Eine zweite Chance in Rose Creek - Lucy McKay - E-Book

Eine zweite Chance in Rose Creek E-Book

Lucy McKay

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Beschreibung

Als die Sporthalle von Sandwood bei einem Unwetter zerstört wird, zögert Jackson Ashburn keine Sekunde und organisiert ein Charity-Event, um Geld für den Wiederaufbau zu sammeln. Außerdem kann er die Ablenkung gut gebrauchen, nachdem er seine Verlobte kurz vor der Hochzeit mit einem anderen Kerl erwischt hat.

Für die Wohltätigkeitsveranstaltung hat Jackson sich etwas ganz Besonderes ausgedacht: Er will »Phoenix«, den neuen Zuchthengst der Rose Creek Ranch, vorstellen und ein Western-Reitturnier veranstalten. Dafür engagiert er sogar die Star-Reiterin Gemma Roke. Doch kurz vor dem Event passiert ein schwerer Unfall, der alles zu zerstören droht ...

Wenn du die Weite Arizonas, Country-Flair, wunderschöne Small-Town-Romances, Pferde und Cowboys liebst, dann ist die Rose-Crrel-Reihe genau der richtige Lesestoff für dich.

Die vollständige Triologie:

Sommerglück in Rose Creek
Eine zweite Chance in Rose Creek
Rückkehr nach Rose Creek

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.




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Seitenzahl: 286

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

CoverInhaltÜber das BuchÜber die AutorinTitelImpressumZitat1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. Kapitel15. Kapitel16. Kapitel17. Kapitel18. Kapitel19. Kapitel20. Kapitel

Über das Buch

Jackson Ashburn ist überglücklich: Bald werden Alyssa und er heiraten! Doch dann erwischt er sie in flagranti mit einem anderen. Tief enttäuscht trennt er sich von ihr. Als in der Nacht darauf Sandwoods Sporthalle von einem Unwetter zerstört wird, zögert Jackson nicht lange und organisiert eine Benefizfeier – er kann Ablenkung gerade gut gebrauchen. Er will Spenden zum Wiederaufbau der Halle sammeln und die Gelegenheit nutzen, der Welt den neuen Zuchthengst der Rose Creek Ranch »Phoenix« vorzustellen. Jackson schafft es sogar die Star-Westernreiterin Gemma Roke zu engagieren, die zusammen mit TJ eine Show auf den besten Pferden der Ranch vorführen wird. Doch ein paar Wochen vor dem Event stürzt TJ so schwer, dass er vorübergehend im Rollstuhl sitzt. Und es gibt niemanden, der Phoenix reiten kann. Nun droht die ganze Veranstaltung ins Wasser zu fallen und damit auch Gemmas Auftritt – dabei hatte sich Jackson so darauf gefreut, die hübsche Reiterin täglich um sich zu haben …

 

 

Über die Autorin

Lucy McKay, geboren 1983, lebt und arbeitet in Berlin. Sie ist in den USA und Deutschland zur Schule gegangen und hat mehrere Romane unter verschiedenen Pseudonymen veröffentlicht. Lucy hört heimlich Countrymusik und bedauert noch heute, dass sie das Reiten in ihrer Jugend zugunsten von Französischnachhilfe aufgeben musste. Denn welcher gute Countrysong ist schon auf Französisch?

Lucy McKay

Eine zweite Chancein Rose Creek

beHEARTBEAT

 

Digitale Originalausgabe

 

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

 

 

Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

 

Textredaktion: Ann-Kathrin Schwarz

Lektorat/Projektmanagement: Anna-Lena Römisch

Covergestaltung: Jeannine Schmelzer unter Verwendung von Motiven von © shutterstock: 100ker | solominviktor | Sourav and Joyeeta

eBook-Erstellung: Dörlemann Satz, Lemförde

 

ISBN 978-3-7325-3276-6

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

If I was hungry, broken or aloneI’d still ride all night for youAnd even if you didn’t like my songI would still fight for you

Josie Torn

1. Kapitel

Jackson schloss die Bürotür hinter sich und eilte die Stufen hinunter. Als er nach draußen trat, schlug ihm drückende Hitze entgegen. Auch Ende August war es in Arizona immer noch sengend heiß. Die Sonne brannte auf seiner Haut. Er zog die Sonnenbrille aus der Knopfleiste seines karierten Hemdes und setzte sie auf.

Mittagspause. Am Morgen war nicht so viel zu tun gewesen, also war er schon früher zum Lunch aufgebrochen. Er ging zu seinem Auto, stieg ein und startete den Wagen. Nachdem er die Klimaanlage angeschaltet hatte, zählte er sehnsüchtig die Sekunden, bis die kühle Luft endlich durch den Innenraum strömte. Auch deshalb war er nicht in die Fußstapfen seines Vaters getreten. Auf der Ranch spielte die Hitze keine Rolle, die Pferde mussten auch bei 38 Grad im Schatten versorgt und geritten werden.

Nein, Jackson war ein Bürohengst. Er mochte weder den Staub noch die extremen Wetterbedingungen, denen er auf der Rose Creek Ranch, die seiner Familie gehörte, ausgesetzt war. Er ritt nicht einmal gern. Wobei das natürlich nicht immer so gewesen war …

Jackson schob den Gedanken beiseite und startete den Wagen. Er hatte schon telefonisch zwei Chef Salads im Grand Canyon Café, dem einzigen Lokal in Sandwood, bestellt. Sein Jeep rollte die Main Street entlang. Das Auto war zwar ein Geländewagen und sollte einiges aushalten, aber Jackson wusch es regelmäßig und entfernte den roten Sand von der Fahrzeugunterseite. Zwar lebte er auf einer Ranch, aber er war Anwalt. Er kleidete sich wie jemand, der im Büro arbeitete, und sein Auto hätte genauso gut durch die überfüllten Straßen einer Großstadt fahren können. Nun aber steuerte er es durch das beschauliche Städtchen Sandwood und hielt schließlich auf dem Schotterparkplatz des Grand Canyon Cafés an.

