Elementarisierung 2.0 - Friedrich Schweitzer - E-Book

Elementarisierung 2.0 E-Book

Friedrich Schweitzer

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Beschreibung

Der Religionsunterricht steht heute vor besonderen Herausforderungen. Wie kann er mit seinen Inhalten die Kinder und Jugendlichen so erreichen, dass es zu gelingenden, lebensbedeutsamen Lernprozessen kommt? Das inzwischen weithin bewährte Elementarisierungsmodell bietet dafür entscheidende Hilfen für die Praxis. In diesem Band wird dieses religionsdidaktische Modell auf dem neuesten Stand vorgestellt. Neben einer knappen theoretischen Einführung als Überblick stehen zentrale Themen des Religionsunterrichts im Fokus, die in Beispielen praktisch entfaltet werden. Dabei werden aktuelle Befunde aus der Kinder- und Jugendforschung aufgenommen und Verbindungen zur empirischen Unterrichtsforschung hergestellt. Elementarisierung wird kompetenztheoretisch so ausgelegt, dass elementarisierender Unterricht als Weg zum Kompetenzerwerb genutzt werden kann. Religionslehrkräften wird hier ein Leitfaden angeboten, mit dem die Fähigkeit erworben werden kann, Religionsunterricht nach dem Elementarisierungsmodell vorzubereiten.

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Friedrich Schweitzer/Sara Haen/Evelyn Krimmer

Elementarisierung 2.0

Religionsunterricht vorbereiten nach dem Elementarisierungsmodell

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

© 2019, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Umschlagabbildung: © Walter Christ/Adobe Stock

Satz: SchwabScantechnik, GöttingenEPUB-Produktion: Lumina Datametics, Griesheim

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com

ISBN 978-3-647-90139-8

Inhalt

Einleitung

I.Das Modell der Elementarisierung

1.Einführende Darstellung

2.Aktuelle Weiterentwicklungen: Konstruktivistische Lerntheorien – Kompetenzerwerb – empirische Unterrichtsforschung

3.Hintergründe: Herkunft und Intention des Modells

II.Religionsunterricht vorbereiten als Aufgabe der Elementarisierung

1.Zehn Schritte der Planung von Unterricht – am Beispiel »Menschenwürde und Menschenrechte« (Klasse 9/10)

2.Die Dimensionen der Elementarisierung und die Artikulation von Unterricht

3.Praktische Hinweise und Erschließungsfragen für Einsteigerinnen und Einsteiger

III.Konkretion: Beispiele für den Unterricht

1.»Gott hat die Welt geschaffen« – Aber das kann man doch gar nicht glauben! (Klasse 5/6)

2.»Abraham« – Geschichten von Aufbruch und Vertrauen auf Gott (Grundschule)

3.Wer war Jesus wirklich? – Christologie-Didaktik als notwendiges Wagnis (Oberstufe)

4.Das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter – Nächstenliebe als didaktische Herausforderung (Klasse 5/6)

5.Reformation als Mythos? – Historisch-kritische Erkenntnisse und die Anforderungen unterrichtlicher Elementarisierung (Klasse 8)

6.Welcher Gott ist der richtige? – Interreligiöses Lernen am Beispiel Islam (Klasse 7/8)

7.Migration und Religion – Anderen zu begegnen heißt, Anderes zu lehren und zu lernen (Oberstufe)

8.Gibt es ein Leben nach dem Tod? – Zum Umgang mit Jenseitsvorstellungen (Klasse 9/10)

Einleitung

Dieses kleine Buch bietet einen Leitfaden für die Vorbereitung und Gestaltung von Religionsunterricht nach dem Elementarisierungsmodell. Dabei soll es nicht nur eine Hilfe für diejenigen bieten, die im Studium oder Referendariat vor der Aufgabe stehen, Religionsunterricht vorzubereiten, sondern alle Religionslehrkräfte dazu motivieren, sich immer wieder neu auf (Unterrichts-)Themen einzulassen und diese zu durchdenken. Grundlegend geht es also um die Frage, wie eine gelungene Unterrichtsvorbereitung aussehen kann, um »guten Religionsunterricht« und damit um mehr Unterrichtsqualität.

Wie kaum ein anderes religionsdidaktisches Modell hat der Elementarisierungsansatz weithin Akzeptanz erfahren. Jenseits der Kontroversen etwa über unterschiedliche Modelle von Religionsunterricht oder auch die sogenannten religionsdidaktischen Konzeptionen wird auf diesen Ansatz zurückgegriffen. Das gilt ebenso für die evangelische wie für die katholische Religionsdidaktik. Dabei wurden und werden mitunter zusätzliche Akzentuierungen vorgenommen und Erweiterungen eingeführt, aber es bleibt doch erkennbar, dass der im vorliegenden Band dargestellte Elementarisierungsansatz heute als grundlegend angesehene Erwartungen an den Religionsunterricht aufnimmt. Zumindest in der Praxis von Ausbildung und Fortbildung hat sich dieser Ansatz über einen für die Religionsdidaktik ausgesprochen langen Zeitraum hinweg bewährt.

Dabei gehört der Religionsunterricht zu den Fächern der Schule, bei denen es ganz besonders auf eine erfahrungsbezogene und für die Schülerinnen und Schüler lebensbedeutsame Erschließung von Inhalten ankommt. Zugleich fällt genau dies in der Unterrichtspraxis nicht immer leicht: Es bedarf eigener Bemühungen darum, Lehr- und Lernprozesse so zu gestalten, dass sie den Zielen »guten Religionsunterrichts« gerecht werden.

