Eine Liebe zu Mittsommer - Mia Jakobsson - E-Book
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Eine Liebe zu Mittsommer E-Book

Mia Jakobsson

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Beschreibung

Die alleinerziehende Eva leitet ein idyllisches Hotel am Ufer des Övre Brocken und schreibt heimlich unter dem Namen Mikael Käkelä sehr erfolgreich Kriminalromane.
Jon, in Stockholm, ist frustriert vom Leben und der Liebe, bis ihn plötzlich alle für den berühmten Schriftsteller Käkela halten. Eva will ihr Geheimnis nicht lüften und muss zusehen, wie sich Jon feiern lässt. Dieser aber macht sich mit seinem besten Freund Sten und dessen Kater Curt auf die Suche nach dem echten Schriftsteller. Die Spur führt zu einem kleinen Hotel am See - und Eva ...

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Seitenzahl: 348

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

CoverWeitere Titel der AutorinÜber dieses BuchÜber die AutorinTitelImpressumWidmungBrief von Mia JakobssonPrologVier Monate späterKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Mikael KäkeläKapitel 4Kapitel 5Mikael KäkeläKapitel 6Kapitel 7Mikael KäkeläKapitel 8Kapitel 9Mikael KäkeläKapitel 10Kapitel 11Mikael KäkeläKapitel 12Kapitel 13Mikael KäkeläKapitel 14Kapitel 15Mikael KäkeläKapitel 16Kapitel 17Mikael KäkeläKapitel 18Kapitel 19Mikael KäkeläKapitel 20Kapitel 21Mikael KäkeläKapitel 22Kapitel 23Mikael KäkeläKapitel 24Kapitel 25Mikael KäkeläKapitel 26RezepteZimtschneckenLussekatterSchweinebratenLachsröllchenGebratener BauchspeckKöttbullarJakobs Lachs

Weitere Titel der Autorin

Das Glück kommt mit der Weihnachtspost

Liebe ist wie Knäckebrot – Eine Sommerliebe in Schweden

Ein Winter voller Träume

Über dieses Buch

Die alleinerziehende Eva leitet ein idyllisches Hotel in Värmland und schreibt heimlich unter dem Namen Mikael Käkelä sehr erfolgreich Kriminalromane. Jon, in Stockholm, ist frustriert vom Leben und der Liebe, bis ihn plötzlich alle für den berühmten Schriftsteller Käkelä halten. Eva will ihr Geheimnis nicht lüften und muss zusehen, wie sich Jon feiern lässt. Dieser aber macht sich mit seinem besten Freund Sten und dessen Kater Curt auf die Suche nach dem echten Schriftsteller. Die Spur führt zu einem kleinen Hotel am See – und Eva … Ein Roman wie ein Urlaub in Schweden – mit leckeren Rezepten zum Nachkochen und Nachbacken.

Über die Autorin

Mia Jakobsson ist mit den Geschichten von Astrid Lindgren und Selma Lagerlöf aufgewachsen. Schon in den langen verschneiten Wintern ihrer Kindheit hat sie ihrer Fantasie freien Lauf gelassen und davon geträumt, einmal einen Roman zu schreiben, der die Leser in den hohen Norden entführt. Mit Pfefferkuchentage hat sie sich diesen Traum erfüllt. Doch Mia Jakobsson träumt weiter und hat noch viele gute Ideen, die sie zu Papier bringen will.

M I A J A K O B S S O N

SCHWEDEN-ROMAN

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Originalausgabe

Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Marion Labonte, Labontext

Einband-/Umschlagmotive: © shutterstock: Amy Johansson | Grisha Bruev | ozzichka

Umschlaggestaltung: Jeannine Schmelzer

eBook-Produktion: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7517-0359-8

luebbe.de

lesejury.de

FürMama, David, Jenny, Elsa,Sabine, Dennis, Dominik,Heike, Roland, Deborah, Eike,Gisela, Heinz und Hannelore.

Weil Familie das Wichtigste im Leben ist!

Liebe Leser,

vielleicht findet ihr es ein wenig befremdlich, dass sich alle Menschen in diesem Buch duzen, selbst Fremde. Aber in Schweden duzt man sich seit mehr als fünfzig Jahren, deshalb habe ich das in meiner Geschichte um Eva und Jon auch übernommen.

Die beiden sind Köche, und einige ihrer Rezepte findet ihr am Ende zum Nachkochen.

Ich wünsche euch viel Spaß in Schweden.

Herzlichst

Mia Jakobsson

Prolog

Alles war perfekt, selbst das Wetter spielte mit. Stockholm hatte sich in eine weiße Schneedecke gehüllt. In der Luft lag immer noch der Hauch von Weihnachten, der sich jetzt mit der Freude über die Silvesternacht vermischte.

Jon hatte für seine ganz besondere Überraschung den Monteliusvägen gewählt. Es war sein Lieblingsort, seit er vor etwas mehr als einem Jahr alles am Siljansee aufgegeben hatte, um seiner großen Liebe nach Stockholm zu folgen. Von hier war selbst in der Dunkelheit die Aussicht auf Gamla Stan spektakulär. Die Lichter der Altstadt spiegelten sich im Riddarfjärden und zauberten bunte Reflexe auf die graue Wasserfläche.

Annika hatte dafür leider so gar keinen Blick. Fröstelnd schlang sie die Arme um sich. Unter der Plüschjacke trug sie lediglich ein dünnes Abendkleid, dazu offene Highheels.

»Ich dachte, wir gehen hinauf nach Mosebacke.« Sie war hörbar unzufrieden.

Jon warf verstohlen einen Blick auf seine Armbanduhr. Noch drei Minuten bis Mitternacht. Einzelne Böller waren bereits zu hören.

Genau jetzt musste er ihr die Frage aller Fragen stellen. Dann konnte sie ihm ihr Jawort geben und überglücklich in seine Arme sinken, gekrönt vom Stockholmer Feuerwerk.

Hastig zog er den Brillantring aus seiner Tasche, der ihn zwei Monatsgehälter gekostet hatte. »Annika, ich liebe dich!« Eigentlich hatte seine Stimme bewegt klingen sollen, das hatte er lange genug zu Hause geprobt. Doch jetzt schossen irgendwelche Idioten nicht weit entfernt eine ganze Serie von Knallkörpern in die Luft und Jon musste laut rufen, damit Annika ihn verstehen konnte. »Willst du mich heiraten?«

Sie schaute ihn so entgeistert an, dass er im ersten Moment glaubte, sie hätte seine Frage nicht verstanden. Ihr Blick wurde abweisend. »Spinnst du? Nein, ich will dich nicht heiraten!«

Ihre Augen glänzten gierig, als sie auf den Ring in seiner Hand schaute, doch an ihrer Entscheidung änderte das nichts. »Niemals!«, bekräftigte sie ihre Absage, drehte sich um und machte sich schimpfend an den Abstieg. »Und für so einen Blödsinn musste ich den ganzen vereisten Weg nach oben steigen?«

Das Feuerwerk über Stockholm brach los und untermalte ihren Abgang in bunten Fontänen.

