Eisenheim - Rudolf A. Feichtinger - E-Book

Eisenheim E-Book

Rudolf A. Feichtinger

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Beschreibung

Eisenheim, die Hauptstadt des gleichnamigen Kurfürstentums, wird seit einiger Zeit Schauplatz offensichtlich politisch motivierter Morde. Die Zwerge, Minderheit und Bürger zweiter Klasse, wollen mehr Rechte und die Kirche der Drei geht rigoros dagegen vor. Zeitgleich droht ein Krieg mit dem benachbarten Bojarentum Vujarsk und ein uraltes Übel soll sich im Norden erheben. Zwei Inquisitoren der Kirche werden entsendet, um all dem auf den Grund zu gehen und herauszufinden, wie diese Vorfälle zusammenhängen und welche dunkle Macht die Fäden im Hintergrund zieht. Eisenheim ist ein Dark Fantasy Buch, das in die düstere Welt Agahma entführt. Eine Welt voller Intrigen, religiösen Fanatismus und dunkler Magie.

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Seitenzahl: 735

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Der Autor Rudolf A. Feichtinger lebt seit fast zehn Jahren in Salzburg, hat hier Pädagogik studiert und ist als Sozialarbeiter tätig. Der gebürtige Oberösterreicher ist begeisterter Tabletop- und Rollenspieler und Schwertkämpfer. Schon seit seinem siebten Lebensjahr, als er mit Star Wars in Berührung kam, war er fasziniert von dem Fantastischen. Der Dark Fantasy Roman „Eisenheim“ ist sein Debütroman und der erste, der in der fiktiven Welt Agahma spielt. Mit Eisenheim hat er versucht, moderne Probleme wie religiösen Fanatismus und Rassismus in eine düstere Fantasygeschichte zu verpacken und zu thematisieren. Die Inspiration hierfür stammt vor allem von H.P. Lovecrafts und Robert E. Howards Werken, sowie von dem Tabletop Spiel Warhammer.

Mit großem Dankeschön an meine Partnerin und bessere Hälfte Rafaela Fürlinger, welche als Lektorin und Korrektorin über das Buch gewacht hat.

Ebenso ein Dank an meine Freundin Anna Eder, welche als Testleserin fungierte.

Weiteres zu erwähnen sind meine Pen and Paper Runde, welche mir half, der Welt Agahma Leben einzuhauchen und diese weiterzuentwickeln, sowie dem Verein INDES, historische europäische Kampfkunst, welcher mir den Schwertkampf näher brachte und, last but not least, natürlich auch meine Familie, meine Eltern und meine Schwester.

Möge Sanara über euch alle wachen!

„Eine Weggabelung erwartet die Menschheit. Der eine Weg führt die Menschen, und nur die Menschen, zu ewigem Ruhm und zu unvorstellbarer Macht, unter dem Schutze Sanaras. Der andere Weg führt ins Verderben und in die Ketzerei. Nur geeint, mit dem Glauben an die Drei, kann die Menschheit in eine glorreiche Zukunft schreiten.“

Kaiser Ulrich Conrad Rosenbaum von Grüntal, der I., zur Zeit der Gründung.

„Fürchtet die Inquisition, denn sie verkörpert den rechtschaffenen Hass der Göttin. Ketzer und Hexer werden gleichermaßen von ihr gejagt und ausgelöscht, so wie die Göttin es befiehlt. Wisset eines, ein jeder trägt die Schuld in sich und nur ein Leben in dem Namen der Drei kann diese lindern. Doch sobald man von dem Weg der Rechtschaffenheit abweicht, warten Tod, Verderben und Vergessen auf einen. Fürchtet die Inquisition, denn sie ist erbarmungslos, doch hasset sie nicht, denn sie führt den Willen Sanaras aus.“

Der heiligen Franziska von Staubingen nachgesagt im Jahre 243 nach der Gründung.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Dramatis Personae

Akt 1

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Akt 2

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Akt 3

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Akt 4

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Akt 5

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Prolog

Im Jahre 997 nach der Gründung

Feuer von teuflischen Maschinen regnete vom Himmel und ließ die Erde erbeben. Ghorza spürte eine tiefe Finsternis, etwas Altes, das sich erheben würde um sein Werk zu verrichten. Schreckliche Schmerzen drangen zu ihr vor, sie wollte aufschreien, doch blieb sie stumm. Es war das Leid einer ganzen Welt, ihrer Welt, Agahmas, das sie verspürte. Vom Norden kam Finsternis und ihr folgte der Tod. Dunkle Geister regten sich, versuchten ihr den Verstand zu rauben. Sie kämpfte dagegen an, doch sie spürte, wie die dunklen Schemen die Klauen um ihren Geist legten. Eine dieser Kreaturen näherte sich und schnappte nach ihr. Die flüchtige Gestalt ähnelte einem schwarzen Höhlenteufel mit feuerrot glühenden Augen. Blut und Gift tropften von den Fängen des Gespenstes, die denen von Säbelzahntigern glichen. Das Raubtier griff sie an, doch es hatte keine Chance. Das Böse war noch schwach, zu schwach, doch sie spürte, dass es bald erstarken würde. In der Ferne konnte sie Weitere erkennen, die sie beobachteten. Noch hatten die anderen keine Form, glichen Nebel oder Rauch, doch schon bald würden auch sie sich eine Gestalt suchen. Schon bald würden sie kommen und mit ihnen die Verdammnis.

Ihre Heimat würde brennen, die dunklen Geister würden sich holen, was sie begehrten und ihr Volk würde dabei vernichtet werden.

Sie spürte Hoffnung. Ihre Ahnengeister kamen um sie zu schützen, um ihr den Weg zu weisen. Auf schwarzen Schwingen kam ihr Totemtier herbeigeflogen und ließ sich auf ihrer Schulter nieder. Eindringlich musterte sie den schwarzen Raben und dessen blaue Augen. Sie wusste was dies war. Es war eine Warnung, etwas würde sich regen, etwas würde kommen, etwas würde sie zerstören.

Sie spürte Hass, sie spürte Verlangen, sie spürte Rache und sie spürte Gier. Das alles würde über sie, über ihr Volk und über all die anderen Völker hereinbrechen.

Der Rabe schwang sich erneut in die Lüfte, ihr Geist folgte ihm, sie ließ sich von dem Tier führen. Er flog südwärts, über das Rote Gebirge zu alten Feinden ihres Volkes, den Menschen.

Würde aus einem alten Feind ein neuer Freund werden?, fragte sie sich unmittelbar.

Sie sah Menschen in ihren Steinhäusern und sie sah welche mit dem Zeichen des Raben.

Soll ich dorthin? Willst du, dass ich zu diesen Menschen gehe?, fragte sie ihn.

Der schwarze Vogel kreiste über diese Leute, die ihn als ihr Wappentier auserkoren hatten, und krächzte bei ihrer Frage zustimmend .

Aus alten Feinden werden neue Freunde!, wiederholte er immer und immer wieder.

Schweißgebadet wachte Ghorza auf. Ihr Herz schlug schnell, ihre Augen waren geweitet und sie brauchte einen Moment, um sich wieder zu beruhigen. Tief atmete sie die Luft ein, die vom Duft des Räucherwerks und der ätherischen Öle geschwängert war. Nachdem sie ihre Gedanken gesammelt hatte, ihren Geist wieder ins Hier und Jetzt zurück geführt hatte, erhob sie sich vorsichtig von ihrer Bettstatt. Die Felle, die die Schamanin als Schlafplatz benutzte, waren vom Schweiß vollkommen durchnässt. Sie konnte nicht immer kontrollieren, wann die Geister der Ahnen zu ihr sprachen, doch es war jedes Mal wichtig und dieses Mal war es eine Warnung. Ihr Mund war ausgetrocknet und sie zitterte noch am ganzen Körper. Geschickt warf sie eines der Felle um die Schultern, um so ihren nackten Körper zu bedecken, ehe sie zu einem kleinen Tisch ging. Wie immer hatte sie auf diesem eine Schüssel voller Wasser, aus der sie sich einen kräftigen Schluck genehmigte. Sie war verschwitzt, ihr rotes Haar, das ihr den Beinamen Feuermähne einbrachte, klebte zu vielen kleinen Zöpfen geflochten an ihrer nackten Haut. Die Vision war mächtig gewesen, sie hatte ihr viel Kraft gekostet, sie wagte es kaum ihr Gesicht im Wasser zu betrachten.

Wie alle Orks hatte auch Ghorza blaugraue Haut, die in ihrem Fall jedoch übersät war mit roten Tätowierungen und Körperschmuck, denen sie magische Wirkung nachsagte. Kurz riskierte sie einen Blick und stellte fest, dass sie sehr übermüdet und schwach aussah, ehe sie sich das Gesicht wusch.

Nachdem sie sich halbwegs frischgemacht hatte, setzte sie sich auf ihre Felle um über die Vision nachzusinnen. Schwarzgeist, ihr Gefährte, flog unverzüglich zu ihr und sofort rieb der Rabe seinen Kopf an ihren. Sie ließ ihn gewähren. Während der Vogel ihr seine Zuneigung kundtat, saß Ghorza nachdenklich da. Die Vision war eine Warnung, und die Menschen unter dem Zeichen des Raben würden ihr helfen können, das war der einfache Teil. Doch wovor warnten sie die Ahnen?

Den alten Legenden nach, die von Schamane zu Schamane weitergetragen wurden, waren die Menschen die Diener des Bösen, doch nun scheinen sie gegen eben dieses die letzte Hoffnung zu sein.

Sekunden wurden zu Minuten und diese zu Stunden in denen sie in ihrer Jurte saß um über die Bedeutung der Vision und deren Folgen zu sinnieren, ehe sie beschloss, dass es keinen Sinn hatte. Sie wusste was sie wissen musste, sie musste zu den Menschen, den Rest würden ihr die Geister offenbaren, wenn die Zeit dafür gekommen war.