Zudem haben sich die Voraussetzungen professioneller Unterrichtsvorbereitung deutlich verändert. Anders als noch vor einigen Jahren steht die Unterrichtsvorbereitung oder -planung heute von vornherein auch im Horizont der empirischen Unterrichtsforschung. Gute Ideen und kreative Impulse von Lehrkräften sind nach wie vor gefragt, aber verlangt wird darüber hinaus – wo immer möglich – auch der Nachweis, dass mit einer entsprechenden Wirksamkeit des geplanten Unterrichts gerechnet werden kann. Neben Untersuchungen aus der allgemeinen Unterrichtsforschung kann dafür zumindest ansatzweise inzwischen auch auf eine religionsdidaktische Forschung zurückgegriffen werden, bei der bestimmte didaktische Strategien sowie Formen von Unterricht empirisch auf die Probe gestellt werden. Deshalb ist nun jeweils ausdrücklich zu fragen: Lassen die empirischen Befunde erkennen, dass die erwarteten Ziele im Unterricht tatsächlich erreicht werden? Welche didaktischen Strategien eignen sich im Blick auf bestimmte Zielsetzungen mehr als andere? Die religionsdidaktische Unterrichtsforschung ist allerdings noch weit davon entfernt, solche Fragen auch nur für die wichtigsten Themenbereiche verlässlich beantworten zu können. Insofern geht es in dieser Hinsicht noch um Zukunftsperspektiven, die aber doch auch jetzt schon immer stärker berücksichtigt werden sollten. Wo bereits entsprechende Befunde vorliegen, dürfen sie auch bei der Planung von Unterricht nicht außer Acht gelassen werden. Auf jeden Fall aber müssen und können die verfügbaren Untersuchungen zu den Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler konsequent beachtet werden, so wie dies in den exemplarischen Entfaltungen in diesem Band durchweg angegangen wird.

Dieses Buch trägt den Titel »Elementarisierung 2.0«. Damit ist kein spezieller Bezug auf die Digitalisierung gemeint, sondern es soll zum Ausdruck gebracht werden, wie sich dieser Band zur bisherigen Elementarisierungsdiskussion verhält. Zum einen wird der Elementarisierungsansatz ganz allgemein auf dem neuesten Stand seiner Entwicklung dargeboten. Zum anderen geht es um eine Reihe wichtiger Neuerungen, die im vorliegenden Band in zusammenhängender Weise aufgenommen werden:

–Von Anfang an lebte und lebt der Elementarisierungsansatz von einer konsequenten Berücksichtigung der Kinder- und Jugendforschung, insbesondere im Blick auf die religiöse Entwicklung im Kindes- und Jugendalter. Heute sind dazu neue Befunde und Sichtweisen verfügbar, die nun in den Elementarisierungsansatz integriert werden.

–Schon früh wurde zudem der Versuch unternommen, den Elementarisierungsansatz durch empirische Unterrichtsforschung zu stützen und weiterzuentwickeln. Die in den letzten Jahren und Jahrzehnten ganz allgemein in Gang gekommene empirische Bildungsforschung bietet dazu neue Impulse, die nicht zuletzt in Gestalt einer empirisch-fachdidaktischen bzw. religionsdidaktischen Unterrichtsforschung rezipiert werden. Auch darauf ist der hier dargestellte Elementarisierungsansatz von Anfang an eingestellt.

–Die mit der empirischen Bildungsforschung verbundene Kompetenzorientierung von Unterricht, die inzwischen für alle Bildungspläne in Deutschland kennzeichnend ist, muss auch bei der Planung von Unterricht berücksichtigt werden. In der vorliegenden Darstellung wird Unterricht nach dem Elementarisierungsmodell als Weg zum Kompetenzerwerb verstanden.

–Bezog sich der Elementarisierungsansatz ursprünglich vor allem auf biblische Themen, so ist schon seit einiger Zeit die Ausweitung dieses Ansatzes zu einem allgemeinen religionsdidaktischen Modell bestimmend, das nicht nur für bestimmte Themenbereiche gelten soll. Dieser Weg wird im vorliegenden Band konsequent weiterverfolgt, indem ein breiter Umkreis thematischer Beispiele zu verschiedenen Schulstufen berücksichtigt wird – biblische Themen, geschichtliche Themen, ethische Themen, interreligiöse Themen.

–Über frühere Darstellungen hinaus wir der Elementarisierungsansatz im Folgenden auch ausdrücklich auf die Aufgabe der Artikulation von Unterricht bezogen. Das macht ihn im Blick auf die Vorbereitung von Religionsunterricht noch besser handhabbar.

–Spezielle Hinweise für Einsteigerinnen und Einsteiger, die noch wenig Erfahrung mit der Vorbereitung von Unterricht haben, sollen das Arbeiten mit dem Elementarisierungsansatz weiter erleichtern.