Jon schaute ihr fassungslos nach. Ganz fest umklammerte seine Hand den Ring, während sein Herz zerbrach. Plötzlich schien das Schmuckstück in seiner Hand zu brennen, Jon konnte es kaum ertragen. Er wandte sich um, holte aus und schleuderte den wertvollen Ring weit von sich fort.

Vier Monate später

Kapitel 1

… Bertil stieß einen tiefen Seufzer aus, doch Kommissar Lars Dahlström lachte nur. »Der Täter sitzt hinter Gittern, meine Arbeit ist getan.« Mit einer knappen Verbeugung wandte er sich um und ging aus dem Zimmer.

Eva tat es Bertil gleich und stieß einen tiefen Seufzer aus. Dann schloss sie die Augen und wartete darauf, dass die Spannung in ihrem Körper wenigstens ein bisschen nachließ.

Es war vollbracht. Mit exakt einem Monat Verspätung hatte sie ihren Kommissar Dahlström zusammen mit seinem trotteligen Assistenten Bertil den Mordfall lösen lassen. Ihr Manuskript war vollendet und sie war nicht mehr der erfolgreiche Schriftsteller Mikael Käkelä, sondern ausschließlich die Hotelbesitzerin Eva Berglund aus Torsby. Aus der Nähe von Torsby, um genau zu sein. Ihr kleines Familienhotel befand sich direkt am Ufer des Sees Övre Brocken.

Erleichterung über die Fertigstellung ihres Manuskripts empfand Eva noch nicht. Im Gegenteil, es tat wie immer weh, sich von den vertrauten Figuren zu trennen. Sie hinaus in die Welt zu schicken und sie dort nicht nur ihrem Schicksal, sondern vor allem der Gunst ihrer Leser zu überlassen.

Nun ja, noch hatte sie es nicht in die Welt geschickt. Eva öffnete die Augen und schrieb das letzte Wort unter exakt dreihundertzwanzig Seiten ihres neuen Kriminalromans:

Ende!

Sie verfasste eine Mail an ihre Lektorin, fügte das Manuskript als Anhang bei und schickte sie zu ihrem Verlag nach Stockholm. Es würde sie nicht wundern, wenn Linn sich gleich noch meldete – sie wusste, dass sie oft lange im Büro war, manchmal auch an Wochenenden und Feiertagen. Linn hatte keine Familie. Die Lektorin lebte für ihre Arbeit und die Autoren, die sie betreute. Und richtig: Keine fünf Minuten später klingelte das Telefon.

»Es ist also verbracht«, sagte sie.

»Gott sei Dank!« Eva gähnte laut.

»Ich mache mich gleich morgen an den Text, dann bekommst du die korrigierte Fassung so schnell wie möglich zurück.«

»Lass dir ruhig Zeit«, erwiderte Eva. Im Moment hatte sie von Lars Dahlström und dessen Ermittlungen die Nase gestrichen voll.

»So viel Zeit haben wir nicht mehr.« Ein leichter Vorwurf schwang in Linns Stimme mit.

»Ich weiß!« Eva versuchte schuldbewusst zu klingen, obwohl sie sich nicht so fühlte.

»Was ist jetzt eigentlich mit deiner Aktivität als Autor Mikael Käkelä in den sozialen Medien? Wir haben doch neulich darüber gesprochen.«

»Als ich mitten im Manuskript steckte«, erwiderte Eva unwillig. »Da hatte ich andere Dinge im Kopf als Facebook und Co.«

»Facebook ist ein gutes Stichwort.« Linn lachte leise. »Die Anfragen nach Mikael Käkelä häufen sich. Er ist inzwischen so erfolgreich, dass die Leser mehr über ihn wissen wollen. Sogar ein Fernsehsender hat schon wegen eines Interviews angefragt.«

»Soll ich mir einen Bart ankleben und mit ganz tiefer Stimme sprechen?«, erkundigte sich Eva ironisch.

»Sei nicht albern«, erwiderte Linn. »Wir wären schon mit einer Autorenseite zufrieden, auf die wir die Leser verweisen können.«

»Mal sehen«, sagte Eva ausweichend. »So ganz nebenbei führe ich ein Hotel, und jetzt beginnt die Sommersaison.«

Linn ignorierte den Einwand. »Ich brauche auch ein neues Exposé.« Sie zögerte anstandshalber, bevor sie die nächste Frage stellte. »Deine Krimis sind so erfolgreich, dass wir mehr als nur einen pro Jahr herausbringen wollen. Schaffst du das?«

Zwei Bücher in einem Jahr?

Eva verschlug es im ersten Moment die Sprache. Ja, es reizte sie, aber da gab es ja auch noch ihre drei Kinder und das Hotel. Sie hatte keine Ahnung, wie sie das alles unter einen Hut bringen sollte.

Linn kannte ihre Situation und bedrängte sie nicht weiter. »Denk einfach darüber nach«, schlug sie vor. »Wir reden nach der Korrektur der aktuellen Story darüber.«

»Heute kann ich ohnehin keinen klaren Gedanken mehr fassen.« Eva lachte. »Ich brauche jetzt ein paar Tage, um mich von Mikael Käkelä wieder in Eva Berglund zu verwandeln. Danach sehen wir weiter.«

»Dann wünsche ich dir eine fröhliche Metamorphose.« Linn verabschiedete sich und beendete das Gespräch.

Eva legte das Handy auf ihren Schreibtisch. Eigentlich konnte sie den Computer jetzt ausschalten und in die Küche gehen, um noch eine Kleinigkeit zu essen. Oder ein Glas Wein trinken. Sie konnte auch gleich ins Bett gehen, die Augen schließen und endlich zur Ruhe kommen.

Stattdessen blieb sie sitzen und überließ sich völlig der Stille, die sie in ihren ersten Jahren hier gehasst und nach Svens Tod gefürchtet hatte. Inzwischen hatte sie sich mit der Stille angefreundet. Sie war ihr eine Freundin geworden in den langen Nächten, in denen sie sich in Mikael Käkelä verwandelte und ihren Kommissar Lars Dahlström ermitteln ließ. Ihre Kriminalromane spielten an der schwedischen Ostküste und waren trotz der darin erwähnten Mordopfer eher heiter angelegt. Das lag vor allem an der ironischen Art ihres Kommissars. Vielleicht sollte sie Lars Dahlström einmal einen Fall bescheren, der ihn ganz persönlich betraf?