Drinnen reichte ihm Carly Kaugummi kauend zwei Styropor-Schachteln mit Salat über die Theke. Ein paar Farmer, Rancher und Arbeiter aßen an den Tischen mit den rotkarierten Tischdecken ihren Lunch. Am Tresen thronte Stammgast Agnes mit Strickjacke und weißem Haarknoten auf einem Barhocker. Die alte Dame hielt sich kerzengerade, während sie an ihrem Mint Julep nippte. Sie prostete Jackson zu, und er nickte zurück.

Carly gab ihm das Wechselgeld. Ihre Arme waren mit Tattoos übersät, ihre Haare knallrot. Sie wusste, wie man für Trinkgeld lächeln musste, und Jackson schob das Wechselgeld zu ihr zurück.

»Danke«, sagte sie und tat überrascht.

Er schüttelte lachend den Kopf und drehte sich zur Tür. Gerade, als er sie öffnete, raste auf der Straße ein Truck vorbei. Auf dem Beifahrersitz saß Pebbles. Der riesige Hund hielt genüsslich die Schnauze in den Fahrtwind. Jackson wollte dem Mann am Steuer winken, aber dieser sah hochkonzentriert aus und bog mit quietschenden Reifen rechts ab. Wahrscheinlich ein Notfall auf irgendeiner Ranch, zu dem sein Schwager in spe unterwegs war.

Ryan war einer der beiden Tierärzte in Sandwood. Jacksons ältere Schwester Emily und er waren zwar erst ein paar Wochen zusammen, aber sie wirkten so harmonisch zusammen, dass die ganze Familie bereits jetzt mit einem Antrag rechnete.

Jackson ging über den Parkplatz und stieg ins Auto. Er hatte erst am späten Nachmittag einen Termin und freute sich auf ein paar Stunden mit Alyssa. Voller Vorfreude fuhr er zu ihrem kleinen Häuschen am Rand von Sandwood. Er hatte sehr viel länger für seinen Antrag gebraucht, als das bei Ryan der Fall sein würde. Er und Alyssa waren schon einige Jahre zusammen gewesen, als er sie vor ein paar Wochen endlich gefragt hatte, ob sie ihn heiraten wollte.

Jackson hatte bis zuletzt gezögert, Alyssa die Frage zu stellen. Aber dann hatte er es einfach getan, nachdem sie den Ring zufällig gefunden hatte. Es war nicht romantisch gewesen oder so, wie es in Liebesfilmen dargestellt wurde, aber es hatte sich doch richtig angefühlt. Und seit ihrem Ja war Jackson wie ausgewechselt. Er war wie frisch verliebt, nein, eigentlich war er verliebter in die hübsche Alyssa, als er es je zuvor gewesen war.

Er wollte jede freie Minute mit ihr verbringen und hatte auf einmal Lust auf romantische Abende und Wochenendtrips. Mit beidem hätte man ihn noch vor zwei Monaten jagen können.

Jackson parkte im Schatten vor ihrem Haus und stieg beschwingt aus dem Wagen. Er betrachtete sein Spiegelbild in den schwarz getönten Scheiben und fuhr sich noch einmal durch die dunkelblonden Haare. Dann strich er das Hemd glatt, bevor er leichten Schrittes zur Haustür ging.

Alyssa war Konditorin im Coffeebarn, einem kleinen Café im Ort. Ihre Köstlichkeiten waren weit über die Grenzen des Städtchens Sandwood hinaus bekannt. Aber so gern und gut Alyssa auch buk, sie verabscheute das Kochen. Vielleicht lag es auch daran, dass sie beruflich immer in der Küche stand, privat bekam man sie nur selten hinein. Jackson würde sie heute mit dem mitgebrachten Lunch überraschen.

Er klopfte an ihre Tür, aber sie antwortete nicht. Wahrscheinlich hielt sie Mittagsschlaf. Alyssa stand meistens schon um fünf Uhr morgens in der Backstube, und wenn sie nach Hause kam, legte sie sich oft noch einmal kurz hin.

Jackson stellte sich vor, wie sie in einem hübschen Nachthemd schlief, mit einem friedlichen Lächeln auf dem Gesicht. Ihm wurde warm ums Herz. Leise öffnete er die Tür und schlich ins Haus. Er schlüpfte aus seinen Schuhen, stellte die Salate auf der Arbeitsfläche in der Küche ab und ging auf Strümpfen hinauf in die erste Etage. Eigentlich bestand diese nur aus dem Schlafzimmer und einem Bad, aber das kleine Häuschen war sehr hübsch – und ganz nach Alyssas Geschmack war es zu einem großen Teil in Rosa eingerichtet.

Auf der letzten Treppenstufe blieb Jackson stehen. Ihm war, als habe er ein leises Lachen gehört. Er dachte schon, er habe sich geirrt, als er nun ein Stöhnen vernahm. Erst leiser, dann lauter.

Jacksons Hals schnürte sich zu. Was hatte das zu bedeuten? Das Stöhnen wurde lauter, dann ein leises Seufzen. Er kannte dieses Seufzen, es war ihm vertraut. Das Stöhnen hingegen war tiefer – und es klang ganz und gar nicht vertraut.

