Eine Studie in Scharlachrot - Arthur Conan Doyle - kostenlos E-Book

Eine Studie in Scharlachrot E-Book

Arthur Conan Doyle

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Beschreibung

Manche Bücher sind so furchtbar, dass man sie nicht alleine lesen sollte.   Die Autoren von Die schlechtesten Bücher aller Zeiten begleiten Sie deshalb mit beißenden Kommentaren auf Ihrem schweren Weg durch die schlimmsten Klassiker der Schund- und Weltliteratur – was verblüffend oft dasselbe ist.   Doktor John Watson erzählt, wie er einem selbstverliebten Kotzbrocken namens Sherlock Holmes dabei hilft, Verbrechen aufzuklären. Erleben Sie verblüfft, wie Holmes mit seinen Schlussfolgerungen immer recht hat, auch wenn sie noch so willkürlich sind. Überspringen Sie die zweite Hälfte des Buchs, die vollkommen überflüssig ist. Und stellen Sie genervt fest, dass die Geschichte genauso hirnverbrannt ist wie der Titel. Dieses eBook enthält den kompletten Text des Originals. Leider.

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Die schlechtesten Bücher aller Zeiten

Band 3

Arthur Conan Doyle

Eine Studie in

Scharlachrot

kommentiert von

Falko Rademacher

Copyright für die Kommentare

© 2017 by Falko Rademacher, 13597 Berlin

Die schlechtesten Bücher aller Zeiten

Band 1

Edgar Wallace – Der Hexer

Band 2

Franz Kafka – Die Verwandlung

Band 3

Arthur Conan Doyle – Eine Studie in Scharlachrot

Inhalt

Vorwort

Aus Watsons Erinnerungen

Sherlock Holmes

Die Kunst der Schlussfolgerung

Brixton Street Nummer drei

Was uns John Rance erzählte

Wir bekommen Besuch

Tobias Gregsons große Taten

Es kommt Licht in das Dunkel

Im Lande der Heiligen

Auf der großen Alkali Ebene

Die Blume von Utah

John Ferrier spricht mit dem Propheten

Eine Flucht auf Leben und Tod

Die Würgengel

Fortsetzung von Dr. Watsons Erinnerungen

Schluss

Nachwort

Vorwort

Sir Arthur Conan Doyle war ein blödes Arschloch.

Das mag etwas harsch klingen, aber um dieses Statement zu illustrieren, seien hier nur mal ein paar kurze Einsichten in das Seelenleben dieses stinkenden Rosettenolms geliefert:

Doyle lieferte sich mal eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem Illusionisten Houdini, mit dem er zuvor lange Zeit befreundet gewesen war. Doyle bestand darauf, dass Houdini übernatürlich begabt war, während der Illusionist selber offen erklärte, einfach nur Tricks einzusetzen. Es bedarf schon eines besonderen Grades an bornierter Verbohrtheit, um jemandem einreden zu wollen, er sei spiritistisch begabt, während der erklärt, überhaupt nicht an so was zu glauben. Doyle glaubte übrigens auch an Feen.

Doyle nahm freiwillig am Burenkrieg in Südafrika teil, weil er ein Vorbild sein wollte für junge Männer, die vielleicht auch mal ein paar Leute umbringen wollten, um ihrem Land die Hoheit über einige Goldminen zu sichern. Die Briten hatten, wie es so ihre Art war, Felder verwüstet, Brunnen vergiftet, Frauen vergewaltigt, grausame Dum-Dum-Geschosse eingesetzt und Konzentrationslager errichtet (die Briten selbst nannten sie „concentration camps“), in denen mindesten 25.000 Menschen starben, darunter viele Kinder. Arthur Conan Doyle fand das alles klasse, und er sang ein Loblied auf den Burenkrieg in einem Pamphlet voller Lügen, das die skeptische Haltung der britischen Bevölkerung zu dem ganzen Krieg auflöste. Er war im Wesentlichen der britische Joseph Goebbels. Und dafür bekam er seinen Ritterschlag, nicht für Sherlock Holmes.