Entgegen ihres Vorhabens tauchte sie in Gedanken sofort wieder in die niederen Abgründe der schwedischen Kriminalität ein. Sie ließ ihren Blick durch den Raum schweifen, ohne bewusst etwas wahrzunehmen. Erst als sie durch das Fenster ihres Büros am gegenüberliegenden Seeufer ein Feuer aufleuchten sah, kehrte sie in ihr eigenes Leben zurück. Sie stand auf und öffnete das Fenster. Von drüben waren Stimmen zu hören, das Lachen und die Gesänge, mit denen an diesem Valborgsmässoafton der Winter ausgetrieben werden sollte.

Vor vier Jahren hatten sie und Sven die Walpurgisnacht noch gefeiert. Sie waren so glücklich miteinander gewesen, bis dieser grässliche Autounfall ein paar Monate später alles zerstörte.

Hastig schloss Eva das Fenster. Sie wollte diese schmerzhaften Erinnerungen nicht zulassen.

»Hast du Lust auf eine Tasse Tee?«, unterbrach Astrid ihre Gedanken. Es war eine rhetorische Frage, denn sie hielt bereits zwei dampfende Tassen in ihren Händen, als sie das Büro betrat.

Eva lächelte. »Du kommst genau im richtigen Moment.«

»Ich weiß doch, wie du dich fühlst, wenn du dein Manuskript abgeschickt hast«, sagte sie und reichte Eva eine der Tassen.

Eva nickte. »Raus aus der Geschichte, rein in die Realität. Und heute ist Valborg. Ausgerechnet.« Waren wirklich schon vier Jahre vergangen, seit sie das letzte Mal ausgelassen mit Sven gefeiert hatte? Vier lange Jahre? Es kam ihr immer noch so vor, als wäre er erst gestern aus dem Haus gegangen, um nie mehr zurückzukehren.

Astrid nippte an ihrem Tee und schaute sie über den Rand der Tasse hinweg nachdenklich an.

»Hast du nie daran gedacht, dich noch einmal zu verlieben?«, fragte sie nach einer Weile. Wie so oft hatte sie Evas Gedanken erraten.

Eva hob abwehrend die Hände. »Was ist denn das für eine Frage? Natürlich nicht! Niemals!«, rief sie vehement. Dann atmete sie tief durch und zwang sich zu einem Lächeln. »Erzähl mir lieber, was sich in den letzten Tagen im Hotel getan hat.«

»Benny Sjöwall hat ein Zimmer gebucht. Er kommt wie immer Mitte Mai und bleibt drei Wochen.«

Eva nahm es schweigend zur Kenntnis. Benny Sjöwall war schon regelmäßig Gast im Hotel gewesen, als Sven noch lebte. Allerdings traf das auf die meisten ihrer Stammgäste zu.

»Er verehrt dich sehr«, sagte Astrid.

Eva und Benny hatten über die Jahre eine wirklich gute Freundschaft entwickelt, aber Eva gefiel die Richtung nicht, in die sich das Gespräch entwickelte. »Und was ist mit dir?«, wechselte sie eilig das Thema. »Du bist schon so lange allein. Hast du nie wieder …«

»Auf keinen Fall! Nach allem, was Dag mir angetan hat, kann ich nie wieder einem Mann vertrauen«, sagte sie leise.

»Nicht alle Männer sind so wie Dag«, wandte Eva sanft ein.

»Das stimmt. Du hattest Glück mit Sven.« Astrid lächelte wehmütig. »Es ist kaum zu glauben, dass zwei Brüder so unterschiedlich sein können.«

Vor acht Jahren hatte Dag seine Frau Astrid und die gemeinsame Tochter Elin wegen einer anderen Frau verlassen. Schon davor hatte er Astrid oft betrogen, doch sie hatte ihm jedes Mal verziehen, weil sie für Elin die Familie erhalten wollte und weil sie Dag liebte.

Astrid sprach nicht gern über Dag und die Zeit mit ihm, und so wechselte sie auch jetzt das Thema. »Nächste Woche kommen die Mädchen von ihrer Klassenfahrt zurück. Die beiden scheinen sich in Stockholm bestens zu amüsieren.«

Eva war überrascht. »Hat Elin sich etwa bei dir gemeldet? Ann hat mich nur einmal kurz angerufen, um mir zu sagen, dass sie gut angekommen sind.«

Astrid ließ ein schnaubendes Geräusch hören. »Meine Tochter meldet sich auch nicht bei mir. Wenn ich wissen will, wie es ihr geht, schaue ich auf ihre Facebookseite.«

Eva grinste. »Du stalkst deine Tochter auf Facebook?«

»Meine Tochter und deine Tochter«, gab Astrid mit schuldbewusster Miene zu. »Woher sollen wir sonst wissen, dass alles in Ordnung ist?«

Eva schielte auf ihre Tastatur.

»Komm schon«, feuerte Astrid sie an. »Ich logge mich ein und zeig dir die Bilder. Es ist ja schließlich kein Tagebuch, sondern eine öffentliche Seite.«

Nach einem kurzen inneren Kampf überwog Evas Neugier und sie deutete auf den Schreibtischstuhl. Mit wenigen Klicks hatte Astrid sich angemeldet und Elins Facebook-Seite aufgerufen.

Eva lächelte, als sie die Fotos sah. Es waren überwiegend Selfies, die Ann und Elin an verschiedenen Orten zeigten. Vor dem königlichen Schloss, das aber nur ausschnittsweise zu erkennen war. Im Freilichtmuseum Skansen, im Vasa-Museum und beim gemeinsamen Bummel mit Klassenkameraden durch Gamla Stan. Zahlreiche Bilder waren auch auf dem Monteliusvägen entstanden, hier allerdings schienen sie sich nicht so sehr für die fantastische Aussicht zu interessieren, sondern mehr für einen attraktiven Mann, den sie mehrfach fotografiert hatten.

Er war groß. Seine dunkelblonden Haare waren ein wenig zu lang, fand Eva, doch der kurz gestutzte Bart unterstrich seine markanten Gesichtszüge. Auf allen Bildern wirkte es so, als suche er etwas. Zusammen mit einem etwas rundlichen Mann mit Brille. Der war jedoch nur auf wenigen Fotos zu sehen. Es war deutlich zu erkennen, dass Elin und Ann es vor allem darauf angelegt hatten, den attraktiven Mann zu fotografieren, vermutlich ohne sein Wissen.

Astrid wies auf den Monitor. »Unsere vierzehnjährigen Töchter stehen auf ältere Männer.«

»Ältere Männer?« Eva war entsetzt. »Die sind in unserem Alter.«

Astrid grinste. »Genau.« Sie loggte sich aus, und Eva fuhr den PC herunter. »Ich gehe jetzt schlafen«, verkündete sie. Sie stand auf und umarmte Astrid. »Danke, dass du immer im richtigen Moment da bist.«

Die wispernden Stimmen ihrer Zwillinge weckten sie am nächsten Morgen. Pentii und Lotta hatten vor Kurzem ihren fünften Geburtstag gefeiert.