Insgesamt sind in die Darstellung Erfahrungen aus mehr als 20 Jahren Arbeit mit diesem Ansatz in der Praxis von Ausbildung und Schule eingegangen. Darüber hinaus wurde versucht, auch kritische Impulse zu integrieren, wie sie von Kolleginnen und Kollegen entwickelt wurden, etwa im Blick auf die konstruktivistische Didaktik, die Kinder- und Jugendtheologie oder auch die Bedeutung neuer Medien. Um den Charakter eines Leitfadens für die Praxis aber nicht doch wieder durch eine breite wissenschaftliche Diskussion infrage zu stellen, wurde die Zahl der Literaturhinweise stark eingeschränkt. Somit steht auch in dieser Hinsicht die praxisorientierte Darstellung im Vordergrund, die bewusst auf die konkrete Unterrichtsvorbereitung zielt. Entsprechend werden auch Formulierungen oder Abschnitte, die aus eigenen früheren Veröffentlichungen zum Modell der Elementarisierung stammen, nicht in jedem Falle gekennzeichnet.

Die in Teil III ausgeführten exemplarischen elementaren Erschließungen zu einzelnen Themen sind so angelegt, dass sie jeweils eine oder auch zwei der Elementarisierungsdimensionen besonders ausführlich entfalten. Sie sind immer mit Blick auf eine bestimmte Klassen- oder Kursstufe verfasst, die zu Beginn des jeweiligen Kapitels ausgewiesen wird – vom Grundschulreligionsunterricht bis hin zur Gymnasialen Oberstufe. Selbstverständlich lassen sich die inhaltlichen Erschließungen aber auch auf andere Klassenstufen übertragen.

Um eine bundesweite Nutzbarkeit des Bandes zu gewährleisten, wurde bei allen Themen ein breiter Bestand an Bildungsplänen konsultiert (besonders Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen). Da die jeweils aktuellen Bildungspläne mit einer einfachen Suche im Internet zu finden sind, wird in diesem Band darauf verzichtet, jeweils die URL anzugeben.

Wenn dieses Buch seinen Platz in der Ausbildung und Fortbildung von Religionslehrkräften findet, ist sein erstes Ziel erreicht. Dass damit auch das zweite Ziel – die Sicherung »guten Religionsunterrichts« – verbunden sein könnte, bleibt freilich die gewichtigere Hoffnung.

I.Das Modell der Elementarisierung

1.Einführende Darstellung

Das Elementarisierungsmodell ist einerseits komplex und andererseits sehr einprägsam. Seine Einprägsamkeit bezieht sich vor allem auf die fünf Dimensionen der Elementarisierung, in denen es seine Arbeitsform für die Planung und Gestaltung von Unterricht gewinnt. Diese Dimensionen sollen in dieser einführenden Übersicht vorgestellt werden. Jede dieser Dimensionen lässt sich auch als ein Arbeitsschritt verstehen, dem eine bestimmte (fach-)didaktische Funktion zukommt. Die Abfolge der Schritte liegt dabei nicht fest, sondern kann je nach Thema variieren.

Übergreifend ist festzuhalten, dass Elementarisierung ein religionsdidaktisches Modell für die Vorbereitung und Gestaltung von (Religions-)Unterricht bezeichnet, das eine Konzentration auf pädagogisch elementare – also von den Inhalten ebenso wie von den Kindern und Jugendlichen (oder Erwachsenen) her grundlegend bedeutsame und für sie zugängliche – Lernvollzüge unterstützen soll.

Damit ist bereits auf die grundsätzliche didaktische Ausrichtung des Modells verwiesen: Es soll helfen, eine Brücke zwischen Inhalten und den Lernenden zu schlagen, sodass sich ein Inhalt als Thema für die Fragen, Interessen und Orientierungsbedürfnisse von Kindern und Jugendlichen erschließen kann. Dies gilt im Religionsunterricht in jeweils abgewandelter Form ebenso für die biblisch-christliche Überlieferung wie für Themen aus der eigenen Gegenwart.

1.1Elementare Strukturen

Zumindest im weitesten Sinne gibt es Unterricht nur, wenn dabei bestimmte Inhalte bearbeitet werden. Insofern leuchtet es ein, dass Schulfächer immer auf bestimmte Wissenschaften bezogen sind. Die Schule soll die Welt nicht einfach im Sinne alltäglicher Wahrnehmungen erschließen, sondern auf dem Niveau der jeweils bewährtesten Erkenntnisse.

Eine zentrale Aufgabe der Unterrichtsvorbereitung besteht deshalb immer darin, dass sich die Unterrichtenden mit den entsprechenden Sachverhalten vertraut machen. Dazu müssen sie auf diejenige wissenschaftliche Disziplin zurückgreifen, die die Bezugswissenschaft zu ihrem Schulfach darstellt, aber – je nach Thema – auch auf andere Wissenschaften. Im Religionsunterricht müssen die elementaren Strukturen deshalb vor allem mithilfe der Theologie geklärt werden, aber auch der Philologie, der Geschichtswissenschaft, der Philosophie, der Human- und Sozialwissenschaften, der Religionswissenschaft u. a. m.

Zu einer didaktischen Aufgabe wird die Klärung elementarer Strukturen aber erst dadurch, dass schon bei diesem Schritt der Unterrichtsvorbereitung eine bestimmte Lerngruppe vor Augen steht. Denn jede fachwissenschaftliche Klärung von Sachverhalten begegnet dem Problem, dass es immer weit mehr Erkenntnisse gibt, als in einer Unterrichtsstunde oder auch in einer Unterrichtseinheit aufgenommen werden können. Auswahl und Konzentration sind deshalb unverzichtbar, und sie sollen von einer Reflexion auf die Lernvoraussetzungen und -möglichkeiten der Lerngruppe gesteuert sein. Denkt man beispielsweise an einen Text wie das erste Kapitel der Bibel, so liegt unmittelbar auf der Hand, wie viele Fragen sich von diesem Text her stellen lassen.1 Es geht natürlich als erstes um das Verständnis von Schöpfung, aber eben auch um Weltbilder und Gottesbilder, um Menschenbilder sowie speziell um Mann und Frau; daneben spielen aber auch Themenkomplexe wie Pflanzen und Tiere, Himmel und Erde, Wasser und vieles andere eine Rolle. Und damit ist die Auslegungs- sowie die Wirkungsgeschichte dieses Textes noch nicht einmal angesprochen. Eine Auswahl ist also unerlässlich.