Ich erzähle Ihnen das, damit Sie besser verstehen, wieso ich absolut kein Problem damit habe, Werke dieses berühmten Autoren in die Reihe Die schlechtesten Bücher aller Zeiten aufzunehmen. Natürlich weiß ich, dass es einen Unterschied gibt zwischen der schriftstellerischen Begabung eines Menschen und dem Zustand seiner Seele. Ich glaube aber auch, dass es eine Verbindung zwischen diesen beiden Elementen gibt.

Stürzen wir uns also in den Kulturvandalismus und klasten wir diese Ikone. Auf geht’s!

Falko Rademacher

Aus Watsons Erinnerungen

Sherlock Holmes

Im Jahre 1878 hatte ich mein Doktorexamen an der Londoner Universität bestanden und in Nelley den für Militärärzte vorgeschriebenen medizinischen Kursus durchgemacht. Bald darauf ward ich dem fünften Füsilierregiment Northumberland zugeteilt, welches damals in Indien stand. Bevor ich jedoch an den Ort meiner Bestimmung gelangte, brach der zweite afghanische Krieg aus,

Ja, er „brach aus“, indem die Briten einmarschierten. Was ist das eigentlich mit diesem riesigen Haufen Steine und Dreck, dass immer wieder drum gekämpft wird? Warum gab es nie einen Schweiz-Krieg? Fragt der Deutsche hier ganz unschuldig...

und bei meiner Landung in Bombay erfuhr ich, mein Regiment sei bereits durch die Gebirgspässe marschiert und weit in Feindesland vorgedrungen. In Gesellschaft mehrerer Offiziere, die sich in gleicher Lage befanden, folgte ich meinem Corps, erreichte dasselbe glücklich in Kandahar und trat in meine neue Stellung ein.

Der Feldzug, in welchem andere Ehre und Auszeichnungen fanden, brachte mir indessen nur Unglück und Misserfolg.

Ja? Wurdest du auch erschossen? Oder ereilte nur zigtausend andere dieser „Misserfolg“?

Gleich in der ersten Schlacht zerschmetterte mir eine Kugel das Schulterblatt und ich wäre sicherlich den grausamen Ghazi in die Hände gefallen, hätte mich nicht Murray, mein treuer Bursche, rasch auf ein Packpferd geworfen und mit eigener Lebensgefahr mit sich geführt, bis wir die britische Schlachtlinie erreichten.

Merke: Die anderen sind „grausam“, die Briten sind tapfer. Wenn sie Leute ermorden, nachdem sie in ihr Land eingedrungen sind und die Einheimischen es wagen, sich dagegen zu wehren.

Lange lag ich krank, und erst nachdem ich mit einer großen Anzahl verwundeter Offiziere in das Hospital von Peshāwar geschafft worden war, erholte ich mich allmählich von den ausgestandenen Leiden; ich war bereits wieder so weit, dass ich in den Krankensälen umhergehen und auf der Veranda frische Luft schöpfen durfte. Da befiel mich unglücklicherweise ein Entzündungsfieber und zwar mit solcher Heftigkeit, dass man monatelang an meinem Wiederaufkommen zweifelte. Als endlich die Macht der Krankheit gebrochen war und mein Bewusstsein zurückkehrte, befand ich mich in solchem Zustand der Kraftlosigkeit, dass die Ärzte beschlossen, mich ohne Zeitverlust wieder nach England zu schicken. Einen Monat später landete ich mit dem Truppenschiff ›Orontes‹ in Portsmouth; meine Gesundheit war völlig zerrüttet, doch erlaubte mir eine fürsorgliche Regierung, während der nächsten neun Monate den Versuch zu machen, sie wiederherzustellen.

Die fürsorgliche Regierung lässt ihre Veteranen nicht auf der Straße krepieren. Das ist ja schon fast zu viel der Barmherzigkeit.

Verwandte besaß ich in England nicht; ich beschloss daher, mich in einem Privathotel einzuquartieren. Mein tägliches Einkommen belief sich auf elf und einen halben Schilling und da ich zuerst nicht sehr haushälterisch damit umging, machten mir meine Finanzen bald große Sorge. Ich sah ein, dass ich entweder aufs Land ziehen oder meine Lebensweise in der Hauptstadt völlig ändern müsse.

