie zurück zum Präsidium. Yvonne Wilhelm! Der Name stand Rainer immer wieder vor Augen. Wäre eine solch hübsche Frau zu einem Mord fähig? Er konnte es nicht glauben. Oder wollte er es nicht glauben? Sollte sie eine attraktive Mörderin sein?

Kapitel 4

 

Karl und Rainer saßen sich in ihrem Büro gegenüber und schwiegen. Karl trank erneut eine seiner zahlreichen Tassen Kaffee, während sein Kollege wieder die geliebte Apfelschorle trank. Hin und wieder warf Rainer seinem Kollegen einen vorsichtigen Blick zu und wartete auf irgendeine Bemerkung zu dem Gespräch mit Yvonne Wilhelm und Rainers Verhalten.

»Wieso hast du vorhin eigentlich plötzlich Kaffee getrunken?«, begann Karl das Gespräch nach einer Weile.

»Mir war danach. Wieso?«

»Irgendwie warst du vorhin komisch. Die Frau hat es dir angetan, oder?« Er sah ihn durchdringend an.

»Quatsch«, antwortete Rainer eine Spur zu heftig. »Sie hat mir nur leidgetan, so plötzlich vom Tod ihres Mannes zu erfahren.«

»Dafür hat sie aber erstaunlich cool reagiert. Ich fand ihre Reaktion zumindest ungewöhnlich, wenn nicht verdächtig.« Er goss sich erneut Kaffee in seinen Becher ein.

»Verdächtig? Meinst du wirklich?«

»Rainer, eines muss klar sein. Für uns ist erst einmal alles möglich, selbst wenn die Leute noch so unverdächtig erscheinen mögen. Auch und gerade wenn die Frau recht attraktiv ist.« Er lächelte Rainer an. »Wir sollten mal nachforschen, ob sie vielleicht ein Motiv hat, ihren Gatten ins Jenseits zu befördern.«

Als Rainer gerade zum Protest ansetzen wollte, fügte Karl hinzu. »Oder befördern zu lassen.«

Rainers Gedanken wirbelten durcheinander. Sollte diese Frau tatsächlich in der Lage sein, ein solches Verbrechen zu begehen oder in Auftrag zu geben? Er konnte es sich beim besten Willen nicht vorstellen. Doch er musste sich eingestehen, dass diese Frau auf ihn eine starke Anziehungskraft ausübte, die er sich selbst nicht erklären konnte. Er hatte sich vorhin wie ein Depp benommen. Was war bloß los mit ihm? Warum war er plötzlich so überwältigt, als diese Yvonne vor ihnen stand?

Karl riss ihn aus seinen Gedanken.

»Hallo? Herr Zufall, anwesend?« Er wedelte mit seiner Hand vor Rainers Augen.

»Klar, was hattest du gesagt?«

»Wir sollten mal überprüfen, wie die Ehe unseres toten Chefs lief und ob seine Gattin von seinem Tod profitiert.«

»Ich finde, du schießt dich zu sehr auf Yvonne, ich meine Frau Wilhelm, ein«, versuchte er, zu protestieren.

»Nicht voreingenommen sein, mein Lieber. Professionelle Distanz ist gefragt!« Sein Ton wurde eine Spur lauter. Dabei zeigte er mit seinem rechten Zeigefinger auf Rainer und sah ihn ernst an.

»Die habe ich.« Rainer wirkte beleidigt.

»Das hoffe ich, sonst müssen wir dich gleich von deinem ersten Fall abziehen. Und das wäre kein guter Einstieg in den neuen Job.«

Rainer schluckte. Das war eine mehr oder weniger unverhohlene Drohung. Aber er konnte es sich wirklich nicht leisten, gleich seinen ersten Fall bei der Mordkommission in den Sand zu setzen. Nicht umsonst war er zur Kriminalpolizei gewechselt. Der Job hatte ihn schon immer gereizt.

Rainer nickte. »Alles klar, verstanden, Kollege. Alles cool! Wie machen wir jetzt weiter?« Er beeilte sich, das Thema zu wechseln.

»Wir überprüfen wie besprochen die familiären Verhältnisse des Toten und beleuchten parallel, womit er beruflich in der letzten Zeit zu tun hatte. Er hat sich ja gern mal in das operative Geschäft eingeschaltet. Ich knöpfe mir das familiäre Umfeld inklusive deiner Yvonne vor. Du recherchierst inzwischen, was so in seinem beruflichen Dunstkreis als mögliches Motiv taugt.«

Rainer ging auf die Anspielung nicht ein und nickte nur. Er wollte bei seinem Kollegen nicht noch mehr Zweifel säen.