Auch die Lehrperson ist bei der Sachklärung immer wieder aufs Neue gefragt, am eigenen Erkenntnisgewinn zu arbeiten. Denn das Elementarisierungsmodell würde missverstanden, wenn sich die Unterrichtenden beispielsweise im Falle des Grundschulreligionsunterrichts bei der Klärung elementarer Strukturen von vornherein auf das beschränken wollten, wonach die Kinder vielleicht fragen. Gerade bei der Sachklärung muss die Lehrkraft zu einer für sie selbst persönlich tragfähigen Sicht gelangen. Wie sehe ich und wie verstehe ich Schöpfung? Wie kann ich Gott als Schöpfer begreifen? Wie steht es um meinen Glauben an Gott als den »Schöpfer des Himmels und der Erde«?

Ein konzentriertes Ergebnis dieses Arbeitsschrittes sollte darin bestehen, in eigenen Worten formulieren zu können, worum es im Kern bei einem Text oder Thema geht – und zwar im Blick auf eine bestimmte Lerngruppe.

1.2Elementare Zugänge

Schon bei den elementaren Strukturen ist deutlich geworden, dass es der Didaktik immer um eine auf Schülerinnen und Schüler bezogene Erschließung von Inhalten geht. Dafür haben sich in der didaktischen Tradition zwei Fragehinsichten herausgebildet, die nicht ohne Weiteres trennscharf und die auch in sich selbst differenzierungsbedürftig sind: einerseits der Alters- oder Entwicklungsbezug, andererseits der Erfahrungsbezug. Auf die erste Fragehinsicht soll in diesem Abschnitt eingegangen werden, auf die zweite dann im nächsten Abschnitt zu den elementaren Erfahrungen.

Grundsätzlich kann zwischen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit ihren je spezifischen Formen des Denkens und Verstehens unterschieden werden. Doch hat sich das Lebensalter allein als wenig aussagekräftig erwiesen: Was sich manchen Kindern schon leicht erschließt, bleibt einem Teil der Jugendlichen oder Erwachsenen verschlossen. Die neuere Entwicklungspsychologie hat sich deshalb immer mehr vom Lebensalter als Ausgangspunkt für Charakterisierungen von Kindern und Jugendlichen gelöst.2 Stattdessen fragt sie nach Entwicklungsständen, nach altersunabhängigen Entwicklungsstufen oder einfach nach der Ausprägung von Fähigkeiten und Fertigkeiten. Seit einiger Zeit kommt dazu noch der Hinweis auf domänenspezifische Entwicklungen, d. h. es wird berücksichtigt, dass Kinder beispielsweise in ihrem mathematischen Denken schon weit vorangeschritten sein können, während sie mit religiösen Fragen oder Texten noch kaum umgehen können.3 Dies wird besonders auf sozialisationsbedingte bereichsspezifische Vertrautheiten zurückgeführt, die von Kind zu Kind variieren.

Entscheidend für die Planung und Gestaltung von Unterricht ist nach heutiger religionsdidaktischer Auffassung aber die Einsicht, die sich ebenso auf die Entwicklungspsychologie wie auf die konstruktivistische (Religions-)Didaktik stützen kann: Kinder und Jugendliche erschließen sich bestimmte Sachverhalte oder die Welt im Allgemeinen jeweils auf ihre eigene Art und Weise. Sie sind dabei als aktive Subjekte tätig, die man auch nicht einfach belehren kann. Unterricht ist in dieser Sicht die Ermöglichung von Welterschließungsprozessen durch Kinder und Jugendliche, indem er dafür anregende Impulse, Erfahrungen und Erkenntnisse bereitstellt oder bereits Gelerntes korrigiert, erweitert oder manchmal auch irritierend hinterfragt.4

In religionsdidaktischer Hinsicht sind für die Beschreibung der elementaren Zugänge besonders entwicklungspsychologische Modelle bedeutsam geworden, vor allem aus der Psychoanalyse (Erik H. Erikson) und der Kognitionspsychologie (James W. Fowler, Fritz Oser) sowie aktuelle Weiterentwicklungen in beiden Bereichen.5 Mitunter wird das elementarisierungsdidaktische Anliegen dabei so missverstanden, als gehe es darum, den Kindern bestimmte Fähigkeiten oder Verstehensmöglichkeiten abzusprechen und sie auf bestimmte Stufen der Entwicklung festzulegen. Dies wäre natürlich eine Absicht, die jeder ernstzunehmenden Didaktik von vornherein widerspricht. Wichtig ist gerade umgekehrt das Anliegen, die den Kindern eigenen Deutungsweisen stark zu machen und ihnen im Unterricht Raum zu geben.