Da ich letzteres vorzog, sah ich mich genötigt, das Hotel zu verlassen und mir eine anspruchslosere und weniger kostspielige Wohnung zu suchen.

So geht es den Londonern übrigens heute noch. Verdammte Gentrifizierung.

Während ich noch hiermit beschäftigt war, begegnete ich eines Tages auf der Straße einem mir bekannten Gesicht, ein höchst erfreulicher Anblick für einen einsamen Menschen wie mich in der Riesenstadt London. Ich hatte mit dem jungen Stamford während meiner Studienzeit verkehrt, ohne dass wir einander besonders nahe getreten waren, jetzt aber begrüßte ich ihn mit Entzücken, und auch er schien sich über das Wiedersehen zu freuen. Bald saßen wir in einer nahen Restauration zusammen bei einem Glase Wein und tauschten unsere Erlebnisse aus.

»Was in aller Welt ist denn mit dir geschehen, Watson?« fragte Stamford verwundert, »du siehst braun aus wie eine Nuss und bist so dürr wie eine Bohnenstange.«

Und du siehst aus, als wärst du in einer Abwassergrube verrottet.

Ich gab ihm einen kurzen Abriss meiner Abenteuer und er hörte mir teilnehmend zu.

»Armer Kerl,« sagte er mitleidig, »und was gedenkst du jetzt zu tun?«

»Ich bin auf der Wohnungssuche,« versetzte ich; »es gilt die Aufgabe zu lösen, mir um billigen Preis ein behagliches Quartier zu verschaffen.«

»Wie sonderbar,« rief Stamford; »du bist der zweite Mensch, der heute gegen mich diese Äußerung tut.«

»Und wer war der erste?«

»Ein Bekannter von mir, der in dem chemischen Laboratorium des Hospitals arbeitet. Er klagte mir diesen Morgen sein Leid, dass er niemand finden könne, um mit ihm gemeinsam ein sehr preiswürdiges, hübsches Quartier zu mieten, das für seinen Beutel allein zu kostspielig sei.«

»Meiner Treu,« rief ich, »wenn er Lust hat, die Kosten der Wohnung zu teilen, so bin ich sein Mann. Ich würde weit lieber mit einem Gefährten zusammenziehen, statt ganz allein zu hausen.«

Stamford sah mich über sein Weinglas hinweg mit bedeutsamen Blicken an. »Wer weiß, ob du Sherlock Holmes zum Stubengenossen wählen würdest, wenn du ihn kenntest,« sagte er.

»Ist denn irgendetwas an ihm auszusetzen?«

Er furzt ununterbrochen.

»Das will ich nicht behaupten. Er hat in mancher Hinsicht eigentümliche Anschauungen und schwärmt für die Wissenschaft. Im Übrigen ist er ein höchst anständiger Mensch, soviel ich weiß.«

»Ein Mediziner vermutlich?«

»Nein – ich habe keine Ahnung, was er eigentlich treibt. In der Anatomie ist er gut bewandert und ein vorzüglicher Chemiker. Aber meines Wissens hat er nie regelrecht Medizin studiert. Er ist überhaupt ziemlich überspannt und unmethodisch in seinen Studien, doch besitzt er auf verschiedenen Gebieten eine Menge ungewöhnlicher Kenntnisse, um die ihn mancher Professor beneiden könnte.«

Zum Beispiel diese Salbe, die den Penis vergrößert. Und ihn dann explodieren lässt.

»Hast du ihn nie nach seinem Beruf gefragt?«

»Nein – er ist kein Mensch, der sich leicht ausfragen lässt; doch kann er zuweilen sehr mitteilsam sein, wenn ihm gerade danach zu Mute ist.«

»Ich möchte ihn doch kennen lernen,« sagte ich; »ein Mensch, der sich mit Vorliebe in seine Studien vertieft, wäre für mich der angenehmste Gefährte. Bei meinem schwachen Gesundheitszustand kann ich weder Lärm noch Aufregung vertragen. Ich habe beides in Afghanistan so reichlich genossen, dass ich für meine Lebenszeit genug daran habe. Bitte, sage mir, wo ich deinen Freund treffen kann.«

»Vermutlich ist er jetzt noch im Laboratorium. Manchmal lässt er sich dort wochenlang nicht sehen und zu anderen Zeiten bleibt er wieder von früh bis spät bei der Arbeit. Wenn es dir recht ist, suchen wir ihn zusammen auf.«

Ich willigte mit Freuden ein und wir machten uns sogleich auf den Weg nach dem Hospital.