 

 

Kapitel 5

 

Gedankenverloren sah Rainer die Akten der letzten Fälle durch, um mögliche Tatmotive und Täter zu finden. Gab es irgendwelche Hinweise, direkte Drohungen gegen den Leiter des LKA? Verurteilte und mittlerweile wieder freigelassene Täter, mit denen der Tote persönlich zu tun gehabt hatte?

Immer wieder tauchte das Bild von Yvonne Wilhelm vor seinem inneren Auge auf. Konnte so eine Frau zu einer solchen Straftat fähig sein, direkt oder indirekt? Und plötzlich erschien vor seinen Augen das Bild von Carmen. Seine Ex-Freundin war ein ähnlicher Typ wie die Frau des Toten. Carmen und er hatten zwei wunderschöne Jahre miteinander verbracht. Sie hatten sich zufällig im Urlaub auf Lanzarote kennengelernt, und er hatte sich sofort in sie verliebt. Damals glaubte Rainer, dass sie die Frau fürs Leben sei. Er konnte sein Glück kaum fassen. Sie war offen, ehrlich, geradeheraus und äußerst attraktiv. Wie Yvonne Wilhelm. Für ihn schien alles zu passen, gleiche Hobbies, viele gemeinsame Interessen. Er plante bereits seinen Heiratsantrag und war mehrfach um Juweliergeschäfte herumgeschlichen, hatte den Kauf von Ringen aber immer wieder verschoben. Die sollte sie doch lieber gemeinsam mit ihm aussuchen, dachte er. Und ganz plötzlich war alles vorbei.

Rainer fiel aus allen Wolken, als Carmen ihm eines Tages eröffnete, dass sie sich von ihm trennen wollte. Ihre Lebensmodelle passten einfach nicht zusammen, meinte sie. »Ist jemand anderes der Grund?«

Seine Frage schien sie zu verletzen. Wäre sie wütend geworden, hätte er das besser verkraften können. Aber ohne ein weiteres Wort war sie damals gegangen. Mehrere Tage hatte Rainer gehofft, dass sie zu ihm zurückkehren würde.

Er hatte sich nicht getraut, sie anzurufen, entschied sich abzuwarten, ob sie es sich noch einmal überlegen würde. Aber die Zeit verstrich, ohne dass er etwas von ihr hörte. Rainer bekämpfte seinen Schmerz, indem er wochenlang trank, viel zu viel trank. Er fühlte sich am Ende. Nur mit Mühe war es ihm im Laufe der Zeit gelungen, über diese Enttäuschung hinwegzukommen, und auch um Alkohol einen Bogen zu machen.

Und nun tauchte eine Frau auf, die ihn unglaublich an Carmen erinnerte. War er deshalb so fasziniert von ihr?

Er schob die Gedanken weg und widmete sich wieder seinen Akten. Sein Blick fiel auf Paul König, eine Kiez-Größe. Seine Kollegen waren König schon länger auf den Fersen, aber bisher gelang es ihnen nicht, ihm etwas nachzuweisen. Dem Leiter des LKA war persönlich daran gelegen, König hinter Schloss und Riegel zu bringen. Das konnte ein mögliches Motiv sein, seinen Verfolger umzubringen. Doch würde der Mann so weit gehen? Seine bisherigen kriminellen Taten, zumindest die, von denen sie wussten, sie aber leider noch nicht beweisen konnten, waren anderer Natur.

Mord war eigentlich eine Nummer zu groß für König, oder? Zuhälterei und Drogenhandel, das war eher sein Geschäft.

Rainer stieß außerdem noch auf Walter Römer, der vor wenigen Wochen aus der Haft entlassen worden war. Bei seiner Inhaftierung hatte er Rache geschworen, speziell gegen Peter Wilhelm. Also wäre auch Römer ein möglicher Verdächtiger. Sie sollten erst einmal mit diesen beiden anfangen, beschloss Rainer. Möglicherweise könnte es natürlich auch um organisierte Kriminalität gehen, mit der sie in den letzten Monaten vermehrt konfrontiert worden waren, und bei der sich Wilhelm persönlich eingeschaltet hatte.

Rainer sah sich nach Karl um, konnte ihn aber nirgends entdecken. In der Kaffeeküche war er auch nicht. Das war sonst meistens ein guter Tipp. Anscheinend genoss sein Kollege schon den wohlverdienten Feierabend. Rainer schaute auf die Uhr. 19.30 Uhr. Ihm war gar nicht bewusst gewesen, dass es bereits so spät war. Kurzentschlossen fuhr er seinen Rechner runter, nahm seine Jacke und verließ das Büro.