Ein gutes Beispiel stellt die Behandlung biblischer Gleichnisse im Religionsunterricht dar. Gleichnisse sind durch metaphorische Sprache geprägt, die sich Kindern nicht ohne Weiteres erschließt.6 Bis in die ersten Jahre der Sekundarstufe hinein (besonders Klasse 5 und 6) muss deshalb sorgfältig geprüft werden, ob der geplante Unterricht einfach das theologisch-exegetische Verständnis eines Gleichnisses voraussetzt oder ob er tatsächlich so angelegt ist, dass auch Kinder, die Gleichnisse einfach wörtlich verstehen, sinnvoll damit umgehen können.

Ein konzentriertes Ergebnis dieses Arbeitsschritts sollte darin bestehen, in knapper Weise die Bandbreite der von den Kindern und Jugendlichen einer bestimmten Lerngruppe zu erwartenden Deutungsweisen zu benennen. Weitere didaktische Überlegungen werden sich darauf beziehen, ob und wie den Kindern und Jugendlichen Gelegenheit gegeben werden kann, ihre Deutungsweisen weiterzuentwickeln.

1.3Elementare Erfahrungen

Dass Lernen dann erfolgreicher ist, wenn es an die Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler anknüpft oder wenn Erfahrungen im Unterricht ermöglicht werden, ist ein altes und weithin akzeptiertes didaktisches Prinzip. Für den Religionsunterricht geht es freilich nicht um beliebige Erfahrungen, sondern stets um solche, die sich spezifisch auf die Inhalte des Unterrichts beziehen lassen, beispielsweise Erfahrungen wie Angst und Hoffnung, Verlassensein und Geborgenheit. Darüber hinaus sind natürlich alle ausdrücklichen Erfahrungen mit Religion bedeutsam, etwa Begegnungen mit Kirche oder kirchlicher Kinder- und Jugendarbeit, die Vertrautheit mit biblischen Geschichten usw. Solche Erfahrungen sind bei der heutigen Schülerschaft jedoch vielfach – aufgrund der nachlassenden religiösen und kirchlichen Sozialisation – nicht automatisch und vor allem nicht für alle Kinder und Jugendlichen vorauszusetzen.

Auch bei den elementaren Erfahrungen sind Differenzierungen erforderlich. Besonders die aktuelle Debatte um Inklusion und Heterogenität hat bewusst gemacht, wie weit die Erfahrungsvoraussetzungen in einer Lerngruppe streuen können: nach Formen der Behinderung, nach Geschlecht und sozialer Herkunft, nach migrationsbedingten Hintergründen, Hautfarbe usw.7 Elementarisierender Unterricht muss sich auf eine Vielfalt unterschiedlicher Erfahrungen einstellen, die in einer Lerngruppe zu erwarten sind. Eine Hilfe können dabei vor allem sozial- und kulturwissenschaftliche Untersuchungen sein, die sich beispielsweise im Rahmen der Kinder- und Jugendforschung auf solche Erfahrungshintergründe beziehen. Religiöse Lernvoraussetzungen werden in sozialwissenschaftlichen Darstellungen allerdings nur selten angemessen berücksichtigt, weshalb spezielle, ausdrücklich auf Religion bezogene Studien im Blick auf die elementaren Erfahrungen besonders wichtig sind.8 Zunehmende Beachtung müssen in diesem Zusammenhang auch die Prozesse der Digitalisierung finden. Diese Prozesse bestimmen immer stärker die Lebensverhältnisse und machen auch vor Religion nicht halt, gerade im Kindes- und Jugendalter.9

Eine Besonderheit mancher Fächer, zu denen in hervorgehobener Weise auch der Religionsunterricht zählt, kann darin gesehen werden, dass Erfahrungen nicht nur aufseiten der Schülerinnen und Schüler zu bedenken sind, sondern dass es auch auf die in Texten und Themen angesprochenen Erfahrungen ankommt. Das Gleichnis vom verlorenen Sohn beispielsweise berührt nicht nur Vatererfahrungen in der Gegenwart, sondern ist auch mit Erfahrungen damaliger Väter und Kinder gesättigt. Elementarisierender Unterricht zielt daher auf Begegnungen – nicht nur auf der Textebene, sondern, vermittelt durch diese, auch auf der Ebene der Erfahrungen.

Eine konzentrierte Zusammenfassung besteht in diesem Falle darin, dass die für ein bestimmtes Thema wichtigsten Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler beschrieben werden können, ergänzt durch eine Reflexion auf die in den jeweiligen Texten und Themen eingelagerten Erfahrungen.

1.4Elementare Wahrheiten

Die Frage nach Wahrheit, die sich im Unterricht anhand einzelner Wahrheitsfragen oder eben Wahrheiten konkretisiert, gehört in charakteristischer Weise zum Religionsunterricht. Im Unterschied zu einer Religionskunde, die sich mit Religion nur in religiös-weltanschaulicher Neutralität befasst, soll im (konfessionellen) Religionsunterricht immer auch Raum für existenzielle Auseinandersetzungen mit Glaubensfragen sein.10 Wahrheiten können dabei nicht gelehrt oder gar vermittelt werden, aber sie können sich den am Unterricht Beteiligten erschließen.