»Du darfst mir aber keine Vorwürfe machen, wenn ihr nicht miteinander auskommt,« sagte Stamford, als wir in die Droschke stiegen; »ich möchte dir weder zu- noch abraten.«

»Wenn wir nicht zu einander passen, können wir uns ja leicht wieder trennen. Deine Vorsicht scheint mir fast übertrieben, es muss noch etwas anderes dahinter stecken. Heraus mit der Sprache, was hast du gegen den Menschen einzuwenden?«

Er furzt ununterbrochen.

»Nichts, gar nichts; er ist nur nach meinem Geschmack seiner Wissenschaft allzu sehr ergeben. – Das grenzt schon an Gefühllosigkeit. Ich halte es nicht für undenkbar, dass er einem guten Freunde eine Priese des neuesten vegetabilischen Alkaloids eingeben würde – nicht etwa aus Bosheit, nein, aus Forschungstrieb – um die Wirkung genau zu beobachten. Ebenso gern würde er freilich die Probe an sich selber machen, die Gerechtigkeit muss man ihm widerfahren lassen. Überhaupt ist Klarheit und Genauigkeit des Wissens seine größte Leidenschaft; aber zu welchem Zweck er alle seine Studien betreibt, weiß der liebe Himmel.«

Vor dem Hospital angekommen, stiegen wir aus, gingen ein Gässchen hinunter und traten durch eine Tür in den Nebenflügel des weitläufigen Gebäudes. Hier war mir alles wohl bekannt und ich brauchte keinen Führer mehr. Es ging die kahle Steintreppe hinauf, durch den langen, weißgetünchten Korridor, mit den Türen auf beiden Seiten, an den sich der niedrige Bogengang anschloss, welcher nach dem chemischen Laboratorium führte.

In dem großen Saal, den wir betraten, waren sämtliche Tische mit Retorten, Reagenzgläsern und kleinen Weingeistlampen besetzt, während rings an den Wänden und überhaupt, wohin man blickte, Flaschen von allen Größen und Formen umherstanden. Wir dachten zuerst, der Raum sei leer, bis wir an dem andern Ende einen jungen Mann gewahrten, der, in seine Beobachtungen versunken, über einen Tisch gebeugt dasaß. Beim Schall unserer Fußtritte blickte er von seinem Experiment aus und sprang mit einem Freudenruf in die Höhe. »Viktoria, Viktoria,« jubelte er, und kam uns, mit der Retorte in der Hand, entgegen. »Ich habe das Reagens gefunden, das sich mit Hämoglobin zu einem Niederschlag verbindet und sonst mit keinem Stoff.«

Er sah so glückstrahlend aus, als hätte er eine Goldmine entdeckt.

Toll, besonders weil man dann wieder mal einen Grund hätte, die dortige Bevölkerung zu massakrieren. Yippieeehh!

»Mein Freund, Doktor Watson – Herr Sherlock Holmes,« sagte Stamford uns einander vorstellend.

»Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen,« erwiderte Holmes in herzlichem Ton und mit kräftigem Händedruck. »Sie kommen aus Afghanistan, wie ich sehe.«

Ich blickte ihn verwundert an. »Wieso wissen Sie denn das?«

»O, das tut nichts zur Sache,« rief er, sich vergnügt die Hände reibend; »ich denke jetzt nur an Hämoglobin. Sicherlich werden Sie die Tragweite meiner Erfindung begreifen.«

»Es mag wohl als chemisches Experiment sehr interessant sein, aber für die Praxis –«

»Gerade in der Praxis ist es von größter Wichtigkeit für die Gerichtschemie, weil es dazu dient, das etwaige Vorhandensein von Blutflecken zu beweisen. – Bitte, kommen Sie doch einmal her.« In seinem Eifer ergriff er meinen Rockärmel und zog mich nach dem Tische hin, an welchem er experimentiert hatte. »Wir müssen etwas frisches Blut haben,« sagte er und stach sich mit einer großen Stopfnadel in den Finger, worauf er das herabtropfende Blut in einem Saugröhrchen auffing. »Jetzt mische ich diese kleine Blutmenge mit einem Liter Wasser – das Verhältnis ist etwa wie eins zu einer Million – und die Flüssigkeit sieht ganz aus wie reines Wasser. Trotzdem wird sich, denke ich, die gewünschte Reaktion herstellen lassen.« Er hatte, während er sprach, einige weiße Kristalle in das Gefäß geworfen und goss jetzt noch mehrere Tropfen einer durchsichtigen Flüssigkeit hinzu. Sofort nahm das Wasser eine dunkle Färbung an und ein bräunlicher Niederschlag erschien auf dem Boden des Glases.

Und das, meine Damen und Herren, war die Erfindung von Coca-Cola.

»Sehen Sie,« rief er und klatschte in die Hände, wie ein Kind vor Freude über ein neues Spielzeug. »Was sagen Sie dazu?«

»Es scheint mir ein sehr gelungenes Experiment.«

»Wundervoll, wundervoll! Die alte Methode, die Probe mit Guajacum anzustellen, war sehr umständlich und unsicher, die mikroskopische Untersuchung der Blutkügelchen aber ist wertlos, sobald die Flecken ein paar Stunden alt sind. Meine Erfindung wird sich dagegen ebenso gut bei altem wie bei frischem Blut bewähren. Wäre sie schon früher gemacht worden, so hätte man Hunderte von Verbrechern zur Rechenschaft ziehen können, die straflos davongekommen find.«

»Meinen Sie wirklich?«

»Ohne Frage. Bei der Kriminaljustiz dreht sich ja meist alles um diesen einen Punkt. Vielleicht Monate, nachdem die Missetat begangen ist, fällt der Verdacht auf einen Menschen, man untersucht seine Kleider und findet braune Flecke am Rock oder in der Wäsche. Das können Blutspuren sein, aber auch Rostflecke, Obstflecke oder Schmutzflecke. Mancher Sachverständige hat sich darüber schon den Kopf zerbrochen und zwar bloß, weil es an einer zuverlässigen Beweismethode fehlte. Nun man aber das Sherlock Holmessche Mittel besitzt, ist jede Schwierigkeit beseitigt.«

Es sei denn, die Mörder kommen auf die durchgeknallte Idee, ihre Kleidung zu waschen oder wegzuwerfen.

Seine Augen funkelten, während er sprach, er legte die Hand aufs Herz und machte eine feierliche Verbeugung, als sähe er sich im Geist einer Beifall klatschenden Menge gegenüber.

»Da kann man Ihnen ja Glück wünschen,« sagte ich, verwundert über seinen Feuereifer.

»Hätte man die Probe schon letztes Jahr anstellen können,« fuhr er fort, »es wäre dem Mason aus Bradford sicherlich an den Hals gegangen; auch der berüchtigte Müller, sowie Lefevre aus Montpellier und Samson aus New-Orleans wären überführt worden. Ich könnte Ihnen Dutzende von Fällen nennen, bei denen meine Erfindung den Ausschlag gegeben hätte.«

»Sie scheinen ja ein wandelnder Verbrecheralmanach zu sein,« meinte Stamford lachend; »schreiben Sie doch ein Buch über Kriminalstatistik.«

»Das möchte wohl des Lesens wert sein,« erwiderte Holmes, der sich eben ein Pflaster auf den verwundeten Finger klebte. »Ich muss sehr vorsichtig sein,« fügte er erklärend hinzu, »denn ich mache mir viel mit Giften zu schaffen.« Als er die Hand in die Höhe hielt, sah ich, dass sie an vielen Stellen bepflastert war und von scharfen Säuren gefärbt.