Auf dem Weg nach Hause machte er kurz beim Supermarkt in der Troplowitzstraße Halt. Er kaufte eine Flasche Wodka und eine Tüte Kartoffelchips. Daheim angekommen öffnete er die Flasche und goss sich großzügig ein. Wie damals, als Carmen Schluss gemacht hatte, dachte er. Der Schmerz über die Trennung war plötzlich wieder mit aller Heftigkeit da, seine alkoholfreien Vorsätze vom Morgen wieder völlig vergessen. Er schaltete den Fernseher an und zappte ziellos durch die Programme. Ohne wahrzunehmen, was dort lief, stierte er sein Wodkaglas an, kippte den Inhalt in einem Zug herunter und schob sich gedankenverloren Kartoffelchips in den Mund.

Bis heute konnte er einfach nicht nachvollziehen, warum Carmen Schluss gemacht hatte. Mehrfach war er versucht gewesen, sie anzurufen, ohne es dann wirklich zu tun. Seit ihrer Trennung gelang es ihm, sie nicht zu kontaktieren, und nach einigen Monaten war sie bis zu der heutigen Begegnung mit Yvonne Wilhelm aus seinen Gedanken weitestgehend verschwunden. Ihren Trennungsgrund empfand er als vorgeschoben, doch war es das Einzige, was sie als Erklärung von sich gegeben hatte. Gab es wirklich keinen anderen Mann?

Er goss noch einmal nach, die Flasche war mittlerweile mehr als halb leer. Rainer streckte sich auf dem Sofa aus und war nach kurzer Zeit fest eingeschlafen. Er träumte, dass er mit Carmen in einem Restaurant saß. Sie eröffnete ihm, dass sie es sich überlegt hätte und der Meinung sei, sie könnten es noch einmal versuchen. Rainer starrte sie überrascht an. Als er antworten wollte, veränderte sich plötzlich das Bild und Yvonne Wilhelm saß ihm im Bademantel gegenüber, schüttelte ihr Haar, schlug die Beine übereinander und lächelte ihn an. Rainer starrte sie überrascht an, als sie aufstand, zu ihm kam, ihm einen Kuss gab und ihn fragte: »Willst du auch?«

Ihm brach der Schweiß aus und er versuchte, den Kopf zu schütteln, als ihn plötzlich etwas störte. Ein Klingeln.

Mühsam kehrte er in die Realität zurück und merkte, dass das Geräusch von seinem Telefon kam. Orientierungslos blickte Rainer sich um, darauf bedacht, einen klaren Kopf zu bekommen. Endlich fand er sein Smartphone und nahm das Gespräch an.

»Hallo?«, meldete er sich schlaftrunken, spürte einen dicken Kloß im Hals.

»Herr Kommissar«, vernahm er eine rauchige Stimme und ihm stockte der Atem. »Hier ist Yvonne Wilhelm. Entschuldigen Sie die späte Störung, aber mir ist noch etwas eingefallen.« Sie machte eine Pause.

»Ja«, war alles, was Rainer erwidern konnte.

»Das ist aber nichts fürs Telefon. Könnten Sie bei mir vorbeikommen?«

Verwirrt sah der Kommissar auf seine Uhr. 23.30 Uhr.

»Hat das bis morgen Zeit?«, lallte er und rief sich selbst zur Ordnung. Um diese Zeit und allein bei der Frau aufzukreuzen, war sicher keine gute Idee, auch und gerade in seinem jetzigen Zustand.

Yvonne Wilhelm zögerte. »Nun ja, okay. Es ist etwas delikat, aber gut, es ist auch schon ziemlich spät. Wollen Sie nicht morgen zum Frühstück kommen? Ich würde das Thema gern unter vier Augen mit Ihnen besprechen.«

Der Nebel um seinen Kopf lichtete sich etwas. Warum wollte sie mit ihm alleine sprechen?

»Ich denke, es wäre besser, wenn mein Kollege dabei wäre«, erwiderte er.

Sie räusperte sich. »Ich glaube, Ihr Kollege ist etwas voreingenommen.« Das ist ihr also aufgefallen, ging es ihm durch seine benebelten Gedanken.

Rainer rang mit sich. Er war hin- und hergerissen. Vielleicht würde sie ihm etwas Wichtiges mitteilen, wenn Karl nicht dabei war. Andererseits wäre sein Kollege sauer, wenn er auf eigene Faust handeln würde und eigentlich mussten sie bei Befragungen normalerweise zu zweit auftreten.

»Frau Wilhelm, ich melde mich morgen bei Ihnen. Ich muss erst einmal eine Nacht darüber schlafen.« Rainer war richtig stolz auf sich, wie besonnen er unter diesen Umständen und trotz des Alkohols reagierte.