Entschlossen stand Ghorza auf, zog sich ihre Stiefel, ihren Fellrock und ihr aus Leder gefertigtes Oberteil an, griff sich ihren mit etlichen Fetischen geschmückten Langspeer und pfiff Schwarzgeist, ehe sie die Jurte verließ.

Ihr Dorf lag an den südwestlichen Ausläufen des Schwarzwaldes, dort wo die Roten Berge auf die Düsterberge trafen. Die Sonne stand noch niedrig, der Tag war erst angebrochen, dennoch drangen bereits die Geräusche des geschäftigen Örtchens an ihre Ohren. Kinderlachen hallte durch die Ansammlung von Jurten und Holzhütten, ebenso wie das rhythmische Klopfen des Schmiedehammers von Khegala und das Gelächter und Geschwätz von Orks, die ihrem Tagwerk nachgingen. Eines der Nachbarkinder, Vriia, kam herbeigeeilt. Ghorza lächelte dem jungen Mädchen zu, strich durch dessen Haare und holte ein Stück Zucker aus ihrer Tasche.

Mit einem Lächeln im Gesicht nahm Vriia das Zuckerstück an, ehe es fragte: „Tante Ghorza, du siehst besorgt aus?“

Sie schnaufte kurz durch, bevor sie antwortete: „Ich muss nur eine Reise antreten, mach dir keine Sorgen.“

Vriia verabschiedete sich von der Schamanin und Ghorza blickte ihr noch kurz mit einem Lächeln hinterher, bevor sie ihren Weg fortsetzte.

Als sie durch die Straßen des Dorfes ging, begleitet von Schwarzgeist, der über ihrem Kopf seine Runden drehte, wurde sie von allen mit einem respektvollen Nicken begrüßt. Als Schamanin war sie hoch angesehen und ihr Rat bei allen schwierigen Entscheidungen gefragt.

Schnurstracks marschierte sie auf die große Holzhütte von Gnarok, ihres Häuptlings, zu. Die beiden Wachen am Eingang nickten ihr zu und ließen sie passieren, ihr Stand erlaubte es ihr.

Der große Raum der Häuptlingshütte war vollgestopft mit etlichen Trophäen, Holztischen und Bänken. In der Mitte brannte ein wärmendes Feuer, dahinter war der hölzerne Thron von Gnarok, doch der Häuptling fehlte.

„Häuptling!“, brüllte Ghorza, die sich sicher war, dass Gnarok noch in seinem Schlafgemach mit einer seiner Frauen oder einem seiner Männer war.

Gnarok war nun schon seit zwanzig Jahren Häuptling ihres Stammes und mit seinen siebenunddreißig Jahren nur um fünf Jahre älter als Ghorza, doch die Häuptlingswürde ließ in viel älter wirken. Selbst als er übermüdet und nur mit Felldecken gekleidet aus einem der Nebenräume hervortrat, verkörperte Gnarok Macht und Stärke, doch Ghorza war davon schon lange nicht mehr beeindruckt.

Der Orkhäuptling war, wie jeder Ork, sehr muskulös und mit knapp über zwei Meter durchschnittlich groß für sein Volk.

„Was gibt es, Ghorza?“, fragte Gnarok höflich, da er den Zorn der Schamanin bereits mehr als einmal zu spüren bekommen hatte.

„Ich hatte eine Vision, es war eine Warnung“, sprach Ghorza vorsichtig.

Gnaroks Miene wurde ernst, als er ihr deutete, sich an einem der Tische zu setzen. Kaum da sie sich niedergesetzt hatten, bellte der Orkhäuptling den Befehl Wasser und Fleisch bringen zu lassen, ehe er sich wieder der Schamanin zuwandte.

Der Häuptling musterte nachdenklich seine Beraterin und fragte schließlich: „Die Ahnen warnen uns? Wovor?“

„Ich weiß es nicht“, gestand Ghorza bevor sie fortfuhr, „aber die Vision war mächtig, sie hat mich viel Kraft gekostet. Egal wovor die Ahnen uns warnen, es ist etwas Böses und die Warnung war dringend."

Die beiden beachteten die menschlichen Sklaven, Beute von Raubzügen gen Süden, die die Hornkrüge mit Wasser und die Holzteller mit saftigem Säbelzahntigerfleisch brachten, gar nicht, doch sie schwiegen solange diese anwesend waren.

Kaum da der letzte Sklave die Häuptlingshütte verlassen hatte, wandte sich Gnarok wieder der Schamanin zu: „Was haben dir die Geister noch verraten?“

Ghorza genehmigte sich einen Schluck Wasser, ehe sie die Frage beantwortete: „Dass es Hoffnung gibt, dass es Hilfe gibt.“

„Wie sieht diese aus?", fragte der Häuptling bevor er schmatzend mit seinen kleinen Hauern, die jeder Ork hatte, eine rohes Stück blutigen Fleisches verschlang.

„Die Menschen. Die Ahnen wollen, dass ich zu den Menschen gehe, jene mit dem Zeichen des Raben, sie werden uns helfen“, sprach die Schamanin und nahm ebenfalls einen Bissen von dem Fleisch.

„Menschen!?“, entfuhr es dem Häuptling, „Wir sollen unsere Feinde um Hilfe bitten!? Die Ahnen müssen scherzen.“

„Nein! Die Vision war eindeutig, die Menschen werden uns helfen.“

„Ghorza, du weißt, dass die Menschen uns sofort töten würden. Genauso wie wir jeden Menschen sofort töten, der sich uns nähert“, der Orkhäuptling fixierte sie mit seinem Blick.

„Der letzte Krieg ist schon zweihundert Jahre her, seitdem gab es keinen offenen Konflikt mehr mit den Menschen. Ich weiß nicht was die Ahnen vorhaben, ich weiß nicht was auf uns zukommt, doch es betrifft nicht nur uns. Dieses Böse, es ist... uralt und es wird alle in Agahma töten, Orks und Menschen, Zwerge und Wyrajken gleichermaßen vernichten. Alte Streitereien nützen uns gar nichts“, die Schamanin erwiderte den Blick ihres Häuptlings.

„Die verdammten Zwerge sind schon so gut wie vernichtet, das verdanken sie den Menschen und sagen die alten Legenden nicht, dass die Menschen die Diener des Bösen sind?“, Gnarok wusste, dass er Ghorzas Zorn nicht entfachen durfte und löste somit seinen Blick, um sie nicht herauszufordern.

„Ja, das sagen sie, doch die Ahnengeister sagen auch, dass bei dieser Sache aus alten Feinden neue Freunde werden. Die Menschen werden uns helfen und ich werde zu ihnen aufbrechen!“

Ghorzas Entscheidung stand fest, das erkannte Gnarok nun, er würde sie nicht umstimmen können, warum also Zeit mit dem Versuch verschwenden.

„Nun gut, aber du gehst nicht alleine, ich gebe dir meine besten Krieger mit, du wirst sie brauchen.“

„Nein, zu viele Krieger wecken Misstrauen. Die Menschen könnten es als Akt der Aggression verstehen. Ich gehe alleine.“

„Ghorza, in den Bergen lauern weitaus gefährlichere Dinge als Menschen, das weißt du. Sei nicht töricht, du brauchst Begleitung!“

„Ein Krieger, nicht mehr.“

„Sei nicht töricht, ein Krieger ist zu wenig!“

„Es bleibt dabei, ein Krieger“, sprach sie scharf.

„Ghorza du bist dickköpfiger als ein verdammter Höhlenteufel!“, resignierte der Häuptling, „Nun gut, ich gebe dir Thoruk mit, er wird dich beschützen."

Ghorza nickte, ehe sie das Wasser austrank und ohne Worte des Abschiedes die Hütte verließ.

Dramatis Personae

Götter

Sanara: Oberste Göttin des Kaiserreichs; Göttin der Sonne, des Schutzes, des Krieges und des Gesetzes

Darla: Zwillingsschwester von Sanara; Göttin der Liebe, des Friedens, der Fruchtbarkeit, der Heilung und der Künste

Berol: Bruder von Sanara und Darla; Gott der Toten, des Wissens, der Erde und des Schutzes

Basarian: Gott des monotheistischen Glaubens der Vujarsken und Thyramer; Gott der Magie, des Wissens, des Schutzes und des Gesetzes

Ranuul: Gott der Zwerge; Gott des Handwerks, der Stärke, der Erde und des Feuers

Menschen

Felipe Siegmund von Valenzzi, der Erste: Knappe

Katherina Maria von Rabengipfel, die Zweite: Knappe und Tochter von Volker

Volker Steffen von Rabengipfel, der Fünfte: Vogt von Rabengipfel

Ludwig Schenk: Inquisitor und Hexenjäger

Klara Gemmingen: Inquisitorin und Hexenjägerin, Schülerin von Ludwig

Franziska von Tharingen: Novizin der Sanara

Siegfried Georg von Eisenheim, der Zweite: Kurfürst von Eisenheim

Elisabeth von Tharingen: Erzbischöfin von Eisenheim

Großmagister Felix Schmied: Leiter der Technicusakademie von Eisenheim

General Ferdinand Roland Stauffen: Oberster Heerführer von Eisenheim

Matthias Brecht: Berater und rechte Hand von Siegfried

Robert Johannes Winter: Ritterkommandant von Rabengipfel

Meister Edwin: Ausbilder von Rabengipfel

Oberste Matriarchin Elisabeth, die Neunte: derzeit amtierende oberste Matriarchin und Staatsoberhaupt des Kirchenstaates Magreth

Kaiserin Barbara Dorothea Veronika Isolde, die Vierte von

Kaisershafen: derzeit amtierende Kaiserin

Andere

Ghorza Feuermähne: Orkschamanin

Schwarzgeist: Rabe von Ghorza

Thoruk: Orkrieger

Durol Kalin: Großtechnicus der Akademie von Eisenheim

Bralnora Hufnin: Sklavin

Zoltan: Pferd von Volker

Historische Personen

Wolfgang Raimund Grimm: Erster Kurfürst von Eisenheim Ulrich Conrad Rosenbaum, der Erste: Erster Kaiser des Kaiserreiches

Franziska von Staubingen: Märtyrerin und Heilige

Remak Firbor: Der letzte Zwergenkönig von Kathré

Franz Alexander: Antiker Heerführer und König

Karte des Kurfürstentums Eisenheim, eingezeichnet sind nur Städte mit einer Einwohnerzahl von 5.000 oder mehr.

