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Als Josie auf die Rose-Creek-Ranch zurückkehrt, wird ihr klar, dass sie ihr Leben neu beginnen muss. Doch obwohl Josie ihre Alkoholsucht, in die sie nach dem Ende ihrer Karriere als Country-Sängerin gefallen war, überwunden hat, nagen noch immer große Selbstzweifel an ihr.
Erst mit Felix gelingt es ihr, diese für ein paar glückliche Momente zu vergessen. Die Sache hat nur einen Haken: Felix ist Psychotherapeut und überhäuft Josie mit seinen Ratschlägen. Aber was Josie sich von Herzen wünscht, ist ein liebevoller Partner und kein Therapeut ...
Wenn du die Weite Arizonas, Country-Flair, wunderschöne Small-Town-Romances, Pferde und Cowboys liebst, dann ist die Rose-Crrel-Reihe genau der richtige Lesestoff für dich.
Die vollständige Triologie:
Sommerglück in Rose Creek
Eine zweite Chance in Rose Creek
Rückkehr nach Rose Creek
eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.
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Seitenzahl: 273
Veröffentlichungsjahr: 2017
Josie Ashburns Leben steht Kopf: Nachdem sie mit ihrem Karriereende als Country-Popstar nicht klarkam, hat sie sich freiwillig in eine Entzugsklinik begeben. Nun kehrt sie heim auf die Rose-Creek-Ranch. Während ihre Geschwister Emily und Jackson in ihrem Leben vorangekommen sind, fühlt sie sich als müsse sie wieder ganz von vorn anfangen. Josie glaubt nicht daran, dass sie ihr Leben wirklich wieder in den Griff kriegen kann – bis sie Dollys Neffen Felix kennenlernt. Ihm gegenüber kann sie sich öffnen und verliebt sich sofort in ihn. Die Sache hat nur einen Haken: Felix ist Psychotherapeut und kann es daher einfach nicht lassen, sie mit lieb gemeinten Ratschlägen zu überhäufen. Sie wünscht sich aber einen Partner und keinen Therapeuten. Wird Felix erkennen, dass Josie ihren Weg selbst finden muss?
Lucy McKay, geboren 1983, lebt und arbeitet in Berlin. Sie ist in den USA und Deutschland zur Schule gegangen und hat mehrere Romane unter verschiedenen Pseudonymen veröffentlicht. Lucy hört heimlich Countrymusik und bedauert noch heute, dass sie das Reiten in ihrer Jugend zugunsten von Französischnachhilfe aufgeben musste. Denn welcher gute Countrysong ist schon auf Französisch?
Lucy McKay
Rückkehr nach Rose Creek
beHEARTBEAT
Digitale Originalausgabe
»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment
Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Charlotte Inden
Lektorat/Projektmanagement: Anna-Lena Römisch
Covergestaltung: Jeannine Schmelzer unter Verwendung von Motiven von © shutterstock: 100ker | Anton Foltin und © iStock.com/fotostorm
eBook-Erstellung: Dörlemann Satz, Lemförde
ISBN 978-3-7325-3277-3
www.be-ebooks.de
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I was lost, it was deepdown in the rough black seaand I was drowningright before you found me
Josie Torn
Der Champagner perlte in Hunderten Gläsern. Wohin Josie auch blickte, sah sie Gläser mit prickelndem Champagner, in dem Rosenblüten schwammen. Es war hübsch anzuschauen, wie sich die Gläser bewegten und die Blütenblätter so zum Tanzen brachten.
Ganz Sandwood lachte und trank, feierte und prostete sich zu – mit Ausnahme von ihr, Josie Ashburn. Sie lehnte an der Wand zwischen Geschenketisch und Sitzordnungstafel und suchte nach Halt. Sie war hinter der Tafel halb verborgen und wünschte sich, sich ganz verstecken zu können. Aber das ging nicht, nicht heute.
Emily sah fantastisch aus. Josies große Schwester war der Mittelpunkt des Festes. Sie trug ein weißes, fließendes Kleid von schlichter Eleganz. Einzig am Ausschnitt besaß es als Schmuck ein bisschen Spitze. Emily strahlte. Seit wenigen Stunden war sie mit Ryan verheiratet, der im Smoking neben ihr stand. Die beiden sahen so glücklich aus, dass Josie keine Worte dafür fand.
Sie hatte die Trauung in der Kirche überstanden, aber schon direkt danach beim Empfang hatte der Feind überall gelauert. Und wie sollte es auch anders sein? Eine Hochzeit ohne Alkohol war nun mal nicht möglich.
Die Dekoration war winterlich. Draußen, außerhalb des Zeltes, das auf der Rose Creek Ranch aufgebaut war, war es wie immer heiß und sonnig, aber hier drinnen machte die Deko dem Februar alle Ehre: Weiße Watte zierte Tannenzweige, die auf den runden Tischen lagen, silberne Bänder verzierten Stühle und Zeltstangen, und die Kinder hatten als kleines Geschenk Stofftiereisbären erhalten, mit denen sie nun zwischen den Tischen tobten und spielten.
Das Essen war vorbei. Josie hatte auch das überstanden. Sie hatte Wasser und Saft getrunken, und alle Kellner waren offenbar unterrichtet worden, dass man der jüngsten Ashburn keinen Wein einschenken durfte.