»Okay«, erwiderte sie. »Aber sagen Sie gern Yvonne zu mir. Frau Wilhelm hört sich so förmlich an.«

»Gute Nacht, Frau Wilhelm.« Eilig beendete er das Telefonat und sank aufs Sofa zurück. Was war das denn? Baggerte sie ihn an? Nachdenklich blickte er an die Zimmerdecke. Trotz Alkohol und Müdigkeit war an Schlaf erst einmal nicht mehr zu denken. Er saß ganz schön in der Zwickmühle.

Rainer schaltete den Fernseher an und zappte sich durch die Programme. Die mit den leicht bekleideten Damen übersprang er lieber. Dafür blieb er bei einer Comedy-Sendung hängen, die ihn ein wenig auf andere Gedanken brachte. Angeekelt blickte er auf die fast leere Wodka-Flasche, ging mit ihr zur Spüle und entleerte sie. Der Geruch verursachte Übelkeit in ihm und wieder nahm er sich vor, bis auf Weiteres auf Abstand zu Hochprozentigem zu gehen, auch wenn ihn die Gedanken an Carmen und Yvonne stark beschäftigten. Er ging ins Bad, putzte ausgiebig seine Zähne und spülte sich mehrfach den Mund aus. Dann nahm er wieder auf dem Sofa Platz. Irgendwann fielen ihm die Augen zu. Er schlief unruhig, aber traumlos.

 

Kapitel 6

 

Es war schon 8 Uhr, als Rainer mit brummendem Kopf aufwachte. Dieser verdammte Alkohol, dachte er. Mein Vorsatz von gestern Morgen bezüglich meines Alkoholkonsums hat keinen Tag gehalten, ärgerte er sich erneut.

Aus dieser Yvonne Wilhelm wurde er nicht schlau. Karls Eindruck stimmte schon, dass ihre Reaktion auf den Tod ihres Mannes zumindest ungewöhnlich war. War die Ehe doch nicht so harmonisch?

Aber andererseits merkte sie ganz offensichtlich, dass Karl sie auf die Liste der Verdächtigen gesetzt hatte. Wie wäre sonst ihre Bemerkung von gestern Abend beziehungsweise letzter Nacht zu interpretieren? Sie war demnach schon eine sehr sensible Person.

Rainer musste sich erneut eingestehen, dass er dieser Frau eine Straftat, einen Mord oder zumindest Anstiftung dazu, einfach nicht zutraute. Was aber sollte er tun? Sie allein zu treffen, würde seinen Kollegen mit Sicherheit ärgern. Das würde vielleicht sogar dazu führen, dass er von dem Fall abgezogen werden würde. Das wollte er auf keinen Fall, schon allein um Yvonnes Willen. Stopp, sagte er sich. So etwas durfte er nicht einmal denken. Professionelle Distanz war gefragt, auch wenn ihn diese Frau beeindruckt hatte.

Er kochte sich einen Kaffee und warf noch mal ein Aspirin ein. Nun würde er aber seine Vorsätze bekräftigen und erst einmal auf absehbare Zeit auf Alkohol verzichten. Rainer stellte sich unter die Dusche, erst warm und dann kalt. Zwar hasste er das, aber er hoffte, dass so die Lebensgeister geweckt würden. Wegen des Restalkohols beschloss er, wieder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Dienststelle zu fahren.

Kurz nach neun traf er dort ein und betrat das Büro. Karl schaute kurz auf, sah dann aber wieder auf seinen Bildschirm.

»Du siehst nicht gerade wie der blühende Morgen aus, wenn ich das mal so sagen darf«, bemerkte er, ohne Rainer noch einmal anzusehen. »Einen harten Abend mit Yvonne gehabt?«, witzelte er und tippte in seine Tastatur.

»Klar«, erwiderte Rainer. Er überlegte, wie er auf das merkwürdige Telefonat mit Frau Wilhelm zu sprechen kommen könnte. Mittlerweile war ihm klar, dass er das Thema mit Karl klären musste.

»Karl, ich muss dir was erzählen«, begann er. Sein Gegenüber hörte auf zu tippen und blickte ihn erwartungsvoll an.

»Ich bin ganz Ohr.«

»Frau Wilhelm hat mich gestern Abend angerufen.« Rainer machte eine Pause und wartete auf Karls Reaktion. Der blieb aber stumm, sah seinen Kollegen nur gespannt an und wartete, dass er weitersprechen würde.