»Wir kommen in Geschäften,« sagte Stamford, und schob mir einen dreibeinigen Schemel zum Sitzen hin, während er ebenfalls Platz nahm. »Mein Freund hier sucht eine Wohnung, und da Sie gern mit jemand zusammenziehen möchten, dachte ich, es wäre Ihnen vielleicht beiden geholfen.« Sherlock Holmes ging mit Freuden auf den Vorschlag ein. »Ich habe ein Auge des Wohlgefallens auf ein Quartier in der Baker-Straße geworfen, das vortrefflich für uns passen würde,« sagte er. »Sie haben doch nicht etwa eine Abneigung gegen Tabaksdampf?«

»O nein, ich bin selbst ein starker Raucher.«

»Das trifft sich gut. Ferner habe ich häufig Chemikalien bei mir herumstehen, die ich zu meinen Experimenten brauche. Würde Sie das belästigen?«

»Durchaus nicht.«

»Und wenn ich Sie dabei aus Versehen in eine Fliege verwandle – wäre das ein Problem?«

»Warten Sie – was habe ich sonst noch für Fehler? Manchmal bekomme ich Anfälle von Schwermut und tue dann tagelang den Mund nicht auf. Sie müssen mir das nicht übel nehmen. Kümmern Sie sich nur dann gar nicht um mich, und die Anwandlung wird bald vorüber sein. So – nun ist die Reihe an Ihnen, mir Bekenntnisse zu machen. Wenn zwei Menschen zusammen leben wollen, ist es gut, wenn sie im Voraus wissen, was sie von einander zu erwarten haben.«

»Ich opfere jeden zweiten Freitag eine Ziege für meinen Meister, den schrecklichen Imhotep. Oh, und ich schnarche ein bisschen.«

Ich musste über diese Generalbeichte lachen. »Ich halte mir einen jungen Bullenbeißer,« gestand ich, »und kann keinen Lärm vertragen, weil meine Nerven angegriffen sind; auch schlafe ich oft in den Tag hinein und bin überhaupt sehr träge. In gesunden Zeiten fröne ich noch Lastern anderer Art, aber für jetzt sind dies die hauptsächlichsten.«

»Würden Sie unter ›Lärm‹ auch das Spielen auf einer Violine verstehen?« fragte er besorgt.

»Das kommt auf den Musiker an. Gutes Violinspiel ist ein Genuss für Götter – aber schlechtes –«

»Freilich, freilich,« rief er vergnügt. »Nun, ich denke, die Sache ist abgemacht – das heißt, wenn Ihnen das Quartier gefällt.«

»Und natürlich unser gemütliches Doppelbett.«

»Wann können wir es besichtigen?«

»Holen Sie mich morgen Mittag hier ab, dann gehen wir zusammen hin und bringen gleich alles ins Reine.«

»Sehr wohl, also Punkt zwölf Uhr,« sagte ich, ihm zum Abschied die Hand schüttelnd.

Wir ließen ihn dort bei seinen Chemikalien und gingen nach meinem Hotel zurück. »Erklären Sie mir nur,« wandte ich mich, plötzlich stehend bleibend, an Stamford, »was ihn auf die Idee gebracht haben kann, dass ich aus Afghanistan komme?«

Mein Gefährte lachte geheimnisvoll. »Schon mancher hat gern wissen wollen, wie Sherlock Holmes gewisse Dinge ausfindig macht. Er besitzt eben eine besondere Gabe.«

»Aha, es steckt ein Rätsel dahinter,« rief ich belustigt; »das ist ja höchst interessant. Ich bin dir sehr verbunden für die neue Bekanntschaft. Das beste Studium für den Menschen bleibt ja doch immer der Mensch.«

»Studiere ihn nur,« entgegnete Stamford. »Du wirst dabei manche Nuss zu knacken finden. Ich wette darauf, er kennt dich bald besser als du ihn.«

An der nächsten Straßenecke verabschiedeten wir uns und ich schlenderte allein nach Hause.

Und so begann eine der größten schwulen Romanzen der Literatur.