Sie war geheilt. Sie war aus der Entzugsklinik entlassen worden und sollte nun ihr normales Leben wieder beginnen. Aber Josie fühlte sich nicht geheilt. Sie durfte nie wieder Alkohol trinken, sie war anders als die anderen hier, die ausgelassen ihre Gläser aneinanderklirren ließen. Sie konnte den Champagner riechen, und natürlich wollte sie davon trinken.
Josie wollte auch auf ihre Schwester anstoßen, mit ihr lachen und diese Traumhochzeit feiern. Aber sie durfte nicht. Sie brauchte all ihre Kraft, um nicht einfach zu einem der Kellner mit Tabletts zu laufen, ein Glas an sich zu reißen und es hinunterzustürzen. Sie sah sich bereits die tanzenden Rosenblüten verschlucken, weil es ihr nicht um die Schönheit der Dekoration ging, sondern nur um den Alkohol. Sie fühlte sich wie auf sehr dünnem Eis – was natürlich gut zu dem Thema dieser Hochzeit passte.
Drüben im Wohnhaus in ihrem Zimmer lagen ihre Koffer noch unausgepackt herum. Josie war erst gestern Abend spät angekommen. Sie erinnerte sich an das Gefühl von Heimat, das sie früher immer auf der Rose-Creek-Ranch gehabt hatte und das sich diesmal einfach nicht einstellen wollte. Dabei hatte sie doch mit dem Trinken aufgehört, sollte sie nicht einfach froh sein, wieder zu Hause zu sein?
Jetzt nur nicht ungeduldig werden, ermahnte Josie sich. Hannah, ihre Therapeutin in der Klinik, hatte ihr gesagt, dass die Hochzeit eine große Anstrengung werden würde, eine Zerreißprobe, und das gleich zu Beginn, so kurz nach ihrer Entlassung.
Josie würde es schaffen, nur noch eine Stunde, dann konnte sie sich entschuldigen. Sie musste noch die ersten Tänze abwarten, dann würde sie sich in ihr Zimmer zurückziehen, auspacken, vielleicht ein Bad nehmen, und dann würde sie Ruhe haben – und endlich wirklich ankommen können.
Sie schaute zu der Tanzfläche und kaute auf ihrer Unterlippe. Das Schlagzeug der Band war schon aufgebaut, die Mikros standen bereit. Wann würden die Musiker denn endlich anfangen?
»Warum singst du nicht?«, fragte eine tiefe Stimme plötzlich neben ihr.
Josie schrak zusammen und sah zu dem jungen Mann hinüber. Es war ein Cousin von Ryan, der sie anlächelte. Josie wusste seinen Namen nicht mehr. Eigentlich sah er nett aus, aber sein Blick erschien ihr bohrend. »Bitte?«
»Ein kleines Ständchen von dir? Zur Feier des Tages, schließlich bist du Josie Torn.«
Sie sah ihn an. War sie noch Josie Torn? Das war ihr Künstlername gewesen, als sie ein junger Country-Popstar gewesen war. Josie Torn war eine Kunstfigur. Und ihre Zeiten waren vorbei, sie hatten Josie unglücklich gemacht und in den Alkohol getrieben.
»Oder machst du keine Musik mehr?«, fragte der Cousin jetzt.
Sie schluckte. »Doch«, sagte sie leise.
Sie war noch Musikerin, aber sie war nicht sonderlich aktiv. Sie war sich auch nicht sicher, wer oder was sie auf einer Bühne sein wollte, suchte noch nach neuen Texten und Melodien. Aber ganz sicher war sie nicht mehr die Josie Torn von damals mit den Glitzercowboystiefeln.
Der Cousin lachte. »Ich hab schon lange keinen neuen Song mehr von dir gehört.«
»Weil ich keinen mehr produziert habe«, sagte sie und folgte mit dem Blick einem Champagnertablett, das ein Kellner vorbeitrug.
»Oh, Entschuldigung, ich wollte dir nicht zu nahe treten«, sagte der Cousin. »Mach dir nichts draus. Erfolg ist niemals eine Konstante. Für keinen.«
Sie nickte und sah ihn an. Er meinte es bestimmt gut, und er sah so freundlich aus, aber sie konnte ihm einfach nichts mehr sagen, sie konnte gerade nicht einmal über Musik nachdenken, nicht inmitten all dieser gefährlichen Verlockungen.
Im Herbst hatte Josie einen kleinen Urlaub von der Klinik gemacht und auf einer Benefizveranstaltung auf der Ranch ein paar Lieder gesungen. Sie war furchtbar aufgeregt gewesen und sehr dankbar, dass sie direkt danach wieder zurück in die Klinik gefahren wurde, wo man sie auffing. Aber jetzt gab es kein Zurück in die Klinik mehr, sie war draußen, allein und auf sich gestellt, und ihre Schwester hatte geheiratet, und Josie konnte nicht mit ihr anstoßen.
»Entschuldige mich«, murmelte Josie und drängte sich zwischen Geschenktisch und Tafel hindurch. Sie eilte aus dem Zelt nach draußen. Die Hitze Arizonas empfing sie mit all ihrer Schwere. Das weiße Winterzelt war klimatisiert, hier draußen jedoch herrschte ewiger Sommer mit Blick auf Pferdeweiden voller grasender Appaloosas und unverwüstlicher Kakteen.