Mit zwei Schritten war Jackson an der Schlafzimmertür und stieß sie auf.

Er erstarrte. Auf dem Bett saß eine nackte Frau. Er erkannte Alyssas brünette Haare, ihre Schultern und ihre weiße Haut. Unter ihr lag ein Mann, dessen Hände auf ihrer schmalen Taille lagen.

Unmissverständlich bewegten sich Alyssas schmale Hüften vor und zurück. Sie warf den Kopf in den Nacken und seufzte wieder.

»Hey!«, rief Jackson dazwischen und schlug mit der flachen Hand auf die Tür. »Hey!«

Alyssa fuhr zusammen und rutschte von dem Mann herunter, der nun aufschreckte. Er hatte wilde, dunkle Locken.

»Kip?«, fragte Jackson fassungslos.

Der junge Barkeeper aus dem Grand Canyon Café starrte ihn sprachlos an.

»Jackson, ich … er …«, stammelte Alyssa

Sie griff ein T-Shirt vom Boden und zerrte es sich hastig über den Kopf. Ihre Bewegungen waren ungelenk, und Jackson fand es lächerlich, dass sie sich etwas überzog. Er wusste ja eh, wie sie nackt aussah. Und ein T-Shirt machte das alles hier auch nicht besser.

Kip zog rasch die Decke über seinen nackten Körper, ansonsten blieb er stumm und sah Jackson angstvoll an.

Jackson schaute mit finsterer Miene von einem zum anderen. Er atmete ruhig. Mit langsamen Schritten ging er um das Bett herum und baute sich vor Alyssa auf. Sie schluckte und wich einen Schritt zurück. Er hielt ihr die offene Hand hin.

Verständnislos sah sie darauf.

»Den Ring«, zischte er.

»Aber Jackson, wollen wir uns nicht erst mal in Ruhe hinsetzen und reden?«

»Nein«, hörte er sich sagen. »Ich habe Lunch mitgebracht, und der reicht nicht für drei.« Die Kälte in seiner Stimme überraschte ihn selbst, aber er wollte sich seinen Schmerz nicht anmerken lassen. Er trat noch einen Schritt näher und sah verächtlich auf sie herab. »Den Ring.«

Sie zog sich den Verlobungsring vom Finger und gab ihn Jackson. Er schloss die Faust darum, drehte sich auf dem Absatz um und ging hinaus.

Bedächtig stieg er in seine Schuhe, verließ dann das Haus und ließ die Tür ins Schloss fallen, ohne sie zuzuschlagen. Draußen setzte er die Sonnenbrille wieder auf und ging zum Jeep zurück. Erst als er im Auto saß, erschien ihm das Gewicht des Ringes in seiner Hand plötzlich unendlich schwer. Er schleuderte ihn gegen die Windschutzscheibe, von wo er klirrend abprallte, gegen das Seitenfenster stieß und auf den Beifahrersitz fiel. Von dort hüpfte und rollte er auf den Boden und verschwand unter dem Sitz.

Jackson sah nicht genau nach. Er war froh, dass der goldene Reif mit dem Diamanten ihm aus den Augen war.

Seine Hände zitterten, als er sie aufs Lenkrad legte und zurück ins Büro fuhr.

***

Die Rose Creek Ranch lag etwas außerhalb des Städtchens Sandwood in Arizona. Gemma fuhr die Zufahrt entlang. Rechts von ihr grasten Kühe, links Appaloosas. Es waren herrliche Pferde, wunderschön und graziös. Sie waren nicht besonders groß, aber wendig und schnell. Schon wie sie sich im Schritt über die Weide bewegten, verhieß Spitzenklasse.

Gemma hatte auf Quarter Horses gelernt, aber ihre Stute Hetty war ein Appaloosa. Sie kam mit der Rasse einfach besonders gut klar. Und deswegen würde sie sich auf der Rose Creek Ranch nach einem weiteren Appaloosa umschauen, denn Hetty war schon alt und würde nicht mehr lange fit genug sein, um Wettbewerbe zu reiten.

In einiger Entfernung galoppierte ein Teil der Herde mit wehenden Mähnen. Gemma hielt spontan an und stieg aus, um an den Zaun zu treten und die schönen Tiere zu beobachten. Sie fuhr sich durch ihr langes schwarzes Haar und lächelte. Ja, hier war sie richtig. Sie konnte ihren Blick nur schwer von den galoppierenden Pferden losreißen, aber schließlich saß sie wieder in ihrem kleinen Flitzer und fuhr weiter.

Sie nahm den Sportwagen nur selten, er hatte keine Anhängerkupplung für ihren Pferdetransporter und bot kaum Platz für einen mittelgroßen Einkauf. Er war auch schon zu eng, wenn Gemmas Assistentin Tammy dabei war.

Tammy war lebenslustig, sie sprühte vor Energie und brauchte viel Platz. Nicht nur weil Tammy beachtliche Rundungen hatte, sondern auch, weil sie gern mit beiden Händen in der Luft herumfuchtelte. Aber heute hatte Tammy frei. Gemma brauchte etwas Ruhe für die Wahl, die sie treffen musste, und wo Tammy war, da gab es keine Ruhe.

Das Tor der Ranch war aus Holz. Ein Rosenstock umrankte die Pfeiler und den Torbogen, an dem ein Schild hing: Rose Creek Ranch. Es baumelte leicht im Wind, als Gemma unter dem Tor hindurchfuhr. Rechts von ihr schlängelte sich ein glasklarer Bach über das Grundstück. Er führte am Reitplatz vorbei bis hin zu den Ställen. Rechts stand ein riesiges Haus. Gemma vermutete, dass die Familie Ashburn hier wohnte und es nicht nur Büroräume in dem stattlichen Holzhaus gab. Es musste eine sehr große Familie sein.