Karte der Mittellande von Agahma, eingefärbt nach Nationalität.

Akt 1

Kapitel 1

Ein starker Windstoß wehte über die Dächer der Häuser und Türme, pfiff durch den Innenhof und die Wehrgänge. Das Jahr neigte sich allmählich dem Ende zu und hier oben im Norden wurde es bekanntermaßen schneller kälter als unten im Süden. Ein Sturm zog auf und bald würde er sich entladen. Im Norden, über den Gipfeln der Roten Berge, zuckten bereits Blitze aus schwarzen Wolken hervor. Nicht mehr lange und das Unwetter würde Hohenberg erreichen.

Mit seinen knapp siebentausend Einwohnern war Hohenberg die größte Stadt im Umkreis von zwei Tagesmärschen und der Dreh- und Angelpunkt der Region. Die Gebäude lagen gut geschützt in einem Tal, das nach Süden hin offen war und im Westen von der Feste Rabengipfel bewacht wurde. Die hohen Türme der Festung, die auf einem der westlichen Berge, fünfhundert Meter über Hohenberg, thronten, warfen Schatten auf die Fachwerkhäuser der Stadt. Der Winter hielt Einzug, die Sonne stand bereits tiefer und in vielen Tälern würde sie bald gar nicht mehr zu sehen sein.

Felipe stand auf einem der Wehrgänge und ließ den kalten Wind durch seine langen schwarzen Haare wehen, während er den Ausblick auf die Landschaft genoss. Er liebte die Berge und den Norden. Auch wenn er ursprünglich aus wärmeren Gefilden stammte, hatte er doch den Großteil seines bisherigen Lebens hier verbracht. Tief atmete er die raue Bergluft ein, schloss seine Augen und stellte sich vor, wie es wäre als Vogel über den Himmel zu fliegen, auf den Wogen des Windes zu gleiten, sich von ihm tragen zu lassen und die Welt von oben zu sehen. Felipe malte sich dies in seinen Gedanken aus und es jagte ihm einen eiskalten Schauer über den Rücken.

„Felipe, träumst du schon wieder?“, erklang eine liebreizende Stimme mit frechem Unterton.

Er ignorierte sie vorerst, ließ sich noch für einen Augenblick auf die Vorstellung ein, frei wie ein Vogel zu sein, ehe er seine Augen öffnete und von den Zinnen des Wehrgangs zurücktrat.

„Felipe!“, ertönte die Stimme von Katherina, seiner Cousine, vom Innenhof hinter ihm, „Trödle nicht herum, wir kommen sonst zu spät!"

„Jaja, ich komm ja schon“, rief er gespielt genervt zurück.

„Meister Edwin schimpft uns sonst sicher wieder und wird Vater darüber berichten", mahnte ihn Katherina und setzte sich in Bewegung.

„Ich wollte doch“, versuchte Felipe sich zu entschuldigen, während er auf die Stiege zuging um zu seiner Cousine aufzuschließen, „nur kurz einmal innehalten und durchatmen.“

Nach einigen wenigen Augenblicken hatte er den Wehrgang der Feste verlassen und Katherina eingeholt. Wie er war auch sie kurz davor zum Ritter geschlagen zu werden. Wenngleich sie mit ihren zwanzig Jahren um zwei Jahre älter war als er, hatten sie zeitgleich mit der Ausbildung begonnen. In einer Woche sollten die beiden von Katherinas Vater, Volker von Rabengipfel, die Ehre erwiesen bekommen.

„Na, genug geträumt?“, neckte ihn Katherina.

„Niemals“, antwortete er spöttisch.

„Wovon träumst du denn immer?“, fragte sie ihn.

„Na von dir mal nicht, liebste Cousine“, antwortete er übertrieben frech.

Daraufhin spielte sie die Beleidigte: „Dafür wirst du mir noch büßen.“

Katherina war einen Kopf kleiner als er und wie alle seine Verwandten mütterlicherseits, hatte sie dunkelblonde Haare und blaue Augen.

„War das eine Herausforderung?“, entgegnete er ihr.

„Und ob“, sprach sie selbstsicher.

Zielsicher marschierten sie durch die Feste auf den Übungsplatz im östlichen Hof zu. Es war der größte Hof der Wehranlage und er war gefüllt mit etlichen beweglichen Attrappen und einem Kampfplatz in der Mitte. Es war der Ort, an dem die zukünftigen Ritter von Rabengipfel in Schmerz und Schweiß geschmiedet wurden.

Als die beiden den Hof betraten, sahen sie, wie Meister Edwin drei Jungen und einem Mädchen, die nicht älter als zehn und somit Pagen waren, gerade erklärte, wie gefährlich es ist mit Stahl zu fechten.

„Ach, weißt du noch, als wir zum ersten Mal Stahl statt Holz verwenden durften?“, fragte Katherina ihn gedankenverloren.

„Ja, ich weiß auch, dass ich danach fast eine Woche lang im Bett lag dank dir“, antwortete er ihr und unweigerlich griff er sich an den Kopf.

Katherina konnte sich ein schelmisches Grinsen nicht verkneifen, ehe sie auf den Meister zuschritt, der mit seiner Lektion für die Pagen fertig war und nun sie begrüßte.

„Ah! Katherina, Felipe, bereit für einen weiteren Kampf?“

Die beiden bejahten dies und Edwin schickte die vier Pagen um die Knappenrüstungen.

Als zwei der vier Pagen ihm in die Rüstung halfen, ergriff Felipe das Wort: „Ich kann es kaum erwarten, wenn ich meine eigene Rüstung habe.“

„Ach was, so schlimm sind die doch gar nicht“, entgegnete ihm Katherina.

„Kann mich kaum in den Dingern rühren“, schimpfte er über das verbeulte Rüstzeug.

„Pah, alles nur Ausreden! Ich würde dich auch in einer für dich maßgefertigten Rüstung zu Boden hauen!“

„Na das werden wir ja sehen.“

Nachdem die Pagen ihm in die Plattenrüstung geholfen hatten, setzte er sich den Vollvisierhelm auf, nahm sich den stumpfen Anderthalbhänder und ging in den Kampfplatz. Nach wenigen Augenblicken gesellte sich Katherina, ebenfalls mit einem stumpfen Anderthalbhänder, dazu.

„Es geht auf drei Treffer, Doppeltreffer zählen nicht! Ich will einen sauberen und schönen Kampf“, sprach der Meister, der den Trainingskampf streng überblicken und beurteilen würde.

Nachdem er das Zeichen gab, verneigten sich Katherina und Felipe zur Begrüßung und gingen in Kampfstellung. Felipe hielt sein Schwert in einer niedrigen Verteidigungsposition, Katherina hingegen in einer erhöhten Angriffsposition. Die beiden umkreisten und belauerten sich. Plötzlich brach Katherina aus und ließ einen rechten Hieb von oben auf ihn herab. Gekonnt drückte er ihre Klinge weg, nahm den Schwung mit und ließ seine über den Kopf kreisen und auf ihren zu schnellen. Da Katherina damit gerechnet hatte, nahm sie ihre Klinge um seinen Hieb abzuwehren und um ihm indes einen leichten Stich gegen die Brust zu geben. Ein dumpfes Geräusch war zu vernehmen, als die abgerundete Spitze des Schwertes auf den Plattenpanzer traf. Der erste Punkt ging an Katherina.

Die beiden gingen sofort wieder auseinander, ehe Meister Edwin erneut den Kampf freigab. Dieses Mal war es Felipe, der als erster angriff. Ein hoch geführter Stich zur Brust sollte Katherina treffen, doch diese parierte die Attacke mit ihrer Klinge, und machte einen Schritt auf die Seite. Als Felipe das bemerkte, ging er nach vorne und ließ seine Klinge um die eigene Achse drehen, um ihr einen zweiten Schlag nachzusetzen. Mit diesem Duplieren, so wie Meister Edwin diese Technik nannte, hatte Katherina offenbar nicht gerechnet, da der Hieb sie am Helm erwischte.

„Eins zu eins! Der Nächste entscheidet,“ rief Edwin und gab das Signal.

Keiner der beiden schien den Angriff zu wagen. Lauernd umkreisten sie sich, wechselten dabei mehrfach ihre Position, mal offensiv, mal defensiv, als sie versuchten den anderen einzuschätzen.

Augenblicke verstrichen, doch die Zeit war unwichtig, als Felipe seine Cousine durch die Sehschlitze seines Helmes betrachtete. Er atmete schwer, als er sie umrundete und versuchte ihren Körper zu lesen. Er war auf sie fixiert und endlich erkannte er eine vermeintliche Blöße und ging zum Angriff über. Seine Klinge schnellte von oben herab auf ihre linke Schulter. Kaum da Katherina dies bemerkte und zur Verteidigung ansetzte, ließ er die Klinge kippen, wechselte so die Richtung und schlug nun von unten auf ihre Blöße. Katherina bemerkte diese Finte zu spät und der Hieb traf sie unter der Achsel. Wäre die Klinge scharf gewesen, wäre der Kampf vorüber, da die Rüstung sie dort nicht schützen konnte.