Josie ging über den Hof, das lange zartrosa Kleid umspielte ihre Beine, während sie einfach weiterlief. Sie streifte ihre Schuhe von den Füßen, raffte das Kleid und stand schließlich im Rose Creek.
Der kalte, klare Bach, der sich über das Gelände der Ranch schlängelte und dem sie ihren Namen verdankte, kühlte ihre nackten Beine. Josie schloss die Augen und atmete tief durch. Endlich ein Gefühl von Vertrautheit. In diesem Bach hatte sie als kleines Mädchen gespielt, er erinnerte sie an unbeschwerte Tage ohne Fans und Musik und den Druck, noch einen weiteren Nummer-Eins-Hit landen zu müssen. Immer noch einen. Es war nie genug in der Welt der Stars und Charts.
»Josie? Alles in Ordnung?«
»Emily.« Josie drehte sich zu ihrer Schwester um. »Du siehst wunderschön aus.«
Emily schmunzelte. »Das hast du schon drei Mal gesagt.«
»Zwei Mal. Höchstens.«
»Ich hab gesehen, dass du vor Robbie davongelaufen bist. Ist was passiert?«
Josie seufzte und schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht, er war nett. Das Problem bin ich.«
»Du bist kein Problem, Schwesterherz. Es ist nur alles nicht immer so einfach. Mach dir keinen Kopf um Robbie, er kommt zurecht.«
Josie lächelte traurig. »Ich dachte, ich kann das alles besser wegstecken. Das Nachhausekommen, den ganzen Champagner …«
»Ich finde, du schlägst dich prächtig«, sagte Emily, während eine leichte Brise ihre dunkelblonden Locken und den weißen Schleier bewegte. »Du musst jetzt einfach in ganz kleinen Schritten denken. Jetzt geht es erst einmal darum, diese Hochzeit zu überleben, und morgen siehst du dann weiter.«
»Aber es ist deine Hochzeit, Em. Was bin ich denn für eine Schwester, wenn es für mich nur darum geht, sie zu überleben? Ich sollte ausgelassen mit dir feiern, mich mit dir betrinken …«
»Also erstens bist du die beste Schwester überhaupt, und zweitens pflege ich doch diesen furchtbar ungesunden Umgang mit Alkohol. Erinnerst du dich? Jemand hat mir mal gesagt, so wenig wie ich trinke, sei ich auch nicht normal. Mit mir kann man sich gar nicht betrinken.«
Josie lachte. »Das stimmt.« Sie wurde ernst. »Und mit mir auch nicht mehr.«
»Gut.«
»Gut«, wiederholte Josie leise. Warum fühlte es sich dann nicht gut an? Früher war das einmal einfach gewesen.
»Pass auf«, sagte Emily. »Du kommst jetzt mit rein, mischst dich unter die unverheirateten Mädels da drin, während ich den Brautstrauß werfe, und dann ziehst du dich zurück.«
»Schon? Das kann ich nicht machen, Emily. Ich muss wenigstens einmal mit Dad tanzen.«
»Um Gottes willen, es reicht wirklich, wenn ich das mache. Er muss doch nicht die Füße von uns allen malträtieren. Ich bin sicher, auch Dad ist froh, wenn er nicht mehr als zwei Mal auf die Tanzfläche muss. Einmal mit mir und einmal mit Dolly.«
»Arme Dolly, sie tanzt doch so gern.«
»Mach dir keine Gedanken wegen Dolly, Josie. Sie wird ebenfalls zurechtkommen. Du darfst dich nur um dich kümmern. Soweit ich weiß, hast du noch nicht mal fertig ausgepackt.«
»Um so was solltest du dich an deiner Hochzeit aber wirklich nicht kümmern.«
»Ich höre sofort damit auf, sobald ich weiß, dass du in deinem Zimmer bist und dich um die Koffer kümmerst.«
Josie lachte. »Du spinnst.«
Emily streckte die Hand nach ihrer kleinen Schwester aus. »Na, komm. Ein Lied, ein Brautstrauß, dann bist du für heute fertig.«
Josie nickte und stieg aus dem Bach.
Und wenig später stand sie barfuß auf der Tanzfläche. Und obwohl sie sich in die letzte Ecke verkroch und sich hinter zwei Großcousinen versteckte, flog der winterliche Strauß mit seinen weißen Rosen und tiefgrünen Tannenzweigen direkt in ihre Arme.
Josie konnte gar nicht anders, als ihn zu fangen.
*
Phoenix schnaubte, als TJ an seine Box herantrat.
»Du hast es gut, mein Junge«, sagte der Rancher und streichelte die Nase seines prächtigen Zuchthengstes. Er hatte sogenannte White Tipped Ears und war dank Jacksons Reitkünsten im vergangenen Herbst zum Star in der Westernreitszene geworden. Sie konnten sich vor Deckungsanfragen kaum retten.
»Du wirst dich doch nicht an der Hochzeit deiner Tochter heimlich auf dem Pferd davonstehlen?«
TJ wandte den Kopf zum Stalltor. Im Gegenlicht erkannte er seine Exfrau Chris. Sie trug ein elegantes Cocktailkleid, ihre Haare waren kinnlang. Sie schwangen in weichen Wellen um ihren Kopf. TJ hatte Chris heute Morgen zum ersten Mal seit Jahren gesehen. Er wandte sich ihr zu und lehnte sich seitlich an die Pferdebox.