In diesem Augenblick flog das Fliegengitter der Eingangstür auf, und eine alte Dame trat auf die Veranda – mit nichts als einem seidenen Nachthemd und einem Strohhut bekleidet. Sie nahm sich die Gummistiefel, die neben der Tür standen, schlüpfte hinein und stiefelte zur Treppe. Als ihr Blick auf Gemma fiel, tippte sie sich an den Hut und ging um das Haus herum. Als sie im Schatten verschwand, flog die Tür ein zweites Mal auf, und eine junge Frau kam herausgerannt. Sie hatte dunkelblonde Haare, trug Jeans und Bluse und sah sich suchend um.

»Aunt Mabel!«, rief sie. »Tantchen!«

Die hübsche junge Frau bemerkte Gemma und lächelte entschuldigend. »Guten Tag, willkommen auf der Rose Creek Ranch«, sagte sie hastig. »Sie haben nicht zufällig eine alte Dame in Unterwäsche gesehen?«

Gemma lachte. »Doch, sie ist dort lang.«

»Danke«, sagte die junge Frau erleichtert. Sie musste etwas in Gemmas Alter sein, ein bisschen älter vielleicht.

»Vielen Dank. Meine Großtante ist etwas verwirrt. Es tut mir sehr leid, dass Sie das mit ansehen mussten. Ich bin übrigens Emily.«

»Gemma.«

»Es freut mich wirklich sehr«, sagte Emily lächelnd. »Ich bin gleich bei dir.«

Und mit diesem Worten eilte sie um das Haus herum.

»Aunt Mabel!«, hörte Gemma sie rufen und dann eine weitere Stimme:

»Was denn, Milly? Ich bin doch nicht taub.«

»Nein, aber halbnackt.«

»Halbnackt?«, kam es wieder empört zurück.

Dann eine kurze Stille.

Wenig später beobachtete Gemma, wie Emily ihre Großtante zurück zur Veranda geleitete.

Die alte Dame schüttelte den Kopf. »Halbnackt würde ich das nun wirklich nicht nennen.«

»Aunt Mabel, du musst doch mehr anziehen als ein Hemdchen.«

»Bei dieser Hitze?«

»Ja, besonders bei dieser Hitze. Und vor allem, wenn du im Garten arbeitest. Du verbrennst dir noch die Schultern und die Beine.«

Aunt Mabel blieb abrupt stehen, sah an sich herunter und dann wieder zu ihrer Großnichte. »Um Gottes willen, Herzchen, ich trage ja bloß Unterwäsche.«

Emily nickte geduldig und legte einen Arm um die alte Dame. »Ganz genau, deshalb gehst du jetzt wieder rein und ziehst dir was über.«

Gemma wusste nicht, ob sie lachen oder diskret wegschauen sollte. TJ Ashburn erlöste sie aus ihrem Zwiespalt. Der ehemalige Champion im Reining, einer Disziplin im Westernreiten, trat aus einem der Stallgebäude und eilte auf sie zu. Er strahlte über das ganze Gesicht.

Gemma erkannte ihn sofort. Sie hatte ihn als kleines Mädchen im Fernsehen reiten sehen. Er war ihr Held gewesen – und der Grund, warum sie selbst Westernreiterin geworden war. Ihre Mutter hatte die Weltmeisterkür von TJ Ashburn auf VHS aufnehmen müssen, damit Gemma sie sich immer wieder ansehen konnte. Es war nicht leicht gewesen, ihre Mutter davon zu überzeugen, dafür den Videorekorder anzuschmeißen. Immerhin war die Vorstellung, dass irgendjemand in der Familie jemals Geld haben würde, um zu reiten, irrwitzig. Aber Gemma hatte sich das Video zum Geburtstag gewünscht und bekommen. Eine lieblos bekritzelte VHS-Kassette mit TJ Ashburns Gewinner-Kür. Sie war überglücklich gewesen.

Nun züchtete der ehemalige Champion Westernpferde, und zwar die besten weit und breit. Die Rose Creek Appaloosazucht war mehrmals von der Fachpresse ausgezeichnet worden und gehörte zu den drei renommiertesten Appaloosazuchten weltweit.

TJ Ashburn lächelte herzlich, nahm ihre Hände und drückte sie fest. »Miss Roke, welch eine Ehre.«

Gemma lächelte verdutzt zurück. Der große Champion sprach von Ehre. Sie schüttelte schnell den Kopf. »Bitte nennen Sie mich Gemma.«

»Fein. Ich bin TJ.«

»Ich freue mich wirklich sehr, dich kennenzulernen«, sagte sie. »Und auf deine Pferde.«

»Dad hat ein paar ganz besondere Tiere für dich zurückgehalten«, sagte Emily, die zu ihnen getreten war. »Entschuldige noch mal wegen vorhin.«

»Das macht doch nichts. Ich hoffe, deiner Großtante geht es gut.«

TJ seufzte. »Was hat Mabel diesmal wieder angestellt?«

Emily verdrehte die Augen. »Sie ist in Unterwäsche nach draußen gelaufen.«

»Vor unserem Gast?«

»Ich fürchte, ja«, antwortete Gemma.