Bei biblischen Texten stehen Glaubensüberzeugungen häufig gleichsam von selbst – von der Art der Texte her – ganz im Zentrum. Ein Satz wie »Ich bin das Licht der Welt« (Joh 8,12) enthält nicht einfach eine beschreibende Aussage, sondern kann als Appell an die Hörerinnen und Hörer aufgefasst werden, sich mit dem darin enthaltenen Anspruch auseinanderzusetzen und dazu eine eigene Position zu finden. Wenn Jesus Christus »das Licht der Welt« ist, dann ist dieses Licht nirgends sonst zu finden. Um Überzeugungen geht es aber auch bei nicht-biblischen Texten und Themen, wenn sie in die Perspektive des Glaubens gerückt werden. Ob allen Menschen tatsächlich dieselbe Würde zukommt, kann mit Hinweis auf die Allgemeine Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen beantwortet werden. Aus der Perspektive des Glaubens geht es zugleich um die Gottebenbildlichkeit des Menschen (Gen 1,27), die biblisch gesehen jedem Menschen ohne Unterschied zu eigen ist.11

Ähnlich wie bei den elementaren Strukturen besteht auch bei den elementaren Wahrheiten für die Lehrkraft eine Aufgabe darin, das eigene Verhältnis zum Inhalt zu klären – hier jedoch nicht in fachwissenschaftlicher Hinsicht, sondern bezüglich eines persönlichen, letztlich im eigenen Glauben wurzelnden Verhältnisses dazu. Hier steht dann nicht mehr nur im Vordergrund, was exegetisch gesehen »Schöpfung« bedeutet, sondern ich muss auch für mich als Lehrerin oder Lehrer klären, ob und wie ich selbst an Gott den Schöpfer glauben kann und glauben will. Gerade bei kontroversen Themen wie dem Schöpfungsglauben kommt es immer wieder vor, dass Schülerinnen und Schüler ihre Lehrkraft daraufhin befragen, ob sie das »denn selber glaube«. Auf solche Fragen sollte eine professionell agierende Lehrkraft nicht nur spontan, sondern in vorbereiteter und reflektierter Weise antworten können.

In konzentrierter Zusammenfassung sollte am Ende dieses Arbeitsschritts die Identifikation von Wahrheitsfragen stehen, die im Unterricht aufbrechen können. Darüber hinaus sollte auch geklärt sein, wie Schüler und Schülerinnen zu solchen Fragen ermutigt werden können. Und schließlich sollte sich eine Lehrkraft auch immer selbst daraufhin befragen, wie er oder sie zu einem bestimmten Thema steht. Selbst sperrige oder schwierige Themen lassen sich nur so authentisch unterrichten.

1.5Elementare Lernformen

Dass auch unterrichtsmethodische Fragen für die Unterrichtsplanung und -gestaltung von grundlegender Bedeutung sind, versteht sich von selbst. Mitunter herrscht sogar noch immer das Missverständnis vor, als bestünde die didaktische Hauptaufgabe gerade in der methodischen Gestaltung, was durch die bisherigen Überlegungen aber ebenso ausgeschlossen wird wie durch die grundlegende Unterscheidung zwischen Didaktik und Methodik. Unterrichtsmethodik ist immer nur ein Aspekt von Didaktik, der im Zusammenhang der Didaktik reflektiert und verantwortet werden muss.

Umgekehrt wäre es aber auch nicht angemessen, methodische Fragen als nachrangig anzusehen. Sie können nicht einfach als eine Art Anhang der ersten vier Elementarisierungsdimensionen verstanden werden. Häufig steht in der Praxis am Anfang gerade eine Unterrichtsidee, die sich auf bestimmte methodische Gestaltungsformen bezieht. Die Aufgabe besteht dann darin, eine solche Idee konsequent in den Gesamthorizont der Elementarisierung einzuzeichnen und damit für eine auch didaktisch sinnvolle Unterrichtsgestaltung zu sorgen.

Für das Elementarisierungsmodell sind Fragen nach elementaren Lernformen ebenfalls grundlegend: Zum einen kann der Unterricht nie allein von seinen Inhalten her elementar genannt werden. Es kommt immer auch darauf an, wie gelehrt und gelernt wird. Zum anderen soll sichergestellt werden, dass nicht einfach beliebige, angeblich »attraktive« Methoden oder allgemeine, angeblich »bewährte« Prinzipien wie vielfacher Methodenwechsel den Unterricht bestimmen. Stattdessen kommt es darauf an, welche Lernformen mit den anderen Elementarisierungsdimensionen harmonieren. Wenn beispielsweise die poetische Gestalt eines Psalmtexts unter dem Aspekt der Strukturen, aber auch der Erfahrungen und Zugangsweisen als elementar angesehen wird, so kann dieser Text im Unterricht nur schwerlich auf einer schlechten Fotokopie oder gar ohne Berücksichtigung der Versstruktur präsentiert werden.

Unterrichtsgestaltung im Sinne elementarer Lernformen beruht auf vielfachen Erkenntnissen zum menschlichen Lernen. Lernen ist nie allein kognitiv, es schließt immer auch emotionale sowie körperliche Dimensionen ein. In der Schule ist es in Beziehungen eingelagert – sowohl zwischen Lehrkraft und Schülerinnen und Schülern wie auch innerhalb der Lerngruppe. All dies sollte bei der Bestimmung der elementaren Lernformen bedacht werden.

Eine weitere Frage betrifft dabei die Medien, sowohl im Sinne der im Unterricht eingesetzten (Lern-)Medien als auch des weiteren medialen Horizonts, in dem sich das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen heute vollzieht. Die Frage nach elementaren Lernformen ist insofern immer auch mediendidaktisch zu reflektieren.