»Sag du Mama, dass du Hunger hast«, hörte sie Pentii sagen.

»Ich hab doch gar keinen Hunger«, behauptete Lotta.

»Hast du wohl!«

»Hab ich nicht!«

Vielleicht gehen sie ja, wenn ich die Augen nicht öffne, hoffte Eva. Sie war so unendlich müde.

Dann war es lange still, aber Eva spürte, dass die Zwillinge vor ihrem Bett standen und sie anstarrten. Sie erlebte diese Situation nicht zum ersten Mal – und meist gewannen die Zwillinge. So auch heute.

»Ihr sollt mich nicht wecken«, brummte sie mit geschlossenen Augen.

»Wir haben dich nicht geweckt«, behauptete Lotta.

»Und wieso bin ich jetzt wach?«

»Vielleicht hast du dich selbst geweckt«, vermutete Pentii.

Eva öffnete die Augen und ihr Herz quoll über, als sie die beiden in ihren teddybärgemusterten Schlafanzügen vor dem Bett stehen sah.

Lotta war mit ihren rotblonden Locken und den grünen Augen eine Miniaturausgabe von Eva, während Pentii seinem Vater immer ähnlicher wurde.

Pentii hielt Stellan, sein Rentier aus inzwischen ziemlich abgewetztem Plüsch, fest an sich gepresst. Es war ein Geschenk seines Vaters. Obwohl Pentii bei dessen Tod erst ein Jahr alt gewesen war und sich kaum an Sven erinnern konnte, war Stellan sein ständiger Begleiter. Niemals ließ er es zu, dass jemand Stellan anfasste. Das durfte nicht einmal Lotta, die ansonsten die Dominantere von ihnen war.

»Pentii hat Hunger«, sagte Lotta und schob ihn damit vor, wie so oft, wenn sie etwas haben wollte.

Pentii warf seiner Schwester einen finsteren Blick zu. »Aber nur ein bisschen«, sagte er.

Eva schlug die Decke zurück und erhob sich. Tag eins nach der Manuskriptabgabe war immer etwas mühselig, aber sie musste sich ihrem ganz normalen Alltag stellen.

Kapitel 2

Es war die Tragödie seines Lebens, dass er nicht nur die Liebe seines Lebens, sondern auch die Leidenschaft für seine Arbeit verloren hatte. Wobei Jon ehrlich zugeben musste, dass ihm der Job in der Kantine eines Stockholmer Medienhauses von Anfang an nicht gefallen hatte.

Früher, als er noch im Hotel Tällberg am Siljansee gearbeitet hatte, war das Kochen Vergnügen und Lust zugleich gewesen. Da waren die Gäste extra wegen seiner Küche ins Hotel gekommen. Er war glücklich gewesen, beruflich wie privat.

Annika Sand hatte im gleichen Hotel als Zimmermädchen gearbeitet. Sie hatte ihn vom ersten Augenblick an fasziniert. Er hatte sie geliebt, liebte sie immer noch, und bis zu seinem Heiratsantrag auf dem Monteliusvägen war er davon überzeugt gewesen, dass sie seine Gefühle erwiderte.

Lustlos öffnete Jon die Verpackungen mit den Fertiggerichten und schob sie in den Backofen. Janssons Frestelse stand heute auf der Speisekarte. Zum Nachtisch gab es Milchreis. Nur gut, dass die Namen der Gerichte auf den Verpackungen vermerkt waren, denn in allen Schalen befand sich eine weißlich pampige Masse, die durchaus verwechselt werden konnte.

Jon presste die Lippen zusammen, als er an das dachte, was er für Annika aufgegeben hatte. Seiner Stelle im Hotel Tällberg hatte er von Anfang an nachgetrauert. Nur wegen Annika war er nach Stockholm gezogen.

Na gut, schränkte er ein, ein wenig auch wegen Sten. Zumindest hatte ihm der Gedanke an seinen Freund aus Kindertagen den Abschied vom Siljansee leichter gemacht.

»Wovon träumst du gerade, Erlandsson? Hast du ein Problem?«

Die Stimme seines Chefs riss Jon aus seinen Gedanken. Es war eine üble Angewohnheit Ronny Hellstens, seine Mitarbeiter ausschließlich mit dem Nachnamen anzusprechen. Sein Lächeln wirkte freundlich, seine babyblauen Augen unter dem hellblonden Haarschopf schauten ihn arglos an.

Jon ließ sich dadurch nicht mehr täuschen. Ronny Hellsten war ein unangenehmer Zeitgenosse. Außerdem war er ein miserabler Koch und erlaubte in der Kantinenküche nicht den geringsten Hauch von Kreativität.

»Ich habe kein Problem.« Jon zeigte auf die Aluschale. »Ich muss das ja zum Glück nicht essen.«

Ronny lächelte freundlich, als er erwiderte: »Warum suchst du dir nicht einfach einen anderen Job, wenn es dir bei uns nicht passt?«

Jon verschwieg, dass er Ronnys Vorschlag großartig fand. Tatsächlich dachte er seit der Silvesternacht immer öfter daran, an den Siljansee zurückzukehren. Dafür sparte er jede Krone, die er erübrigen konnte. Inzwischen bedauerte er, den teuren Verlobungsring weggeworfen zu haben, anstatt ihn zurückzugeben. Dann wäre er schon längst wieder zu Hause. Oft hatte er mit Sten auf dem Monteliusvägen nach dem Ring gesucht, auch wenn er nicht mehr wirklich damit rechnete, ihn zu finden.

Jetzt grinste er Ronny lediglich an und erledigte schweigend seine Arbeit. Er musste hier weg, bevor ihn sein monotoner Job völlig abstumpfte. Zumindest lenkte er ihn ein bisschen ab.

Er hatte Annika seit der Silvesternacht nicht mehr gesehen. Ein paar Mal hatte er sie angerufen, doch sie hatte ihn jedes Mal weggedrückt. Es tat immer noch weh …

»Erlandsson, du hilfst vorn bei der Essensausgabe«, ordnete Ronny eine halbe Stunde später an.

Jon zuckte gleichgültig mit den Schultern und kam der Aufforderung nach, obwohl das, nicht zu seinen Aufgaben gehörte. Er war Koch, aber das, was er hier zubereitete, hatte auch kaum etwas mit Kochen zu tun.