»Emily!« TJ sah seine Tochter scharf an. »Hättest du das nicht verhindern können?«

»Äh, das habe ich versucht, Dad.«

»Du musst besser auf sie aufpassen.«

»Ich?«

Gemma sah von einem zum anderen und lachte betont heiter. »Aber das macht doch alles gar nichts.«

TJ schien sie nicht zu hören. »Weißt du denn nicht, wer diese junge Dame ist?«

Emily runzelte die Stirn. »Doch, natürlich. Das ist Gemma.«

»Roke! Gemma Roke!« TJ sprach ihren Namen beinahe mit Ehrfurcht aus. »Sie ist Weltmeisterin im Westernreiten.«

Gemma fuhr sich durch ihre Haare. So eine Lobhudelei war ihr etwas unangenehm. »Das ist doch gar nicht so wichtig. Ich bin nur eine einfache Kundin.«

Auch das wurde offenbar überhört, denn TJ redete weiter auf seine Tochter ein. »Ich möchte einfach nicht, dass Weltstars des Sports auf unserer Ranch mit so einem Anblick konfrontiert werden.«

Emily runzelte die Stirn. »Ich auch nicht, Dad. Aber ich möchte auch nicht, dass Aunt Mabel einen Sonnenbrand bekommt. Aber vielleicht besprechen wir das später und kümmern uns jetzt um den Weltstar?«

TJ räusperte sich und wandte sich wieder an Gemma. »Entschuldigung.«

»Bitte hört auf, euch zu entschuldigen – und bitte nennt mich nicht Weltstar. Ich bin doch nur ein paar Turniere geritten.«

Emily ließ ein warmes, freundliches Lachen erklingen. »Und du hast sie alle gewonnen.«

»Lassen wir das. Ich brauche ein neues Pferd.«

»Dad wird dir ein paar Tiere vorstellen, und ich bin dann nachher für all das Rechtliche und Finanzielle zuständig.«

»Jetzt komm ihr doch nicht gleich mit Geld, Emily«, raunte TJ.

Obwohl er leise sprach, hatte Gemma es gehört und lächelte. »Das ist gar kein Problem. Ich weiß gern, wer für was zuständig ist – und wenn ich ein Pferd kaufe, gedenke ich auch, es zu bezahlen. Wollen wir?«

»Natürlich«, sagte TJ und ging zum Reitplatz voran.

Gemma und Emily stellten sich nebeneinander an den weißen Zaun, während TJ zum Stall lief und das große Tor aufschob. Ein Rancharbeiter brachte ein Tablett mit Kaltgetränken.

Gemma und Emily tranken beide eine Cola, und Gemma sah sich bewundernd um. »Ihr habt es wirklich schön hier.«

»Danke. Ich bringe es auch nicht übers Herz auszuziehen. Vielleicht sollte ich das in meinem Alter tun.«

Gemma schüttelte den Kopf. »Auf keinen Fall. Nicht aus so einem Haus. Ich habe ein Haus in Kalifornien, kurz hinter der Grenze, von hier aus gesehen. Es ist auch sehr groß, aber jetzt gerade kommt es mir sehr seelenlos vor. So leer. Wenn ich dagegen eure tolle Villa sehe … Und diesen niedlichen Bach.«

»Du hast recht. Es ist wirklich schön hier. Wenn man Aunt Mabel glaubt, hat der Rose Creek übrigens heilende Kräfte.«

»Wirklich?«

»Ja, und er ist der Grund, warum unsere Pferde so gut gedeihen.«

Gemma lachte. »Ist das nicht eher TJs Verdienst?«

»Oh ja. Aber davon ist meine Großtante nicht zu überzeugen.«

»Sie klingt, als wäre sie eine furchtbar liebenswürdige Person.«

Emily sah mit forschendem Blick zum Haus hinauf. »Ja, meistens ist sie das auch.«

***

Jackson schloss die Haustür der Villa auf und trat forschen Schrittes ein. Es war spät, er hatte lange gearbeitet. Seine kleine Kanzlei hatte jetzt vier neue Klienten, und Jackson war es sogar gelungen, dass ein junger Unternehmer aus Phoenix nun darüber nachdachte, seine Geschäfte vielleicht der Kanzlei im kleinen Sandwood anzuvertrauen. Zumindest würde er sich mit Jackson treffen.

Jackson hatte leidenschaftslos, aber mit verbindlichem Ton herumtelefoniert. Er hatte noch nie Akquise in solch einem Ausmaß und mit einem so großen Erfolg betrieben.

Währenddessen hatte Alyssa immer wieder angerufen. Er war nicht drangegangen, sondern hatte weitergearbeitet. Er verspürte nicht die geringste Lust, ihre Stimme noch einmal zu hören. Und was hätte sie auch sagen sollen? Sie konnte nicht ungeschehen machen, was sie getan hatte. Nichts, was sie ihm erzählte, würde das ungeschehen machen, was er mittags hatte ansehen müssen.

Er ging in die Küche. Im Kühlschrank stand Lasagne, die er mit routinierten Bewegungen in die Mikrowelle schob. Erst als der Teller sich im schummrigen Licht hinter der kleinen Glastür drehte, wurde ihm bewusst, dass er gar keinen Hunger hatte. Reglos starrte er auf die surrende Mikrowelle.

»Dad, du bist unmöglich!«, hörte er seine Schwester im Wohnzimmer rufen.

»Du bist für das Haus zuständig«, gab TJ zurück.

Jackson schaltete die Mikrowelle aus und ging hinüber ins Wohnzimmer. Emily und sein Dad standen sich vor dem Kamin gegenüber und bedachten einander mit giftigen Blicken.