„Zwei zu eins für Felipe! Der Kampf ist entschieden!“, ertönte Meister Edwins Stimme.

Felipe und Katherina verneigten sich voreinander, ehe sie den Platz verließen. Geschwind eilten die Pagen herbei, nahmen ihnen die Schwerter und die Helme ab und brachten ihnen einen Krug Wasser.

„Der Kampf hat mir gefallen. Ihr seid wahrhaftig gute Fechter geworden“, sprach Edwin, als er auf die beiden zuschritt.

„Danke Meister“, entgegnete Katherina, „Ich muss gestehen, dass Felipes Finte am Schluss vorzüglich war.“

„Aber dein Stich am Anfang war ebenfalls ausgezeichnet“, lobte Edwin auch Katherina.

„Danke Meister.“

„In sieben Tagen ist es soweit. Fast zwölf Jahre habe ich euch trainiert und ich muss gestehen, dass ich zufrieden mit euren Leistungen bin“, fuhr der Meister fort, „Da fällt mir ein, Felipe, hast du dich eigentlich schon entschieden? Wirst du in Rabengipfel bleiben oder gehst du nach Valenzzi zurück?“

Felipe wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Er wusste, mit dem Ritterschlag war seine Lehrzeit zu Ende und er würde einem Lehnsherr seine Treue schwören müssen oder aber ein freier Ritter werden. Letzteres war für ihn keine Option, er verabscheute diese Söldner, die durch die Länder zogen und ihre Dienste jedem anboten, der ihnen Gold für Blut zahlte.

Als Edwin bemerkte, dass Felipe diese Frage unangenehm war, wechselte er sofort das Thema: „Katherina, wie steht es um dich? Bist du bereit, die Stellvertreterin deines Vaters zu werden?“

„Natürlich, Meister Edwin, dafür trainiere ich schließlich nun schon mein ganzes Leben lang. Obwohl ich gestehen muss, dass ich sehr wohl Ehrfurcht vor der Verantwortung habe, die ich übernehmen werde.“

„Und genau das wollte ich hören. Katherina, derjenige, dem die Verantwortung bewusst ist, die er trägt, derjenige, dem dies trotz allem einen kleinen Schauer über den Rücken jagt, und derjenige, der nicht übermütig wird, derjenige wird ein guter Anführer werden. Es geht nicht darum, dass du unfehlbar sein sollst, oder dass du keine Fehler machen darfst. Mein Kind, du wirst Fehler machen, womöglich werden durch diese sogar Menschen sterben, aber bitte mache alles wohlüberlegt und nicht leichtfertig. Solange du nicht aufgrund von Leichtsinn oder Gleichgültigkeit Menschen in den Tod schickst, solange machst du alles gut.“

„Danke für Eure weisen Worte, Meister“, sprach Katherina und musterte den Ausbilder.

Edwin war bereits Mitte sechzig, hatte graue Haare und einen ebensolchen Bart. Sie wusste von ihrem Vater, dass er einst ein vortrefflicher Fechter und treuer Ritter gewesen war. Seit er im Kampf verwundet worden war, konnte er nicht mehr richtig gehen und benötigte einen Gehstock, doch auch dies hinderte ihn nicht daran, den Eid, den er geschworen hatte, nachzukommen. Er wurde in Rabengipfel trainiert und hatte geschworen, den Herren der Feste bis zu seinem Tode zu dienen und wenn er es nicht mehr im Kampf konnte, dann wenigstens als Ausbilder.

Ein weiterer Blitz zuckte über den Himmel am Norden, die schwarzen Wolken kamen näher.

„Kommt, lasst uns reingehen bevor es zu regnen anfängt,“ sprach Edwin, „Ich kann euch auch drinnen in einer warmen Stube noch genügend über die Bürde der Ritterswürde erzählen.“

Es vergingen beinahe zwei Stunden, in denen Meister Edwin Katherina und Felipe Lektionen und Ratschläge über die Ehre und die Pflichten eines Ritters mitgab, deren Ziel es letztlich immer sein sollte, die einfachen Menschen zu schützen.

Nachdem die Lehrstunde vorüber war, ging Felipe in die kleine Kapelle der Feste. Er genoss die Ruhe hier und suchte in letzter Zeit immer öfter Zuflucht im Gebet. In sieben Tagen wird er entscheiden müssen, ob er hier bleiben sollte. Hier, an dem Ort, an dem er seit seinem vierten Lebensjahr fast jeden Tag verbracht hatte, oder zurückkehren sollte an seinen Geburtsort. Hier würde er ein Ritter werden, eingeschworen auf Volker und auf seine Cousine Katherina, die er auf diese Weise auch zum Weibe nehmen könnte. Andererseits war es sein Geburtsrecht zu herrschen, er sollte der Herr von Valenzzi werden. Doch es war die Familie von Battaglias gewesen, die seine Familie getötet und den Stadtstaat übernommen hatte.

Felipe kniete auf dem kalten Steinboden der Kapelle, vor ihm war die Statue der obersten Göttin Sanara, flankiert von Statuen der Göttin Darla und des Gottes Berol. Sanara war die oberste Göttin, die Beschützerin der Menschheit und der Krieger. Sie war es, die das Licht mit ihrem rechtschaffenen Hass vor dem Bösen schützte und als Ritter war sie seine Schutzpatronin.

Im stillen Gebet an Sanara versunken, versuchte er Kraft zu finden.

Die Kapelle war klein und diente mehr dem stillen Gebet, denn Gottesdienste wurden hier drinnen schon lange nicht mehr abgehalten.

Während Felipe sich ganz dem Gebet hingab und um Rat und Beistand bei der Göttin bat, bemerkte er nicht, dass jemand den Raum betrat.

Mehrere Minuten vergingen, ehe sich Felipe erhob und vor seiner Brust das Zeichen des Schwertes, das Symbol von Sanara, machte.

„Wie geht es dir?“, erklang Katherinas Stimme hinter ihm.

Felipe erschrak leicht, worauf sich seine Cousine unverzüglich entschuldigte.

„Hmm, ich weiß nicht wie es mir geht“, gab Felipe offen zu, „In sieben Tagen bin ich ein Ritter und die Zukunft, eine ungewisse Zukunft, liegt vor mir.“

„Wirst du zurückkehren?“, fragte Katherina ihn.

„Ich weiß es nicht, ehrlich nicht. Ich bezeichne dies mittlerweile als meine Heimat, aber eigentlich ist Valenzzi meine richtige Heimat.“

„Hmm.“

„Als Ritter ist es meine Pflicht, meine und die Ehre meiner Familie zu verteidigen und die von Battaglias haben beides beschmutzt. Sie haben meinen Vater und seine Leute erschlagen und unsere Heimat an sich gerissen. Meine Pflicht wäre es zurückzukehren und Valenzzi wieder unter meine Herrschaft zu bringen.“

„Aber?“, unterbrach Katherina ihn fragend.

„Aber ich habe meinen Vater kaum gekannt und meine Mutter starb bei meiner Geburt. Ich habe niemanden in Valenzzi oder gar in Piscani. Diese Fehde zwischen meiner Familie und den von Battaglias ist schon uralt und ich hatte damit eigentlich nichts zu tun. Und selbst wenn, wie sollte ich es anstellen? Die Bürger von Valenzzi würden mich nicht mal mehr erkennen! Die von Battaglias haben in der Zwischenzeit ihre Macht bestimmt gefestigt und etliche Bündnisse mit den anderen Stadtstaaten von Piscani geschlossen. Würde ich nach Valenzzi gehen, wäre es vermutlich mein sicherer Tod.“

„Dann bleib hier. Bleib im Kaiserreich, bleib in Eisenheim, bleib bei mir“, sprach Katherina flehentlich und schmiegte sich an Felipe.

Er erwiderte die Umarmung, drückte sie an seine Brust und genoss ihre Nähe. Der Duft ihrer dunkelblonden Haare stieg ihm in die Nase und er fühlte sich geborgen.

„Aber sie haben meine Ehre, die Ehre eines zukünftigen Ritters angegriffen. Als Ritter ist es meine Pflicht dies zu bereinigen, wenn nötig mit Blut, ihrem oder meinen,“ antwortete Felipe unentschlossen.

Katherina drückte sich noch fester in die Umarmung, ehe sie erwiderte: „Eine der größten Tugenden eines Ritters ist die Vergebung, dies sagte uns Meister Edwin.“

„Ja das stimmt, dennoch weiß ich nicht wie ich mich entscheiden soll“, gestand Felipe.

„Ich helfe dir.“

Katherina blickte tief in seine braunen Augen ehe sie ihm einen Kuss gab. Für einen Bruchteil vergaß Felipe die Sorgen um seine Zukunft, als er sich in dem Kuss verlor. Als sie sich wieder voneinander lösten, nahm Katherina ihn bei der Hand und führte ihn aus der Kapelle.

„Wo bringst du mich hin?“

Katherina antwortete nicht, als sie ihn hinaus in den Regen führte. Das Gewitter hatte vor knapp einer Stunde Hohenberg und die Feste erreicht. Der Himmel hatte sich ob der schwarzen Wolken verdunkelt und tünchte das Tal und das Gebirge in ein schauriges Zwielicht. Regentropfen prasselten unaufhörlich auf die Dächer, das Klopfen war rhythmisch und beinahe hypnotisch. Ein schwacher Windstoß erfasste die beiden und ließ ihre langen Haare, sowie ihre weißen Wollumhänge wehen, während sie über den Hof auf einen der Wehrgänge zu sprinteten.