»Nein, aber ich würde gern.«
Sie lachte und kam näher. »Ich weiß. Du warst schon immer ein Tanzmuffel.«
»Ich will nur kurz etwas durchatmen.«
Chris zog die Nase kraus. »Im Pferdestall?«
»Für mich ist das die beste Luft. Da drüben im Festzelt hingegen … Ach, so schlecht ist die Luft da auch nicht. Ich will bloß nicht tanzen.«
Chris nickte und stützte ihre Unterarme auf die Wand der Box. Sie sah zu dem Pferd, und TJ folgte ihrem Blick. »Er ist unser ganzer Stolz, er allein hält die Ranch am Laufen.«
Chris wiegte den Kopf hin und her. »Ich bin sicher, dass du und unsere Tochter auch euren Teil dazu beitragt.«
»Natürlich.«
Chris sah ihn an.
Emily hatte ihre Augen, ihre Stärke und Klugheit. Chris war noch immer eine Schönheit, und sie würde es immer sein. TJ hatte das noch nie so klar gesehen wie in diesem Augenblick.
»Was macht New York?«, fragte er.
»Es ist nicht Sandwood, also perfekt.«
Er lachte. »Nicht mal an der Hochzeit deiner Tochter kannst du unsere schöne kleine Heimat in Frieden lassen?«
»Du hast recht. Entschuldigung. New York ist immer noch eine tolle Stadt. Ich fühle mich sehr wohl und liebe meine Arbeit dort.«
»Du siehst auch gut aus.«
»Du auch. Danke.«
Verlegen wandte er den Blick von ihr ab und streichelte Phoenix zwischen den Ohren.
»Wie war es für dich, Emily heute zum Altar zu führen?«
»Schön«, antwortete TJ. »Und schrecklich. Ich hatte noch nie so endgültig das Gefühl, dass ihre Kindheit vorbei ist.«
»Sie ist vierunddreißig.«
»Ich weiß, sie ist schon lange erwachsen. Aber das war doch alles immer ein schleichender Prozess, ein langsamer Übergang. Und heute habe ich sie weggegeben.«
»Sie wird ja nicht mal ausziehen, TJ. Ryan wohnt doch längst bei euch auf der Ranch. Du verlierst niemanden, du gewinnst einen Sohn.«
»Ja, aber in der Kirche hat es sich nicht so angefühlt.«
»Ich weiß«, sagte Chris, legte ihre Hand auf seine und drückte sie.
Es tat ihm gut, dass sie verstand. Am Ende ihrer Ehe hatte Chris sehr wenig von TJs Leben verstanden. Sie waren damals auseinandergedriftet.
»Wie ist es für dich gewesen?«, fragte er jetzt.
»Ganz genauso. Und ich wohne nicht mal mehr hier.«
Er schloss seine Finger um ihre, ohne darüber nachzudenken. In diesem Augenblick fühlte TJ sich seiner Exfrau so nah wie in zwanzig Jahren nicht – und davon waren sie noch fünf verheiratet gewesen. Das Gefühl, das ihn beschäftigt und hier raus in den Stall getrieben hatte, konnte er mit niemandem teilen außer mit ihr.
»Wir haben sie toll hingekriegt«, sagte Chris jetzt. »Unsere Älteste.«
»Sie ist wie du.«
»Um Gottes willen, TJ. Das hoffe ich nicht.« Sie kam näher und stieß scherzhaft mit der Schulter an seinen Oberarm. »Ihre Liebe zu Sandwood hat sie ja wohl eher von dir. Und was das Reiten angeht …«
Er grinste Chris an. »Ja, das hat sie auch nicht von dir.«
Sie nickte, sah ihm in die Augen und strich sich eine Locke aus dem Gesicht. »Du bist ein toller Vater.«
»Nein, nicht immer.«
»Doch.«
Er schluckte. Sie ließ sich nicht beirren, dabei war TJ weiß Gott nicht stolz auf den ein oder anderen Schnitzer, den er sich im vergangenen halben Jahr geleistet hatte. Er wusste, dass Chris darüber im Bilde war. Sie telefonierte regelmäßig mit den Kindern, die sie auch oft besuchten. Wenn sie sich über ihn ärgerten, dann erzählten sie ihrer Mutter davon.
Aber in diesem Augenblick lag kein Vorwurf in dem Blick seiner schönen Exfrau. Der harte Rancher TJ fand dort nur Wärme.
*
»Nein, ich möchte nicht tanzen«, sagte Tammy, wandte sich ab und ging davon.
Ned folgte ihr. »Aber du tanzt doch so gern.«
Tammy fuhr noch einmal herum. »Ja, aber nicht mit dir.«
Er grinste. »Das sah letzte Woche aber noch ganz anders aus.« Ned Neemer trug Jeans und Cowboyhut zu dieser Hochzeit, was viele der männlichen Gäste taten. Sie hatten die guten Stetsons gebürstet und neue Jeans gekauft, um ihre Westernseele nicht zu verraten und dem festlichen Anlass dennoch gerecht zu werden. Aber keiner von ihnen grinste unter seiner Hutkrempe so selbstgefällig wie der Westernreiter Ned Neemer, seines Zeichens ewiger Zweiter hinter Gemma Roke und außerdem Tammys Liebhaber.