»Sie meinte, sie würde mir gern etwas erzählen, was ihr noch eingefallen ist, aber nicht am Telefon. Etwas Delikates.«

»Okay«, sagte Karl langgedehnt. »Und?«

»Sie wollte das unter vier Augen besprechen, meinte, du wärst voreingenommen.« Rainer beschloss, die Frühstückseinladung lieber wegzulassen. Das hätte dann doch einen falschen Eindruck vermittelt.

»Hm«, brummte Karl. »Das stimmt wohl. Ich finde sie äußerst verdächtig. Und jetzt?« Der lässt mich ganz schön zappeln, dachte Rainer.

»Was meinst du, Karl. Soll ich mich darauf einlassen? Vielleicht hat sie ja wirklich etwas Interessantes zu erzählen. Und anscheinend hat sie Vertrauen zu mir.« Rainer merkte selbst, dass sich das irgendwie naiv anhörte.

»Vertrauen zu dir? Oder kann sie dich besser um den Finger wickeln?« Karl grinste ihn an.

»Ich werde schon Distanz wahren«, protestierte Rainer. »Aber vielleicht hat sie ja wirklich etwas, das uns weiterbringt.«

Karl wog den Kopf hin und her. Dann zeigte er auf seinen Bildschirm. »So wirklich gefällt mir das nicht. Aber okay, ich vertraue dir. Versuch es, auch wenn wir normalerweise solche Unterhaltungen mit zwei Beamten führen. Aber diese Info solltest du noch mitnehmen. Unsere lustige Witwe kassiert eine Versicherungsprämie von einer Million Euro.«

Rainer stieß einen Pfiff aus.

»Donnerwetter, das ist eine Menge Asche.«

Karl nickte. »Also, Kollege. Deine Hübsche bleibt weiterhin auf der Liste der Verdächtigen ziemlich weit oben, vielleicht sogar ganz oben. Nimm das als Gedankenanstoß mit, wenn du bei ihr deinen Hausbesuch machst.«

»Werde ich.«

»Und hast du noch andere Verdächtige ausgegraben?«, fragte Karl nach. Sein Kollege gab ihm die Liste der Männer, auf die er gestoßen war.

Rainer wollte gerade zu seinem Telefon greifen, um Yvonne Wilhelm anzurufen, als ein kräftiger, braunhaariger Mann ihr Büro betrat.

»Hallo, Kollegen, wie läuft es?« Er blickte erst Karl an, dann Rainer. Er streckte ihm die Hand entgegen.

»Ich glaube, wir kennen uns noch nicht. Adrian Bader, stellvertretender Leiter des LKA und im Moment als Vize wohl amtierender Leiter.« Der sächsische Dialekt zeigte deutlich, dass der Mann kein Einheimischer war. Und das, obwohl der Mann seit vielen Jahren in Hamburg lebte, wie Rainer aus Erzählungen wusste. Aber dieser Dialekt schwächte sich wohl nie ab. Rainer schüttelte die Hand und stellte sich vor.

»Meine Herren, ich muss Sie nicht auf die Brisanz dieses Falles hinweisen. Wir brauchen hier blitzschnell Ergebnisse. Also setzen Sie alles in Bewegung, um diesen Mord aufzuklären. Wenn Sie irgendetwas brauchen, kommen Sie sofort zu mir. Und ich erwarte einmal täglich einen Bericht oder wenn es etwas Interessantes gibt, dann sofort. Verstanden? Und binden Sie weitere Kollegen ein, wenn es nötig ist.«

»Natürlich, Herr Bader. Wird gemacht.«

So schnell, wie er gekommen war, verschwand der amtierende LKA-Leiter wieder. Rainer sah ihm kopfschüttelnd hinterher.

»Was war das denn jetzt?«

»Genau die richtige Frage«, erwiderte Karl lachend. »Das war ABC, wie er leibt und lebt.«

Rainer zog die Stirn kraus. »ABC?«

»Adrian Bader, Chemnitz«, erklärte Karl. »Kam vor 20 Jahren oder so als kleiner Beamter aus dem Osten und ist hier voll durchgestartet. Ehrgeizig, zielstrebig, machtbesessen, knallhart. Karrieretyp. Redet wie ein Wasserfall und man sagt, er gehe über Leichen. Upps«, fügte er hinzu, »so war das natürlich nicht gemeint. Aber für uns ist das ein Typ, bei dem wir aufpassen müssen. Wenn der Mann offiziell Leiter des LKA wird, dann mal gute Nacht, Marie.«

Kopfschüttelnd widmete er sich wieder seinem Bildschirm und nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Kaffeebecher.

Rainer musste sich nach diesem Sturm erst mal erholen und griff dann wieder zu seinem Telefon. Bereits nach dem zweiten Klingeln vernahm er die rauchige Stimme.