Alle Tische in der Kantine waren besetzt. Jon wunderte sich nicht zum ersten Mal darüber, dass sich so viele Menschen mit aufgewärmtem Convenience Food zufriedengaben. Niemand beachtete ihn, als er die Teller der Menschen füllte, die am Tresen vorbeizogen. Alle waren so sehr von ihrer Wichtigkeit erfüllt, von den Nachrichten, die wöchentlich in den hier produzierten Boulevardzeitungen standen.

In seiner Pause schrieb er eine SMS an Sten: Ich suche heute noch einmal nach dem Ring. Kommst du mit?

Sten antwortete sofort: Tut mir leid, aber ich habe einen neuen Auftrag. Ich brauche das Geld!

Kein Problem!, schrieb er zurück.

Sten arbeitete freiberuflich als Software-Entwickler und verbrachte unendlich viel Zeit vor dem Computer. Für Jon war das unvorstellbar, ebenso wie ein ganzes Arbeitsleben in der Kantine. Stumpf erledigte er seinen Job, bis er endlich Feierabend hatte.

»Was machst du da?«

Er kannte die Stimme nur zu gut. Langsam drehte er sich um. Annika stand vor ihm, in ihren Augen lag etwas Lauerndes.

»Ich suche den Verlobungsring«, beantwortete er ihre Frage.

»Er ist weg? Bist du ganz sicher, dass du ihn verloren hast?«, fragte sie mit einem süffisanten Lächeln.

»Ich habe ihn weggeworfen«, gab Jon zu. »Ich war wohl …«, er stockte kurz, bevor er fortfuhr, »… ein wenig enttäuscht.« Das war die Untertreibung des Jahrhunderts, aber selbst er besaß noch einen Hauch von Stolz und war nicht bereit zuzugeben, wie sehr sie ihn verletzt hatte. So sehr, dass es ihn jetzt überraschte, wie wenig ihn die unerwartete Begegnung berührte.

»Und jetzt brauchst du ihn wieder?« Sie grinste amüsiert. »Hast du eine neue Freundin?«

»Nein. Ich will zurück an den Siljansee.« Jon war jetzt richtig wütend. »Zurückgeben kann ich den Ring ja nicht, nachdem er monatelang hier herumlag. Aber ich kann ihn verkaufen. Immerhin hat mich das verdammte Ding zwei Monatsgehälter gekostet.«

Er hörte, wie sie Luft holte, und sah die Gier in ihrem Blick. »Wow!«, stieß sie hervor und grinste selbstgefällig. Jon hatte das Gefühl, dass der Wert des Ringes sie regelrecht erfreute. Es versetzte sie offensichtlich in Hochstimmung, dass er so viel Geld für sie ausgegeben hatte. Was ihn nur in seiner Annahme bestätigte, dass es ihr eigentlich nie um ihn gegangen war. Der zurückgewiesene Heiratsantrag, all die unbeantworteten Anrufe … »Hast du mich eigentlich je geliebt?«, stellte er die Frage, die ihn in den letzten Monaten beschäftigt hatte.

»Es war ganz nett mit dir, aber im Grunde bist du ein schrecklicher Langweiler. Ich habe dir nie etwas vorgemacht. Du hast gewusst, dass ich nach Stockholm wollte, um hier Karriere zu machen.« Sie stellte sich in Pose und reckte das Kinn. »Ich habe hier übrigens gleich ein Fotoshooting.«

Das erklärte immerhin, wieso sie auf dem Monteliusvägen war.

»Ich weiß immer noch nicht, wie deine sogenannte Karriere aussehen soll. Du warst Zimmermädchen. Das ist ein guter, ehrlicher Job und …«

Sie unterbrach ihn mit einem freudlosen Lachen. »Ich weiß, dass dir das genügt. Mir aber nicht!«

Jon schnaubte. »Warum hast du mir das nicht gesagt, bevor ich alles für dich aufgegeben habe, um mit dir nach Stockholm zu ziehen?«

Annika lächelte geziert. »Du wolltest doch unbedingt mitkommen.«

»Weil ich dachte, dass wir uns lieben!«

Annika holte tief Luft, doch bevor sie etwas sagen konnte, tauchte ein Mann in schwarzer Kleidung auf. Seine blonden Haare fielen zum Pferdeschwanz gebunden lang über seine Schulter. In der Hand hielt er eine teure Kamera.

»Arvid!« Annika freute sich sichtlich, ihn zu sehen.

»Das ist Arvid. Er ist Fotograf«, stellte sie ihn sofort Jon vor. »Und das ist Jon. Ein Bekannter.«

Dass sie ihn als Bekannten präsentierte, schmerzte Jon fast ebenso wie ihre Reaktion auf seinen Heiratsantrag.

Jon nickte Arvid knapp zu. »Wir kennen uns.«

Er schaute ihn überrascht an. »Tut mir leid, ich kann mich nicht erinnern.«

»Ich koche in der Kantine des Medienhauses in der Vasagatan«, erklärte Jon. »Ich habe dich da schon ein paar Mal gesehen«, fügte er hinzu.

»Ach so!« Arvid verlor augenblicklich das Interesse und wandte sich Annika zu. Er musterte sie von Kopf bis Fuß und schnalzte anerkennend mit der Zunge. »Du siehst toll aus! Lass uns anfangen.«

Annika nickte Jon zum Abschied lediglich kurz zu, dann konzentrierte sie sich ausschließlich auf Arvid.

»Frauen!«, stieß Sten abfällig hervor, nachdem Jon ihm von der Begegnung erzählt hatte.

Sten war sein bester Freund, aber eigentlich wusste Jon ziemlich wenig von ihm, seit sich ihre Wege vor ein paar Jahren getrennt hatten. Sten war vor fünf Jahren nach Stockholm gezogen, auch wegen einer Frau. Er sprach nie darüber, was passiert war und wieso er und diese Frau sich getrennt hatten. Jon kannte nicht einmal ihren Namen. Jetzt schämte er sich ein wenig, weil er sich in den vergangenen Jahren kaum um seinen Freund gekümmert hatte.

»Das kannst du laut sagen. Irgendwie haben wir beide offenbar kein Händchen dafür.« Jon seufzte. »Was ist eigentlich bei dir damals passiert?«, wagte er dann zu fragen.

Sten zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, irgendwie war es nach kurzer Zeit vorbei.«

»Vielleicht sitzt du einfach zu viel am PC.« Jon sah sich in dem großen Raum um, der eigentlich als Wohnzimmer gedacht war. Mitten im Zimmer standen zwei Schreibtische aneinandergerückt. Darauf waren drei große Monitore und zwei aufgeklappte Notebooks platziert. Sten umrundete die Tische gern auf seinem Schreibtischstuhl, um von einem PC zum nächsten zu gelangen.

An der Längswand stand ein altes Sofa, auf dem Jon jetzt Platz genommen hatte. Mehr Möbel gab es in diesem Raum nicht.