»Guten Abend, ihr zwei.«

»Hi, Jackson.«

»Guten Abend, mein Sohn.«

Keiner von ihnen hatte ihn angesehen, als er eingetreten war. Mit einem Seufzer ging Jackson zur Minibar und goss sich einen Whiskey ein.

»Was soll das denn heißen, Dad?«, fragte Emily giftig. »Ich bin für das Büro zuständig, nicht fürs Haus. Ich bin weder eine Hausfrau noch deine Haushälterin.«

»Wie um alles in der Welt soll ich denn vom Stall da draußen aus Mabel beaufsichtigen, Emily?«

»Ich sage nicht, dass du das persönlich tun sollst. Ich sage: Wenn es ein Problem gibt, dann müssen wir zusammen eine Lösung finden. Es kann nicht sein, dass du mir einfach alles in die Schuhe schiebst.«

»Es ist ja wohl selbstverständlich, dass du ein Auge auf deine Großtante hast, wenn du eh hier im Haus bist.«

»Ist es nicht!« Emily funkelte ihren Dad wütend an.

Jackson nippte an seinem Whiskey und setzte sich auf die Armlehne eines Sessels. »Was ist denn passiert?«

»Deine Schwester hat zugelassen, dass deine Großtante nackt über die Ranch läuft, während eine sehr wichtige Kundin da war.«

»Zugelassen?« Emily schnaubte. »Erstens hat sie ein Nachthemd getragen, zweitens habe ich sie gleich wieder eingefangen, und drittens hat Gemma das gar nicht wirklich gestört.«

TJ fuhr mit der Hand durch die Luft. »Gemma war nur höflich. Wie stehen wir denn vor unseren Kunden da? Am Ende sieht die Rose Creek Ranch noch aus wie ein Irrenhaus.«

Emily verschränkte die Arme vor der Brust. »Und um das zu verhindern, machst du mich zur Pflegerin? Ich manage dein Unternehmen, Dad.«

»Heißt das, du willst dich nicht um deine Großtante kümmern? Ich bin nicht mal mit ihr verwandt.«

Emily drehte sich zu Jackson. »Hörst du das, das ist doch …« Sie hielt inne. »Geht es dir gut, Jackson? Du siehst so blass aus.«

»Klar, alles gut.« Er nippte schnell am Whiskey.

Aber auch TJ legte jetzt den Kopf schief und musterte seinen Sohn. Der ältere Mann hatte dunkles Haar, das von Silbersträhnen durchzogen war. Sein wettergegerbtes Gesicht konnte hart und mürrisch aussehen, aber in diesem Moment blickte er sanft und besorgt. »Bist du sicher?«

»Du arbeitest sonst nie so lange. Und heute beim Frühstück hast du noch gesagt, dass es ein entspannter Tag wird.«

»Ich hab mich geirrt, Em.«

»Ist was mit der Kanzlei? Mit einem Fall?«

»Nein.« Jackson trank den letzten Schluck aus seinem Glas. »Ich habe mich von Alyssa getrennt.«

»Was?« fragte Emily perplex. »Aber … wieso?«

»Sie war nicht die Richtige.«

TJ runzelte die Stirn. »Ihr seid seit ein paar Wochen verlobt, und jetzt ist sie plötzlich doch nicht die Richtige?«

»Mhm. Ja.«

Emily setzte sich auf die andere Armlehne des Sessels und nahm die Hand ihres Bruders. »Jackson, sieh mich an.«

Er tat es widerwillig. Sie sollten keine zu große Sache daraus machen.

Emilys blaue Augen schauten skeptisch. Forschend betrachtete sie ihn. »Ich weiß, dass du früher oft an der Beziehung zu Alyssa gezweifelt hast, aber in den letzten Wochen warst du wie ausgewechselt.«

»Ja, ich muss auch sagen, dass du glücklich wirktest«, sagte TJ und nahm Jackson das leere Glas aus der Hand. »Wie frisch verliebt.«

Er ging zur Minibar, füllte insgesamt drei Gläser mit Whiskey und reichte jedem seiner Kinder eines.

Jackson schluckte und setzte ein schiefes Lächeln auf. »Das war nur eine kleine Verwirrung. Verlobungsrausch. Du hattest recht, Emily. Alyssa und ich passen nicht zueinander.«

»Es ist doch ewig her, dass ich das gesagt habe. Und ich nehme es zurück. Den Eindruck hatte ich zuletzt nämlich wirklich nicht. Was ist denn passiert?«

Jackson kaute auf seiner Unterlippe und sah zu seiner Schwester. Dann räusperte er sich, entzog ihr seine Hand und fuhr sich durch die Haare. »Nichts Besonderes. Die Trennung war notwendig.«

»Notwendig? Das klingt, als würdest du etwas damit bezwecken.«

»Ja … nein.« Jackson stand auf. »Wir haben einfach entschieden, getrennte Wege zu gehen.«

»Ihr beide gemeinsam?«

»Ja«, antwortete Jackson und stellte sein noch volles Glas auf dem Couchtisch ab. »Und jetzt entschuldigt mich, ich bin müde. Es war ein langer Tag.«

»Okay. Klar«, sagte Emily und stand ebenfalls auf. »Sag einfach Bescheid, wenn du reden willst.«

»Danke, aber jetzt will ich einfach nur schlafen.« Er rang sich noch ein weiteres Lächeln ab und drehte sich um. So leichtfüßig, wie Jackson konnte, eilte er hinauf in sein Zimmer. Als er die Tür hinter sich schloss, überfiel ihn plötzlich eine bleierne Müdigkeit. Sie zerrte an ihm. Er konnte sich nicht erinnern, je so erschöpft gewesen zu sein.