»Hallo Frau Wilhelm, Kommissar Zufall hier. Passt es Ihnen in einer halben Stunde?«

»Sehr schön. Ich bereite uns ein kleines Frühstück vor«, war die Antwort. Ehe Rainer protestieren konnte, hatte sie die Verbindung beendet.

 

Kapitel 7

 

Fünfunddreißig Minuten später stand Rainer wieder vor der Tür der Villa. Im Vorbeigehen betrachtete er den Garten. Große Rasenflächen, daneben Rhododendronbüsche, jede Menge Jasmin und andere Pflanzen, deren Namen er nicht wusste. Das ganze Anwesen musste ein Vermögen wert sein. Wie konnte sich ein Leiter des LKA so etwas leisten? Hatte er eventuell noch andere Einkünfte? Gab es da vielleicht ein Motiv für den Mord?

Er hatte den Klingelknopf kaum betätigt, als Yvonne Wilhelm bereits öffnete und ihn herzlich begrüßte. Ihr Anblick war noch atemberaubender als beim letzten Mal. Sie trug eine weiße, ausgeschnittene Bluse und einen äußerst knappen Rock. Dezentes Make-up betonte ihr ebenmäßiges Gesicht. Ihr langes Haar trug sie offen. Die blendend weißen Zähne waren ihm beim letzten Mal schon aufgefallen. Und wieder war er fasziniert, als er ihr in die Augen blickte. Tiefbraun und strahlend. Er versuchte, sich das Bild ihres toten Ehemanns vor Augen zu führen und konnte kaum glauben, dass die beiden verheiratet waren.

»Wie schön, Herr Kommissar, dass Sie es möglich machen konnten. Kommen Sie doch herein.«

Dieser herzliche Empfang überwältigte Rainer förmlich, und außer einem kurzen »Danke« fiel ihm nichts ein, was er sagen könnte. Die Gastgeberin ging vor ins Esszimmer, in dem ein reich gedeckter Frühstückstisch auf sie wartete.

»Nehmen Sie doch Platz, Herr Kommissar. Bei einem gemütlichen Frühstück fällt es einfach leichter zu reden.«

Rainer überlegte, was wohl Karl zu der Situation sagen würde, und in ihm läuteten die Alarmglocken. Versuchte sie, ihn um den Finger zu wickeln? Er würde sich in jedem Fall zwingen, sich nicht von seinen Gefühlen leiten zu lassen.

»Das wäre aber wirklich nicht nötig gewesen«, sagte Rainer, der so langsam seine Fassung wiedergewann. Sie hatte wirklich groß aufgefahren.

Frau Wilhelm deutete auf einen Platz, und er setzte sich an den reich gedeckten Tisch.

»Ich muss mich erst an das Alleinsein gewöhnen«, erklärte sie und reichte ihm den Korb mit den Brötchen. Rainer griff zu und nickte.

»Das kann ich mir vorstellen, Frau Wilhelm.«

»Sagen Sie doch bitte Yvonne zu mir. Frau Wilhelm hört sich so förmlich an.« Wieder dieses strahlende Lächeln, das ihn so sehr an Carmen erinnerte. Wie sollte er damit umgehen? Distanz war unbedingt notwendig. Er beschloss, die Anrede zu umgehen und seine Fragen so zu stellen.

»Sie sagten am Telefon, dass Ihnen noch etwas eingefallen wäre«, begann er kauend. »Und dass es etwas delikat wäre.«

Sie biss gerade von ihrem Lachsbrötchen ab und nickte.

»Oh Rainer, Sie kommen ja gleich auf den Punkt«, erwiderte sie, als sie den Mund wieder frei hatte. Der Kommissar verschluckte sich beinahe an seinem Kaffee, als sie ihn mit Vornamen ansprach.

»Stimmt, deswegen bin ich ja eigentlich hier. Schließlich wollen wir den Mord an Ihrem Mann so schnell wie möglich aufklären und daher sind wir für jeden Hinweis dankbar.« Er sah sie erwartungsvoll an, aber sie biss wieder in ihr Brötchen und lächelte.

»Haben Sie denn schon irgendwelche Hinweise?«, fragte sie als nächstes, ohne auf das eigentliche Anliegen des Besuchs einzugehen.

Will sie mich jetzt hinhalten, fragte sich Rainer. Nicht, dass es ihm unangenehm war, hier mit ihr zu sitzen, zu frühstücken und zu plaudern. Sie war ein mehr als angenehmer Umgang. Aber er hatte eine Aufgabe zu erledigen.