»Das war letzte Woche und ist vorbei«, zischte Tammy. Bei dem Gedanken an besagtes Stelldichein wurde sie rot. Natürlich war es gut gewesen, es war immer gut mit Ned. Aber nur weil Tammy eine süße Affäre zu schätzen wusste, würde sie noch lange nicht mit Ned in der Öffentlichkeit herumturteln. Sie waren kein Paar. Genau genommen mochte Tammy Ned nicht einmal besonders. Deshalb war der Sex ja auch so gut.
Leider mochte Ned Tammy dafür umso mehr und lief ihr schon den ganzen Tag hinterher. Das war lästig. Besonders da Tammy ja nicht zum Vergnügen auf dieser Hochzeit war, sie hatte hier einen Job zu erledigen.
Ihr Job war Aunt Mabel, die dreiundachtzigjährige Großtante der Braut. Sie war eine süße alte Dame, die zu Verwirrungen und unüberlegten Handlungen neigte wie zum Beispiel plötzlichen Reisen durch das halbe Land. Und Tammy war für Aunt Mabel verantwortlich. Anstatt sich aber als ihre Gesellschafterin um sie zu kümmern, stand die rundliche Tammy nun vor dem drahtigen Ned, von dem sie nicht einmal wusste, warum er eingeladen worden war.
»Ned, ich habe kein Interesse daran, mit dir zu tanzen«, erklärte sie. »Ich habe überhaupt keine Zeit für dich.«
»Das sagst du nur, weil du mich gern leiden siehst.«
»Quatsch«, murmelte sie und versuchte, an ihm vorbeizuschauen.
Er stellte sich wieder direkt in ihr Blickfeld. »Nur ein Tanz. Ich liebe es einfach, wie du dich bewegst.«
Tammy beugte ihren Oberkörper in die andere Richtung, um endlich einen Blick an ihm vorbei erhaschen zu können. Sie sah den runden Sechsertisch direkt neben dem Brauttisch. Er war leer.
»Oh nein!«
»Was?«, fragte Ned.
Tammy schob ihn einfach zur Seite und stapfte durch das Festzelt. »Eben war sie doch noch da.«
»Wer?«
»Na, wer wohl, du Trottel. Aunt Mabel.«
»Sie macht sich wahrscheinlich nur kurz frisch.«
»Oder sie ist bereits mit einem der Kellner auf dem Weg nach Mexiko.«
Er lachte. »Was?«
Tammy funkelte ihn wütend an. »Das ist Ernst. Lass mich in Frieden, oder hilf mir suchen, du Pappnase.«
»Ist ja gut.«
»Diese Frau ist zu allem fähig.« Tammy rang die Hände. »Wir müssen sie finden.«
Ned stöhnte genervt auf. »Ich schaue auf dem Parkplatz nach.«
»Das ist das erste kluge Wort, das ich von dir höre.«
»Wird nicht das letzte gewesen sein«, sagte er im Weggehen.
Aber dessen war Tammy sich nicht so sicher. Sie entdeckte Dolly am anderen Ende des Zeltes und eilte zu ihr. Die Tierärztin trug ein schimmerndes Kleid mit Puffärmeln, in dem sie sich unwohl zu fühlen schien. Dolly hatte blonde, wild aufgetürmte Haare und trug immer, wirklich immer, pinkfarbenen Lippenstift; aber so weiblich und übertrieben sie auch ihren Kopf stylte, am Körper trug sie gern Jeans und Flanellhemden. Ein Kleid sah man an ihr selten.
»Ich hätte meine Cowboystiefel anziehen sollen«, sagte sie jetzt, als Tammy näher kam.
»Wenn du meinst.«
»Aber du siehst großartig aus, Tammy.«
»Danke, Dolly. Du, sag mal, hast du Mabel gesehen?«
Dollys Augen glitten über die Menschenmenge im Festzelt. »Nein, jetzt schon länger nicht.« Dann erschrak sie sichtlich. »Ist sie weg?«
»Ich weiß nicht, ich hab sie kurz am Tisch allein gelassen, und jetzt ist sie verschwunden.«
»Okay, wir sollten nicht die Pferde scheu machen. Emily darf erst mal nichts erfahren. Ich helfe dir suchen.«
»Danke, ich übernehme das Festzelt, die Toiletten und das Haus.«
Dolly nickte. »Ich schau draußen nach, am Rose Creek und in den Ställen.«
Tammy nickte, als Dollys Hand sich auf ihre Schulter legte. »Mach dir keine Sorgen, weit kann sie nicht sein.«
*
Dolly verließ das Festzelt. Die Hitze schlug ihr entgegen, und sie blinzelte in die Sonne. Sie schirmte ihre Augen mit der Hand ab und sah sich suchend um. Wahrscheinlich hatte die alte Dame nur Lust auf ein kühlendes Fußbad gehabt und stand irgendwo im Schatten mit nackten Füßen im Bach.