Die Kunst der Schlussfolgerung

 

Unsere verabredete Besichtigung des Quartiers in der Baker Street Nr. 221b fand am nächsten Tage statt. Es gefiel mir außerordentlich; das große, luftige Wohnzimmer, welches sich an zwei behagliche Schlafstuben anschloss, war freundlich möbliert und sehr hell, da es sein Licht durch zwei große Fenster erhielt. Unter uns beide geteilt, erschien auch der Preis der Wohnung so gering, dass wir sie auf der Stelle mieteten und sogleich einzuziehen beschlossen. Noch am selben Abend ließ ich meine Besitztümer vom Hotel hinüberschaffen und Sherlock Holmes folgte bald darauf mit verschiedenen Koffern und Reisetaschen. In den ersten Tagen waren wir eifrig beschäftigt, auszupacken und unsere Sachen auf das vorteilhafteste unterzubringen. Als dann die Einrichtung fertig war, begannen wir uns in Ruhe an unsere neue Umgebung zu gewöhnen.

 

Und uns zu fragen, wieso es keine Toilette gibt.

 

Holmes war ein Mensch, mit dem sich leicht leben ließ, von stillem Wesen und regelmäßig in seinen Gewohnheiten. Selten blieb er abends nach zehn Uhr auf, und wenn ich morgens zum Vorschein kam, hatte er immer schon gefrühstückt und war ausgegangen. Den Tag über war er meist im chemischen Laboratorium oder im Seziersaal, zuweilen machte er auch weite Ausflüge, welche ihn bis in die verrufensten Gegenden der Stadt zu führen schienen.

 

Um sich frische Leichen zu besorgen.

 

Seine Tatkraft war unverwüstlich, so lange die Arbeitswut bei ihm dauerte; von Zeit zu Zeit trat jedoch ein Rückschlag ein, dann lag er den ganzen Tag im Wohnzimmer auf dem Sofa, fast ohne ein Glied zu rühren oder ein Wort zu reden. Dabei nahmen seine Augen einen so traumhaften, verschwommenen Ausdruck an, dass sicher der Verdacht in mir aufgestiegen wäre, er müsse irgendein Betäubungsmittel gebrauchen, hätte nicht seine Mäßigkeit und Nüchternheit im gewöhnlichen Leben diese Annahme völlig ausgeschlossen.

 

Frechheit! Ich lutsche mir tonnenweise Kokain rein, und ich bin so was von total mega-nüchtern!

 

Nach den ersten Wochen unseres Beisammenseins war mein Interesse für ihn und der Wunsch zu ergründen, welche Zwecke er eigentlich verfolgte, in hohem Maße gestiegen. Schon seine äußere Erscheinung fiel ungemein auf. Er war über sechs Fuß groß und sehr hager; sein scharfkantig vorstehendes Kinn drückte Festigkeit des Charakters aus, der Blick seiner Augen war lebhaft und durchdringend, außer in den schon erwähnten Zeiten völliger Erschlaffung, und eine spitze Habichtsnase gab seinem Gesicht etwas Aufgewecktes und Entschlossenes. Die Hände schonte er nicht, sie trugen fortwährend Spuren von Tinten und Chemikalien, auch hatte ich oft Gelegenheit, seine große Geschicklichkeit bei allen Handgriffen zu bewundern, wenn er mit seinen feinen physikalischen Instrumenten experimentierte.

Kein Wunder, dass meine Neugier in hohem Grade rege war und ich immer wieder versuchte, die strenge Zurückhaltung zu durchbrechen, die er in allem beobachtete, was ihn selbst betraf. Das Geheimnis, welches meinen Gefährten umgab, beschäftigte mich umso mehr, als mein eigenes Leben damals völlig zweck- und ziellos war und wenige Zerstreuungen bot. Mein Gesundheitszustand erlaubte mir nur bei besonders günstiger Witterung auszugehen, und Freunde, die mich hätten besuchen können, um etwas Abwechslung in mein einförmiges Dasein zu bringen, besaß ich nicht.

 

Weder Freunde, noch Verwandte. Kein Wunder, dass er auf einen Guru reinfällt.