»Nun ja, wir stehen noch ziemlich am Anfang unserer Ermittlungen. Ein paar mögliche Kandidaten stehen schon auf unserer Liste. Aber mehr darf ich aus ermittlungstechnischen Gründen natürlich nicht verraten.«

»Interessant. Viele?«, hakte sie trotzdem nach. »Ich meine, ich weiß nicht viel von der Arbeit meines Mannes, aber ich kann mir vorstellen, dass Peter einigen auf die Füße getreten ist.« Sie nahm sich ein wenig Marmelade, strich sie auf ihr Brötchen und blickte ihren Besucher wieder an.

Rainer wich ihrem Blick aus. Sollte er das Thema wirklich ansprechen? Er spürte, dass er gern Gewissheit hätte, dass die Frau mit dem Tod ihres Mannes nichts zu tun hatte.

»Wussten Sie, dass Sie durch den Tod Ihres Mannes eine hohe Versicherungssumme kassieren?« Er hatte versucht, die Frage so harmlos wie möglich zu formulieren. Nun wartete er gespannt auf ihre Reaktion und sah sie forschend an.

»Ja, das weiß ich«, erwiderte sie, biss in ihr Brötchen und lächelte ihn an. »Peter hat es mir erzählt. Macht mich das verdächtig?«, fügte sie kurz darauf hinzu.

Rainer wusste nicht, wie er ihre Reaktion deuten sollte. Wäre ihre Antwort Nein gewesen, würde der nächste Schritt sein, zu prüfen, ob sie es nicht doch wusste. Nun gab sie es unumwunden zu. Entweder aus Kaltblütigkeit oder weil sie unschuldig war.

»Nun ja, damit hätten Sie zumindest ein Motiv.« Mit offenen Karten zu spielen, erschien ihm als die richtige Marschroute.

»Trauen Sie mir das zu?«, fragte sie sanft und legte ihre Hand auf seinen Unterarm. Diese vertraute Geste ließ ihn innerlich erschauern. Distanz, Rainer, Distanz, raunte er sich selbst zu. Der Blick ihrer braunen Augen schien durch ihn hindurchzugehen. Plötzlich fühlte er sich wehrlos und durchsichtig. Diese Frau merkt, dass mir etwas an ihr liegt, dachte er. Ihm wurde warm. Ihre Hand auf seinem Arm schien zu glühen, aber er vermochte nicht, sie wegzuziehen. Er räusperte sich verlegen und versuchte, möglichst distanziert zu antworten.

»Es ist nicht entscheidend, was ich Ihnen zutraue, Frau Wilhelm«, kam seine Antwort zögernd.

»Ich würde mir so wünschen, dass du mir vertraust, Rainer«, hauchte sie. Nun war sie schon beim Du. Immer noch blickte sie ihm tief in die Augen. Ganz langsam nahm sie die Hand von seinem Arm, sah ihn aber immer noch an. Rainer schluckte schwer.

In dem Moment summte sein Smartphone und der Zauber war verflogen. Er nahm das Gespräch an, es war Karl.

»Wo steckst du, Rainer? Bist du immer noch bei der Witwe? Der Rechtsmediziner ist mit seiner Untersuchung durch und will mit uns sprechen.«

»Ich bin hier gleich fertig und komm direkt in die Gerichtsmedizin«, stotterte Rainer.

»Alles okay bei dir?« Karl klang irritiert.

»Alles bestens, ich mach mich gleich auf den Weg.« Er beendete das Gespräch und hob bedauernd die Augenbrauen.

»Tut mir leid, aber ich muss los. Vielen Dank für das Frühstück.« Er beeilte sich, aufzustehen und warf dabei seine Kaffeetasse um. »Upps, Entschuldigung.«

Sie lächelte wieder. »Kein Problem. Aber wir können das gern wiederholen, wenn du mehr Zeit hast.« Anscheinend hatte sie beschlossen, ihn ab jetzt zu duzen.

Sie begleitete ihn zur Tür und drückte seine Hand. Rainer entzog sie ihr rasch und machte sich auf den Weg zur Gerichtsmedizin. Unterwegs fiel ihm ein, dass sie gar nicht mehr über das gesprochen hatten, weswegen er eigentlich zu ihr gekommen war. Rainer schüttelte den Kopf über sich selbst. Er würde sie wohl noch einmal besuchen müssen. Da musste er sich aber besser vorbereiten und auf Distanz achten.

Den ganzen Weg zur Gerichtsmedizin ließ er die Situation am Frühstückstisch bei Yvonne Wilhelm noch einmal Revue passieren.