»Und besonders gemütlich ist es hier auch nicht«, fügte Jon hinzu.

Sten hob nun ebenfalls den Kopf und schaute sich um. »Ich habe auch schon überlegt, ob ich mir einen Eimer Farbe besorgen soll.«

Jon musste lachen. »Ich fürchte, ein bisschen Farbe reicht da nicht.«

Sten zuckte mit den Schultern. »Ich fühle mich hier sehr wohl.«

»Du bist ja auch ein unverbesserlicher Nerd.«

In diesem Augenblick wurde die Tür, die nur angelehnt war, aufgestoßen, und Stens Kater Curt huschte lautlos ins Zimmer, sprang aufs Sofa und enterte die Rückenlehne. Er duckte sich ein wenig, als er zu Jon schlich und wenige Schritte vor dessen Kopf in Lauerstellung ging.

Jon fand den Kater unheimlich. Jedes Mal, wenn er Jon besuchte, hatte er das Gefühl, dass Curt mit seinen Besuchen nicht einverstanden war.

Curt war das Ergebnis der kurzen Unaufmerksamkeit einer Ragdoll-Züchterin. Ein ganz gewöhnlicher Hauskater hatte sich in ihr Haus geschlichen, ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als ihre preisgekrönte Ragdoll rollig und in der Wahl ihres Liebhabers nicht besonders wählerisch war.

Herausgekommen war Curt. Ein Einzelkind, eher eine Seltenheit bei Katzengeburten, aber dennoch höchst unwillkommen. Vielleicht hatte er sich deshalb zu einem äußerst unfreundlichen Zeitgenossen entwickelt, vielleicht lag es aber auch einfach in seiner Natur, dass er Menschen nicht besonders mochte.

Er war groß. Größer als jede Katze, die Jon jemals gesehen hatte. Der Makel seiner Abstammung war ihm nicht anzusehen, er sah aus wie seine Mutter. Helles, buschiges Fell, das ihn noch wuchtiger aussehen ließ. Die Beine und der Schwanz waren dunkel gefärbt, ebenso die Ohren und das Gesicht, in dem seine tiefblauen Augen förmlich leuchteten. Der Kater fixierte Jon und ließ ein leises Grollen hören.

»Kannst du dieses Vieh bitte aussperren, bevor es mich angreift?«

»Quatsch«, sagte Sten grob von seinem Schreibtischstuhl aus. »Ragdolls sind für ihr sanftes und freundliches Wesen bekannt.«

»Curt scheint das nicht zu wissen.« Jon erhob sich vorsichtshalber, als der Kater jetzt mit dem Schwanz peitschte. Er hatte gelesen, dass dies bei Katzen kein Zeichen von Freundlichkeit war.

Curt enterte augenblicklich den Platz, auf dem Jon gesessen hatte. Sein Blick wirkte jetzt hochmütig und triumphierend.

Jon nahm an der anderen Seite des Sofas Platz. Sofort erhob sich Curt und schritt drohend auf ihn zu.

»Vergiss es!«, zischte Jon ihn an. »Diesmal bleibe ich sitzen.«

Als hätte Curt seine Worte verstanden, drehte er um und stolzierte zurück zur anderen Sofaseite. Dort legte er sich nieder, ließ Jon aber nicht aus den Augen. Hin und wieder stieß er ein leises Grollen aus, während sein Schwanz unablässig hin und her peitschte.

Jon runzelte die Stirn. »Vielleicht klappt dein Liebesleben besser, wenn du diese Bestie loswirst.«

»Bei dir klappt es doch auch ohne Kater nicht«, konterte Sten trocken. »Ich werde mich niemals von Curt trennen. Er ist das einzige Lebewesen, das immer für mich da ist.«

Jon starrte ihn betroffen an. Die Worte zeigten deutlich, wie einsam Sten im Grunde war, und Jon nahm sich fest vor, sich in Zukunft mehr um seinen Freund zu kümmern. Sie konnten so viel miteinander unternehmen …

Aber was? Welche Gemeinsamkeiten gab es noch zwischen ihnen? Sten betrieb keinen Sport, dafür aß er gerne. Und wenn er auch nicht unbedingt dick war, so war ihm diese Vorliebe deutlich anzusehen.

»Was hältst du davon, heute Abend mit mir in einen Club zu gehen?«, schlug Jon vor.

Sten schaute ihn überrascht an. »Was soll ich denn da?«.

»Abhängen, das Leben genießen, ein bisschen tanzen«, zählte Jon auf. »Und vielleicht lernen wir ein paar nette Mädels kennen, die uns unseren Liebeskummer vergessen lassen.«

»Ich kann nicht tanzen«, lehnte Sten ab. »Und Liebeskummer habe ich schon lange nicht mehr.«

»Dann lass uns einfach nur miteinander Spaß haben.«

Sten hob abwehrend die Hände. »Ich mag keine Clubs, das ist nichts für mich. Außerdem ist heute Montag!«

So leicht gab Jon sich nicht geschlagen. »Wie wäre es dann mit Sport? Joggen, schwimmen …«

»Kino!«, fiel Sten ihm ins Wort. »Lass uns ins Kino gehen, wenn du unbedingt etwas mit mir unternehmen willst.«

Jon war sofort einverstanden. Er liebte Actionfilme und Science-Fiction.

Sten machte sich im Internet auf die Suche und fand einen Actionfilm, den sie beide sehen wollten. Allerdings lief der erst am Donnerstag an, was Sten nach eigener Aussage ganz recht war. Er gestand Jon, dass er heute keine Lust mehr hatte, seine Wohnung zu verlassen.

Jon hob mahnend den Zeigefinger. »Keine Hoffnung – ich werde unsere Verabredung bis Donnerstag nicht vergessen haben. Ich hole dich pünktlich um 19 Uhr ab.«

Kapitel 3

»Stockholm ist sooo toll!« Ann flog Eva um den Hals. »Wie konntest du da wegziehen?«

»Ich habe mich in deinen Vater verliebt.« Eva drückte ihre Tochter fest an sich. »Schön, dass du wieder zu Hause bist. Wir haben dich vermisst.«

»Ich nicht!«, war Lottas Stimme zu hören. Das Mädchen hatte ihre Arme vor der Brust verschränkt und schaute Ann finster an. In ihrem Gesicht war keine Spur von Wiedersehensfreude zu erkennen.

Pentii dachte eher praktisch. »Hast du mir was mitgebracht?«

Ann löste sich aus Evas Umarmung. »Ich habe euch beiden etwas mitgebracht, aber Geschenke gibt es nur für Geschwister, die sich freuen, weil ich wieder zu Hause bin.«

»Ich freue mich«, behauptete Pentii mit unbewegter Miene. »Was hast du mir denn mitgebracht?«

Lotta sagte kein Wort. Sie reckte stur das Kinn in die Höhe und blickte ihre Schwester herausfordernd an.