Im vergangenen Jahr war Aunt Mabel allein und spontan sowohl nach New York als auch nach L.A geflogen. Sie hatte damit alle in Angst und Schrecken versetzt. Aber nun war Tammy an ihrer Seite, und Dolly vertraute der Gesellschafterin. Außerdem würde Mabel nicht die Hochzeit ihrer geliebten Großnichte verlassen. Und selbst wenn doch, musste sie jetzt, zu diesem Zeitpunkt, noch in der Nähe sein. Zum Flughafen konnte sie es noch nicht geschafft haben.
Ryan, der Bräutigam, stand etwas abseits mit ein paar Männern zusammen, die zum Rauchen hinausgegangen waren. Jetzt drehte er sich um und kam zu Dolly.
»Was ist los? Hast du jemanden verloren?«, fragte er hilfsbereit. Er sah wahnsinnig gut aus mit seinem braunen Haar und dem markanten Kinn. Der Smoking saß einwandfrei.
Dolly war überglücklich, dass der junge Tierarzt nach Sandwood gekommen war. Allein hatte sie den Viehbestand des kleinen Städtchens kaum mehr bewältigen können. Und nun war der gut aussehende Mann sogar so etwas wie ihr Schwiegersohn geworden. Bei dem Gedanken musste Dolly schmunzeln. Sie hatte keine Kinder, aber als TJs feste Freundin sah sie in Emily quasi ihre Tochter. Und Ryan war der beste Mann, den man sich für seine Tochter wünschen konnte.
»Wen hast du denn verloren?«, fragte Ryan lachend und sah in die Richtung, in die sie auch geschaut hatte.
Dolly wurde unsicher. Sie wollte ihn nicht verrückt machen, es war seine Hochzeit. Aber andererseits war Mabel wirklich immer für Überraschungen gut. Dolly war hin- und hergerissen.
»Vielleicht kann ich dir ja bei der Suche helfen?«
»Auf keinen Fall«, stieß Dolly hervor, setzte ein Lächeln auf und zeigte hinter sich zum Zelt. »Du wirst drinnen gebraucht, du Mann der Stunde.«
»Aber wen suchst du denn?«
»Niemanden«, log sie, ihr Lächeln wurde breiter und fühlte sich falsch an.
»Dolly?« Er hob skeptisch eine Augenbraue.
»Wirklich. Niemanden«, sagte sie wieder.
Sie würde ihm erst dann Bescheid geben, wenn sicher war, dass Aunt Mabel sich nicht mehr auf dem Gelände der Ranch befand. Vorher nicht. Auf keinen Fall. Nicht dass das Fest abbrach und alle nach einer Frau suchten, die dann lediglich auf der Hollywoodschaukel hinten auf der Terrasse eingeschlafen war.
»Du bist so komisch.«
»Aus Rührung«, sagte sie schnell und packte ihn bei den Schultern. »Und aus Freude.«
Mit diesen Worten schob sie ihn ins Zelt, wo er sofort von seinen Gästen in Beschlag genommen wurde.
Dolly aber ging den Bach entlang. Er plätscherte rechts von ihr über das ganze Ranchgelände. Sie war überzeugt, dass das frische Quellwasser den Tieren hier guttat. Die Appaloosas der Ranch waren sicher auch deshalb so gefragte Tiere, weil sie dieses Wasser tranken und Gras fraßen, das mit diesem Wasser bewässert wurde. Von dem Bach ging eine Art Naturmagie aus – darauf hätte Dolly Stein und Bein geschworen.
Aunt Mabel sah das ähnlich, aber dennoch war sie gerade nicht am Bach. Sie stand auch nicht darin, was sie schon öfter getan hatte. Einmal war sie sogar in Unterwäsche durch den Bach gewatet. Als man sie darauf ansprach, war sie überzeugt, ihr Chanelkostüm zu tragen.
Dolly war inzwischen an den Weiden hinter den Ställen angekommen. Sie konnte meilenweit durch die Landschaft gucken, sah Pferde und Kakteen, ganz weit entfernt sogar die Rinder des Nachbarn Joe, aber Mabel war nirgends zu entdecken.
Die Sonne ging am Horizont langsam unter. Hoffentlich fanden sie Aunt Mabel, bevor es dunkel wurde. Denn rings um das Städtchen Sandwood war Wüste, lagen einsame Straßen ohne Beleuchtung. Dolly schob die Sorge beiseite, erst einmal musste sie weitersuchen.
Sie drehte sich um und folgte dem Bachlauf jetzt in die andere Richtung, bis zu den Ställen. Das große Schiebetor am Hauptstall war offen. Dolly kam hoffnungsvoll näher, ging hinein und griff automatisch nach dem Lichtschalter. Sie besuchte den Stall der Rose-Creek-Ranch seit Jahrzehnten zu jeder Tages- und Nachtzeit, hatte hier schon Dutzenden Fohlen auf die Welt geholfen. Sie hätte den Lichtschalter im Schlaf finden können.
Surrend gingen die Leuchtstoffröhren in den Deckenlampen an – und neben Phoenix’ Box fuhren zwei Menschen auseinander. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte Dolly noch gesehen, wie die beiden sich küssten, jetzt sah sie in zwei verschreckte Gesichter.
»TJ?«
»Dolly«, krächzte er. Er war aschfahl und kam einen Schritt auf sie zu, aber Dolly wich kopfschüttelnd zurück.
Chris sah zerknirscht zu ihr hinüber.