Aber als er wenig später im Bett lag, wollte der Schlaf nicht kommen. Jackson starrte die Decke an, bis es draußen wieder hell wurde.

2. Kapitel

Auch ein paar Nächte später schlief Jackson noch immer sehr schlecht, und als er doch einmal wegdämmerte, riss ihn hektisches Klopfen aus dem Schlaf. Er schreckte hoch.

»Jackyboy, mach auf«, sagte Aunt Mabel hinter der Tür.

Er öffnete ihr und hielt sich die Hand vor den Mund, während er gähnte.

»Sie ist weg«, flüsterte die alte Dame mit aufgerissenen Augen. Sie trug ein mintgrünes Nachthemd, und ihre silbernen Haare waren auf kleine Papilloten gedreht. Sie nahm ihn bei der Hand und zog ihn den Flur entlang.

Jackson stolperte hinter seiner Großtante her. Draußen war es noch dunkel, im Haus schliefen alle, aber Aunt Mabel tapste barfuß über den Läufer und zog ihn die Galerie entlang.

»Wer ist weg? Was ist denn los, Tantchen?«

Aunt Mabel antwortete nicht und führte ihn in Josies Zimmer. Das Licht war bereits an, und Jackson sah das aufgeräumte Zimmer seiner kleinen Schwester. Das Bett war gemacht, der Schreibtisch leer.

»Sie ist verschwunden«, flüsterte Aunt Mabel. »Sollen wir deinem Dad etwas sagen? Oder ist es zu früh? Immerhin ist Josie ja schon zwanzig.«

Jackson seufzte und ließ sich auf das Bett mit dem rosa Überwurf fallen. »Sie ist siebenundzwanzig.«

»Wirklich? Wann ist das passiert?«

»In den letzten sieben Jahren. Aunt Mabel, Josie ist doch schon vor über einem Monat abgereist.«

»Wohin? Ist sie wieder auf Tour? Sie hat sich gar nicht von mir verabschiedet«, sagte die alte Dame traurig und setzte sich neben ihn.

Jackson nickte. »Sie hat sich diesmal von keinem von uns verabschiedet. Sie … musste … sehr schnell los.«

»Ich vermisse sie.«

»Ich auch, Tantchen. Aber sie macht nur ein bisschen Urlaub, sie ist bald wieder zurück.«

Jackson lächelte seine Tante an. Josie machte keinen Urlaub, sie war in einer Entzugsklinik in Kalifornien. Sie hatte ihren Alkoholkonsum nicht mehr unter Kontrolle gehabt.

Und jetzt saß Jackson mitten in der Nacht gähnend in ihrem Jugendzimmer. An der Wand hing eine Gitarre und daneben zwei Poster, die seine kleine Schwester zeigten. Josie war ein Star, oder sie war einer gewesen. Unter dem Künstlernamen Josie Torn machte sie Country-Popmusik, seit sie sechzehn war, und hatte schon vor zehntausenden kreischenden Fans Livekonzerte gegeben.

Aber das Interesse an ihrer Musik war immer weniger geworden, und Josie hatte versucht, sich musikalisch neu zu erfinden. Es hatte nicht geklappt. Ihr Label wollte, dass sie auf ewig das gut gelaunte, blonde Popsternchen der Country-Musik gab, für ihre neuen, eigenen Songs hatten sie nichts übrig.

Und deshalb hatte Josie getrunken. Sie hatte sich selbst und ihre Zukunft gesucht, aber sie war der Suche nicht gewachsen gewesen.

Jackson rieb sich die Nasenwurzel. Er hätte mehr für sie da sein sollen, sie ernster nehmen müssen.

Aunt Mabel legte ihre Hand auf seine und drehte sich zu ihm um. Ihre Augen glänzten. »Ich glaube, ich weiß, wo sie ist.«

Jackson sah sie unsicher an. Aunt Mabel hatte nichts von Josies Problemen mitbekommen, zumindest nicht vom Trinken. Und sie wusste eigentlich auch nicht, dass ihre jüngste Großnichte auf Entzug war. Oder hatte die alte Dame doch etwas aufgeschnappt?

»Vielleicht ist sie unten im Keller auf dem Laufband. Ich mach ihr besser schnell eine frische Limonade.« Sie stand auf.

Jackson verdrehte die Augen. »Nein, Aunt Mabel. Josie ist nicht auf dem Laufband, sie ist gar nicht da.« Er sah auf den Wecker neben dem Bett seiner kleinen Schwester.

»Und wenn, wäre sie jetzt auch nicht im Keller. Es ist doch kaum fünf.«

Aunt Mabel drehte sich zu ihm um. »Und warum bist du dann schon wach?«

Jackson starrte sie an. Er war so müde und erschöpft, dass er nicht mehr wusste, was er ihr noch sagen sollte. Dann riss er sich zusammen und lächelte. »Ich habe viel in der Kanzlei zu tun.«

Aunt Mabel lächelte ebenfalls. »Ja, ja, der frühe Vogel, Jackyboy. Du bist immer so fleißig … Wie geht es eigentlich Alyssa?«

Er presste die Lippen aufeinander. Er hatte Aunt Mabel schon zwei Mal gesagt, dass er die Verlobung gelöst hatte. Aber es half nichts.

»Gut«, antwortete er also und fragte sich, wie es ihr eigentlich tatsächlich ging. Er hatte nicht mehr mit Alyssa gesprochen, mied den Coffeebarn und ging nach wie vor nicht ans Handy, wenn sie anrief. Wahrscheinlich wollte sie erklären, warum sie mit Kip geschlafen hatte. Oder sie wollte ihn zurück, weil die Sache mit dem jungen Barkeeper nur eine einmalige Sache gewesen war.