Ann stemmte die Hände in die Hüften. »Du freust dich also überhaupt nicht? Soll ich wieder verschwinden?«

»Nimmst du mein Geschenk dann mit?« Pentii blickte seine große Schwester ängstlich an.

Ann lachte und lief zur Tür, wo sie ihren Rucksack achtlos auf den Boden geworfen hatte. Sie kramte eine Weile darin herum, zog Kleidungsstücke heraus, die sie auf den Boden fallen ließ, und zog schließlich ein Päckchen hervor, das sie ihrem Bruder reichte. »Für dich.«

Pentii zog das Papier darum ab und riss beim Anblick der Verpackung vor Freude die Augen weit auf. »Ein Angelspiel! Das habe ich mir so gewünscht.«

»Ich weiß.« Ann ging vor ihrem Bruder in die Hocke. In ihrem Gesicht lag all die Zuneigung, die sie für den Kleinen empfand. »Ich habe das in einem Stockholmer Spielwarengeschäft gesehen und es sofort für dich gekauft.«

Eva beobachtete, dass Lotta jetzt angespannt wirkte. Sie war sicher, dass sie eifersüchtig war, und empfand Mitleid mit ihr, weil sie so einsam und verloren dastand. Doch Lottas Miene blieb unbewegt, selbst als Ann ihr zulächelte und ihr damit zu verstehen gab, dass sie nicht wirklich böse auf sie war.

Ann erhob sich und kramte erneut in ihrem Rucksack, aus dem sie nach kurzer Zeit ein weiteres Päckchen hervorzog. Sie reichte es Eva. »Ich habe dir auch etwas mitgebracht«, sagte sie.

Eva freute sich. Das Päckchen fühlte sich weich an, wie ein Stück Stoff. Als sie es öffnete, befand sich darin ein Seidentuch in changierenden Grüntönen.

»Das ist wundervoll!« Eva legte sich das Tuch gleich um.

»Und es passt ganz toll zu deinen grünen Augen.« Ann klatschte begeisterte in die Hände. »Elin hat das gleiche Tuch in Blau für Astrid gekauft.«

»Vielen Dank, ich freue mich sehr.« Eva umarmte ihre Tochter und flüsterte ihr dabei ins Ohr: »Sei bitte nicht so hart mit Lotta.«

Ann nickte ihr lächelnd zu, als Eva sie losließ, und ging ein drittes Mal zu ihrem Rucksack. »Ich hab natürlich auch was für eine kleine Schwester, die sich nicht darüber freut, dass ich wieder zu Hause bin.«

Lottas Miene entspannte sich trotz des Seitenhiebs und sie ließ ihre Arme, die sie immer noch vor der Brust verschränkt hatte, sinken. Ihre Augen strahlten auf, als sie sah, was Ann für sie gekauft hatte.

»Ein Kätzchen!« Glücklich schloss sie die kleine Plüschkatze in ihre Arme.

»Das war auch eingepackt«, sagte Ann, »aber das Geschenkpapier ist zerrissen und hat sich gelöst.«

»Das ist egal.« Lotta umschlang Anns Hüfte mit beiden Armen. »Jetzt freue ich mich doch ein bisschen, dass du wieder da bist.«

Ann strich ihrer Schwester über den Kopf. »Ich weiß«, sagte sie leise.

Eva wusste, dass sie ihre kleinen Geschwister von ganzem Herzen liebte. In der ersten Zeit nach Svens Tod waren es oft die Zwillinge gewesen, die ihr selbst und auch Ann die Kraft gaben, den Schmerz auszuhalten. Sven und Eva hatten sich nach Anns Geburt so sehr weitere Kinder gewünscht, doch es hatte nie geklappt. Erst nachdem sie jede Hoffnung aufgegeben hatten, wurde Eva erneut schwanger. Ihre Freude war groß, vor allem, als sie erfuhren, dass sie Zwillinge bekommen würden.

Jetzt ließ Lotta ihre große Schwester los und betrachtete ihre Katze. »Die ist so schön und die bleibt jetzt immer bei mir. Aber ich möchte ja noch lieber eine echte Katze.« Ihr Blick flog zu Eva.

»Du weißt, dass das nicht geht«, begann Eva. Es tat ihr selbst leid, dass sie ihrer Tochter diesen Herzenswunsch nicht erfüllen konnte. »Aber …«

»… die Gäste«, fielen ihr alle drei Kinder ins Wort.

Eva atmete tief durch. »Ich würde dir so gern ein Kätzchen schenken«, sagte sie zu Lotta. »Aber Frau Öberg leidet an einer schlimmen Tierhaarallergie.«

Camilla Öberg gehörte zu einer Gruppe von Bewohnern eines Altenheims in Nacka, die seit Jahren jeden Frühsommer im Hotel Berglund verbrachte. Das Hotel lebte von den Stammgästen, die jedes Jahr bei ihr einkehrten, und Eva konnte es sich nicht leisten, einen von ihnen zu verlieren. Obwohl es ihr finanziell inzwischen weitaus besser ging, seit sie ein zweites Leben als Mikael Käkelä führte.

»Ist schon gut, Mama«, gab Lotta großmütig nach. »Frau Öberg ist ja schon alt. Kriege ich eine Katze, wenn sie tot ist?«

Eva setzte zu einer Antwort an, doch in diesem Moment kam Astrid ins Zimmer. Sie trug ihr blaues Halstuch und lachte, als sie das Tuch von Eva sah. Gleich darauf wurde ihre Miene jedoch ernst.

»Ich habe gerade einen Anruf bekommen: Monica und Ove Jönsson kommen schon am Samstag!«

Eva erschrak. »Aber die kommen doch sonst immer erst im August!«

»Ja, aber Ove muss sich von einem Herzinfarkt erholen, und das kann er am besten hier. Deshalb kommen sie schon jetzt. Für sechs Wochen. Monica hat mir mitgeteilt, dass ihr Mann sehr viel Ruhe braucht.«

»Dann kommt er am besten allein«, entfuhr es Eva.

Astrid schmunzelte. »Das war auch mein erster Gedanke.«

Eva seufzte. »Vor uns liegen anstrengende Wochen.«

»Sieh es positiv«, riet ihr Astrid. »Dann haben wir den Putzteufel Monica für dieses Jahr hinter uns. Und genug Erfahrungen gesammelt für den Umgang mit Mats und Jimmy. Die haben ab Juni gebucht.«

»Party!«, rief Ann sofort fröhlich.