Es vergingen einige Augenblicke, ehe sie über Treppen den Wehrgang und schließlich, die Aussichtsplattform von einem der überdachten Türme erreichten. Zwei Knechte standen oben, hielten mit Muskete und Armbrust Wache und begrüßten die beiden.

„Ihr dürft eine kleine Pause einlegen“, sprach Katherina und nickte den beiden Wachen zu. Diese verneigten sich leicht, nahmen ihre Waffen und verzogen sich in die Wachstube im Inneren des Turmes.

Von hier oben konnten sie die ganze Feste überblicken, die Platz für knapp fünfhundert Menschen bot. Vor ihnen erstreckte sich das Tal mit Hohenberg und bot am südlichen Ende Aussicht auf das Hochland vor Eisenheim. Eine Windböe trug verschiedenste Geräusche an ihre Ohren, während sie auf eines der Fernrohre zugingen, die am Geländer der Aussichtsplattform angebracht waren.

„Sieh hindurch,“ sprach Katherina und deutete auf das Instrument.

Felipe ahnte was sie vorhatte, nickte aber lediglich und nahm das aus Messing gefertigte Fernglas um hindurch zu blicken. Trotz des finsteren Himmels ob des Gewitters, konnte er sehr klar Hohenberg mit seinen bunten Fachwerkhäusern erkennen. Er sah wie Menschen durch die Straßen wuselten, sei es um ihrem Tagwerk nachzugehen, oder um sich vor dem Regen in Sicherheit zu bringen. Langsam wanderte sein Blick über die Stadt hinaus, weiter in Richtung Südwesten. Als die Distanz zunahm, musste er an der Einstellung des Fernrohres drehen, um wieder klarer sehen zu können. Sein Blick folgte der Straße nach Süden, die über den Roten Strom nach Eisenheim führte. Die Hauptstadt des gleichnamigen Kurfürstentums mit ihren über einhunderttausend Einwohnern war trotz des Fernrohres kaum zu erkennen. Doch sie war auch nicht sein Ziel. Vielmehr genoss er die Aussicht auf die unzähligen kleinen Vierkanthöfe und Dörfer, welche die Handelsstraße säumten.

Felipe wusste, was Katherina vorhatte und er musste sich eingestehen, dass sein Herz bei diesem Anblick, trotz des schlechten Wetters, frohlockte. Eisenheim war das nördlichste Kurfürstentum und somit auch das raueste, doch Felipe war, wenngleich er die anderen nie besucht hatte, davon überzeugt, dass es auch das schönste der sieben Kurfürstentümer des Kaiserreichs war. Weiter über die Landschaft flog er mit dem Fernrohr, kam sich vor wie ein Vogel am Himmel, als er die Eindrücke des Lehens Hohenberg und der Umgebung aufnahm. Langsam glitt er mit dem Blick an den Bergen wieder zurück. Trotz der finsteren Wolken und des schaurigen Zwielichts, konnte er dennoch das Glitzern der regennassen Kabel sehen, die den Telegraphen von Rabengipfel mit dem von Eisenheim verbanden und sich an den Bergen entlangschlängelten. Er folgte den Kabeln noch kurz, ehe er das Fernrohr wieder sinken ließ und zurücktrat.

„Und?“, fragte Katherina.

„Ich weiß auf was du hinauswillst. Ja, ich spüre, das ist meine Heimat“, antwortete Felipe.

„Also wirst du bleiben?“, fragte Katherina hoffnungsvoll.

Felipe schritt auf sie zu, nahm sie in den Arm und küsste sie innig. Es war ein noch intensiverer Kuss als vorhin in der Kapelle. Seine Lippen pressten sich auf die ihren, ehe er mit seiner Zunge ihre umspielte. Die beiden genossen diesen zärtlichen Moment, bevor sie sich nach wenigen Augenblicken wieder voneinander lösten.

„Ist das ein ja?“, fragte Katherina.

„Ja."

„Ja?"

„Ja! Ja ich bleibe hier in Eisenheim, ich bleibe bei dir.“

Katherina konnte sich ein Lächeln aufgrund ihrer Freude nicht verkneifen bevor sie Felipe einen weiteren Kuss gab. Er würde hier bleiben, würde bei ihr bleiben und nicht fast zweieinhalbtausend Kilometer weit weg versuchen seine Familie zu rächen und vermutlich dabei sterben. Sie liebte Felipe von ganzem Herzen und es hätte ihr das eben dieses gebrochen, wenn er sich für den sicheren Tod entschieden hätte.

„Danke“, sprach sie mit Freudentränen in ihren Augen, nachdem sie sich lange und innig geküsst hatten.

„Ich kann dich doch nicht alleine lassen. Irgendjemand muss ja schließlich auf dich aufpassen“, antwortete Felipe schelmisch.

„Ja, ich kann einen starken Mann an meiner Seite durchaus gebrauchen, vor allem wenn ich dann die Burgherrin von Rabengipfel bin“, gab sie zurück und drückte ihm einen weiteren Kuss auf die Lippen, „Ich kann dir gar nicht sagen wie sehr ich mich gerade freue, ich hätte es nicht verkraftet dich zu verlieren.“

„Ach komm, du wirst die neue Burgherrin von Rabengipfel, du wirst ein Ritter, du bist über solche Dinge erhaben.“

„Ich bin dennoch nur ein Mensch und selbst Sanaras Zwillingsschwester, Darla, lehrt uns, dass Liebe mitunter das Wichtigste ist und Menschen ohne sie zugrunde gehen,“ sprach Katherina und drückte sich an Felipes Brust.

Sanft strich er durch ihre dunkelblonden Haare, drückte sie in seine Umarmung und genoss den Moment auf der Aussichtsplattform des Turmes.

Der Wind wehte durch die offen getragenen Haare der beiden und trug Gerüche und Geräusche zu ihnen. Ein Blitz erhellte den nördlichen Himmel, ehe kurz gefolgt, das Donnergrollen über die Bergkette rollte. Das leichte Surren des Dampfgenerators, der die nötige Elektrizität für den Telegraphen zur Verfügung stellte, bahnte sich ebenso den Weg zu ihren Ohren, wie der weit entfernte Schrei eines Raubvogels.

Der ozonartige Geruch des Gewitters, vermischt mit dem Stallgeruch und den Düften der Küche, die das Abendmahl vorbereitete, klomm ihre Nasen hoch, als die beiden tief einatmeten.

Felipe fühlte sich leicht, befreit von einer Last. Er wusste, dass er diese Entscheidung schon lange vor dem heutigen Tag unterbewusst getroffen hatte, doch sie auszusprechen hatte es besiegelt. In sieben Tagen würde er ein Ritter werden, sich auf Rabengipfel Volker und in weiterer Folge auch auf Katherina einschwören und sie zum Weibe nehmen. Seine Zukunft stand geschrieben und er war so zufrieden und glücklich wie schon lange nicht mehr.

Felipe löste sich aus der Umarmung ehe er sprach: „Komm, gehen wir hinein, allmählich wird mir kalt.“

Der Wind hatte zugenommen und wurde immer eisiger, also eilten die beiden, nachdem sie den Wachen gesagt hatten, dass diese wieder Posten beziehen sollen, geradewegs zurück in das Wohngebäude der Burganlage. Obwohl sie nur einen kleinen Teil des Weges im Freien zurücklegen mussten, kamen sie dennoch völlig durchnässt in dem großen Speisesaal an. Tische und Bänke standen in mehreren Reihen und Mägde und Küchenknechte bereiteten das große Abendmahl vor.

„Ich denke, es wäre schicklich wenn wir uns vorher noch etwas Frisches anziehen“, sprach Katherina übertrieben und deutete auf die völlig durchnässte und auch dreckige Kleidung, die sie trugen.

Felipe antwortete mit einen verschmitzten Grinsen im Gesicht: „Ja, ich denke du hast recht und da wir eh noch mindestens eine halbe Stunde haben bis das Essen anfängt, können wir uns vielleicht die Zeit auch noch anderweitig vertreiben.“

Katherina drückte Felipe einen Kuss auf die Lippen, ehe sie ihn erneut bei der Hand nahm, um ihn in das obere Stockwerk zu den Gemächern der Ritter zu führen.

Blaue Rauchschwaden stiegen von der selbstgedrehten Zigarette auf und tänzelten in der Luft umher. Es wirkte, als würden sie einen fremdartigen Tanz vollführen, als sie von den Luftströmungen umhergewirbelt wurden. Ludwig nahm einen kräftigen Zug während er auf seine Schülerin wartete und indes auf die Pferde aufpasste. Diese stand mehrere Meter von ihm entfernt. Sie befragte gerade einen fahrenden Händler. In jüngster Zeit waren um Gründorf, das zum Landkreis Laubhain gehörte und östlich in diesem lag, annähernd zwanzig Menschen spurlos verschwunden, hauptsächlich Bauern von den Waldbauernhöfen, aber auch Jäger und Holzfäller. So oder so schien es nur Leute zu treffen, die sich im Finsterwald um Gründorf aufhielten.

Sorgsam überwachte Ludwig das Gespräch auf dem Waldweg vor sich, während er ebenso seine Umgebung im Auge behielt. Klara war nun schon seit fünf Jahren seine Schülerin und sie war vielversprechend. Sie hatte die Ausbildung in Magreth mit Bravour bestanden und war eine kluge Frau, die ihr Gegenüber lesen konnte wie ein Buch. Als er noch in ihrem Alter von siebenundzwanzig Jahren war, hatte er sich bei weitem nicht so kompetent angestellt, doch in den letzten zwanzig Jahren Dienst hatte er sich die nötige Menschenkenntnis angeeignet, die einem in der Schule nicht beigebracht werden konnte.