In knapper Zusammenfassung kann am Ende dieses Elementarisierungsschritts die Auskunft darüber stehen, welcher Zusammenhang zwischen den elementarisierungstheoretisch erschlossenen Inhalten auf der einen und den zu unterstützenden Aneignungs- bzw. Konstruktionsformen auf der anderen Seite besteht. Dies lässt sich dann durch die Auswahl unterrichtsmethodischer Planungen weiter konkretisieren.

1.6Zusammenfassung: Die Elementarisierungsdimensionen im Überblick

In Tabellenform lassen sich die fünf Elementarisierungsdimensionen wie folgt darstellen:

Dimensionen der Elementarisierung

Elementare Strukturen

Identifikation der zentralen inhaltlichen Aspekte, Zusammenhänge, Aussagen usw., die mithilfe der Fachwissenschaft (besonders der Theologie) herausgearbeitet werden, jedoch immer bereits mit Bezug auf eine bestimmte Lerngruppe, für die nicht gleichermaßen alle inhaltlichen Aspekte infrage kommen

Elementare Zugänge

Wahrnehmung und Beschreibung der besonderen Zugangs- und Deutungsweisen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen je nach Zielgruppe, aber auch verschiedener Einzelpersonen, deren je besondere Lebenslagen auch in ihre Verstehensweisen eingehen; Grundlage dafür sind entwicklungspsychologische sowie konstruktivistische Theorien, empirische Untersuchungen u. Ä.

Elementare Erfahrungen

Wahrnehmung und Beschreibung von Erfahrungen und lebensweltlichen Zusammenhängen, von denen her Kinder, Jugendliche und Erwachsene einem Thema begegnen bzw. auf die hin ein Thema ausgelegt werden kann, z. B. mithilfe der Sozialisationsforschung, empirischer Untersuchungen zur Religiosität u. Ä.

Elementare Wahrheiten

Identifikation der existenziellen Bezüge oder Gewissheiten, die bei einem Thema oder in einer biblischen Geschichte, etwa als Glaubensfragen, angesprochen oder enthalten sind; Prüfung von Möglichkeiten, diesen Wahrheitsanspruch dialogisch aufzunehmen; auch dafür bietet die Theologie wichtige Hinweise, daneben ist auch hier etwa an theologische Gespräche mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen (Kinder- und Jugendtheologie) zu denken

Elementare Lernformen

Suche nach Formen des Lehrens und Lernens, die der Besonderheit des Themas gerecht werden, unter Berücksichtigung unterschiedlicher Aspekte des Lernens (kognitiv, affektiv, handlungsorientiert) sowie kreativer Möglichkeiten der Gestaltung im Anschluss an die aktuelle pädagogischdidaktische Methodik

2.Aktuelle Weiterentwicklungen: Konstruktivistische Lerntheorien – Kompetenzerwerb – empirische Unterrichtsforschung

Das Modell der Elementarisierung empfiehlt sich durch langjährige Bewährung in der Praxis von Ausbildung und Unterricht. Zugleich müssen sich Modelle der Unterrichtsvorbereitung und -gestaltung immer wieder weiterentwickeln, um mit dem aktuellen Stand der (fach-)didaktischen Diskussion sowie der (Unterrichts-)Forschung Schritt zu halten. Dabei wird auch sichtbar, ob ein bestimmtes Modell überhaupt entwicklungsfähig ist oder ob es lediglich einen bestimmten Stand der Didaktik widerspiegelt, mit dem es dann gegebenenfalls überholt ist.

Das Elementarisierungsmodell wurde und wird konsequent aktualisiert. Dabei hat es sich als so entwicklungsfähig erwiesen, dass es neue Elemente in sich aufnehmen kann. Mehr noch: Es hat sich gezeigt, dass gerade das Elementarisierungsmodell eine sinnvolle Aufnahme beispielsweise von Erkenntnissen aus der empirischen Unterrichtsforschung unterstützt und in gewisser Hinsicht erst ermöglicht.

2.1Kinder und Jugendliche als Subjekte: Konstruktivismus, Kinder und Jugendtheologie

Die Forderung, Kinder und Jugendliche als Subjekte – auch ihres Lernens im Unterricht – wahrzunehmen und anzuerkennen, hat für das Elementarisierungsmodell immer mehr an Gewicht gewonnen. Von Anfang an war es ein zentrales Anliegen dieses Modells, die für Kinder und Jugendliche spezifischen Weltzugänge und Deutungsweisen auch bei der Unterrichtsplanung konstitutiv zu berücksichtigen. Dazu diente und dient der Rückgriff auf entwicklungspsychologische Erkenntnisse, aber auch die Aufnahme von Befunden aus der Kindheits- und Jugendforschung.

Die neuere didaktische Diskussion hat dieses Anliegen mit der Ausbildung einer konstruktivistischen Didaktik weiter vorangetrieben. In der Religionsdidaktik wird ebenfalls weithin von einem konstruktivistischen Ansatz ausgegangen. Die Aufnahme spezieller konstruktivistischer Theorien stellt allerdings eher ein eigenes Spezialgebiet dar, während der fachdidaktische Mainstream stärker an der Kinder- und Jugendtheologie orientiert ist.12 In den Ansatz der Kinder- und Jugendtheologie sind deutlich konstruktivistische Perspektiven eingeflossen, daneben aber auch allgemeine Zielsetzungen und Wahrnehmungen aus der Religionspädagogik, besonders der Wertschätzung von Kindern und Jugendlichen, des Rechts des Kindes auf Religion oder der religionspädagogischen Anthropologie des Kindes.13