Er hatte seine Exfrau geküsst. Die schöne, elegante Chris, die erstens ein besseres Kleid für diesen Tag gewählt hatte als Dolly selbst und sich zweitens sehr viel natürlicher darin bewegte als Dolly in ihrem.
Dolly stolperte über die Schiene der Schiebetür aus dem Stall hinaus, wandte sich um und ging schnellen Schrittes davon. Mit ihr hatte TJ nicht einmal tanzen wollen, und dann knutschte er mit seiner Ex im Stall. Wahrscheinlich waren die beiden kurz davor gewesen, auf den Heuboden hinaufzuklettern, das mochte er doch so gern. Und da sie, Dolly, das nicht mehr mitmachen wollte, seit er heruntergefallen war, versuchte er nun bestimmt, seine Ex dort oben zu verführen. Vor ihr konnte er sich noch aufspielen als Held, als harter Rancher. Und Chris war eine attraktive Kosmopolitin mit einer angeborenen Eleganz. Natürlich, wer konnte da Nein sagen? Das Landei Dolly hatte TJ ja jeden Tag.
Dolly schnaubte. Am Wohnhaus blieb sie unschlüssig stehen. Wohin nun? Zurück ins Zelt? Sie wusste nicht einmal mehr, weshalb sie überhaupt in den Stall gegangen war. Sie fühlte sich völlig leer.
In diesem Moment öffnete Tammy schwungvoll ein Fenster im ersten Stock und winkte.
»Dolly«, rief sie. »Ich hab sie gefunden.«
»Was? Wen?«
»Aunt Mabel«, sagte Tammy verwirrt.
»Ach so. Ja, natürlich.«
»Sie packt mit Josie Koffer aus.« Tammy lächelte erleichtert. »Es ist also alles in bester Ordnung.«
Dolly presste die Lippen aufeinander und sah zur lebenslustigen Tammy hinauf. Alles in bester Ordnung? Wohl kaum.
»Bist du sicher, dass du genug warme Sachen dabeihast?«, fragte Ryan und trug den gepackten Koffer aus Emilys Zimmer.
Sie folgte ihm. »Ich bin mir zumindest sicher, dass man in Kanada bessere Wintermäntel kaufen kann als hier.«
Lachend ging er an den Familienfotos auf der Treppe vorbei. »Stimmt.« Unten stellte er den Koffer zu einem weiteren, der schon unten stand, drehte sich um und betrachtete sie. Er lächelte. »Meine Frau.«
Sie ließ sich von der letzten Treppenstufe in seine Arme fallen und küsste ihn. »Mein Mann.«
»Hey, spart euch das für die Flitterwochen auf«, rief Jackson. Emilys kleiner Bruder lehnte mit einer Kaffeetasse in der Hand in der Tür zum Wohnzimmer und grinste sie an.
»Musst du gerade sagen«, antwortete Emily über Ryans Schulter hinweg. Sie küsste ihren Mann wieder. Sie war überglücklich, die Feier war ein Traum gewesen, von der vergangenen Nacht ganz zu schweigen.
»Ich meine es ernst«, sagte Jackson, trank noch einen Schluck Kaffee und stellte die Tasse auf einer kleinen Kommode ab. »Oder wollt ihr euren Flug verpassen?«
»Nein, natürlich nicht.« Emily löste sich schweren Herzens von ihrem Mann und nahm ihre Handtasche. Jackson und Ryan griffen nach den Koffern. Emily öffnete den Männern das Fliegengitter, dann folgte sie ihnen hinaus auf die Veranda. Sie liefen rüber zum Parkplatz und stiegen in Jacksons schicken Jeep.
Jackson setzte seine Sonnenbrille auf, bevor er losfuhr. Emily drehte sich um und warf einen letzten Blick auf die Ranch.
Ryan lachte. »Wir kommen ja wieder, Schatz.«
»Das will ich hoffen«, sagte Jackson. Er fuhr die Zufahrtsstraße zum Highway entlang.
Emily neben ihm schaute wieder nach vorn: »Pünktlich zu eurer Einweihungsparty sind wir zurück.«
»Davon geh ich aus, denn das wird noch lange dauern.«
Ryan beugte sich etwas vor. »Mit der alten Ranch habt ihr euch wirklich etwas vorgenommen.«
Jackson hob die Schultern. »Was sollte ich machen? Gemma hat das alte Haus bei einem Ausritt gesehen und sich verliebt.«
»Und wie will man einer Frau eine Bitte abschlagen?«, fragte Ryan.
»Eben.«
»Ihr kriegt das schon hin«, sagte Emily. »Es ist viel Renovierungsarbeit, aber dafür könnt ihr euch in der Gestaltung ausleben. Und die Anschaffung war günstig.«
»Du und deine Zahlen«, neckte Ryan sie. »Als müsste Gemma Roke aufs Geld achten. Und sie hat ja auch ihr Haus in Kalifornien verkauft.«
Jackson seufzte und sagte nichts.
Emily drückte kurz seine Hand. »Ihr werdet euch ein wunderbares Zuhause auf der anderen Seite von Sandwood schaffen. Und am Ende stolz auf das sein, was ihr gebaut und hergerichtet habt.«
Er schwieg noch immer, nickte aber.