Als Klara die Unterredung mit dem fahrenden Händler und seiner Familie beendet hatte, kam sie zu Ludwig zurück. Wie auch er trug sie den langen Mantel und den breitkrempigen Hut, der die Uniform der Hexenjäger und Inquisitoren war. Im Gegensatz zu ihm, trug sie darunter allerdings keine stählerne Brustplatte, sondern lediglich ein leichteres Wams aus Rüstleder.

Ludwig trat die Zigarette am Boden aus.

„Und?“, fragte er dann seine Schülerin, „Was weiß er?“

Klara nahm den Hut kurz ab, um sich ihren kupferfarbenen Haarzopf zu richten, ehe sie ihm antwortete: „Er weiß nur, dass die Leute in Gründorf in Aufruhr sind. Nachbarn bezichtigen einander der Hexerei und zwei Zwerge, Diener des hiesigen Schmiedes, wurden gestern von einem wütenden Mob gehängt. Die örtliche Wachstube scheint, seiner Auffassung nach, überfordert zu sein. Er selbst stammt aus Ostfurt und suchte nur Unterschlupf für die Nacht in Gründorf.“

„Also nichts, was uns weiterhilft. Dass die Wachen vor Ort überfordert sind, wussten wir bereits, sonst hätten sie uns nicht gerufen“, fasste Ludwig zusammen.

„Ja. Vermutet Ihr“, fragte Klara ihren Lehrmeister, „dass hinter den Hexereianschuldigungen etwas dran ist?"

Ludwig kraulte seinen gestutzten Vollbart, der aufgrund seines Alters von knapp fünfzig Jahren bereits ebenso ergraut war, wie die schulterlangen Haare, während er darüber nachdachte. Er musterte die Schülerin mit seinem rechten, noch übrigen, Auge. Das andere hatte er vor etlichen Jahren in einem Kampf verloren und trug seitdem eine schwarze Augenklappe.

„Der einfache Bürger“, antwortete Ludwig, „vermutet schnell Hexerei und dunkle Gestalten hinter allem Möglichen. Ich weiß nicht wie viel an diesen Vorwürfen dran ist, aber wir haben in den letzten zwei Monaten in Oberstein und Umgebung drei Leute auf den Scheiterhaufen gebracht, die sich Magie bedienten und vergiss den Vampir in Friesingen nicht. Und jetzt zwanzig spurlos Verschwundene hier, das sind besorgniserregend viele Vorkommnisse auf kleinem Raum. Ich gestehe, dass ich durchaus den Verdacht hege, dass auch hier Hexerei am Werk sein könnte. Hat er gesagt wie weit es noch bis nach Gründorf ist?“

„Noch ungefähr eineinhalb Stunden, vielleicht auch zwei“, antwortete Klara.

„Gut, ich will noch vor Einbruch der Nacht dort ankommen.“

Klara nickte und die beiden Inquisitoren setzten ihren Ritt durch den Finsterwald fort.

Dunkle Wolken zogen vom Norden her. Es würde bald zu regnen beginnen. Sie hatten nahezu zwei Stunden gebraucht, ehe sie Gründorf erreichten und der Abend dämmerte bereits. Das beschauliche Dorf, das gerade einmal knapp achthundert Seelen fasste, lag auf einer künstlich erweiterten Lichtung im Walde und lebte hauptsächlich von der Holzproduktion. Die Fachwerk- und Holzhäuser, die in den verschiedensten Farben gestrichen waren, hoben sich trotz der schlechten Lichtverhältnisse von dem grünen Hintergrund des Waldes ab. Rauch stieg aus etlichen Schornsteinen und das entfernte Lärmen des dampfbetriebenen Sägewerks drang an ihre Ohren. Die beiden Inquisitoren ritten in einem gemächlichen Trab die Straße entlang, an deren Seite die Leichen der beiden aufgeknüpften Zwerge baumelten, von denen der fahrende Händler gesprochen hatte. Ludwig beachtete diese gar nicht, doch Klara schien den beiden Erhängten einen kurzen Blick zu widmen, ehe sie den Dorfeingang erreichten. Von den Geräuschen der Pferde aufgeschreckt, eilten zwei Wachen mit Hellebarden herbei. Die Posten trugen Brustplatten und darunter die übliche Landsknechtskleidung, wie sie von Wachen überall im Kaiserreich als Uniform genutzt wurde, in den Farben grün, weiß und schwarz, der Heraldik von Eisenheim.

„Halt! Wer da?“, rief ihnen eine Wache entgegen und leuchtete mit ihrer Öllampe, um besser zu sehen.

„Inquisitor Ludwig Schenk und Inquisitorin Klara Gemmingen“, antwortete Ludwig, als er auf sie zuritt.

„Inquisition?“, fragte die andere Wache ungläubig.

Als Ludwig und Klara näher kamen und die beiden Wachposten dank dem Schein der Lampe ihre Hüte und Mäntel, sowie das Emblem auf der linken Brust mit dem Zeichen der Inquisition, einem Schwert und eine Lupe, die die Buchstaben I und Q symbolisierten, erblickten, fielen sie sogleich auf die Knie.

„Verzeiht uns. Wie können wir der Inquisition zu Diensten sein?“

„Bringt uns zu eurem Hauptmann“, bellte Ludwig den Befehl.

„Natürlich, selbstverständlich, bitte folgt mir. Georg, du hältst derweil den Posten“, antwortete einer der beiden Wachen und setzte sich in Bewegung.

Der Wachmann führte die beiden durch das Dorf, über den Marktplatz, wo einige Leute gerade ihre Stände abbauten oder auf dem Weg in das nahegelegene Gasthaus waren, um sich einen Schluck zu genehmigen. Die Erscheinung von Ludwig und Klara ließ diese Menschen sofort innehalten und mit ängstlichem Blick umherschauen, ehe sie sich verzogen. Klara und Ludwig beachteten die Dorfbewohner nicht, während sie durch Gründorf ritten. Die Wachstube, die dreißig Wachen und dem Hauptmann Unterschlupf gewährte, lag nördlich des Marktplatzes neben dem kleinen Rathaus.

„Hier ist die Wachstube. Unser Hauptmann, Markus Reiner, ist darin zu finden. Wenn Sie erlauben, würde ich nun gerne auf meinen Posten zurückkehren“, sprach die Wache eingeschüchtert.

Ludwig beachtete die Wache gar nicht mehr und so bedankte sich Klara bei dieser.

Die beiden stiegen von ihren Pferden, banden diese an einen Balken mit Tränke vor dem Haus, ehe sie auf dieses zuschritten. Das Gebäude war in einem dunklen Rot gestrichen, der Eingang war über eine kleine Treppe mit drei Stufen zu erreichen und bestand aus einer mit Metallbeschlägen verstärkten Holztüre. Ludwig nahm den schweren Eisenring, der an der Tür angebracht war und klopfte dreimal, ehe ein Sehschlitz aufgeschoben wurde.

„Wer da?“, fragte eine weibliche Stimme.

„Inquisition, aufmachen!“, erwiderte Ludwig herrisch.

„Verzeihung“, ertönte sofort die Frauenstimme und man konnte hören wie ein schwerer Riegel entfernt wurde, bevor die Tür aufschwang.

„Verzeihung!“, entschuldigte sich die Wache nochmal, „Wie kann ich dienen, mein Herr?"

„Bring uns zu deinem Hauptmann“, sprach Ludwig und die Frau gehorchte augenblicklich.

Die Wachstube war eher spärlich eingerichtet und ein langer Gang führte zu dem Arbeitszimmer des Hauptmannes, an dessen Tür die Wachfrau klopfte.

„Herein!“, ertönte eine autoritäre Stimme.

Die Wache öffnete die Tür und noch bevor sie etwas sagen konnte, betrat Ludwig, gefolgt von Klara, das Arbeitszimmer. Unverzüglich erhob sich der Hauptmann, der gerade etwas auf seiner Schreibmaschine tippte, beim Anblick der beiden Inquisitoren von seinem Stuhl und verneigte sich grüßend.

„Lasst uns alleine!“, befahl er der Wache, die sofort die Tür wieder schloss.

„Sanara zum Gruße, Hauptmann Reiner, ich bin Inquisitor Ludwig Schenk und das ist meine Schülerin, Inquisitorin Klara Gemmingen. Sie haben uns gerufen?“, fragte Ludwig sogleich.

„Ja, ja. Bitte setzt Euch. Kann ich Euch etwas zu trinken anbieten? Wein, Bier oder Wasser?“, fragte der Hauptmann respektvoll.

„Wasser, bitte“, antwortete Klara und auch Ludwig nickte.

„Natürlich“, entgegnete der Hauptmann und holte einen Zinnkrug mit Wasser und zwei Becher, „Hier bitte."

„Also“, sprach Ludwig nachdem er sich einen kräftigen Schluck genehmigt hatte, „Sie haben die Inquisition gerufen. Es geht um vermisste Personen. Was genau wurde denn bereits herausgefunden, Hauptmann?“

Der Hauptmann, der ungefähr in Ludwigs Alter war, strich sich über seinen kahl rasierten Kopf als er die richtigen Worte suchte: „Um ehrlich zu sein, so gut wie gar nichts.“

Ludwig verzog eine Augenbraue ungläubig und diese Geste schien Hauptmann Reiner nervös zu machen.