Es stimmte, dass ihn die Frau faszinierte. Ihre Vertraulichkeit entwaffnete ihn. Gleichzeitig musste er seinem Kollegen zustimmen, dass sie erstaunlich gefasst mit dem Tod ihres Mannes umging. Sie war so viel jünger als ihr Ehemann und profitierte von seinem Tod.

Und unbestreitbar flirtete sie mit ihm. Er wurde nicht schlau aus ihr. Armes, zu schützendes Geschöpf oder eiskalte, wenn auch attraktive Mörderin? In Gedanken stieg er aus dem Bus und betrat die Rechtsmedizin bei der Uniklinik in Eppendorf. Ein unangenehmer Geruch stieg ihm in die Nase, sodass er am liebsten wieder umgedreht wäre. Sein Magen rebellierte, aber da musste er jetzt durch.

 

Kapitel 8

 

Zum Glück hatte Rainer noch nicht oft das zweifelhafte Vergnügen gehabt, der Rechtsmedizin einen Besuch abstatten zu müssen. Er hatte doch lieber mit lebenden Objekten als mit Leichen zu tun und konnte sich nicht vorstellen, dass jemand, der hier arbeitete, seinen Beruf lieben könnte.

Aber so ein Exemplar war Dr. Baltasar Diekmeier, Spitzname Dr. Distanz oder noch kürzer Dr. Di. Alles an ihm war korrekt, diszipliniert und äußerst distanziert. Er hielt immer seine Termine ein, erschien jeden Morgen pünktlich um 7.15 Uhr zum Dienst, machte immer um 12.30 Uhr exakt dreißig Minuten Pause. Seine Berichte waren stets fehlerfrei, auf den Punkt und ließen in der Regel keine Fragen offen. Sein Haar trug er kurz, sein Bart war ebenfalls kurz mit exakten Ecken. Am auffälligsten aber waren seine Kittelschürzen. Viele denken sicher, dass diese bei jedem Rechtsmediziner Spuren von Blut oder Ähnlichem haben müssten. Die Arbeitskleidung von Dr. Di aber war blütenweiß, gebügelt und ordnungsgemäß zugeknöpft. Darunter war zumindest eine Krawatte erkennbar, aber es hätte auch niemanden gewundert, wenn der Doktor darunter einen Anzug oder gar einen Frack tragen würde.

Atemlos und von dem Besuch bei der Witwe aufgewühlt und gleichzeitig über sich selbst verärgert betrat Rainer die Rechtsmedizin, in der Karl schon ungeduldig auf ihn wartete.

»Na, wie war es bei deiner Witwe?«, empfing er ihn grinsend.

Rainer sah ihn recht säuerlich an. Er würde seinem Kollegen beibringen müssen, dass er vergessen hatte, sie zu fragen, weswegen sie ihn eigentlich sprechen wollte.

»Zu kurz«, brummte er. »Leider sind wir zu dem eigentlichen Thema nicht mehr gekommen«, gestand er zerknirscht. »Ich bin gerade nur bis zu der Frage gekommen, ob sie von der Erbschaft gewusst hat, als du anriefst. Dann habe ich es nicht mehr geschafft, sie zu fragen, weswegen sie mich eigentlich sprechen wollte. Nun muss ich sie noch mal aufsuchen.«

Karl schüttelte den Kopf. »Die verunsichert dich anscheinend ziemlich. Aber was hat sie zu der Versicherung gesagt?«

»Sie wusste davon«, antwortete Rainer, um gleich hinzuzufügen, »und weiß aber auch, dass sie das eher verdächtig macht.« Ihre Fragen nach Rainers Vertrauen ließ er lieber weg. Das hätte nur zu weiteren Problemen mit seinem Kollegen geführt.

»Also, gehen wir jetzt zum Doc rein?«, fragte Rainer, um schnell das ihm unangenehme Thema zu wechseln. Karl nickte und grinste.

Sie betraten den Raum, in dem Dr. Di an seinem Schreibtisch saß und an einem Bericht schrieb. Er ließ sich bei seiner Arbeit auch durch die eintretenden Kommissare nicht stören und tippte seelenruhig weiter. Die beiden Besucher waren sich nicht einmal sicher, ob er sie überhaupt bemerkt hatte. Deswegen räusperte sich Karl vernehmlich, was den Rechtsmediziner nur zu einem entschiedenen »Sch« veranlasste, um sich weiter auf seinen Bericht konzentrieren zu können. Seine Lippen bewegten sich beim Tippen, sodass die Kommissare das Gefühl hatten, er würde sich selbst diktieren.

Karl und Rainer blickten sich ratlos und genervt an. Nun hatte er sie ganz dringend hierher bestellt, um sie erst einmal wie dumme Schuljungen rumstehen zu lassen.