Bei dem Gedanken daran zog sich alles in Jackson zusammen. Er sah wieder vor sich, wie die beiden in Alyssas Bett gelegen hatten. Jackson wollte nicht daran denken – was geschehen war, war geschehen. Er hatte die Konsequenzen gezogen und würde nach vorn schauen. Keinen Gedanken wollte er mehr an seine Ex verschwenden, einfach, weil sie es nicht verdient hatte. Und natürlich, weil es weniger wehtat, wenn er nicht an sie dachte.

Aunt Mabel nahm sein Kinn in die Hand und zwang ihn, sie anzusehen. »Was ist los, mein Junge?«

»Nichts. Es ist früh, ich bin müde.«

Sie legte den Kopf schief. Einen Augenblick befürchtete er, dass sie mit diesem Blick alles erfasste, was ihn bewegte, dass er sich nun offenbaren oder die Wahrheit aussprechen musste. Aber dann nickte sie nur, drehte sich wieder zur Tür und ging auf nackten Sohlen aus Josies Zimmer.

»Komm, ich mache dir Kaffee«, sagte sie mit einem Blick zurück. »Ohne ein ordentliches Frühstück kannst du nicht arbeiten.«

Jackson folgte ihr nach kurzem Zögern. Warum nicht? Er würde eh nicht wieder einschlafen können. Warum also nicht in die Kanzlei fahren und sich nützlich machen?

***

In Texas ritt Gemma derweil ein paar Galoppwechsel. Hetty sprang von hinten nach vorn durch und ging vom Handgalopp in den Außengalopp, während sie selbst hochblickte, die Kamera suchte und lächelte. Es war ihre leichteste Übung.

Gemma hatte Sponsoren, die sie ausstatteten und für deren Produkte sie Werbung machte. Mit ihrem Schneewittchen-Gesicht verkauften sowohl der Reitzubehörhersteller Horse & Style als auch Forestfashion, eine Firma für Outdoorbekleidung, erfolgreich Produkte. Gemma war Weltmeisterin im Westernreiten, im Reining, aber sie konnte nur deshalb gut davon leben, weil sie fotogen war.

Sie wusste es und machte das Beste daraus. Manchmal wurde ihr der Rummel um sie selbst zu viel. Am Ende bestritt sie lieber Turniere oder ritt einfach so durch die Landschaft, als für ein Fotoshooting eine Show abzuziehen. Demnächst sollte sie sogar einen TV-Spot drehen. Und das ging alles von der Zeit ab, die sie zum Trainieren brauchte.

»Danke, das war’s«, sagte der Fotograf. »Ich denke, wir haben das Bild.«

Gemma trabte über die saftig grüne Weide zu ihrem Pferdepfleger Vern und überließ ihm ihre Stute. Ihre Assistentin eilte ihr schon entgegen. Tammy war Anfang vierzig. Sie war eine lustige, rundliche Person mit einem niedlichen Puppengesicht. Obwohl sie nicht aussah wie jemand, der bestimmend und energisch werden konnte, war genau das der Fall. Manchmal hatte selbst Gemma etwas Angst vor ihrer resoluten Assistentin, da diese die Karriere der jungen Reiterin genauso streng überwachte wie deren Ruhezeiten.

Gemma nahm ihren Cowboyhut ab und fächelte sich Luft zu. Tammy reichte ihr eine Wasserflasche. »Sie haben zwanzig Minuten überzogen.«

»Jetzt sind wir ja fertig.«

»Ja, aber ich sehe es gar nicht gern, wenn diese kreativen Künstlertypen glauben, sie hätten alle Zeit der Welt«, sagte Tammy und unterstrich jedes zweite Wort mit einer ausladenden Geste. »Zeit ist Geld, und das müssen deine Sponsoren erst mal bezahlen, Gemma.«

»Haben sie doch.«

Tammy holte einen Schokoriegel aus ihrer riesigen Handtasche und riss die Verpackung kopfschüttelnd auf. »Ich denke, immer noch, dass wir besser hätten verhandeln müssen.« Sie biss in die Schokolade.

»Tammy, sie bezahlen mich gut.«

»Du verkaufst dich unter Wert.«

»Ach, hör auf. Ich bin doch nicht Giselle Bündchen. Das passt schon alles. Ich hab doch alles, was ich brauche.«

»Es würde passen, wenn sie dann nicht noch so dreist überziehen würden.« Wütend kaute Tammy auf ihrem Riegel.

Gemma lachte. »Von dreistem Überziehen kann doch wirklich keine Rede sein.«

»Du bist zu nett.«

Sie gingen nebeneinander zu Gemmas Jeep und stiegen ein. Tammy saß am Steuer und holte ihr iPad aus der Handtasche. Sie wischte darauf herum, als wäre das Tablet vier Mal so groß, wie es eigentlich war. »Du hast zwei Heiratsanträge von einsamen Ranchern bekommen. Beide aus Montana.«

Gemma seufzte und schnallte sich an. »Okay. Weiter.«

»Ein Liebesbrief ohne Antrag und eine Mail von einem kleinen Mädchen, die fragt, ob du ihr Reitunterricht geben kannst.«

»Von wo schreibt sie?«

»Nebraska. Lincoln.«

»Gut, empfiehl ihr und ihren Eltern Tina. Tina Swellinger.«

Tammy verdrehte genervt die Augen. »Ich weiß, wer Tina ist.«