Emily strich sich eine Haarsträhne zurück. »Du vergisst nicht, nach Josie zu sehen, oder?«
»Natürlich nicht.«
»Sie braucht uns jetzt, Jackson. Die Rückkehr wird nicht einfach, und wir dürfen sie nicht wieder so hängen lassen.«
»Auf keinen Fall.«
Emily schenkte ihrem Bruder einen Seitenblick und räusperte sich. »Ich meine nur, weil du in den letzten Wochen gar nicht zu Hause warst. Entweder du bist in der Kanzlei oder auf eurer Baustelle.«
»Geht es jetzt darum, dass ich bei eurer Hochzeit zu wenig geholfen habe?«
Emily runzelte die Stirn. »Nein, es geht um Josie.«
»Sicher?« Jackson hob eine Augenbraue, Emily konnte es trotz Sonnenbrille sehen.
»Ja, sicher. Dolly und Mabel haben geholfen. Und sogar Dad.«
»Sogar Dad?« Jackson lachte trocken auf. »Das klingt jetzt aber wirklich wie ein Vorwurf. Sogar Dad hilft, nur Jackson nicht.«
»Was?« Emily tauschte einen verwirrten Blick mit Ryan, aber ihr Bruder sprach weiter: »Ich sag dir was, Em. Nur weil ich bis jetzt alle Veranstaltungen der Ranch organisiert habe, bin ich nicht dein Hochzeitsplaner.«
»Äh, es ging mir um Josie, Jackson.«
»Klar.«
Ryan runzelte die Stirn. »Wir machen dir wirklich keinen Vorwurf, Jackson. Kann es sein, dass du dir selbst einen machst?«
»Sollte ich?«
»Jetzt hör aber auf!« Emily wurde laut. »Was ist denn dein Problem? Ich habe dir tausend Mal gesagt, dass ich verstehe, dass ihr Zeit für euer neues Haus braucht. Ich habe außerdem gesagt, dass zu viele Köche den Brei verderben, auch bei einer Hochzeit. Ich will nur, dass du dich in den nächsten Wochen um Josie kümmerst. Können wir jetzt kurz über unsere alkoholkranke, kleine Schwester reden? Ginge das?«
Jackson biss sich auf die Unterlippe, dann nickte er knapp. »Klar.«
»Gut. Kannst du also bitte regelmäßig nach ihr sehen? Sie fragen, wie es ihr geht, und sie ermutigen? Aber nicht zu aufdringlich sein.«
Jackson sah kurz zu ihr. Er war jetzt wieder der Bruder, den sie kannte, der verständnisvolle junge Mann ohne Härte. »Du kannst dich auf mich verlassen«, sagte er ernst.
»Danke«, murmelte Emily. Sie beobachtete ihn weiter. Irgendetwas wurmte ihn. Es ging hier doch nicht darum, dass er mehr bei der Hochzeit hätte helfen sollen oder können. Warum ritt er darauf herum? Da war etwas anderes im Busch.
Vielleicht war es auch nur der Stress bei der Arbeit und auf der Baustelle. Ein so großes Haus zu renovieren, während man auch noch eine eigene Kanzlei zu führen hatte, das konnte an die Nieren gehen.
Emily wusste, dass Jackson kaum schlief und nicht zur Ruhe kam. Nur so angespannt wie in diesem Augenblick hatte sie ihn noch nie gesehen. Sobald sie aus den Flitterwochen zurück war, musste sie mit ihm reden. Jetzt nicht, jetzt musste ihre Familie hier in Sandwood mal allein klarkommen.
Sie sind schließlich alle erwachsen, sagte Emily sich.
Aber es blieb ein mulmiges Gefühl.
*
Das Haus war still, als Josie auf den Flur trat. Emily und Ryan waren auf dem Weg nach Kanada, Jackson hatte sie zum Flughafen gebracht und war dann direkt in die Kanzlei gefahren. TJ überwachte draußen den Abbau des Festzeltes, und Tammy und Aunt Mabel frühstückten im Coffee Barn, dem kleinen Café in Sandwood. Josie wusste all das, und trotzdem überraschte die Stille sie. Sie erdrückte sie fast.
Josie warf noch einen Blick über ihre Schulter, ihre Koffer waren ausgepackt und auf dem Dachboden verstaut. Nicht ausgepackt zu haben war nun kein Grund mehr dafür, dass sie sich nicht angekommen fühlte.
Aunt Mabel hatte ihr geholfen und war überraschend effizient gewesen. Sie wusste genau, wo alles hinkam. Während des Einräumens fragte sie, wann Josies Album Painted Desert Heartbreak endlich erscheinen würde. Josie antwortete, dass es schon draußen war, und zwar seit fünf Jahren.
»Das weiß ich natürlich, Honey«, sagte Aunt Mabel daraufhin. »Und deine Tour wird fantastisch.«
Dass es keine Tour mehr geben würde, zumindest nicht bald und schon gar nicht in dem Stil von damals, hatte Josie dann nicht mehr erklärt.
Sie bereute jetzt, nicht mit Tammy und ihrer Großtante zum Frühstück gegangen zu sein. Sie hatte gedacht, dass sie besser zur selben Uhrzeit aufstand wie schon in der Klinik. Routine war ihr Rettungsanker. Aber nun war es so still im Haus. Zu still. Stille war gefährlich.
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