Für das Elementarisierungsverständnis im Sinne der Unterrichtsvorbereitung sind am Ende weniger die Unterschiede zwischen den verschiedenen Ansätzen entscheidend als das gemeinsame Anliegen, Kindern und Jugendlichen als aktiven Subjekten und als Konstrukteuren von Wirklichkeit gerecht zu werden. Lernen, so kann zusammenfassend formuliert werden, ereignet sich kaum einmal in der Gestalt bloßer Vermittlung, sondern in aller Regel durch aktive Aneignung und eigene Konstruktion der Lernenden. Das gilt beispielsweise auch für biblische Geschichten. Kinder und Jugendliche eignen sich solche Geschichten an, indem sie sie selbst auslegen. Spannend und herausfordernd ist dieser Aneignungsprozess dadurch, dass er mitunter zu Akzentuierungen führen kann, die sich von dem etwa der wissenschaftlichen Exegese zufolge Gemeinten deutlich unterscheiden. So können Kinder etwa das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg durchaus so verstehen, dass Jesus es als Negativ-Beispiel gemeint habe, damit die Menschen wissen, wie sie es nicht machen sollen.14 Oder sie sehen im Gleichnis vom Verlorenen Sohn ein eindrückliches Beispiel dafür, wie der Vater im Gleichnis zur Besinnung kommt, sein hartes Verhalten zu seinem Sohn bereut und so versöhnungsfähig wird.15 Dies widerspricht natürlich dem exegetischen Befund, aber einfach im Unterricht korrigieren lassen sich solche Deutungsweisen gerade nicht. Sonst entsteht ein lediglich aufgesetztes Wissen, ohne Bezug zu den eigenen Verstehensweisen. Lernen im Sinne des Elementarisierungsmodells kann deshalb nur so begriffen werden, dass es konstitutiv auf die eigenen Deutungsprozesse von Kindern und Jugendlichen bezogen ist.

In dieser Hinsicht hat die Kinder- und Jugendtheologie entscheidend zur Weiterentwicklung des Elementarisierungsmodells beigetragen. Dieser religionsdidaktische Ansatz hat zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass nicht nur unterrichtende Erwachsene, sondern auch Kinder und Jugendliche etwa im Religionsunterricht selbst auswählen, was für sie wesentlich ist, und es in eine Perspektive rücken, die für sie sinnvoll ist. Genau dies bedeutet ja die Aufforderung, Kinder und Jugendliche als Theologen wahrzunehmen und anzuerkennen. Umgekehrt erbringt das Elementarisierungsmodell für die Kinder- und Jugendtheologie eine entscheidende Erweiterung im Blick auf ihren Einsatz im Religionsunterricht. Denn im Unterricht kann es nie allein darum gehen, Kinder zu beobachten und zu fragen, wie sie beispielsweise ein Gleichnis verstehen. Unterricht gewinnt seine Berechtigung nur dann, wenn Kinder und Jugendliche gefördert werden. Anders ausgedrückt: Unterricht muss dem Lernen und damit dem Lernfortschritt dienen.

2.2Kinder und Jugendliche fördern: Kompetenzerwerb

Der Anspruch, dass Unterricht Kinder und Jugendliche in ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten fördern soll, ist so alt wie die Schule selbst. Vergleichsweise neu ist die Verwendung des Kompetenzbegriffs, um diesen Effekt von Schule und Unterricht in einer auch empirisch überprüfbaren Weise zu beschreiben. Im Hintergrund stehen die von der empirischen Bildungsforschung ausgehenden Vergleichsuntersuchungen zur Ausprägung entsprechender Kompetenzen (vor allem die PISA-Studien). Seither wird gefragt, welche Kompetenzen im Unterricht gefördert werden sollen und ob dies durch den entsprechenden Unterricht auch tatsächlich erreicht wird. Vor diesem Hintergrund versteht sich auch die inzwischen weithin vollzogene Umstellung auf kompetenzorientierte Bildungspläne.

Auch für die Vorbereitung und Gestaltung von Unterricht kann die Kompetenzorientierung nicht ohne Folgen bleiben. Zwar ist in der fachdidaktischen Diskussion nicht nur für den Religionsunterricht noch immer umstritten, ob der ganze (Religions-)Unterricht nun kompetenzorientiert gestaltet werden und ob eine insgesamt veränderte Didaktik angestrebt werden soll, aber es steht doch außer Zweifel, dass auch der Religionsunterricht dem Kompetenzerwerb dienen muss.16 Was bedeutet dies nun für den Elementarisierungsansatz? Eine Prüfung von Möglichkeiten, Religionsdidaktik und Kompetenzorientierung im Horizont der Elementarisierung miteinander zu verknüpfen, führt zu der Einsicht, dass sich den vorgestellten fünf Dimensionen der Elementarisierung schwerpunktmäßig bestimmte Kompetenzen zuordnen lassen: Sprachkompetenz, Selbstkompetenz, Urteilskompetenz, Methodenkompetenz, Orientierungs- und Dialogkompetenz. In Tabellenform lässt sich dies so darstellen:

Dimensionen der Elementarisierung

Zuordnung zu Kompetenzen

Strukturen

Sachkompetenz

Erfahrungen

Sprachkompetenz, Selbstkompetenz

Zugänge

Urteilskompetenz

Lernformen

Methodenkompetenz

Wahrheiten

Orientierungskompetenz, Dialogkompetenz