„Wir wissen, dass es Leute betrifft, die im östlichen Teil des Finsterwaldes aufhältig sind. Zu drei Waldbauernhöfen haben wir den Kontakt verloren und auch ein paar Holzfäller, die dort gearbeitet haben, sind verschwunden. Da es im Finsterwald etliche Banditen und Wegelagerer gibt, kann ich keine Wachen entsenden, vor allem, da die Leute hier in Gründorf in Aufruhr sind. Die beiden aufgeknüpften Zwerge dürften Euch wohl aufgefallen sein. Sanara sei Dank sind noch keine Menschen gestorben, auch wenn Robert, unser Schmied, dennoch ungehalten ist. Was ich Euch allerdings sagen kann, ist, geht zum Hof der Schusters. Diese waren immer schon eigenbrötlerisch und es ist der östlichste der Waldbauernhöfe.“

„Eigenbrötlerisch? Inwiefern?“, hakte Klara nach.

„Keine Ahnung, sie blieben immer gerne unter sich, wie der alter Schuster so eine liebreizende Frau finden konnte, wird mir immer ein Rätsel bleiben. Aber dennoch, sie waren immer schon komisch und aufgrund der jüngsten Vorkommnisse wurden alte Anschuldigungen wieder laut“, antwortete Hauptmann Reiner.

„Welche Anschuldigungen?“ , diesmal stellte Ludwig die Frage.

„Hexerei. Die Mutter des alten Schusters soll eine Hexe gewesen sein, erzählt man sich zumindest, keine Ahnung ob was dran ist. Das ist auch der Grund, warum ich die Inquisition rief.“

„Hmm...Hexerei, sagen Sie?“, Ludwig schien nachdenklich zu sein, „Wurde dies jemals überprüft oder gemeldet?"

„Nein, man erzählt sich schnell mal Gruselgeschichten und bis jetzt gab es kein Anzeichen, dass an dieser etwas dran sein könnte.“

„Wegen der Wegelagerer, könnten nicht diese dahinterstecken?“, fragte Klara, nachdem sie ebenfalls einen Schluck Wasser getrunken hatte.

„Ich habe das natürlich in Erwägung gezogen, aber das würde nicht passen. Das sind hauptsächlich arme Teufel, betrogen und verraten, die nun als Vogelfreie irgendwo im Unterholz ihr Lager aufgeschlagen haben. Normalerweise verlangen sie einen kleinen Wegzoll und richten kaum Schaden an. Sie sind lästig, aber keine wirkliche Bedrohung.“ „Wo liegt der Hof des alten Schusters?“, fragte Ludwig nachdenklich.

„Zwei Tage zu Fuß nach Osten.“

„Wir haben Pferde.“

„Die werden Euch nichts bringen, es gibt keinen wirklichen Weg dorthin. Ihr müsst durchs Unterholz und da werden Pferde Euch nur aufhalten.“

„Wurde Gründorf bereits angegriffen?“

„Angegriffen, was meint Ihr?“

„Gab es auch in Gründorf Entführungen oder immer nur im Wald?“

„Nein, bis jetzt nur im Wald, eben alles im Umkreis des Hofes der Schusters.“

„Hmm, zwei Tage und Pferde bringen nichts“, Ludwig schien sehr nachdenklich, „Das heißt, wir werden im Wald lagern müssen. Können Sie uns ein paar Ihrer Leute zur Verfügung stellen?“

„Reichen vier Hellebarden und zwei Musketen?“, fragte der Hauptmann.

„Ja, ich denke das sollte reichen.“

„Wann sind die Letzten verschwunden?“, fragte Klara.

„Vorletzte Nacht. Es passiert immer nachts“, antwortete der Hauptmann.

„Das tun solche Dinge immer“, entgegnete Ludwig kühl.

„Ich stelle Euch übrigens gerne mein Quartier zur Verfügung, es ist im obersten Stock, den Gang runter links, es ist nicht viel aber...“

„Danke, aber wir lehnen ab. Wir werden in dem Gasthaus beim Marktplatz einkehren“, wurde der Hauptmann harsch von Ludwig unterbrochen.

„Ah, im Gasthaus Zum Röhrenden Hirschen, gute Wahl! Mathilda kann einen ausgezeichneten Wildeintopf machen, Ihr werdet nicht enttäuscht sein“, entgegnete Hauptmann Reiner.

„Wenn Sie keine weiteren Informationen für uns haben, dann werden wir uns für die Nacht einquartieren. Ich nehme an, um unsere Pferde könnt Ihr Euch derweil kümmern?“

„Jaja, wir werden sie hinten im Stall unterbringen, unser Stallbursche wird sie gut versorgen.“

„Sehr gut, dann sorgt dafür, dass Eure Leute morgen um sieben Uhr bereit beim Röhrenden Hirschen stehen“, sprach Ludwig, nickte zum Abschied und verließ mit Klara die Wachstube.

„Wie lautet Euer Plan, Meister?“, fragte Klara kaum da sie die Wachstube verlassen hatten.

„Zuerst einmal die Pferde nach hinten bringen und im Gasthaus einkehren, dann eine gute Mahlzeit einnehmen.“

„Und bezüglich der Schusters?“

„Ich werde Gründorf nach Magie absuchen, du mischst dich im Gasthaus unter die Leute und befragst sie.“

„Wir Ihr wünscht, Meister.“

Die beiden führten die Pferde in den Stall der Wachstube, nahmen ihre Satteltaschen und ihr Hab und Gut an sich, ehe sie die Pferde dem Stallburschen überließen.

Nach wenigen Augenblicken kamen sie zu dem Gasthaus, das neben der Kirche und dem Rathaus vermutlich das größte Gebäude von Gründorf war. Aufgrund der vielen durchreisenden Händler, florierte das Geschäft hier und so war es wenig verwunderlich, dass das Gasthaus ausgebaut worden war, um bis zu fünfzig Personen ein Nachtquartier zu bieten. Über dem Eingang hing ein Schild, auf dem in verschnörkelter Schrift Zum Röhrenden Hirschen eingraviert war und mit dem Gemälde eines röhrenden Hirsches und mit mehreren Geweihen geschmückt war. Das Gasthaus machte von Außen einen guten Eindruck. Schallendes Gelächter und die Musik eines Barden mit seiner Geige drangen nach draußen, als sie auf den Eingang zuschritten.

Die beiden gingen über die kleine Treppe hoch und stießen die schwere Holztüre zur Gaststube auf. Kaum, da sie ins Innere traten, drehten sich kurz alle Blicke zu ihnen um und der Barde verstummte. Geflüster ging um, ehe die Menschen angestrengt versuchten, nicht verdächtig auszusehen und sich dazu zwangen weiterzufeiern. Auch der Barde spielte wieder, allerdings wirkte es nun gezwungener und nicht mehr so fröhlich. Die Wirtin, Mathilda, wie ihnen Hauptmann Reiner verraten hatte, kam auf sie zu, um sie zu begrüßen.

„Guten Abend, wie kann ich der Inquisition dienen?“, fragte die Wirtin sie und wirkte dabei nervös.

Ludwig nickte zum Gruß und antwortete: „Ein Zimmer und ein Abendmahl.“

„Natürlich, geht selbstverständlich aufs Haus, werter Inquisitor“, sprach Mathilda, verneigte sich und rief nach einer Magd, die die beiden nach oben begleiten sollte, „Maria wird Euch zu Euren Zimmern bringen, ich richte derweil zwei Schüsseln meines Wildeintopfes für Euch her.“

Ludwig nickte freundlich und Maria führte die beiden in die oberen Stockwerke des Gasthauses. Ihr Zimmer lag im dritten Stock, es machte einen rustikalen, aber gemütlichen Eindruck. Maria übergab ihnen die Schlüssel und ließ sie alleine.

„Gut, ich überprüfe nur kurz das Thaumatometer, dann werden wir etwas von dem Wildeintopf essen bevor wir uns an die Arbeit machen“, sprach Ludwig als sie ihre Sachen im Zimmer verstauten.

Das Thaumatometer war ein Gerät in der Größe einer Schatulle mit einem Sensor, der einem Schwertgriff ähnelte und mit einem Kabel an dem Gerät verbunden war. Ludwig war kein Technicus, daher wusste er nicht, wie genau dieses Gerät funktionierte. Er wusste nur, dass ein kleiner Kristall, jene die im letzten Jahrhundert in den alten Ruinen in den Mittellanden gefunden wurden, auf arkane Strömungen reagierte und so den Zeiger des Gerätes zum Ausschlagen brachte.

Nachdem Ludwig sich davon überzeugt hatte, dass der Apparat die Reise unbeschadet überstanden hatte, entledigte er sich seines Katzbalgers und seiner Repetierarmbrust, da diese ihm beim Abendmahl bloß behindern würden. Klara tat es ihm gleich und legte den Waffengurt mit ihrem Anderthalbhänder ab, sodass die beiden lediglich Dolch und Pistolen als Bewaffnung behielten.

Nachdem sie ihre Ausrüstung verstaut hatten, sicherten sie das Zimmer noch mit Gebeten und Salzbarrieren vor dunklen Mächten ab, ehe sie sich wieder nach unten in die Gaststube begaben. Mathilda hatte in der Zwischenzeit, wie versprochen, zwei Schüsseln des Wildeintopfes bereitgestellt. Mit diesem und einem Krug Wasser setzten sie sich an einen kleinen Tisch in die Ecke.

Während die beiden den dampfenden Eintopf aßen, der nicht ganz so gut war, wie Hauptmann Reiner ihn beworben hatte, musterten sie die Anwesenden aus dem Augenwinkel. Die Feiernden, die ihren Feierabend genossen, sowie der Barde waren immer noch angespannt ob der Anwesenheit der Inquisition. Die Gespräche waren nicht mehr so offen und viele sprachen um einiges leiser und besonnener. Immer wieder fielen Blicke auf Ludwig und Klara, die gleichermaßen neugierig, wie auch ängstlich wirkten.

Von dem Ritt leicht ausgehungert, verschlangen die beiden ihr Abendmahl im schnellen Tempo und leerten auch den Wasserkrug sofort hinterher.