»Auf keinen Fall!« Astrid schaute ihre Nichte streng an. »Ich habe den beiden unmissverständlich klargemacht, dass ich sie sofort aus dem Haus werfe, wenn sich die Vorfälle des vergangenen Jahres wiederholen.«

Die Studenten hatten die vergangenen Semesterferien als eine nicht enden wollende Party betrachtet, die für sehr viel Unruhe im Hotel Berglund gesorgt hatte. Es hatte Eva und Astrid viel Anstrengung gekostet, die anderen Gäste zu beschwichtigen und die ständig betrunkenen Studenten in Schach zu halten.

»Ich habe den beiden hier im Haus ein striktes Alkoholverbot erteilt und ihnen gesagt, dass sie sofort rausfliegen, wenn sich ein Gast durch sie gestört fühlt.«

»Warum hast du ihre Buchung überhaupt angenommen?«, fragte Eva unzufrieden. »Eigentlich hatten wir doch beschlossen, nie wieder Studenten aufzunehmen. Insbesondere nicht die beiden.«

»Ich hatte ja zuerst auch abgelehnt«, erwiderte Astrid zerknirscht. »Aber Mats hat auf eine so charmante Art gebettelt, dass ich einfach nicht bei meinem Nein bleiben konnte. Er hat mir versichert, dass er und Jimmy dieses Jahr keinen Alkohol trinken. Jedenfalls nicht hier im Hotel.«

»Du bist viel zu gutmütig«, sagte Eva.

Astrid erwiderte ihr Lächeln. »So wie du.«

»Haben wir weitere Reservierungen?«

»Ein paar.« Astrid seufzte. »Komplett ausgebucht sind wir aber noch nicht. Vielleicht war es doch ein Fehler, Jimmy und Mats zuzusagen. Sie haben uns im vergangenen Jahr sehr geschadet und einige Gäste vergrault.«

»Leider nicht die Gäste, auf die ich im Moment gerne verzichten würde.« Eva dachte an Monica Jönsson und ihren Putztick, der sie alle auf Trab halten würde.

Astrid erriet offenbar ihre Gedanken. »Wir schaffen das schon.« Besonders zuversichtlich klang ihre Stimme allerdings nicht.

Eva liebte diese frühe Stunde am Morgen. Sie hatte das Fenster ihres Büros weit geöffnet und blickte über den See. Schilf und hohe Nadelbäume spiegelten sich in der Wasseroberfläche. Ebenso wie das rötliche Leuchten, mit dem die Sonne den Himmel jetzt gerade überzog. Ein früher Angler saß auf der gegenüberliegenden Seite am Ufer. Nichts war zu hören außer dem Gesang einer Amsel.

Mittlerweile liebte Eva diesen Anblick, er inspirierte und beruhigte sie gleichermaßen. Das war nicht immer so gewesen, schon gar nicht zu Beginn ihrer Zeit hier.

Eva dachte an Stockholm, an die Worte ihrer Tochter. »Wie konntest du da wegziehen?«

Im ersten Jahr, als sie mit Sven hier lebte, hatte sie sich diese Frage immer wieder selbst gestellt. Damals hatte sie sich in das trubelige Stockholm zurückgesehnt, in das schöne Restaurant in Gamla Stan, in dem sie als Köchin gearbeitet hatte. Sie hatte das Großstadtleben vermisst und Angst davor gehabt, dass ihr Heimweh irgendwann ihre Liebe zu Sven zerstören könnte.

Sie hatte Sven von Anfang an im Hotel unterstützt. Damals hatte sie in der Küche gestanden, er kümmerte sich um alles andere. Ihre einzige Hilfe war Svante gewesen, der damals schon in der kleinen Kammer neben der Küche wohnte. Mehr Personal als ihn und Astrid hatten sie sich damals nicht leisten können, weil Sven seinen Bruder Dag auszahlen musste.

Ursprünglich hatte das Hotel beiden Brüdern gehört, aber Dag hatte kein Interesse an dem Familienerbe gezeigt und lieber als Fotograf arbeiten wollen. In dieser Zeit hatte sich die enge Freundschaft zwischen Astrid und Eva entwickelt. Sie wurden gleichzeitig schwanger, ihre Töchter wurden kurz nacheinander geboren, wuchsen miteinander auf und wurden wie ihre Mütter beste Freundinnen. Doch während für Sven nichts wichtiger war als seine kleine Familie, wurde es Dag in Torsby zu eng. Ihn zog es immer wieder weg.

Eva wusste, wie sehr Astrid darunter gelitten hatte. Sie hatte allerdings nie geklagt und schien nur darauf zu warten, dass Dag irgendwann erkannte, wo sein Platz war.

Vor acht Jahren kam Dag dann zum letzten Mal nach Hause. Kurz und bündig teilte er Astrid mit, dass er die Liebe seines Lebens gefunden habe und sich scheiden lassen wollte.

Eva erinnerte sich nur zu gut an diese Zeit. Astrid brach vollends zusammen. Sie hatte Dag geliebt, seine Entscheidung traf sie hart und überraschend, und es kostete sie sehr viel Kraft, in ihren normalen Alltag zurückzukehren.

Eva und Sven kümmerten sich um sie, ihre Freundschaft wurde dadurch noch enger. Als dann Jahre später dieser schreckliche Unfall passierte, war Astrid für Eva da.

Eva schloss mit einem tiefen Seufzer das Fenster und setzte sich an den Schreibtisch. Sie wollte sich nicht in diesem besonders schmerzlichen Teil ihrer Erinnerungen verlieren. Eigentlich hatte sie diese ruhige Zeit des Tages nutzen wollen, um sich Gedanken zu neuen Krimis zu machen. Als sie ihren Computer einschaltete, fand sie sofort eine Nachricht von Linn. Nicht vergessen: Mikael Käkelä braucht eine Autorenseite!

»Kein Problem«, sprach Eva ironisch zu sich selbst. »Ich muss nur eben erst noch ein paar Bestseller des Herrn Käkelä konstruieren.«

Sie hatte eine vage Idee im Kopf, die sich aber nicht richtig festzurren ließ. Sie dachte an ihre Lektorin, die ihr zum wiederholten Male geraten hatte, die Handlung, Personenschilderung, Zeitschiene eines neuen Buches mithilfe von Listen zu strukturieren, weil dies angeblich die Arbeit enorm erleichterte. Eva beschloss, diese Methode zumindest einmal zu versuchen. In Gedanken brachte sie ihr Opfer, einen unsympathischen Immobilienhändler, um. Aber wie?

Sie notierte diese Frage handschriftlich auf einem Blatt, überlegte weiter. Zwischendurch dachte sie darüber nach, was sie den Kindern am Abend kochen könnte. Kartoffel-Lachs-Salat, schoss es ihr durch den Kopf. Eilig notierte sie die Zutaten, die sie dafür noch einkaufen musste.

Wie bringe ich Jerker um?, las sie kurz darauf. Kartoffeln, stand gleich daneben.