Nachdem sie sich wieder gestärkt hatten, ging Ludwig in ihr Zimmer hoch, um das Thaumatometer zu holen. Wenn starke arkane Strömungen in oder um Gründorf im Spiel waren, dann würde das Gerät ihnen dies verraten.

Klara blieb an dem Tisch sitzen, kramte ihren Tabakbeutel hervor und fing mit zittrigen Händen an, sich eine Zigarette zu drehen. Während sie dies tat, beobachtete sie die Anwesenden sorgfältig, aber unauffällig. Ihre Finger wanderten über das Papier, das den Tabak einschloss, so wie ihre Augen über die Feiernden und die Wirtin wanderten. Mit ihr waren knapp eineinhalb Dutzend Personen in der Gaststube. Der Barde, die Wirtin und ihre Magd und etliche einfache Leute, die, ihrer Kleidung nach, einfache Handwerker sein dürften. Nein, korrigierte sich Klara, zwei davon, beides Frauen, trugen vornehmere Kleidung, vermutlich fahrende Händlerinnen.

In dem Moment, in dem sie die Zigarette fertig gedreht hatte, sie in den Mund nahm und entzündete, kam Ludwig mit dem Thaumatometer in der Hand und seiner Repetierarmbrust auf dem Rücken geschnallt, herunter. Ihr Meister warf ihr einen knappen Blick zu, ehe er hinaus trat.

Klara beneidete ihren Meister in solchen Momenten nicht. Gründorf auf Magie zu überprüfen würde Zeit in Anspruch nehmen und dem Donnergrollen nach, dürfte es jeden Moment anfangen zu regnen. Sie nahm einen kräftigen Zug von der Zigarette, verstaute die Streichhölzer wieder und blies den blauen Rauch in die Luft. Während sie rauchend in ihrer Ecke saß und die Gäste der Wirtin musterte, fiel ihr ein älterer Mann, sie schätzte ihn auf ungefähr siebzig, immer wieder auf. Der Mann, der einen Gehstock benötigte und einen langen grauen Bart sein Eigen nannte, schien sie gleichermaßen zu beobachten. Ihr Blick blieb auf ihm hängen, der Mann schien dies zu bemerken, trank sein Bier in einem Zug und kam trotz des Gehstockes leicht torkelnd auf sie zu.

„Sanara zum Gruße“, begrüßte er sie.

Als die anderen bemerkten, wie der Mann sich ihr näherte, blickten sie ihn neugierig an.

„Was gibt es, alter Mann?“, fragte Klara in dem für Inquisitoren typischen herrischen Tonfall.

„Darf ich mich setzen, Inquisitorin?“

„Was gibt es?“, fragte Klara schärfer nach, während sie weiter gemütlich an ihrer Zigarette rauchte.

„Ich, ich habe Informationen“, sprach der Mann, etwas aus der Ruhe gebracht.

„Dann dürft Ihr euch setzen“, erwiderte Klara und deutet auf den leeren Stuhl ihr gegenüber.

Kurz noch gehörte dem alten Mann alle Aufmerksamkeit der Gaststube, ehe die Feiernden sich wieder abwandten, nicht jedoch ohne immer mal wieder einen argwöhnischen Blick auf diesen hinüberzuwerfen.

„Ähm, also, also, ich kannte die alte Schuster, die, die Hexe“, sprach der Mann leicht zögerlich und hoffte offensichtlich, dass er damit nicht sein eigenes Todesurteil unterschrieben hatte.

Klara beugte sich leicht vor, um ihm in die Augen zu sehen und fragte: „Wie lautet Euer Name?“

„Ähm, Günther, Günther Becher.“

„Nun, Herr Becher, was könnt Ihr mir über die alte Schuster erzählen?“, fragte Klara nach.

„Ich ging mit ihr zur Schule, damals war sie noch ganz unauffällig. Ihr Vater betrieb den Hof, den sie ihrem Sohn vermachte. Ihr zukünftiger Mann, war keiner von uns, er stammte aus Laubhain und war Archä, Archäo...“

„Archäologe“, unterbrach Klara ihn.

„Genau, jedenfalls war der bei so Ausgrabungen von diesen Ruinen. Mumpitz, wenn Ihr mich fragt, was soll einem das denn bringen, aber egal. Jedenfalls brachte es ihm offenbar Ärger ein. Wurde des Diebstahles oder so beschuldigt, kehrte daher wieder heim und später wanderte er von Laubhain nach Gründorf aus. Er sprach irgendwas von der Ruhe am Lande oder so. Jedenfalls verliebten die alte Schuster und er sich und sie heirateten. Zur Hochzeit schenkte er ihr irgend so eine komische Halskette mit so einem seltsamen Stein drinnen, sah jedenfalls wertvoll aus. Wenn Ihr mich fragt, ist es das Ding, dass er von der Ausgrabung gestohlen hat, tut aber vermutlich nichts zur Sache woher er das hat. Aber, und jetzt kommt es, seitdem wurden sie immer eigenbrötlerischer. Als die Eltern der alten Schuster verstorben waren, Berol möge über sie wachen, zogen die sich immer mehr zurück. Der Hof gehörte nun ihr, schließlich war sie ein Einzelkind. Kurz nachdem sie ihren Sohn geboren hatte, verstarb auch ihr Mann, das alleine ist doch eigenartig oder? Sie hat ihn sicher verflucht, schließlich soll er sie ja geschlagen haben, dieser Bastard, aber was soll's, über Tote soll man ja nicht schlecht reden. Jedenfalls sag ich, es hat was mit dieser Halskette auf sich, die wirkte so anders, so fremd. Ich kann's nicht genau beschreiben, aber sie fällt genau so auf wie ein dreckiger Zwerg unter ehrbaren Menschen. Jedenfalls war ihr Sohn, als er dann im heiratsfähigen Alter war, plötzlich mit dieser liebreizenden Frau verheiratet, keiner weiß, wo er die gefunden hat. Ich mein, niemand kennt ihn auch wirklich, schließlich hat die alte Schuster ihn zu Hause unterrichtet. Aber ich sag's, irgendetwas ist komisch an der Sache, bei meinem Barte, die betreiben sicher Hexerei, anders gibt es das nicht“, erzählte ihr der alte Becher und Klara lauschte aufmerksam.

„Wisst Ihr von welcher Ausgrabungsstätte er die Halskette entwendet hatte?“, erkundigte sie sich weiter.

„Nun ähm, ich glaube, ich glaube von einer bei den Sturmgipfeln, sicher bin ich mir da aber nicht, ist ja doch schon fast vierzig Jahre her, das Ganze“, antwortete er ihr.

Auch wenn der alte Mann offensichtlich mehr als nur ein Bier gehabt hatte und etwas verwirrt wirkte, gab es ein Detail an der Geschichte, das für Klara von Interesse war. Die Halskette von der er sprach, sollte diese wirklich von einer der Ruinen stammen, dann war es gut möglich, dass sie arkane Energien beherbergte.

„Nun, werte Inquisitorin, das ist alles was ich weiß, ich hoffe, dass Euch, Euch das weiterhelfen kann oder so“, sprach er und hoffte offenbar auf so etwas wie ein Lob.

„Ja, danke“, entgegnete Klara kühl, da sie in Gedanken versunken versuchte das Wesentlichste zu filtern.

Enttäuscht darüber, dass er keine Belohnung oder dergleichen erhalten hatte, begab sich der alte Becher wieder zurück an die Bar, um weiter Bier zu trinken.

Klara dämpfte ihre Zigarette in der zinnernen Schale, die als Aschenbecher diente, aus, während sie über die Halskette nachdachte. In einigen der Ruinen, die überall in den Mittellanden verstreut waren, fand man seit ungefähr einhundert Jahren immer wieder uralte Kristalle. Man wusste, dass diese auf arkane Strömungen reagierten, weshalb die Kirche den Handel mit diesen verbat. Was es genau mit den Kristallen auf sich hatte und woher sie stammten, ist bis heute ein Rätsel. Die Kirche studierte die Kristalle, jedoch erfolglos, allerdings konnten mit der Hilfe einiger fähiger Technici das Thaumatometer dank diesen konstruiert werden. Klara wusste, dass es Theorien gab, die behaupteten, dass diese Kristalle es sind, die Magie überhaupt erst erzeugten, keine dieser Theorien konnte bisher bestätigt werden, doch allmählich teilte sie diese Ansicht. Bei dem Vampir in Friesingen wurde ebenso ein Schmuckstück mit so einem Kristall gefunden, wie bei den Hexenmeistern in Oberstein. Sollte auch hier dieses Amulett so einen Kristall beinhalten, wäre dies ein mehr als komischer Zufall. Wie der alte Schuster zu diesem Kristall, sofern er tatsächlich einen hatte, gekommen war, war klar, doch woher stammten die anderen vier?

Nachdem der alte Becher sich mit ihr unterhalten hatte, schienen die anderen Gäste es offensichtlich für klüger zu halten, nach Hause zu gehen. In den nächsten Minuten verließ einer nach dem anderen die Gaststube und die beiden edler angezogenen Frauen ging hinauf. Klara hatte also recht, sie waren fahrende Händlerinnen.

Während sich die Gaststube allmählich leerte, drehte sich Klara eine weitere Zigarette und zündete diese an. Sie hatte etwas Interessantes erfahren, sobald Ludwig zurückkehren würde, was nicht mehr allzu lange dauern konnte, würde sie sich mit ihm beraten.

Kurz schweifte ihr Blick auf eines der unzähligen Fenster. Draußen regnete es bereits, das drohende Gewitter hatte Gründorf erreicht. Ludwig würde bestimmt völlig durchnässt werden.

Da die Gaststube nun bis auf sie, Mathilda und Maria leer war, verabschiedet sich nun auch der Barde und zog in die Nacht hinaus.